Blind Date

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Lomil

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Blind Date


Dieser Tag im November hatte besseres Wetter verdient. Doch er versank in einem wolkenbruchartigen Regen, als sei er unwichtig. Aber das war er nicht. Es war ein wichtiger Tag, wenn nicht der Wichtigste in meinem Leben, dachte Franziska. Leider Sonntag. Sonntage deprimierten sie im Allgemeinen.
Sie trat vor den Spiegel und übte Lächeln. Ein ernstes Gesicht ließ sie mürrisch aussehen, und eine Spur zu viel Lächeln ließ es schief ausfallen, als ob sie es nur mit einer Gesichtshälfte täte. Ihr misslang das Lächeln.
Die weiblichen Merkmale hatten, bei zu eng stehenden Augen unter zu buschigen Brauen, gleichermaßen großem Mund wie Nase, sowie einer leichten Oberlippenbehaarung ihren Einsatz verpasst.
Franziska legte die Handflächen auf ihre Wangen. Sie spürte die Hitze ihres Gesichts und einen undefinierbaren Schmerz.
Mit wahrheitliebender Gründlichkeit unterzog sie sich einer eingehenden Betrachtung ihres Körpers. Stoßseufzer begleiteten ihre Hand die unförmigen Linien entlang, der kaum spürbaren, geschweige sichtbaren Vertiefung zwischen Rumpf und Hüfte.
Manchmal hatte sie ihren Körper gern, dann gab es nur sie und ihn. Das Einzige was ihr gehörte, worauf sie sich verlassen konnte. Und er verpasste seinen Einsatz nie.
Ihr war heiß und sie schwitzte.
Träge legte sie ihre, für ihren massigen Körper, zu kleine Brust frei. Diese machte einen hilflosen, geschwächten Eindruck. Mit beiden Händen stützte sie die unstabilen Hügel.
Langsam führte sie zu Ende, was sie ohne Sentimentalität begonnen hatte. Für einen kurzen Moment genoss sie die kleine Erlösung, die sie sich selbst zufügen konnte. Durch die ihr Körper eine wahrnehmungsfähige Qualität bekam.
Nie würde das Gefallen wecken bei einem Mann, oder gar Liebe.

Sie würde einen Push-Up anziehen. Nein, verwarf sie den Gedanken gleich wieder. Nichts war Christopher M. Staden wichtiger als Natürlichkeit. Das hatte er nicht nur einmal in seinen Briefen betont. Lippenstift und Wimperntusche zur Unterstützung des natürlich Gegebenen waren für ihn das einzig Akzeptabele.
Noch nie hatte Franziska versucht an den Gegebenheiten etwas zu ändern. Jetzt gab sie sich Mühe, ihrem Gesicht mittels Lidschatten, Wimperntusche und Lippenstift Ausdruck zu verschaffen. Doch sie brachte nur Aufruhr zwischen die großporigen Flächen. Schon die Anstrengung ihres Friseurs, mittels neuem Schnitt und roten Strähnchen, ihre Haare wirkungsvoller zu gestalten, hatten in der Kardiologie von Dr Herz keine Begeisterungsstürme bei ihren Kolleginnen hervorgerufen.

Nur der dicke Lehmann, den Franziska fürs EKG anschließen musste, äußerte sich auf seine gewöhnliche Art positiv.
Franziska ekelte sich vor Lehmann. Trotz gründlicher Benutzung eines Deodorants roch er scharf -süß nach Schweiß,nach feuchtem überlagertem Fisch.
Franziska versuchte die Luft anzuhalten, bis sie alle Elektroden für das EKG angeschlossen hatte. Er sah erbärmlich aus, wie er da so vor ihr lag, in seiner schmutzig weißen Feinrippunterhose, in dem sein anspruchloses Geschlecht kaum Eindruck hinterließ. Doch wie immer ließ der Eindruck von fremder Nacktheit sie erschaudern. Sie spürte das warme, weiche Fleisch zwischen ihren Fingern und war, gegen ihren Willen, angenehm berührt. Doch sie hatte eine Abneigung gegen kranke Menschen. Menschen, auf deren körperliche und seelische Hinfälligkeit Verlass war und die täglich die Praxis bevölkerten.

Obwohl der Mangel an eigener Schönheit ihr nichts auszumachen schien, besaß sie einen ausgeprägten Sinn für die schönen Dinge des Lebens. Musik, Balett, Theater, Malerei. Alles Dinge, über die sie sich mit Christopfer M. Staden austauschen konnte. In seiner schönen poetischen Sprache hatte er ihr sebstverfasste Gedichte geschrieben. Franziska sah auch gerne schöne Frauen, locker fallendes glänzendes Haar und anmutige Bewegungen.
Bei Männern war sie empfänglich für eine intensive konsequente Männlichkeit. Feingliedrige, schlanke Hände und eine Figur, deren Konfektionsgröße nur unwesentlich die ihrer Schuhgröße überschritt.
Ihre eigene üppige Weiblichkeit versteckte sie unter Sackartigen Kleidern oder weiten Hosen, die ihre zu kurz geratenen Beine noch verkürzten.
Mit so einem Aussehen konnte man keinen Erfolg bei Männern haben. Trotzdem hielt sie sich für auserwählt, denn sie hatte etwas was anderen Frauen fehlte; Charme und Gefühl.

Gerade das war es, was Christopher M. Staden an ihr schätzte.
Seine Briefe hatten ihr ein völlig unbekannte Feld eröffnet, rissen sie aus ihrer Einsamkeit. Endlich hatte auch sie ihre Liebe, Leidenschaft die sie mit Gedanken behaften konnte, auch wenn diese unbestreitbar das war, was man als hoffnungslos bezeichnen konnte.
Sie durchlitt sämtliche Phasen der Leidenschaft und verzehrte sich in einer unzeitgemäßen und absurden Liebesglut nach einem Mann, den sie nur durch seine Briefe und von einem Bild kannte, das er ihr auf ihren Wunsch hin geschickt hatte.
Das Bild zeigte einen für sein Alter mit einem Jugendgesicht gesegneten Mann. Umtrieben, parkettsicher. Ein Mann der in seinem Glanz zu baden schien. Was Franziska bei jedem anderen Mann als zu aufdringlich, zu dandyhaft, abgelehnt hätte.

Wäre es nur sein Aussehen gewesen,er hätte Franziska nicht so beeindrucken können. Doch in seinen Briefen zeigte er eingehendes Interesse an anderen Menschen und war frei von Vorurteilen, obwohl er manchmal den Einruck machte, allen überlegen zu sein, jedoch ohne Arroganz. Im Gegenteil. Allein schon seine Geduld und Bescheidenheit zeugten von der Aufmerksamkeit die er Franziska entgegen brachte.
Mit ihm konnte sie über alles reden bzw. schreiben.
Obwohl er nicht zu den Männern gehörte, für die Problemzonengymnastik ein Thema gewesen wäre, war auch das einmal Inhalt eines Briefes. Er hatte ihr ein Kompliment über ihr Aussehen gemacht, nachdem sie ihm, anstatt eines Bildes von sich, eins ihrer Cousine Louisa geschickt hatte.
Eine Schönheit, die Franziska trotz vitamin - und hormonangereicherter, teurer Feuchtigkeitscremes nie erreichen würde.

Das hatte sie für sich akzeptiert! Doch heute wollte sich Christopher M. Staden ein Bild von ihr machen. Er wollte sich mit ihr im "Da Capo" treffen.
Bevor sie den Gedanken über das Auffliegen des Betruges zu Ende gedacht hatte, überkam sie das leere, weiche Gefühl der Verantwortungslosigkeit. Sie musste sich gar nicht rechtfertigen. Christopher M. Staden würde im "Da Capo" nach ihrer Cousine Louisa Ausschau halten, und Franziska konnte ihn ungestört und unerkannt, ein einziges Mal sehen. Die gleiche Luft atmen wie er. Sie ging keinerlei Risiko ein.

Lächelnd, mit den Gedanken der Zeit voraus, musterte sie kritisch, mit wohlwollender Nachsicht ihr Spiegelbild und verließ die Wohnung. Der Herbstwind fand eine große Angriffsfläche unter ihrem weit geschnittenen Mantel, blähte ihn auf und brachte Unordnung unter die darunter liegende Kleidung. Der zu eng sitzende Wildlederrock klebte an den Oberschenkeln fest.

Der Wolkenbruch hatte sich in feinen Nieselregen verwandelt, der ihr jetzt die kunstvoll frisierten Haare, wie zu weich gekochte Spagehetti im Gesicht kleben ließ.
Als Franziska das Lokal betrat, empfand sie sich als Störung und litt unter den abschätzenden Blicken der hochmütig dreinschauenden Kellner. Franziska hatte Angst vor ihnen, als einer von ihnen sie in salbungsvoll unduldsamer Miene aufforderte, ihr zu folgen.
Sie stellte sich das Bild ihrer Selbst vor, so wie es ihr von langen, nachdenklichen Augenblicken vertraut war.
Sie sah die beschämenden Diagnosen in den Blicken der Männer hinter ihren Weingläsern, die sie als Frau nicht in Erwägung zogen.
Die anwesenden Frauen würdigten sie keines Blickes und wenn, eines mitleidig desinteressierte. Von ihr ging keine Gefahr aus.

Der Kellner führte Franziska an den sogenannten Katzentisch rechts neben der Tür, die den Weg zur Toilette kennzeichnete. Nicht an den von ihr reservierten Tisch am Fenster. Sein angedeutes Lächeln wirkte verwundert, als sie ihren Unmut darüber äußerte.
Das Restaurant war gut besucht und Franziska hoffte, dass es einer der wenigen freien Tische in ihrer Nähe sein würde, der für Christopher M. Staden reserviert war.

Zuerst glaubte sie, sie wäre einer Sinnestäuschung erlegen. Der dicke Lehmann hatte das Lokal betreten. Franziska hielt die Speisekarte hoch vors Gesicht, in der Hoffnung von Lehmann nicht gesehen zu werden und studierte sie mit neugieriger Ausdauer. Aber er stand schon vor ihr und erhob Ansprüche auf den freien Stuhl an ihrem Tisch. Franziska lächelte höflich aber freudlos. Ungewollt hatte ihr Gesicht einen einverstandenen Ausdruck angenommen.
Kleine unzusammenhängende Bilderinnerungen zuckten durch ihren Kopf; Lehmann beim EKG. Aber die Negativstimmung wollte sich nicht einstellen. Sie war verwirrt über den Wechsel ihrer Eindrücke. Lehmann zog die Hand aus seiner dunklen Hosentasche und streckte sie Franziska zur Begrüßung entgegen. Sie nahm die angebotene Hand, und solange sie den Ballen warmen Specks spürte, fühlte sie so etwas wie Geborgenheit. Wieder einmal konnte sie ihre Gefühle nicht einordnen.
Ohne ihre Antwort abzuwarten, ließ er seinen prallen Körper schwerfällig auf den Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht bedrohlich zu ächzen begann. Er packte seine Beine wie ein sperriges Paket unter den Tisch, den er hin und her rückte um Platz dafür zu schaffen, ohne zu verhindern, dass ihre Beine sich berührten.
Verärgert stellte Franziska fest, dass ihr auch diese unbeabsichtigte Berührung nicht unangenehm war.
Trotzdem war sie empört, dass sie sich Lehmanns Beschlagnahme gefallen ließ. Seine private Nähe beklemmte sie, flößte ihr Scheu und Neugierde ein, als berge es ein Geheimnis, etwas Lasterhaftes. Sie war auf angenehme Weise erregt und verunsichert.
Lehmann nahm die Bestellung in die Hand, ließ sich vom Kellner den passenden Wein empfehlen, bezog Franziska mit ein.
Im Laufe des Abends fiel Franziska auf, dass er ständig den Deckel seiner goldenen Taschenuhr aufschlug, als misstraue er der sich darunter befindlichen Zeit.

Sie waren die letzten Gäste die das Lokal verließen, und einem guten Beobachter wäre aufgefallen, dass sie beide während des ganzen Abends die Türe nicht aus den Augen gelassen haben.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Klasse Geschichte, gut formuliert, spannend, mit offenem Ende. Ein paar formale Kleinigkeiten müsstest Du verbesssern, geh nochmal drüber.

Sehr gern gelesen, mehr davon,

lG, Doc
 

Lomil

Mitglied
Blind Date


Dieser Tag im November hatte besseres Wetter verdient. Doch er versank in einem wolkenbruchartigen Regen, als sei er unwichtig. Aber das war er nicht. Es war ein wichtiger Tag, wenn nicht der Wichtigste in meinem Leben, dachte Franziska. Leider Sonntag. Sonntage deprimierten sie im Allgemeinen.
Sie trat vor den Spiegel und übte Lächeln. Ein ernstes Gesicht ließ sie mürrisch aussehen, und eine Spur zu viel Lächeln ließ es schief ausfallen, als ob sie es nur mit einer Gesichtshälfte täte. Ihr misslang das Lächeln.
Die weiblichen Merkmale hatten, bei zu eng stehenden Augen unter zu buschigen Brauen, gleichermaßen großem Mund wie Nase, sowie einer leichten Oberlippenbehaarung ihren Einsatz verpasst.
Franziska legte die Handflächen auf ihre Wangen. Sie spürte die Hitze ihres Gesichts und einen undefinierbaren Schmerz.
Mit wahrheitliebender Gründlichkeit unterzog sie sich einer eingehenden Betrachtung ihres Körpers. Stoßseufzer begleiteten ihre Hand die unförmigen Linien entlang, der kaum spürbaren, geschweige sichtbaren Vertiefung zwischen Rumpf und Hüfte.
Nie würde da Gefallen finden bei einem Mann, geschweige denn Liebe.

Manchmal hatte sie ihren Körper gern, dann gab es nur sie und ihn. Das Einzige was ihr gehörte, worauf sie sich verlassen konnte. Und er verpasste seinen Einsatz nie.
Ihr war heiß und sie schwitzte.
Träge legte sie ihre, für ihren massigen Körper, zu kleine Brust frei. Diese machte einen hilflosen, geschwächten Eindruck. Mit beiden Händen stützte sie die unstabilen Hügel.
Langsam führte sie zu Ende, was sie ohne Sentimentalität begonnen hatte. Für einen kurzen Moment genoss sie die kleine Erlösung, die sie sich selbst zufügen konnte. Durch die ihr Körper eine wahrnehmungsfähige Qualität bekam.

Sie würde einen Push-Up anziehen. Nein, verwarf sie den Gedanken gleich wieder. Nichts war Christopher M. Staden wichtiger als Natürlichkeit. Das hatte er nicht nur einmal in seinen Briefen betont. Lippenstift und Wimperntusche zur Unterstützung des natürlich Gegebenen wären für ihn das einzig Akzeptabele.
Noch nie hatte Franziska versucht an den Gegebenheiten etwas zu ändern. Jetzt gab sie sich Mühe, ihrem Gesicht mittels Lidschatten, Wimperntusche und Lippenstift Ausdruck zu verschaffen. Doch sie brachte nur Aufruhr zwischen die großporigen Flächen. Schon die Anstrengung ihres Friseurs, mittels neuem Schnitt und roten Strähnchen, ihre Haare wirkungsvoller zu gestalten, hatten in der Kardiologie von Dr Herz keine Begeisterungsstürme bei ihren Kolleginnen hervorgerufen.

Nur der dicke Lehmann, den Franziska fürs EKG anschließen musste, äußerte sich auf seine gewöhnliche Art positiv.
Franziska ekelte sich vor Lehmann. Trotz gründlicher Benutzung eines Deodorants roch er scharf -süß nach Schweiß,nach feuchtem überlagertem Fisch.
Franziska versuchte die Luft anzuhalten, bis sie alle Elektroden für das EKG angeschlossen hatte. Er sah erbärmlich aus, wie er da so vor ihr lag, in seiner schmutzig weißen Feinrippunterhose, in dem sein anspruchloses Geschlecht kaum Eindruck hinterließ. Doch wie immer ließ der Eindruck von fremder Nacktheit sie erschaudern. Sie spürte das warme, weiche Fleisch zwischen ihren Fingern und war, gegen ihren Willen, angenehm berührt. Doch sie hatte eine Abneigung gegen kranke Menschen. Menschen, auf deren körperliche und seelische Hinfälligkeit Verlass war und die täglich die Praxis bevölkerten.

Obwohl der Mangel an eigener Schönheit ihr nichts auszumachen schien, besaß sie einen ausgeprägten Sinn für die schönen Dinge des Lebens. Musik, Balett, Theater, Malerei. Alles Dinge, über die sie sich mit Christopfer M. Staden austauschen konnte. In seiner schönen poetischen Sprache hatte er ihr sebstverfasste Gedichte geschrieben. Franziska sah auch gerne schöne Frauen, locker fallendes glänzendes Haar und anmutige Bewegungen.
Bei Männern war sie empfänglich für eine intensive konsequente Männlichkeit. Feingliedrige, schlanke Hände und eine Figur, deren Konfektionsgröße nur unwesentlich die ihrer Schuhgröße überschritt.
Ihre eigene üppige Weiblichkeit versteckte sie unter Sackartigen Kleidern oder weiten Hosen, die ihre zu kurz geratenen Beine noch verkürzten.
Mit so einem Aussehen konnte man keinen Erfolg bei Männern haben. Trotzdem hielt sie sich für auserwählt, denn sie hatte etwas was anderen Frauen fehlte; Charme und Gefühl.

Gerade das war es, was Christopher M. Staden an ihr schätzte.
Seine Briefe hatten ihr ein völlig unbekannte Feld eröffnet, rissen sie aus ihrer Einsamkeit. Endlich hatte auch sie ihre Liebe, Leidenschaft die sie mit Gedanken behaften konnte, auch wenn diese unbestreitbar das war, was man als hoffnungslos bezeichnen konnte.
Sie durchlitt sämtliche Phasen der Leidenschaft und verzehrte sich in einer unzeitgemäßen und absurden Liebesglut nach einem Mann, den sie nur durch seine Briefe und von einem Bild kannte, das er ihr auf ihren Wunsch hin geschickt hatte.
Das Bild zeigte einen für sein Alter mit einem Jugendgesicht gesegneten Mann. Umtrieben, parkettsicher. Ein Mann der in seinem Glanz zu baden schien. Was Franziska bei jedem anderen Mann als zu aufdringlich, zu dandyhaft, abgelehnt hätte.

Wäre es nur sein Aussehen gewesen, er hätte Franziska nicht so beeindrucken können. Doch in seinen Briefen zeigte er eingehendes Interesse an anderen Menschen und war frei von Vorurteilen, obwohl er manchmal den Einruck machte, allen überlegen zu sein, jedoch ohne Arroganz. Im Gegenteil. Allein schon seine Geduld und Bescheidenheit zeugten von der Aufmerksamkeit die er Franziska entgegen brachte.
Mit ihm konnte sie über alles reden bzw. schreiben.
Obwohl er nicht zu den Männern gehörte, für die Problemzonengymnastik ein Thema gewesen wäre, war auch das einmal Inhalt eines Briefes. Er hatte ihr ein Kompliment über ihr Aussehen gemacht, nachdem sie ihm, anstatt eines Bildes von sich, eins ihrer Cousine Louisa geschickt hatte.
Eine Schönheit, die Franziska trotz vitamin - und hormonangereicherter, teurer Feuchtigkeitscremes nie erreichen würde.

Das hatte sie für sich akzeptiert! Doch heute wollte sich Christopher M. Staden ein Bild von ihr machen. Er wollte sich mit ihr im "Da Capo" treffen.
Bevor sie den Gedanken über das Auffliegen des Betruges zu Ende gedacht hatte, überkam sie das leere, weiche Gefühl der Verantwortungslosigkeit. Sie musste sich gar nicht rechtfertigen. Christopher M. Staden würde im "Da Capo" nach ihrer Cousine Louisa Ausschau halten, und Franziska konnte ihn ungestört und unerkannt, ein einziges Mal sehen. Die gleiche Luft atmen wie er. Sie ging keinerlei Risiko ein.

Lächelnd, mit den Gedanken der Zeit voraus, musterte sie kritisch, mit wohlwollender Nachsicht ihr Spiegelbild und verließ die Wohnung. Der Herbstwind fand eine große Angriffsfläche unter ihrem weit geschnittenen Mantel, blähte ihn auf und brachte Unordnung unter die darunter liegende Kleidung. Der zu eng sitzende Wildlederrock klebte an den Oberschenkeln fest.

Der Wolkenbruch hatte sich in feinen Nieselregen verwandelt, der ihr jetzt die kunstvoll frisierten Haare, wie zu weich gekochte Spagehetti im Gesicht kleben ließ.
Als Franziska das Lokal betrat, empfand sie sich als Störung und litt unter den abschätzenden Blicken der hochmütig dreinschauenden Kellner. Franziska hatte Angst vor ihnen, als einer von ihnen sie in salbungsvoll unduldsamer Miene aufforderte, ihr zu folgen.
Sie stellte sich das Bild ihrer Selbst vor, so wie es ihr von langen, nachdenklichen Augenblicken vertraut war.
Sie sah die beschämenden Diagnosen in den Blicken der Männer hinter ihren Weingläsern, die sie als Frau nicht in Erwägung zogen.
Die anwesenden Frauen würdigten sie keines Blickes und wenn, eines mitleidig desinteressierte. Von ihr ging keine Gefahr aus.

Der Kellner führte Franziska an den sogenannten Katzentisch rechts neben der Tür, die den Weg zur Toilette kennzeichnete. Nicht an den von ihr reservierten Tisch am Fenster. Sein angedeutes Lächeln wirkte verwundert, als sie ihren Unmut darüber äußerte.
Das Restaurant war gut besucht und Franziska hoffte, dass es einer der wenigen freien Tische in ihrer Nähe sein würde, der für Christopher M. Staden reserviert war.

Zuerst glaubte sie, sie wäre einer Sinnestäuschung erlegen. Der dicke Lehmann hatte das Lokal betreten. Franziska hielt die Speisekarte hoch vors Gesicht, in der Hoffnung von Lehmann nicht gesehen zu werden und studierte sie mit neugieriger Ausdauer. Aber er stand schon vor ihr und erhob Ansprüche auf den freien Stuhl an ihrem Tisch. Franziska lächelte höflich aber freudlos. Ungewollt hatte ihr Gesicht einen einverstandenen Ausdruck angenommen.
Kleine unzusammenhängende Bilderinnerungen zuckten durch ihren Kopf; Lehmann beim EKG. Aber die Negativstimmung wollte sich nicht einstellen. Sie war verwirrt über den Wechsel ihrer Eindrücke. Lehmann zog die Hand aus seiner Hosentasche und streckte sie Franziska zur Begrüßung entgegen. Sie nahm die angebotene Hand, und solange sie den Ballen warmen Specks spürte, fühlte sie so etwas wie Geborgenheit. Wieder einmal konnte sie ihre Gefühle nicht einordnen.
Ohne ihre Antwort abzuwarten, ließ er seinen prallen Körper schwerfällig auf den Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht bedrohlich zu ächzen begann. Er packte seine Beine wie ein sperriges Paket unter den Tisch, den er hin und her rückte um Platz dafür zu schaffen, ohne zu verhindern, dass ihre Beine sich berührten.
Verärgert stellte Franziska fest, dass ihr auch diese unbeabsichtigte Berührung nicht unangenehm war.
Trotzdem war sie empört, dass sie sich Lehmanns Beschlagnahme gefallen ließ. Seine private Nähe beklemmte sie, flößte ihr Scheu und Neugierde ein, als berge es ein Geheimnis, etwas Lasterhaftes. Sie war auf angenehme Weise erregt und verunsichert.
Lehmann nahm die Bestellung in die Hand, ließ sich vom Kellner den passenden Wein empfehlen, bezog Franziska mit ein.
Im Laufe des Abends fiel Franziska auf, dass er ständig den Deckel seiner goldenen Taschenuhr aufschlug, als misstraue er der sich darunter befindlichen Zeit.

Sie waren die letzten Gäste die das Lokal verließen, und einem guten Beobachter wäre aufgefallen, dass sie beide während des ganzen Abends die Türe nicht aus den Augen gelassen haben.
 

Lomil

Mitglied
Hallo Doc.

Danke für Deine wohlwollende Kritik. Die von Dir angesprochenen formalen Fehler kann ich nicht entdecken. Warscheinlich habe ich die Geschichte so oft gelesen, dass mir nichts mehr auffällt. (Tunnelblick)

Gruß Lomil
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Lomil,

was Du noch verbessern könntest:

Leider ein Sonntag.


Die weiblichen Merkmale hatten, bei zu eng stehenden Augen unter zu buschigen Brauen, gleichermaßen großem Mund wie Nase, sowie einer leichten Oberlippenbehaarung ihren Einsatz verpasst.
Die weiblichen Merkmale hatten ihren Einsatz verpasst, denn sie besaß eng stehende Augen unter zu buschigen Brauen, einen gleichermaßen großen Mund und Nase sowie eine leichte Oberlippenbehaarung.

Mit wahrheitliebender Gründlichkeit unterzog sie sich einer eingehenden Betrachtung ihres Körpers.
Mit wahrheitsliebender Gründlichkeit vertiefte sie sich in eine eingehende Betrachtung ihres Körpers.


Stoßseufzer begleiteten ihre Hand die unförmigen Linien entlang,
Stoßseufzer begleiteten ihre Hand, die der unförmige Linie entlangstrich,...

Nie würde da Gefallen finden bei einem Mann, geschweige denn Liebe.
Nie würde ein Mann daran Gefallen finden, geschweige denn Liebe fühlen.

das einzig Akzeptabele.
das einzig Akzeptable


Schon die Anstrengung ihres Friseurs, mittels neuem Schnitt und roten Strähnchen, ihre Haare wirkungsvoller zu gestalten, hatten in der Kardiologie von Dr Herz keine Begeisterungsstürme bei ihren Kolleginnen hervorgerufen.
Schon die Anstrengung ihres Friseurs mittels neuem Schnitt und roten Strähnchen ihre Haare wirkungsvoller zu gestalten, hatten in der Kardiologie von Dr. Herz ...


kaum Eindruck hinterließ. Doch wie immer ließ der Eindruck von fremder Nacktheit sie erschaudern.
Zwei Mal Eindruck ist ein Mal zu viel!

war, gegen ihren Willen, angenehm berührt.
Kommata sind hier überflüssig.

über die sie sich mit Christopfer M. Staden austauschen konnte.
Christopher :)

selbstverfasste

Weiblichkeit versteckte sie unter Sackartigen Kleidern
Weiblichkeit versteckte sie unter sackartigen Kleidern


Leidenschaft die sie mit
Leidenschaft, die sie mit ...


Ein Mann der in seinem Glanz zu baden
Ein Mann, der in seinem ...


zeugten von der Aufmerksamkeit die er Franziska entgegen brachte.
zeugten von der Aufmerksamkeit, die er Franziska ...

Die anwesenden Frauen würdigten sie keines Blickes und wenn, eines mitleidig desinteressierte.
und wenn, eines mitleidig desinteressierten.


Irgendwo sind noch ein paar Kommata zu viel.

Ich hoffe, Du kannst mit allem etwas anfangen. :)

LG Doc
 

Lomil

Mitglied
Hallo Doc.

Danke für Deine Auseinandersetzung mit meinem Text. Komme im Moment nicht dazu ihn zu überarbeiten, was ich aber schnellst möglich tun werde.
Wünsche Dir einen schönen Tag

Lomil
 

Lomil

Mitglied
Blind Date


Dieser Tag im November hatte besseres Wetter verdient. Doch er versank in einem wolkenbruchartigen Regen, als sei er unwichtig. Aber das war er nicht. Es war ein wichtiger Tag, wenn nicht der Wichtigste in meinem Leben, dachte Franziska. Leider ein Sonntag. Sonntage deprimierten sie im Allgemeinen.
Sie trat vor den Spiegel und übte Lächeln. Ein ernstes Gesicht ließ sie mürrisch aussehen, und eine Spur zu viel Lächeln ließ es schief ausfallen, als ob sie es nur mit einer Gesichtshälfte täte. Ihr misslang das Lächeln.
Die weiblichen Merkmale hatten, bei zu eng stehenden Augen unter zu buschigen Brauen, gleichermaßen großem Mund wie Nase, sowie einer leichten Oberlippenbehaarung ihren Einsatz verpasst.
Franziska legte die Handflächen auf ihre Wangen. Sie spürte die Hitze ihres Gesichts und einen undefinierbaren Schmerz.
Mit wahrheitliebender Gründlichkeit unterzog sie sich einer eingehenden Betrachtung ihres Körpers. Stoßseufzer begleiteten ihre Hand die unförmigen Linien entlang, der kaum spürbaren, geschweige sichtbaren Vertiefung zwischen Rumpf und Hüfte.
Nie würde ein Mann daran Gefallen finden geschweige denn Liebe fühlen.

Manchmal hatte sie ihren Körper gern, dann gab es nur sie und ihn. Das Einzige was ihr gehörte, worauf sie sich verlassen konnte. Und er verpasste seinen Einsatz nie.
Ihr war heiß und sie schwitzte.
Träge legte sie ihre, für ihren massigen Körper, zu kleine Brust frei. Diese machte einen hilflosen, geschwächten Eindruck. Mit beiden Händen stützte sie die unstabilen Hügel.
Langsam führte sie zu Ende, was sie ohne Sentimentalität begonnen hatte. Für einen kurzen Moment genoss sie die kleine Erlösung, die sie sich selbst zufügen konnte. Durch die ihr Körper eine wahrnehmungsfähige Qualität bekam.

Sie würde einen Push-Up anziehen. Nein, verwarf sie den Gedanken gleich wieder. Nichts war Christopher M. Staden wichtiger als Natürlichkeit. Das hatte er nicht nur einmal in seinen Briefen betont. Lippenstift und Wimperntusche zur Unterstützung des natürlich Gegebenen wären für ihn das einzig Akzeptabele.
Noch nie hatte Franziska versucht an den Gegebenheiten etwas zu ändern. Jetzt gab sie sich Mühe, ihrem Gesicht mittels Lidschatten, Wimperntusche und Lippenstift Ausdruck zu verschaffen. Doch sie brachte nur Aufruhr zwischen die großporigen Flächen. Schon die Anstrengung ihres Friseurs mittels neuem Schnitt und roten Strähnchen ihre Haare wirkungsvoller zu gestalten, hatten in der Kardiologie von Dr Herz keine Begeisterungsstürme bei ihren Kolleginnen hervorgerufen.

Nur der dicke Lehmann, den Franziska fürs EKG anschließen musste, äußerte sich auf seine gewöhnliche Art positiv.
Franziska ekelte sich vor Lehmann. Trotz gründlicher Benutzung eines Deodorants roch er scharf -süß nach Schweiß,nach feuchtem überlagertem Fisch.
Franziska versuchte die Luft anzuhalten, bis sie alle Elektroden für das EKG angeschlossen hatte. Er sah erbärmlich aus, wie er da so vor ihr lag, in seiner schmutzig weißen Feinrippunterhose, in dem sein anspruchloses Geschlecht kaum Eindruck hinterließ. Doch wie immer ließ der Anblick fremder Nacktheit sie erschaudern. Sie spürte das warme, weiche Fleisch zwischen ihren Fingern und war gegen ihren Willen angenehm berührt. Doch sie hatte eine Abneigung gegen kranke Menschen. Menschen, auf deren körperliche und seelische Hinfälligkeit Verlass war und die täglich die Praxis bevölkerten.

Obwohl der Mangel an eigener Schönheit ihr nichts auszumachen schien, besaß sie einen ausgeprägten Sinn für die schönen Dinge des Lebens. Musik, Balett, Theater, Malerei. Alles Dinge, über die sie sich mit Christopher M. Staden austauschen konnte. In seiner schönen poetischen Sprache hatte er ihr selbstverfasste Gedichte geschrieben. Franziska sah auch gerne schöne Frauen, locker fallendes glänzendes Haar und anmutige Bewegungen.
Bei Männern war sie empfänglich für eine intensive konsequente Männlichkeit. Feingliedrige schlanke Hände und eine Figur, deren Konfektionsgröße nur unwesentlich die ihrer Schuhgröße überschritt.
Ihre eigene üppige Weiblichkeit versteckte sie unter sackartigen Kleidern oder weiten Hosen, die ihre zu kurz geratenen Beine noch verkürzten.
Mit so einem Aussehen konnte man keinen Erfolg bei Männern haben. Trotzdem hielt sie sich für auserwählt, denn sie hatte etwas was anderen Frauen fehlte; Charme und Gefühl.

Gerade das war es, was Christopher M. Staden an ihr schätzte.
Seine Briefe hatten ihr ein völlig unbekannte Feld eröffnet, rissen sie aus ihrer Einsamkeit. Endlich hatte auch sie ihre Liebe, Leidenschaft, die sie mit Gedanken behaften konnte, auch wenn diese unbestreitbar das war, was man als hoffnungslos bezeichnen konnte.
Sie durchlitt sämtliche Phasen der Leidenschaft und verzehrte sich in einer unzeitgemäßen und absurden Liebesglut nach einem Mann, den sie nur durch seine Briefe und von einem Bild kannte, das er ihr auf ihren Wunsch hin geschickt hatte.
Das Bild zeigte einen für sein Alter mit einem Jugendgesicht gesegneten Mann. Umtrieben, parkettsicher. Ein Mann, der in seinem Glanz zu baden schien. Was Franziska bei jedem anderen Mann als zu aufdringlich, zu dandyhaft, abgelehnt hätte.

Wäre es nur sein Aussehen gewesen er hätte Franziska nicht so beeindrucken können. Doch in seinen Briefen zeigte er eingehendes Interesse an anderen Menschen und war frei von Vorurteilen, obwohl er manchmal den Einruck machte allen überlegen zu sein, jedoch ohne Arroganz. Im Gegenteil. Allein schon seine Geduld und Bescheidenheit zeugten von der Aufmerksamkeit, die er Franziska entgegen brachte.
Mit ihm konnte sie über alles reden bzw. schreiben.
Obwohl er nicht zu den Männern gehörte, für die Problemzonengymnastik ein Thema gewesen wäre, war auch das einmal Inhalt eines Briefes. Er hatte ihr ein Kompliment über ihr Aussehen gemacht, nachdem sie ihm, anstatt eines Bildes von sich, eins ihrer Cousine Louisa geschickt hatte.
Eine Schönheit, die Franziska trotz vitamin - und hormonangereicherter, teurer Feuchtigkeitscremes nie erreichen würde.

Das hatte sie für sich akzeptiert! Doch heute wollte sich Christopher M. Staden ein Bild von ihr machen. Er wollte sich mit ihr im "Da Capo" treffen.
Bevor sie den Gedanken über das Auffliegen des Betruges zu Ende gedacht hatte, überkam sie das leere, weiche Gefühl der Verantwortungslosigkeit. Sie musste sich gar nicht rechtfertigen. Christopher M. Staden würde im "Da Capo" nach ihrer Cousine Louisa Ausschau halten, und Franziska konnte ihn ungestört und unerkannt, ein einziges Mal sehen. Die gleiche Luft atmen wie er. Sie ging keinerlei Risiko ein.

Lächelnd, mit den Gedanken der Zeit voraus, musterte sie kritisch, mit wohlwollender Nachsicht ihr Spiegelbild und verließ die Wohnung. Der Herbstwind fand eine große Angriffsfläche unter ihrem weit geschnittenen Mantel, blähte ihn auf und brachte Unordnung unter die darunter liegende Kleidung. Der zu eng sitzende Wildlederrock klebte an den Oberschenkeln fest.

Der Wolkenbruch hatte sich in feinen Nieselregen verwandelt, der ihr jetzt die kunstvoll frisierten Haare, wie zu weich gekochte Spagehetti im Gesicht kleben ließ.
Als Franziska das Lokal betrat, empfand sie sich als Störung und litt unter den abschätzenden Blicken der hochmütig dreinschauenden Kellner. Franziska hatte Angst vor ihnen, als einer von ihnen sie in salbungsvoll unduldsamer Miene aufforderte, ihr zu folgen.
Sie stellte sich das Bild ihrer Selbst vor, so wie es ihr von langen, nachdenklichen Augenblicken vertraut war.
Sie sah die beschämenden Diagnosen in den Blicken der Männer hinter ihren Weingläsern, die sie als Frau nicht in Erwägung zogen.
Die anwesenden Frauen würdigten sie keines Blickes und wenn, eines mitleidig desinteressierten. Von ihr ging keine Gefahr aus.

Der Kellner führte Franziska an den sogenannten Katzentisch rechts neben der Tür, die den Weg zur Toilette kennzeichnete. Nicht an den von ihr reservierten Tisch am Fenster. Sein angedeutes Lächeln wirkte verwundert, als sie ihren Unmut darüber äußerte.
Das Restaurant war gut besucht und Franziska hoffte, dass es einer der wenigen freien Tische in ihrer Nähe sein würde, der für Christopher M. Staden reserviert war.

Zuerst glaubte sie, sie wäre einer Sinnestäuschung erlegen. Der dicke Lehmann hatte das Lokal betreten. Franziska hielt die Speisekarte hoch vors Gesicht, in der Hoffnung von Lehmann nicht gesehen zu werden und studierte sie mit neugieriger Ausdauer. Aber er stand schon vor ihr und erhob Ansprüche auf den freien Stuhl an ihrem Tisch. Franziska lächelte höflich aber freudlos. Ungewollt hatte ihr Gesicht einen einverstandenen Ausdruck angenommen.
Kleine unzusammenhängende Bilderinnerungen zuckten durch ihren Kopf; Lehmann beim EKG. Aber die Negativstimmung wollte sich nicht einstellen. Sie war verwirrt über den Wechsel ihrer Eindrücke. Lehmann zog die Hand aus seiner Hosentasche und streckte sie Franziska zur Begrüßung entgegen. Sie nahm die angebotene Hand, und solange sie den Ballen warmen Specks spürte, fühlte sie so etwas wie Geborgenheit. Wieder einmal konnte sie ihre Gefühle nicht einordnen.
Ohne ihre Antwort abzuwarten, ließ er seinen prallen Körper schwerfällig auf den Stuhl fallen, der unter seinem Gewicht bedrohlich zu ächzen begann. Er packte seine Beine wie ein sperriges Paket unter den Tisch, den er hin und her rückte um Platz dafür zu schaffen, ohne zu verhindern, dass ihre Beine sich berührten.
Verärgert stellte Franziska fest, dass ihr auch diese unbeabsichtigte Berührung nicht unangenehm war.
Trotzdem war sie empört, dass sie sich Lehmanns Beschlagnahme gefallen ließ. Seine private Nähe beklemmte sie, flößte ihr Scheu und Neugierde ein, als berge es ein Geheimnis, etwas Lasterhaftes. Sie war auf angenehme Weise erregt und verunsichert.
Lehmann nahm die Bestellung in die Hand, ließ sich vom Kellner den passenden Wein empfehlen, bezog Franziska mit ein.
Im Laufe des Abends fiel Franziska auf, dass er ständig den Deckel seiner goldenen Taschenuhr aufschlug, als misstraue er der sich darunter befindlichen Zeit.

Sie waren die letzten Gäste die das Lokal verließen, und einem guten Beobachter wäre aufgefallen, dass sie beide während des ganzen Abends die Türe nicht aus den Augen gelassen haben.
 



 
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