Blind Date

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Kerstin warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. „Joa, geht.“ Sagte sie zu sich selbst und zupfte sich eine ihren dunkelbraunen Locken zurecht. Sie musste sich ein bisschen ranhalten, denn sie wollte einige Minuten vor dem vereinbartem Termin dort sein. Sie schnappte sich ihre Handtasche, nahm Handy und Schlüssel von der kleinen Kommode und verließ das Haus.
Na ich bin wirklich gespannt, worauf ich mich da eingelassen habe, dachte sie, während sie mit ihrem kleinen roten Flitzer in Richtung Innenstadt unterwegs war. Es war eigentlich mehr als ein Gag gedacht und jetzt hatte sie wirklich ein Blind Date, wie man so schön sagte. Jede Woche Samstags bekam sie die gelesene Tageszeitung ihrer Nachbarin und dann blätterte sie beim nachmittäglichen ’Entspannungstee’ schon mal gerne darin rum. So eben auch an diesem Samstag. Sie saß gemütlich an ihrem kleinen Küchentisch, blätterte in der Zeitung und las die Überschriften. Wenn ihr eine interessant erschien, dann las sie auch den Artikel dazu. Sie kam zum Anzeigenteil und überflog die Stellenanzeigen, dann wie immer die Kontaktanzeigen. Die Rubrik >Mann sucht Frau< brachte es in dieser Woche immerhin auf 1 ½ Spalten, dachte sie belustigt, als ihr Blick plötzlich an einer hängenblieb: ’Da ist er wieder, der wöchentliche Blick in die Kontaktanzeigen...’ Sie musste heute noch schmunzeln, wenn sie daran dachte, wie ertappt sie sich gefühlt hatte. Tatsächlich las sie jeden Samstag, auch immer die Kontaktanzeigen. Eigentlich war es mehr ein Amüsement für sie, denn sie hatte festgestellt, dass es meistens Männer ab 45 aufwärts waren, die dort inserierten. Und sie konnte sich gut vorstellen, welche Art von Männern das wohl war, die noch diesen, in ihren Augen altmodisch, vermoderten Weg wählten. Wir leben im 21. Jahrhundert und da gab es schließlich Internet. 45 war ihr eh zu alt, sie war schließlich gerade 28! Sie betrachtete wieder die Anzeige. Diese hier stammte von einem Mann, der sein Alter mit 32 angab. „Wahrscheinlich so ein Muttersöhnchen.“ Lästerte sie, aber das Thema beschäftigte sie noch ein paar Tage und eigentlich war alles nur so als Gag gedacht, als sie dann tatsächlich auf die Anzeige antwortete.

Die Stadt war an diesem Donnerstagnachmittag verhältnismäßig leer. Frank machte noch einen kleinen Abstecher bei Nanu Nana, um zu schauen, ob er noch eine Kleinigkeit findet, die er als Geschenk mitbringen könnte. Er entschied sich dann für kleines Set, bestehend aus einer Duftkerze und einigen Badekugeln. Als er den Laden wieder verließ, sah er auf die Uhr. Es war allerhöchste Eisenbahn, er wollte auf jeden Fall etwas früher als seine Verabredung, von der er nicht mal den Namen kannte, in dem vereinbarten Café sein. Schnellen Schrittes durchquerte er die Fußgängerzone, bog dann rechts in Richtung Schloss ab und erreichte 5 Minuten später das Lokal. Das Wetter war gut und auch draußen standen jede Menge Tische, von denen ca. die Hälfte bereits besetzt war. Und nun? dachte er. Er hatte keine Ahnung, ob sie sich drinnen oder draußen treffen wollten und das Café war ziemlich groß und verfügte über eine Menge Tische. Er beschloss, erst einmal hineinzugehen und sich einen Tisch an einem der großen Fenster zu suchen. Von dort würde er alle Tische gut im Blick haben. Es war leichter, von drinnen nach draußen zu sehen, als umgekehrt. Die Sonnenbrille, an der sie ihn erkennen sollte, ließ er vorerst in die Innentasche seiner Jacke gleiten. Er wollte die Lage erst mal abchecken, bevor er sich zu erkennen gab. Er stellte die Plastiktüte mit dem kleinen Geschenk offen auf den Stuhl neben sich. Eine zusätzliche Tarnung, es würde so aussehen, als wäre er nur ein Mann, der in der Stadt bummeln war und hier nur eben einen Kaffee trinkt. Wer kommt schon mit einer Plastiktüte von Nanu Nana zu einem ersten Rendezvous? So konnte er in Ruhe die Lage sondieren, bevor er sich am Ende mit endlosen Versuchen sich wieder geschickt aus der Affäre zu ziehen rumplagen musste.
Er bestellte eine Cola Light bei dem Kellner und sah sich in aller Ruhe um. Drinnen waren die meisten Tische leer. Er sah auf die Uhr, noch 20 Minuten bis zur vereinbarten Zeit. Was war das auch für eine Schnapsidee, mit der Anzeige. Eigentlich hatte sein Kumpel Matze in dazu überredet. „Nun versuch’s doch einfach mal, wär doch schade um so ’n chicken Scheißer wie dich.“ Hatte er gemeint und ihm in die Seite gebufft. „Die Frauenwelt weiß gar nicht, was sie verpasst.“ Tatsächlich war er ganz mit sich zufrieden. Er war durchaus attraktiv und hatte auch kein Problem, Frauen kennen zu lernen. Entscheidend war vielmehr sein Anspruch. Seine Traumfrau sollte attraktiv und klug sein und wenn er Frauen kennenlernte, dann waren sie bereits vergeben, oder einfach nicht interessant für ihn. Seit 4 Jahren war er nun Single und tatsächlich stellte sich mittlerweile auch bei ihm eine Sehnsucht nach einer festen Beziehung ein. Auch die Tatsache, dass seine Freunde um ihn herum mittlerweile auch alle in festen Händen waren, trug dazu bei. Auf Matzes Drängen hin gab er also eine Anzeige auf. Es war mehr ein halbherziger Versuch, er rechnete nicht wirklich mit vielen Antworten. Die meisten sind doch heute per Internet auf der Suche nach dem Traumpartner, dachte er und wenn er es ernsthaft drauf angelegt hätte, dann hätte er auch diesen Weg gewählt.
Wie erwartet, war die Resonanz recht gering, genau gekommen hatte er nur eine einzige Antwort erhalten, welche ihm der Zeitungsverlag nach 10 Tagen zustellte. Nach dieser Zeit hatte er schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass überhaupt noch etwas kommen könnte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie er den Zettel auseinanderfaltete, den das Kuvert enthielt und wie überrascht er war, als er die Nachricht darauf las.
Frank nahm einen kräftigen Schluck von seiner Cola und sah sich wieder aufmerksam um. Ob sie vielleicht bereits hier irgendwo saß? Nein, dachte er, eher nicht. Hier kam niemand infrage. Er entdeckte hier keine Frau Ende 20, die ein rotes Halstuch trug.

Kerstin warf einen kurzen Blick auf ihr Handy, als sie das Lokal betrat. Sie hatte es geschafft, 10 Minuten waren noch Zeit. Sie sah sich kurz um, nirgends war ein alleinsitzender junger Mann mit einer Sonnenbrille auf dem Kopf zu sehen. Sie atmete erleichtert durch und suchte sich dann einen Platz im Außenbereich, nahe dem großen Fenster. Von hier hatte sie den Eingang gut im Blick. Ihr rotes Halstuch ließ sie vorerst in der Handtasche. Wenn ihr der Typ nicht gefiel, dann würde sie sich nicht zu erkennen geben. Sie hatte keine Lust auf komplizierte Erklärungen, warum man kein Interesse an einem Wiedersehen hatte. Am besten man lässt es gar nicht erst so weit kommen, also hatte sie beschlossen, sich zunächst bedeckt zu halten. Sie wollte auf keinen Fall zu viel von sich preisgeben und so war dann auch ihre Antwort ausgefallen. Sie hatte: Schick mir deine Handynummer auf den Zettel gekritzelt und als Anschrift eine Postfachadresse angegeben. Wenn er sich nicht meldete, dann auch gut, aber so konnte immer noch sie entscheiden, wann und vor allem ob es Telefonate geben würde.
Sie war nun schon seit fast 5 Jahren Single. Sie war durchaus attraktiv, doch leider gab es nicht mehr viele Gelegenheiten auch Männer kennen zu lernen. Aus dem Discoalter war sie einfach raus und die Freundinnen, mit denen sie früher durch die Stadt gezogen ist, hatten bereits Familie und waren entsprechend eingespannt. Wenn sie dann mal einen Kerl interessant fand, dann war er bereits vergeben. Kerstin bestellte einen Cappuchino und lehnte sich entspannt zurück auf ihrem Stuhl zurück. Verstohlen beobachtete sie die anderen Gäste. Einige Tische weiter saßen zwei Mädels. Sie unterhielten sich und lachten leise. Nahe dem Eingang saß eine junge Frau und rührte in ein Buch versunken, in ihrer Tasse. Dort noch ein Pärchen und zwei ältere Damen. Ihr Blick fiel durch die große Scheibe in den Innenraum. So weit sie das überblicken konnte, schien er weitestgehend leer zu sein. Nahe ihres Tisches, hinter der Scheibe, saß ein junger Mann. Bestimmt wartet der hier auf seine Freundin, die noch shoppen ist, dachte sie mit einem Blick auf die gelbe Nanu Nana-Tüte, die auf einem der Stühle neben ihm stand. Mal ein richtig fescher. Sie seufzte still, es ist eben wie immer, die besten sind vergeben.

So, nun könnte sie aber langsam kommen, dachte Frank gerade, als eine hübsche Blondine das Café betrat. Aber auch kein rotes Halstuch. Schade! Und was, wenn seine schöne Unbekannte, genauso wie er, erst mal die Lage checken wollte und das Halstuch in der Tasche ließ? Interessiert wanderten seine Blicke wieder zu der Blondine, die mittlerweile an einem freien Tisch Platz genommen hatte, als sich plötzlich ein junger Mann in Jeans und Sakko zu ihr gesellte. Er begrüßte sie mit einem Kuss und ließ sich lässig auf den Stuhl neben ihr fallen. Okay, damit hatte sich der Fall erledigt. Eigentlich sah sie sowieso irgendwie zu billig aus in ihrem Minirock und den Stiefeletten, dachte er und war nicht traurig darüber, dass die Dame schon vergeben war. Er musste wieder an die Antwort auf seine Anzeige denken: Schick mir deine Handynummer! Kein Foto, kein Name, kein nix. Schon ein bisschen enttäuschend, doch dann kam die Neugier auf die Frau, die das geschrieben hatte. Eigentlich ganz schön frech und gleichzeitig spannend. Er gab sich einen Tag Bedenkzeit und dann schickte er seine Handynummer an die angegebene Postfachadresse.
Seine Blicke schweiften wieder durch das Lokal und blieben bei der dunkelhaarigen Schönheit hängen, die in der Nähe seines Tisches, auf der anderen Seite der Scheibe saß. Ich glaube, die könnte mir gefallen, dachte er und tastete nach der Sonnenbrille. Da war sie! Er beschloss die Dunkelhaarige erst noch ein wenig unauffällig zu beobachten.

Gedankenverloren ließ Kerstin ein Stück Zucker in ihren Cappuchino gleiten.
Nach ein paar Tagen kam tatsächlich ein Brief mit der Handynummer des großen Unbekannten. Sonst nichts, kein Foto, kein Name, keine Adresse und auch kein „Ich freue mich“ oder ähnliches. Hatte sie das erwartet? Sie legte den Zettel auf die Kommode und 2 Tage später schickte sie dann eine SMS: „Treffen am 18. September um 18:00 Uhr im Schloss-Café. Du trägst eine große Sonnenbrille und ich ein rotes Halstuch.“ Ja und nun saß sie hier und wartete. Ein junger Mann betrat das Lokal. Kerstin musterte ihn, er trug eine Sonnenbrille. Klar, warum nicht, dachte sie, so übel ist der gar nicht. Vorsichtig fuhr sie mit der Hand in ihre Tasche und tastete nach dem Tuch. Sollte sie oder sollte sie nicht? Während sie noch überlegte, steuerte der sportliche Jüngling geradewegs den Tisch der Blondine an, die kurz zuvor hereingekommen war. Vergeben, dieses Wort schien sie zu verfolgen. Statt des Halstuchs zog sie ihr Handy aus der Tasche und sah auf das Display. Nun war es auch schon 8 Minuten über der Zeit und sie hasste Verspätungen. Ziellos begann sie auf dem Handy herum zu tippen. Sie blieb an der SMS hängen, die sie dem Unbekannten geschickt hatte. Der Status zeigte eindeutig gesendet. Sie musste davon ausgehen, dass er die auf jeden Fall bekommen hatte. Warum kam er also nicht? Plötzlich fiel ihr Blick auf den Typen jenseits der Scheibe. Was glotzte der so doof, dachte sie wütend. Sie zog eine Grimasse in seine Richtung und wandte sich wieder ihrem Handy zu.

Oh, die Dunkelhaarige schien schlechte Nachrichten bekommen zu haben, dachte Frank. Gerade hatte sie ihr Handy aus der Tasche geholt und darin gelesen. Ihr Gesichtsausdruck, als sie sich in seine Richtung wandte, sah nicht gerade so aus, als hätte sie Lust auf einen Flirt. Vielleicht hatte eine Freundin sie versetzt, aber wahrscheinlich war es sogar ihr Freund, der sich wohl verspätete. Beim Schauen ertappt, sah er verlegen rasch in eine andere Richtung und tat so, als würde er die Bedienung suchen. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass seine Verabredung nun schon gut 10 Minuten über der Zeit war. Er holte sein Handy aus der Jackentasche und las noch mal die Nachricht. Sie war eindeutig. Er checkte noch mal den Eingang. Nein, eine Absage hatte er nicht bekommen. Die Nachricht war mit unterdrückter Nummer verschickt, so dass er nicht antworten konnte. Nachdenklich drehte er sein Handy in der Hand. Wie lange sollte er noch warten? Er beschloss, sich noch eine Cola zu bestellen und ihr noch eine Frist von 10 Minuten zu geben. Dann würde er die Sache abhaken.

Kerstin klickte sich wieder durch ihr Handy. Sie blieb in dem Menü mit den Telefonnummern hängen. Unter ’U’ war nur ein Eintrag und der lautete auf ’Unbekannter’. Soll ich vielleicht doch noch mal eine SMS schicken, einfach mal nachfragen, ob er unsere Verabredung vergessen hatte? Nein, das kommt nicht in Frage, er konnte ihr ohnehin nicht antworten, denn ihre Nummer würde sie nicht preisgeben. Auf lästige Stalk-SMS konnte sie verzichten. Ihr Leben war ruhig und zufrieden und sie hatte keine Lust auf Komplikationen oder Stress. Sie wollte einfach jemanden kennenlernen, wobei die Betonung eindeutig auf ’einfach’ lag. Die ganze Geschichte war von vornherein bekloppt. Sie klickte die Nummer an und wählte das Löschen-Symbol. „Wollen Sie wirklich löschen?“ kam sofort die Meldung zurück. Sie zögerte kurz. Dann klickte sie entschlossen „Ja“. Damit hatte sich die Sache erledigt, dachte sie und schob ihr Handy wieder in ihre Handtasche.

Frank hielt Ausschau nach der Bedienung um sich eine neue Cola zu bestellen. Dann entdeckte er sie, wie sie gerade auf den Tisch seiner netten Dunkelhaarigen zueilte. Sein ’Vielleicht-Flirt’ machte sich daran zu zahlen. Aufmerksam geworden durch sein Winken nach der Kellnerin, sah sie ihn noch einmal an und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Dann stand sie auf und verließ das Lokal.
Frank bestellte sich noch eine Cola. Entschlossen, seinem Glück doch noch eine Chance zu geben, holte er die Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf.
 

herziblatti

Mitglied
Hallo klein lottchen, gern gelesen, gut erzählte Geschichte. Bis zum Schluss hatte ich gehofft, die beiden kriegen sich :) Eine handwerkliche Anmerkung: bei der Rückblende/Einschub würde dem Leser ein direkter Hinweis und/oder Zeitenwechsel in die Vorvergangenheit helfen.
So eben auch an diesem Samstag [blue]vor x Wochen[/blue]. Sie[blue] war[/blue] [strike]saß[/strike] gemütlich an ihrem kleinen Küchentisch [blue]gesessen[/blue], [blue]hatte[/blue] [strike]blätterte[/strike] in der Zeitung [blue]geblättert[/blue] ...
So ungefähr, nur um zu verdeutlichen, was ich meine. Vielleicht kannst Du damit etwas anfangen. LG - herziblatti
 
Prüfend warf Kerstin einen Blick in den Spiegel. „Joa, geht.“ Sagte sie zu sich selbst und zupfte sich eine ihrer dunkelbraunen Locken zurecht. Sie musste sich ein bisschen ranhalten, denn sie wollte einige Minuten vor dem vereinbartem Termin dort sein. Sie schnappte sich ihre Handtasche, nahm Handy und Schlüssel von der kleinen Kommode und verließ das Haus. Na ich bin wirklich gespannt, worauf ich mich da eingelassen habe, dachte sie, während sie mit ihrem kleinen roten Flitzer in Richtung Innenstadt unterwegs war. Es war eigentlich mehr als ein Gag gedacht und jetzt hatte sie wirklich ein Blind Date, wie man so schön sagte. Jede Woche Samstags bekam sie die gelesene Tageszeitung ihrer Nachbarin und dann blätterte sie beim nachmittäglichen ’Entspannungstee’ schon mal gerne darin rum. So eben auch an jenem Samstag vor 3 Wochen, als sie gemütlich an ihrem kleinen Küchentisch saß und in der Zeitung blätterte. Sie las die Überschriften und wenn ihr eine interessant erschien, dann auch schon mal den Artikel dazu. Sie kam zum Anzeigenteil, überflog die Stellenanzeigen und danach, wie immer, die Kontaktanzeigen. Die Rubrik >Mann sucht Frau< brachte es in dieser Woche immerhin auf 1 ½ Spalten, dachte sie belustigt, als ihr Blick plötzlich an einer der Annoncen hängenblieb: ’Da ist er wieder, der wöchentliche Blick in die Kontaktanzeigen...’ Sie musste schmunzeln, wenn sie daran dachte, wie ertappt sie sich gefühlt hatte. Tatsächlich las sie jeden Samstag, auch immer die Kontaktanzeigen. Eigentlich war es mehr ein Amüsement für sie, denn sie hatte festgestellt, dass es meistens Männer ab 45 aufwärts waren, die dort inserierten. Und sie konnte sich gut vorstellen, welche Art von Männern das wohl war, die noch diesen, in ihren Augen altmodisch, vermoderten Weg wählten. Wir leben im 21. Jahrhundert und da gab es schließlich Internet. 45 war ihr eh zu alt, sie war schließlich gerade 28! Sie betrachtete wieder die Anzeige. Diese hier stammte von einem Mann, der sein Alter mit 32 angab. „Wahrscheinlich so ein Muttersöhnchen.“ Lästerte sie, aber das Thema beschäftigte sie noch ein paar Tage und eigentlich war alles nur so als Gag gedacht, als sie dann tatsächlich auf die Anzeige antwortete.



Die Stadt war an diesem Donnerstagnachmittag verhältnismäßig leer. Frank machte noch einen kleinen Abstecher bei Nanu Nana, um zu schauen, ob er noch eine Kleinigkeit findet, die er als Geschenk mitbringen könnte. Er entschied sich dann für kleines Set, bestehend aus einer Duftkerze und einigen Badekugeln. Als er den Laden wieder verließ, sah er auf die Uhr. Es war allerhöchste Eisenbahn, er wollte auf jeden Fall etwas früher als seine Verabredung, von der er nicht mal den Namen kannte, in dem vereinbarten Café sein. Schnellen Schrittes durchquerte er die Fußgängerzone, bog dann rechts in Richtung Schloss ab und erreichte 5 Minuten später das Lokal. Das Wetter war gut und auch draußen standen jede Menge Tische, von denen ca. die Hälfte bereits besetzt war. Und nun? dachte er. Er hatte keine Ahnung, ob sie sich drinnen oder draußen treffen wollten und das Café war ziemlich groß und verfügte über eine Menge Tische. Er beschloss, erst einmal hineinzugehen und sich einen Tisch an einem der großen Fenster zu suchen. Von dort würde er alle Tische gut im Blick haben. Es war leichter, von drinnen nach draußen zu sehen, als umgekehrt. Die Sonnenbrille, an der sie ihn erkennen sollte, ließ er vorerst in der Innentasche seiner Jacke stecken. Er wollte die Lage erst mal abchecken, bevor er sich zu erkennen gab. Er stellte die Plastiktüte mit dem kleinen Geschenk offen auf den Stuhl neben sich. Eine zusätzliche Tarnung, dachte er sich. Es würde so aussehen, als wäre er nur ein Mann, der in der Stadt bummeln war und hier noch eben einen Kaffee trinkt. Wer kommt schon mit einer Plastiktüte von Nanu Nana zu einem ersten Rendezvous? So konnte er in Ruhe die Lage sondieren, bevor er sich am Ende mit endlosen Versuchen sich wieder geschickt aus der Affäre ziehen zu müssen, rumplagen musste. 
Er bestellte eine Cola Light bei dem Kellner und sah sich in aller Ruhe um. Drinnen waren die meisten Tische leer. Er sah auf die Uhr, noch 20 Minuten bis zur vereinbarten Zeit. Was war das auch für eine Schnapsidee, mit der Anzeige. Eigentlich hatte sein Kumpel Matze in dazu überredet. „Nun versuch’s doch einfach mal, wär doch schade um so ’n chicken Scheißkerl wie dich.“ Hatte er gemeint und ihm in die Seite gebufft. „Die Frauenwelt weiß gar nicht, was sie verpasst.“ Tatsächlich war er ganz mit sich zufrieden. Er war durchaus attraktiv und hatte auch kein Problem mit Frauen. Entscheidend war vielmehr sein Anspruch und so war nie etwas wirklich dauerhaftes dabei. Seine Traumfrau sollte attraktiv und klug sein und wenn er Frauen kennenlernte, dann waren sie bereits vergeben, oder interessierten ihn einfach nicht. Seit 4 Jahren war er nun Single und tatsächlich stellte sich mittlerweile auch bei ihm eine Art Sehnsucht nach einer festen Beziehung ein. Auch die Tatsache, dass seine Freunde um ihn herum mittlerweile alle in festen Händen waren, trug dazu bei. Auf Matzes Drängen hin gab er also eine Anzeige auf. Es war mehr ein halbherziger Versuch, er rechnete nicht wirklich mit vielen Antworten. Die meisten sind doch heute per Internet auf der Suche nach dem Traumpartner, dachte er und wenn er es ernsthaft darauf angelegt hätte, dann hätte er auch diesen Weg gewählt. 

Wie erwartet, war die Resonanz recht gering, genau gekommen hatte er nur eine einzige Antwort erhalten, welche ihm der Zeitungsverlag nach 10 Tagen zustellte. Nach dieser Zeit hatte er schon gar nicht mehr damit gerechnet, dass überhaupt noch etwas kommen könnte. Er konnte sich heute noch gut daran erinnern, wie er den Zettel auseinanderfaltete, den das Kuvert enthielt und wie überrascht er war, als er die Nachricht darauf las. 

Frank nahm einen kräftigen Schluck von seiner Cola und sah sich wieder aufmerksam um. Ob sie vielleicht hier schon irgendwo saß? Nein, dachte er, eher nicht. Hier kam seiner Meinung nach niemand in Frage. Er konnte hier keine Frau Ende 20, die ein rotes Halstuch trug, entdecken. 


Kerstin warf noch einen kurzen Blick auf ihr Handy, bevor sie das Lokal betrat. Sie hatte es geschafft, 10 Minuten waren noch Zeit. Sie sah sich kurz um, nirgends war ein alleinsitzender junger Mann mit einer Sonnenbrille auf dem Kopf zu sehen. Sie atmete erleichtert durch und suchte sich dann einen Platz im Außenbereich, nahe dem großen Fenster. Von hier hatte sie den Eingang gut im Blick. Ihr rotes Halstuch ließ sie vorerst in der Handtasche. Wenn ihr der Typ nicht gefiel, dann würde sie sich nicht zu erkennen geben. Sie hatte keine Lust auf komplizierte Erklärungen, warum man kein Interesse an einem Wiedersehen hatte, blablabla. Am besten man lässt es gar nicht erst so weit kommen, also hatte sie beschlossen, sich zunächst bedeckt zu halten. Sie wollte auf keinen Fall zu viel von sich preisgeben. Sie dachte an die Antwort, die sie damals an diesen Inseraten schrieb. Sie hatte: Schick mir deine Handynummer auf den Zettel gekritzelt und als Anschrift eine Postfachadresse angegeben. Wenn er sich nicht meldete, dann auch gut, aber so konnte immer noch sie entscheiden, wann und vor allem ob es Telefonate geben würde. 

Sie war nun schon seit fast 5 Jahren Single. Nicht, dass sie nicht attraktiv war, doch leider gab es nicht mehr viele Gelegenheiten neue Männer kennen zu lernen. Aus dem Discoalter war sie einfach raus und die Freundinnen, mit denen sie früher durch die Stadt zog, hatten bereits Familie und waren entsprechend eingespannt. Wenn sie dann mal ein Kerl interessierte, dann war er bereits vergeben. Kerstin bestellte einen Cappuchino und lehnte sich entspannt zurück auf dem Stuhl zurück. Verstohlen beobachtete sie die anderen Gäste. Einige Tische weiter saßen zwei Mädels. Sie unterhielten sich und lachten leise. Nahe dem Eingang saß eine junge Frau in ein Buch versunken und rührte in ihrer Tasse. Dort noch ein Pärchen und zwei ältere Damen. Ihr Blick fiel durch die große Scheibe in den Innenraum. So weit sie das überblicken konnte, schien er weitestgehend leer zu sein. Nahe ihres Tisches, hinter der Scheibe, saß ein junger Mann. Bestimmt wartet der hier auf seine Freundin, die noch shoppen ist, dachte sie mit einem Blick auf die gelbe Nanu Nana-Tüte, die auf einem der Stühle neben ihm stand. Mal ein richtig fescher. Sie seufzte still, es ist eben wie immer, die besten sind vergeben.

So, nun könnte sie aber langsam kommen, dachte Frank gerade, als eine hübsche Blondine das Café betrat. Aber auch kein rotes Halstuch. Schade! Und was, wenn seine schöne Unbekannte, genauso wie er, erst mal die Lage checken wollte und das Halstuch in der Tasche ließ? Interessiert wanderten seine Blicke wieder zu der Blondine rüber, die mittlerweile an einem freien Tisch Platz genommen hatte, als sich plötzlich ein junger Mann in Jeans und Sakko zu ihr gesellte. Er begrüßte sie mit einem Kuss und ließ sich lässig auf den Stuhl neben ihr fallen. Okay, damit hatte sich der Fall erledigt. Eigentlich sah sie sowieso irgendwie zu billig aus in ihrem Minirock und den Stiefeletten, tröstete er sich und war nicht traurig darüber, dass die Dame schon vergeben war. Er musste wieder an die Antwort denken, die einzige, die er auf seine Anzeige bekommen hatte: Schick mir deine Handynummer! Kein Foto, kein Name, kein nix. Im ersten Moment war er schon ein bisschen enttäuscht, doch dann wurde er neugierig auf die Person, die das geschrieben hatte. Eigentlich ganz schön frech und gleichzeitig auch spannend. Er gab sich einen Tag Bedenkzeit und schickte dann seine Handynummer an die angegebene Postfachadresse. 

Das war nun gut eine Woche her. Seine Blicke schweiften wieder durch das Lokal und blieben bei der dunkelhaarigen Schönheit hängen, die in der Nähe seines Tisches, auf der anderen Seite der Scheibe saß. Weil er gerade mit seiner Getränkebestellung beschäftigt gewesen war, hatte er nur im Augenwinkel bemerkt wie sie das Lokal betreten hatte. Ich glaube, die könnte mir gefallen, dachte er nun und tastete nach der Sonnenbrille. Da war sie! Er überlegte, ob er es wagen sollte und beschloss dann aber, die Dunkelhaarige erst noch ein wenig unauffällig zu beobachten. 



Kerstin ließ ein Stück Zucker in ihren Cappuchino gleiten und ihre Gedanken wanderten wieder zurück. Sie erinnerte sich, wie dann vor 5 Tagen tatsächlich ein Brief mit der Handynummer des großen Unbekannten eintraf. Sonst nichts, kein Foto, kein Name, keine Adresse und auch kein „Ich freue mich“ oder ähnliches. Hatte sie das erwartet? Sie hatte den Zettel auf die Kommode gelegt und 2 Tage später schickte sie dann eine SMS: „Treffen am 18. September um 18:00 Uhr im Schloss-Café. Du trägst eine große Sonnenbrille und ich ein rotes Halstuch.“ Ja und nun saß sie hier und wartete. Ein junger Mann betrat gerade das Lokal. Kerstin musterte ihn, er trug eine Sonnenbrille. Klar, warum nicht, dachte sie, so übel ist er nicht. Vorsichtig fuhr sie mit der Hand in ihre Tasche und tastete nach dem Tuch. Sollte sie oder sollte sie nicht? Doch während sie noch überlegte, steuerte der sportliche Jüngling geradewegs auf den Tisch der Blondine zu, die kurz zuvor hereingekommen war. Vergeben. Dieses Wort schien sie zu verfolgen. Statt des Halstuchs zog sie nun ihr Handy aus der Tasche und sah auf das Display. Es war bereits 8 Minuten über der Zeit und sie hasste Verspätungen. Ziellos begann sie auf dem Handy herum zu tippen und blieb bei der SMS hängen, die sie dem Unbekannten geschickt hatte. Der Status zeigte eindeutig gesendet. Sie musste davon ausgehen, dass er die Nachricht auf jeden Fall bekommen hatte. Warum kam er also nicht? Schon ziemlich verärgert, sah sie von ihrem Handy auf und ihr Blick fiel auf den Typen jenseits der Scheibe. Was glotzte der so doof, dachte sie wütend. Sie zog eine Grimasse in seine Richtung und wandte sich wieder ihrem Handy zu. 



Oh, die Dunkelhaarige schien schlechte Nachrichten bekommen zu haben, dachte Frank. Gerade hatte sie ihr Handy aus der Tasche geholt und darin gelesen. Ihr Gesichtsausdruck, als sie sich in seine Richtung wandte, sah nicht gerade so aus, als hätte sie Lust auf einen Flirt. Vielleicht hatte eine Freundin sie versetzt, aber wahrscheinlich war es sogar ihr Freund, der sich wohl verspätete. Beim Schauen ertappt sah er verlegen rasch in eine andere Richtung und tat so, als würde er die Bedienung suchen. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass seine Verabredung nun schon gut 10 Minuten über der Zeit war. Er holte sein Handy aus der Jackentasche und las noch mal die Nachricht. Sie war eindeutig. Er checkte noch mal den Eingang. Nein, eine Absage hatte er nicht bekommen. Die Nachricht war mit unterdrückter Nummer verschickt, so dass er nicht antworten konnte. Nachdenklich schaute er auf sein Handy. Wie lange sollte er noch warten? Er beschloss, sich noch eine Cola zu bestellen und ihr noch eine Frist von 10, maximal 15 Minuten zu geben, dann würde er die Sache abhaken.



Kerstin klickte sich wieder durch ihr Handy. Diesmal blieb sie in dem Menü mit den Telefonnummern hängen. Unter ’U’ war nur ein einziger Eintrag und der lautete auf ’Unbekannter’. Soll ich vielleicht doch noch mal eine SMS schicken, einfach mal nachfragen, ob er unsere Verabredung vergessen hatte? Nein, das kommt nicht in Frage, dachte sie und schüttelte vehement den Kopf. Er konnte ihr ohnehin nicht antworten, denn ihre Nummer würde sie nicht preisgeben. Auf lästige Stalk-SMS konnte sie gut verzichten. Ihr Leben war ruhig und zufrieden und sie hatte keine Lust auf Komplikationen oder Stress. Sie wollte einfach jemanden kennenlernen, wobei die Betonung eindeutig auf ’einfach’ lag. Die ganze Geschichte war von vornherein bekloppt. Sie klickte die Nummer an und wählte das Löschen-Symbol. „Wollen Sie wirklich löschen?“ kam sofort die Meldung zurück. Sie zögerte kurz. Dann tippte sie entschlossen „Ja“. Damit hatte sich die Sache erledigt, dachte sie und schob ihr Handy wieder in ihre Handtasche.



Frank hielt Ausschau nach der Bedienung um sich eine neue Cola zu bestellen. Dann entdeckte er den Kellner, wie er gerade auf den Tisch seiner netten Dunkelhaarigen zueilte. Sein ’Vielleicht-Flirt’ machte sich gerade daran, zu zahlen. Aufmerksam geworden durch sein Winken nach dem Kellner, sah sie ihn noch einmal an. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, stand auf und verließ das Lokal.

Frank bestellte sich noch eine Cola. Entschlossen, seinem Glück doch noch eine Chance zu geben, holte er die Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf.
 
Hallo herziblatti,
vielen lieben Dank. Es freut mich sehr, dass du dir die Zeit genommen hast meine Geschichte zu lesen. Da kann man mal sehen, was passiert, wenn man seine Chancen nicht nutzt ;)
Danke für deine Hinweise zu den Rückblenden, da hattest du vollkommen Recht. Ich hab es etwas abgeändert und hoffe es wird dadurch etwas klarer :)
LG klein Lottchen
 
Prüfend warf Kerstin einen Blick in den Spiegel. „Joa, geht.“ sagte sie zufrieden zu sich selbst und zupfte sich eine ihrer dunkelbraunen Locken zurecht. Sie musste sich ein bisschen ranhalten, denn sie wollte einige Minuten vor dem vereinbarten Termin dort sein. Sie schnappte sich ihre Handtasche, nahm Handy und Schlüssel von der kleinen Kommode und verließ das Haus. Na ich bin wirklich gespannt, worauf ich mich da eingelassen habe, dachte sie, während sie mit ihrem kleinen roten Flitzer in Richtung Innenstadt unterwegs war. Es war eigentlich mehr als ein Gag gedacht und jetzt hatte sie wirklich ein Blind Date, wie man so schön sagte. Jede Woche Samstags bekam sie die gelesene Tageszeitung ihrer Nachbarin und dann schmökerte sie beim nachmittäglichen ’Entspannungstee’ schon mal gerne darin rum. So eben auch an jenem Samstag vor 3 Wochen, als sie gemütlich an ihrem kleinen Küchentisch saß und in der Zeitung blätterte. Sie las die Überschriften und wenn ihr eine interessant erschien, dann auch schon mal den Artikel dazu. Sie kam zum Anzeigenteil, überflog die Stellenanzeigen und danach, wie immer, die Kontaktanzeigen. Die Rubrik >Mann sucht Frau< bringt es in dieser Woche immerhin auf 1 ½ Spalten, dachte sie belustigt, als ihr Blick plötzlich an einer der Annoncen hängenblieb: ’Da ist er wieder, der wöchentliche Blick in die Kontaktanzeigen...’ Sie musste jetzt noch schmunzeln, wenn sie daran zurückdachte, wie ertappt sie sich in diesem Moment gefühlt hatte. Eigentlich war es eher ein Amüsement für sie, nicht dass sie ernsthaft auf der Suche war. Mittlerweile hatte sie auch festgestellt, dass es meistens Männer ab 45 aufwärts waren, die dort inserierten. Und sie konnte sich gut vorstellen, welche Art von Männern das wohl war, die noch diesen, in ihren Augen altmodisch, vermoderten Weg wählten. Wir leben im 21. Jahrhundert und da gab es schließlich Internet. 45 war ihr eh zu alt, sie war schließlich gerade 28! Sie betrachtete wieder die Anzeige. Diese hier stammte von einem Mann, der sein Alter mit 32 angab. „Wahrscheinlich so ein Muttersöhnchen.“ lästerte sie, aber auch in den kommenden Tagen ließ sie die Neugier auf den Inserenten nicht los. Und eigentlich war alles nur so als Gag gedacht, als sie dann tatsächlich auf die Anzeige antwortete.



Die Stadt war an diesem Donnerstagnachmittag verhältnismäßig leer. Frank machte noch einen kleinen Abstecher bei Nanu Nana, um zu schauen, ob er noch eine Kleinigkeit finden würde, die er als Geschenk mitbringen könnte. Er entschied sich dann für kleines Set, bestehend aus einer Duftkerze und einigen Badekugeln. Als er den Laden wieder verließ, sah er auf die Uhr. Es war allerhöchste Eisenbahn, er wollte auf jeden Fall etwas früher als seine Verabredung, von der er nicht mal den Namen kannte, in dem vereinbarten Café sein. Schnellen Schrittes durchquerte er die Fußgängerzone, bog dann rechts in Richtung Schloss ab und erreichte 5 Minuten später das Lokal. Das Wetter war gut und auch draußen standen jede Menge Tische, von denen ca. die Hälfte bereits besetzt war. Und nun? dachte er. Er hatte keine Ahnung, ob sie sich drinnen oder draußen treffen wollten. Das Café war ziemlich groß und verfügte über eine Menge Tische. Er beschloss, erst einmal hineinzugehen und sich einen Platz an einem der großen Fenster zu suchen. Von dort würde er alle Tische gut im Blick haben. Es war leichter, von drinnen nach draußen zu sehen, als umgekehrt. Die Sonnenbrille, an der sie ihn erkennen sollte, ließ er vorerst in der Innentasche seiner Jacke stecken. Er wollte die Lage erst mal abchecken, bevor er sich zu erkennen gab. Er stellte die Plastiktüte mit dem kleinen Geschenk offen auf den Stuhl neben sich. Eine zusätzliche Tarnung, dachte er sich. Es würde so aussehen, als wäre er nur ein Mann, der in der Stadt bummeln war und hier noch eben einen Kaffee trinkt. Wer kommt schon mit einer Plastiktüte von Nanu Nana zu einem ersten Rendezvous? So konnte er in Ruhe die Lage sondieren, bevor er sich am Ende mit endlosen Versuchen sich wieder geschickt aus der Affäre ziehen zu müssen, rumplagen musste. 
Er bestellte bei dem Kellner eine Cola Light und sah sich in aller Ruhe um. Drinnen waren die meisten Tische leer. Er sah auf die Uhr, noch 20 Minuten bis zur vereinbarten Zeit. Was war das auch für eine Schnapsidee, mit der Anzeige. Eigentlich hatte sein Kumpel Matze in dazu überredet. „Nun versuch’s doch einfach mal, wär doch schade um so ’n chicken Scheißkerl wie dich.“ Hatte er gemeint und ihm dabei in die Seite gebufft. „Die Frauenwelt weiß gar nicht, was sie verpasst.“ Tatsächlich war er ganz mit sich zufrieden. Er war durchaus attraktiv und hatte auch kein Problem mit Frauen. Entscheidend war vielmehr sein Anspruch und so war nie etwas wirklich dauerhaftes dabei. Seine Traumfrau sollte attraktiv und klug sein und wenn er Frauen kennenlernte, dann waren sie bereits vergeben, oder interessierten ihn einfach nicht. Seit 4 Jahren war er nun Single und tatsächlich stellte sich mittlerweile auch bei ihm eine Art Sehnsucht nach einer festen Beziehung ein. Auch die Tatsache, dass seine Freunde um ihn herum mittlerweile alle in festen Händen waren, trug dazu bei. Auf Matzes Drängen hin gab er also eine Anzeige auf. Es war mehr ein halbherziger Versuch, er rechnete nicht wirklich mit vielen Antworten. Die meisten sind doch heute per Internet auf der Suche nach dem Traumpartner, dachte er und wenn er es ernsthaft darauf angelegt hätte, dann hätte auch er diesen Weg gewählt. 

Wie erwartet, war die Resonanz recht gering, genau gekommen hatte er nur eine einzige Antwort erhalten, welche ihm der Zeitungsverlag nach 10 Tagen zustellte. Schon nach einer Woche hatte er gar nicht mehr damit gerechnet, dass überhaupt noch etwas kommen könnte. Er konnte sich heute noch gut daran erinnern, wie er den Zettel auseinanderfaltete, den das Kuvert enthielt und wie überrascht er war, als er die Nachricht darauf las. 

Frank nahm einen kräftigen Schluck von seiner Cola und sah sich wieder aufmerksam um. Ob sie vielleicht hier schon irgendwo saß? Nein, dachte er, eher nicht. Hier kam seiner Meinung nach niemand in Frage. Er konnte hier keine Frau Ende 20, die ein rotes Halstuch trug, entdecken. 



Kerstin warf noch einen kurzen Blick auf ihr Handy, bevor sie das Lokal betrat. Sie hatte es geschafft, es war noch 10 Minuten Zeit. Sie spürte Aufregung in sich aufsteigen und zwang sich selbst zur Ruhe. Dann sah sie sich um, doch nirgends war ein alleinsitzender junger Mann mit einer Sonnenbrille auf dem Kopf zu sehen. Sie atmete erleichtert durch und suchte sich dann einen Platz im Außenbereich nahe dem großen Fenster. Von hier hatte sie den Eingang gut im Blick. Ihr rotes Halstuch ließ sie vorerst in der Handtasche. Wenn ihr der Typ nicht gefiel, dann würde sie sich nicht zu erkennen geben. Sie hatte keine Lust auf komplizierte Erklärungen, warum man kein Interesse an einem Wiedersehen hatte, blablabla. Am besten man lässt es gar nicht erst so weit kommen, also hatte sie beschlossen, sich zunächst bedeckt zu halten und erst mal die Lage zu checken. Auf keinen Fall wollte sie gleich zu Beginn zu viel von sich preisgeben. Ihre Gedanken wanderten zu der Antwort, die sie damals an diesen Typen schrieb. Sie hatte: Schick mir deine Handynummer auf einen Zettel gekritzelt und als Anschrift eine Postfachadresse angegeben. Wenn er sich nicht meldete, dann auch gut, aber so konnte immer noch sie entscheiden, wann und vor allem ob es Telefonate geben würde. 

Sie war nun schon seit fast 5 Jahren Single. Nicht, dass sie nicht attraktiv war, doch leider gab es nicht mehr viele Gelegenheiten neue Männer kennen zu lernen. Aus dem Discoalter war sie einfach raus und die Freundinnen, mit denen sie früher durch die Stadt zog, hatten bereits Familie und waren entsprechend eingespannt. Wenn sie dann mal ein Kerl interessierte, war er bereits vergeben. Kerstin bestellte einen Cappuchino und lehnte sich entspannt zurück. Verstohlen beobachtete sie die anderen Gäste. Einige Tische weiter saßen zwei Mädels. Sie unterhielten sich und lachten leise. Nahe dem Eingang saß eine junge Frau in ein Buch versunken und rührte mit dem Löffel in ihrer Tasse. Und dort noch ein Pärchen und zwei ältere Damen. Ihr Blick fiel durch die große Scheibe in den Innenraum. So weit sie das überblicken konnte, schien er weitestgehend leer zu sein. Nahe ihres Tisches hinter der Scheibe saß ein junger Mann. Bestimmt wartet der hier auf seine Freundin, die noch shoppen ist, dachte sie mit einem Blick auf die gelbe Nanu Nana-Tüte, die auf einem der Stühle neben ihm stand. Der könnte mir sogar gefallen, sie seufzte still, es ist eben wie immer, die besten sind vergeben.

So, nun könnte sie aber langsam kommen, dachte Frank gerade, als eine hübsche Blondine das Café betrat. Anerkennend pfiff er leise durch die Zähne. Aber auch kein rotes Halstuch. Schade! Und was, wenn seine schöne Unbekannte, genauso wie er, erst mal die Lage checken wollte und das Halstuch in der Tasche ließ? Interessiert wanderten seine Blicke wieder zu der Blondine rüber, die mittlerweile an einem freien Tisch Platz genommen hatte, als sich plötzlich ein junger Mann in Jeans und Sakko zu ihr gesellte. Er begrüßte sie mit einem Kuss und ließ sich lässig auf den Stuhl neben ihr fallen. Okay, damit hatte sich der Fall erledigt. Eigentlich sah sie sowieso irgendwie zu billig aus in ihrem Minirock und den Stiefeletten, tröstete er sich und war nicht traurig darüber, dass die Dame schon vergeben war.
Er musste wieder an die Antwort denken, die einzige, die er auf seine Anzeige bekommen hatte: Schick mir deine Handynummer! Kein Foto, kein Name, kein nix. Im ersten Moment war er schon ein bisschen enttäuscht, doch dann wurde er neugierig auf die Person, die das geschrieben hatte. Eigentlich ganz schön frech und gleichzeitig auch spannend. Er gab sich einen Tag Bedenkzeit und schickte dann seine Handynummer an die angegebene Postfachadresse. 

Das war nun gut eine Woche her. Seine Blicke schweiften wieder durch das Lokal und blieben bei der dunkelhaarigen Schönheit hängen, die in der Nähe seines Tisches, auf der anderen Seite der Scheibe saß. Weil er gerade mit seiner Getränkebestellung beschäftigt gewesen war, hatte er nur im Augenwinkel bemerkt wie sie das Lokal betreten hatte. Ich glaube, die könnte mir gefallen, dachte er nun und tastete nach der Sonnenbrille. Da war sie! Er überlegte, ob er es wagen sollte und beschloss dann aber, die Dunkelhaarige erst noch ein wenig unauffällig zu beobachten. 



Kerstin ließ ein Stück Zucker in ihren Cappuchino gleiten und hing dann wieder ihren Gedanken nach.
Vor 5 Tagen traf dann tatsächlich ein Brief mit der Handynummer des großen Unbekannten ein. Nur eine Handynummer sonst nichts, kein Foto, kein Name, keine Adresse und auch kein „Ich freue mich“ oder ähnliches. Hatte sie das erwartet? Sie hatte den Zettel auf die Kommode gelegt und 2 Tage später schickte sie dann eine SMS: „Treffen am 18. September um 18:00 Uhr im Schloss-Café. Du trägst eine große Sonnenbrille und ich ein rotes Halstuch.“ Ja und nun saß sie hier und wartete. Ein junger Mann betrat gerade das Lokal. Kerstin musterte ihn, er trug eine Sonnenbrille. Klar, warum nicht, dachte sie, so übel ist er nicht. Vorsichtig fuhr sie mit der Hand in ihre Tasche und tastete nach dem Tuch. Sollte sie oder sollte sie nicht? Doch während sie noch überlegte, steuerte der sportliche Jüngling geradewegs auf den Tisch der Blondine zu, die kurz zuvor hereingekommen war. Vergeben. Dieses Wort schien sie zu verfolgen. Statt des Halstuchs zog sie nun ihr Handy aus der Tasche und sah auf das Display. Es war bereits 8 Minuten über der Zeit und sie hasste Verspätungen. Ziellos begann sie auf dem Handy herum zu tippen und blieb bei der SMS hängen, die sie dem Unbekannten geschickt hatte. Der Status zeigte eindeutig gesendet. Sie musste davon ausgehen, dass er die Nachricht auf jeden Fall bekommen hatte. Warum kam er also nicht? Schon ziemlich verärgert, sah sie von ihrem Handy auf und ihr Blick fiel auf den Typen jenseits der Scheibe. Was glotzte der so doof, dachte sie wütend. Sie zog eine Grimasse in seine Richtung und wandte sich wieder ihrem Handy zu. 



Oh, die Dunkelhaarige schien schlechte Nachrichten bekommen zu haben, dachte Frank. Gerade hatte sie ihr Handy aus der Tasche geholt und darin gelesen. Ihr Gesichtsausdruck, als sie sich in seine Richtung wandte, sah nicht gerade so aus, als hätte sie Lust auf einen Flirt. Vielleicht hatte eine Freundin sie versetzt, aber bei so einer attraktiven Frau war es wahrscheinlich sogar ihr Freund, der sich wohl verspätete. Beim Schauen ertappt sah er verlegen rasch in eine andere Richtung und tat so als würde er die Bedienung suchen. Ein Blick auf seine Armbanduhr sagte ihm, dass seine Verabredung nun schon gut 10 Minuten über der Zeit war. Er holte sein Handy aus der Jackentasche und las noch mal die Nachricht. Sie war eindeutig. Er checkte noch mal den Eingang. Nein, eine Absage hatte er nicht bekommen. Die Nachricht war mit unterdrückter Nummer verschickt, so dass er nicht antworten konnte. Nachdenklich schaute er auf sein Handy. Wie lange sollte er noch warten? Er beschloss, sich noch eine Cola zu bestellen und der Dame noch eine Frist von 10, maximal 15 Minuten zu geben, dann würde er die Sache abhaken.



Kerstin klickte sich wieder durch ihr Handy. Diesmal blieb sie in dem Menü mit den Telefonnummern hängen. Unter ’U’ war nur ein einziger Eintrag und der lautete auf ’Unbekannter’. Soll ich vielleicht doch noch mal eine SMS schicken, einfach mal nachfragen, ob er unsere Verabredung vergessen hatte? Nein, das kommt nicht in Frage, dachte sie und schüttelte vehement den Kopf. Er konnte ihr ohnehin nicht antworten, denn ihre Nummer würde sie nicht preisgeben. Auf lästige Stalk-SMS konnte sie gut verzichten. Ihr Leben war ruhig und zufrieden und sie hatte keine Lust auf Komplikationen oder Stress. Sie wollte einfach jemanden kennenlernen, wobei die Betonung eindeutig auf ’einfach’ lag. Die ganze Geschichte war von vornherein bekloppt. Sie klickte die Nummer an und wählte das Löschen-Symbol. „Wollen Sie wirklich löschen?“ kam sofort die Meldung zurück und sie zögerte kurz. Dann tippte sie entschlossen „Ja“. Damit hatte sich die Sache erledigt, dachte sie und schob ihr Handy wieder in ihre Handtasche.



Frank hielt nun tatsächlich Ausschau nach der Bedienung um sich eine neue Cola zu bestellen. Als er den Kellner entdeckte, war er gerade auf dem Weg zu seiner schönen Dunkelhaarigen. Sein ’Vielleicht-Flirt’ machte sich gerade daran, zu zahlen. Aufmerksam geworden durch sein Winken nach dem Kellner, sah sie ihn noch einmal an und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Dann stand sie auf und verließ das Lokal.

Frank bestellte sich noch eine Cola. Entschlossen, seinem Glück doch noch eine Chance zu geben, holte er die Sonnenbrille aus der Tasche und setzte sie auf.
 



 
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