Blutsommer

Rub.

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Meine Eltern trennten sich, als wir, ich und mein Bruder Stephan, noch klein waren. Bis zu diesem Zeitpunkt lebten wir in Emden, direkt am Meer. Doch mein Vater bekam das Sorgerecht für mich und wir zogen zu seiner Schwester nach Münster. Für meine Verhältnisse eine Großstadt.
Da der Kontakt zu meinem Bruder und zu meiner Heimat abzubrechen drohte, schlossen meine Eltern einen Kompromiß. Wir Kinder sollten die Sommerferien von diesem Zeitpunkt an gemeinsam bei meinen Großeltern in der Heimat verbringen.
So fuhren wir also am ersten Wochenende der Sommerferien zu den Elternhaus meiner Mutter.
Es war ein kleines, freistehendes Haus direkt am Damm. Mein Großvater war Fischer, meine Großmutter Altenpflegerin, und das Häuschen entsprechend bescheiden.
Ich erinnere mich genau, wie wir, Stephan und ich, auf dem Damm saßen und den Fischern zusahen, den Geruch des Meeres einsaugten und die Möwen mit altem Brot fütterten, die sich kreischend um jeden Brocken stritten. Und wenn die untergehende, rote Sonne den Horizont berührte, und meine Großmutter uns zurück ins Haus rief, duftete die Stube nach heißem Tee. Meine Großmutter bereitete das Abendbrot und danach fütterte Sie Ihre unzähligen Katzen, von denen manche so alt waren, das sie schon lange vor meiner Geburt durch die Gärten der Nachbarschaft streiften. Ich war damals sieben, mein Bruder vier Jahre alt.
Und so verbrachten wir die Ferien, wie sie Kinder eben verbringen. Jeden Sommer von diesem Zeitpunkt an.
Bis zu jenem Sommer, der alles verändern sollte.
Das war der Sommer 1984.
Und wenn man die Menschen in dem Dorf heute nach diesem Sommer fragt, so sagen sie:" Blutsommer"
Es war der Blutsommer.
1984

Wir waren in diesem Jahr schon ein paar Tage bei meinen Großeltern. Ich hatte das Glück, meinen zehnten Geburtstag dort feiern zu dürfen. Das war einer der seltenen Gelegenheiten, meine Mutter zu sehen. Und selbst meine Vater blieb den Tag. Auch wenn die Stimmung zwischen meinen Eltern eisig war, bemühten Sie sich um Höflichkeit und Respekt.
Es gab an diesem Tag Kuchen, Tee und viel Saft.
Einige Kinder aus der Nachbarschaft waren zu diesem Anlaß mit Ihren Eltern gekommen. Sie bleiben bis zum späten Abend und die Erwachsenen tranken und lachten viel.
Mein Großvater erkrankte in diesem Jahr an Krebs, und er trank, als wäre es das letzte Jahr seines Lebens. Obschon er noch viele Jahre leben sollte.
Als spät in der Nacht auch die letzten Gäste das Haus verließen, und ich meine Großmutter in der Küche das Geschirr zusammen stellen hörte, lag ich schon in meinem Bett auf dem Dachboden.
Doch an Schlaf war nicht zu denken.
Wie könnte ich auch. Ich hatte Geburtstag, war aufgedreht und der viele Zucker an diesem Tag tat sein übriges dazu. Und während ich den regelmäßigen Atemzügen meines Bruders lauschte, hörte ich es zum ersten mal.
Nicht wirklich zum ersten Mal, denn ich kannte die Rufe der rolligen Katzen in der Nachtbarschaft, wenn sie nach den Katern riefen.
Sie klangen wie schreiende Kinder.
Es war ein schreckliches Geräusch und drang durch Mark und Bein.
Doch was ich in dieser Nacht hörte, war schlimmer als alles , was ich je von den Katzen vernommen hatten.
Es klang so fern. .und dennoch war es so laut, als ob es direkt unter meinem Fenster passierte. Meine Ohren brannten und meine Haut wollte sich beinahe von meinem Körper schälen, weil eine Gänsehaut nicht auszudrücken vermag, welche Angst ich entfand.
Wie das kreischen einer sterbenden Frau drang es durch das geöffnete Fenster zu mir. Ich wollte die Decke über meinen Kopf ziehen, tat es aber nicht.
Ich weiß nicht wieso, aber ich stand auf und lief nach unten in die Küche, wo meine Großmutter am der Terrassentür stand und in die Nacht starrte. Ich stellte mich zu Ihr und umklammerte Ihren Rock.
Ich weiß noch, sie strich mit Ihrer Hand über meinen Kopf und sagte mir, das sei die späte Balz. Und wir standen an der offenen Tür und sahen nach draußen.
In dem Hof meiner Großeltern stand ein alter Schuppen, beinahe so groß wie das Haus selbst, und mein Großvater bewahrte dort alles auf, was nicht mehr in das Haus zu passen schien. Hinter dem Schuppen endete für mich als Kind die Welt.
Ein Schlot, so nennt man in Friesland einen kleinen , schlammigen Fluß, lief hinter dem Schuppen her. An ihm lag eine Weide mit Schafen und dahinter erstreckte sich ein winziges Wäldchen.
Nun lag der Schuppen, in dem wir so gerne spielten, obwohl es verboten war, in einem düsterem Dämmerlicht der Sommernacht. Er hob sich beinahe schwarz aus der Szenerie und war Herberge für die Katzen in der Nacht.
Die glaslosen Fenster starrten uns an wie Augen, so wie wir den Schuppen anstarrten. Und das Schreien dieser Katze drang aus diesem Schuppen zu uns hinaus.
Nach einer Ewigkeit schloß meine Großmutter die Terrassentür und setzte einen Kessel Wasser auf.
Ich aber konnte meinen Blick nicht von den Augen des Schuppens wenden.
Und als mich meine Großmutter an der Schulter berührte um mich zurück in mein Bett zu schicken, da hörte es auf, ganz plötzlich das Schreien.
Und wie ich verwundert in die Nacht schaue, und in die Augen des Schuppens, da sah ich den Schatten.
Wie er am Fenster stand und zu uns rüberschaute. Der Schatten einer menschlichen Gestalt.
Und von diesem Moment an war die Nacht still, nicht einmal die Grillen zirpten. Und als ich in meinem Bett lag und der Schlaf mich übermannte, sah ich den Schatten wieder, in meinen Träumen.

Am nächsten Morgen fand ich meine Großmutter weinend in der Küche sitzend.
Mein Großvater war früh schon im Schuppen gewesen, um für die morgendliche Fahrt mit dem Boot Netze aus dem Schuppen zu holen.
Doch als Er zurück in das Haus kam, brachte er statt dessen eine tote Katze mit.
Er fand sie auf dem Schober im Schuppen. Er sagte, sie müsse sich verletzt haben, denn überall habe Blut gelegen, und nun wüßte man ja auch, wieso das arme Tier so geschrien habe.
Doch ich wußte es besser.
Ich sah den Schatten.

Die Katze meiner Großmutter blieb nicht das einzige tote Tier in der nächsten Zeit. Überall aus der Nachbarschaft klagten die Leute über die Verluste Ihrer Tiere.
Die Tiermorde waren immer geheimnisvoll. Niemand schien je etwas bemerkt zu haben. Es gab massenhaft tote Katzen, tote Hunde und selbst ein paar tote Schafe waren zu vermelden.
Also wurde die Polizei eingeschaltet. Die Menschen riefen Ihre Tiere bei Einbruch der Dunkelheit in die Häuser. Und es wurden Versammlungen abgehalten, da man sich auch Sorgen um die Bürger machte.
Die Straßen waren Abends leer, und obschon es Sommer war, spielten die Kinder nicht mehr draußen.
Die Polizei versuchte die Menschen zu beruhigen, war aber nicht in der Lage, Licht in die Angelegenheit zu bringen.
Und ich dachte immer an den Schatten.
Immer.

Als am 4.Wochenende nach Beginn der Sommerferien eine Freundin, Nadine, bei mir übernachten durfte, redeten wir die halbe Nacht darüber, und so kam es, das auch Sie zugab, jemanden vor dem Tot Ihres Hundes Scooter gesehen zu haben.
Ich hatte noch niemanden von dem Schatten erzählt, aber jetzt wollte ich mir Luft machen.
ich erzählte die ganze Geschichte.
Von dem Schreien der Katze bis hin zu dem Schatten am Fenster.
Und je mehr ich redete, desto aufgeregter wurde ich.
Ich wußte, Nadine hing ganz besonders an Ihrem Hund. Nach dem Tot Ihres Vaters war er beinahe alles was Ihr von Ihm geblieben war.
Ich weiß nicht, wie wir dazu kamen, ich kann heute noch nicht nachvollziehen, was für ein Teufel uns geritten hat in dieser Nacht, doch wir beschlossen, der Sache auf dem Grund zu gehe. Mit einer Zuversicht, die nur Kinder zu eigen ist, waren wir entschlossen, den Täter zu entlarven. Kinder denken nie an den Tot.
Für ein Kind scheint das Leben ewig zu währen.
Und so fasten wir den verhängnisvollen Plan für die nächste Nacht.
Die Nacht sollte mein Leben verändern und von da an sollte ich erfahren, das ein Kind nicht ewig lebt.
Wir schliefen glücklich ein.
Denn von nun an hatten wir das Gefühl, etwas tun zu können.
Der nächste Tag begann wie alle anderen Tage davor.
Ich frühstückte mit meinen Großeltern, stritt mich mit meinem Bruder über das Fernsehprogramm und fütterte mit meiner Großmutter die Katzen.
Gegen Mittag traf ich mich mit Nadine um alle Vorbereitungen zu treffen, die für die Nacht notwendig waren.
Von Ihrer Mutter "borgten" wir uns Taschenlampen.
Von meinem Großvater wollten wir uns Netze "borgen".
Ich war seit der Nacht nie wieder im Schuppen, und als wir nun davor standen, und die Sonne uns den Nacken fast verbrannte, war mein Körper ein Stein.
Ich schwitze in meinen kurzen Hosen und mein T-Shirt klebte an meiner Brust.
Ich nahm allen Mut zusammen und streckte die Hand nach dem rostigem Türknauf aus.

Der Schuppen war kühl, das war er immer. Es war nicht wichtig, wie heiß der Sommer war, denn dort drin war immer
Schatten.

Schatten
spielten an den mit Spinnweben verhangenen Wänden
Schatten
verdunkelten die Ecken und
Schatten
tanzten unter den glaslosen Fenstern.

Ich rannte hinein, mein Herz drohte meine Brust zu sprengen und mein Atem brannte.
Ich lief ohne nach links oder rechts zu schauen zu der alten Holskiste, in der mein Großvater seine Netze aufbewahrte.
Ich öffnete Sie und griff hinein, ohne auch nur einen Blick zu verschwenden und nahm, was ich fühlte.
Zu meinem Glück was es tatsächlich eines seiner Netze.
Als ich mich umdrehte um wieder hinaus zu laufen, sah ich Nadine im Sonnenschein stehen und beneidete Sie.
Obwohl ich nur noch raus wollte, zu Ihr in den Sonnenschein, wanderte mein Blick nach oben zu dem staubigem Schober.
Dort, wo vor über vierzig Jahren einmal Fisch geräuchert wurde, und wo es noch immer nach Fisch roch, dort oben, da war ich mich sicher, lebte der Schatten.
Um mich herum, gab es keine Zeit mehr, als ich es bemerkte, das, was mich schon störte, als ich in den Schuppen rannte.
Etwas das anders war, etwas, das falsch war.
Wo war die Leiter??
So lange ich denken konnte, stand immer eine alte, morsche Leiter am Rand des Schobers.
Bei Gott, über diese Leiter kamen wir immer dort oben rauf!
Die Leiter, die meinem Bruder im letztem Sommer beinahe das Leben gekostet hatte, weil eine Sprosse brach und er drohte zu fallen.
Die Leiter, die mein Großvater immer, immer ersetzten wollte, und es doch nie tat.
Ich konnte Ihre Spuren noch auf dem staubigem Boden sehen.
Die zwei Abdrücke, dort wo sie stand.
Ich ging weiter in den Raum rein, um besser nach oben schauen zu können.
Wie aus weiter Ferne hörte ich Nadine meinen Namen rufen.
Ich streckte meinen Hals...und nun roch ich es auch.
Ein Geruch, den ich nicht kannte.
es roch süß, aber nicht schön süß.
Der süßliche Geruch kam von dort oben.
Wenn ich auf einer bestimmten Stelle stand, quoll er aus den oberen Balken zu mir herunter.
Er war direkt über mir.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Fausthieb.
ES war direkt über mir.
Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
Denn ich konnte ES hören.
Bewegungen, Rascheln.
Wie ich aus dem Schuppen raus kam, weiß ich nicht mehr.
Ich weiß nur noch, das Nadine mich schüttelte und mir ins Gesicht schrie.
Als ich wieder klar wurde, stand ich mit Ihr im Sonnenschein und mein Nacken wurde wieder heiß.
Ich schaute auf meine Hände, denn sie schmerzten.
Ich hatte meine Nägel tief in meine Handflächen gegraben, und auf vier, kleinen, sichelförmigen Wunden quoll Blut.

An diesem Nachmittag baten wir Nadines Mutter ein weiteres Mal, ob Ihre Tochter nicht bei uns schlafen dürfte.
Sie sagte zu, und als wir bei Sonnenuntergang zurück zu meinen Großeltern gingen, hatten wir Angst.
Wie sahen ein bißchen Fern, aßen ohne Appetit und sprachen kaum.
Als der Spätfilm begann, schickte uns meine Großmutter ins Bett.
Und wir gingen ohne ein Wiederwort.

Unser Zimmer lag direkt unter dem Dach. Es hatte zwei Fenster.
Das Fenster, das vorne raus ging bot ein Blick auf die Straße und auf den Damm.
Das Fenster, das nach hinten auf den Hof raus ging, schloß sich an eine kleines Vordach, über das wir zu klettern gedachten. Von diesem Fenster aus konnte man den Schuppen sehen, und den Schlot. Und wenn es windstill war, konnte man des Schlot auch riechen. Das schlammige Wasser hatte eben seine eigene Duftnote.
Als wir sicher waren, das meine Großeltern schliefen, verwirklichten wir unseren tollkühnen Plan. Die alte Uhr an der Wand meines Zimmers zeigte schon nach Mitternacht. leise, ohne auch nur einen Laut von uns zu geben, zogen wir uns an und
mit allergrößter Vorsicht schlichen Nadine und ich uns aus dem Fenster.
Mein Bruder schlief selig.
Wir zogen das Netz hinter uns auf das Vordach und blieben still sitzen.
Wir beobachteten lange, lange Zeit.

Und tatsächlich...obwohl sich eine scheinbare Ewigkeit gar nichts tat, leuchtete plötzlich ein Licht hinter den Fenstern des Schuppen.
Wir konnten sehen, wie es hin und her schwang.
Ich hatte einen Klos im Hals und versuchte zu sprechen.. aber statt dessen nahm ich Nadines Hand und hielt sie.
Das Licht im Schuppen erlosch und die Tür zum Schuppen wurde geöffnet.
Der Schatten trat heraus.
Doch es war kein Schatten.
Es war ein junger Mann.
Ich dachte an einen Penner, oder an einem entlaufenem Häftling.
Ich dachte an einem Mörder und mich verließ der Mut.
Er blickte sich um, dann verschwand er hinter dem Schuppen und wir sahen ihn über den Schlot spingen.
Wahrscheinlich ging er Richtung Wäldchen.
Das war unser Stichwort. Ohne ein Wort zu sagen, kletterten wir vom Vordach und zogen das Netz hinter uns her. Wir erschraken, als es mit einem lauten "Plumps" zu Boden viel.
Ich konnte meinen Puls spüren.
Nadine sammelte das Netz auf und schlang es sich um die Taille, wie wir es geübt hatten.
Wir waren uns darüber im klaren das wir uns schnell und ungehindert bewegen mußten.
Ich nahm die Taschenlampen und wir machten uns auf den Weg in den Schuppen.

Es war stockfinster hier drin. Es roch staubig und alt.
Ich leuchtete mit einer der beiden Taschenlampen in die Dunkelheit.
Und ich war nicht überrascht, die Leiter wieder zu sehen.
Wer auch immer zog sie hinter sich auf den Schober, damit man Ihm nicht folgen konnte.
Ich folgte der Leiter mit dem Stahl der Lampe um nach oben zu schauen.
Nadine stand hinter mir und ich fühlte Ihren Atem in meinem Nacken. Heiß und feucht.
Ich ging auf die Leiter zu und stellte meinen Fuß auf die erste Sprosse....meinen Blick immer nach oben gerichtet.....Und ließ fast die Taschenlampe fallen, als ich seine Stimme hörte.
"Was tut Ihr hier?"
Ich wagte nicht mich um zu drehen.
Tat es aber trotzdem.
Was ich sah, ließ mich schreien wollen, aber ich konnte nicht.
Ich konnte Ihn nur anstarren. Er hatte Nadine.
Er hatte sie mit einer Hand in den Nacken gepackt und hielt sie ohne Mühe einen halben Meter über den Boden. Sie strampelte mit den Beinen, aber er hielt Sie.
Sein Gesicht betrachtete mich mit einen Ausdruck von Neugierde und wütender Erwartung. Seine Haut war wie Seide, eben und weiß, doch seine Augen brannten wie Feuerbälle.
Seine Lippen war voll und rot, und sie lächelten mich beinahe freundlich an.
Ich wollte etwas sagen, mußte, irgendwas. .aber ich konnte nicht.
Der Schein der Taschenlampe klebte an seinem Gesicht.
Und seine Augen reflektierten das Licht.
Es hatte nichts menschliches an sich.
"Hab ich Dir nicht gerade eine Frage gestellt?"
Fragte er freundlich mit einer Stimme aus Samt.
Nadine zappelte nun nicht mehr.
Ihre Arme hingen schlaff an Ihren Körper herunter. Ihr Kopf lag auf seinem Arm und ich konnte sie zischend die Luft einatmen hören.
Er sah Ihr in Ihre Augen und schmiß sie eineinhalb Meter aus dem Schuppen raus, wo sie reglos liegen blieb.
Er sah Sie noch einige Sekunden an, dann lächelte er mich an.
"Kannst du nicht sprechen?"
Er trat einen Schritt auf mich zu und das ließ mich aus meiner Starre erwachen.
Ich schrie, schrie wie ich noch nie geschrien hatte. Ich schrie lauter als die Katzen.
Und ich hörte erst wieder auf, als ein Knall die Nacht durchschnitt.
Das Ding vor mir betrachtete mich fragend und sah zu seinem Bauch.
Blut quoll aus einer tellergroßen Wunde unter seinem Hemd . Einen Augenblick starrten wir beide darauf als ob das alle Fragen dieser Welt beantworten könne.
Dann hörte ich die Stimme meines Großvaters, die nach mir rief.
Das Ding vor mir drehte sich mit einer rasenden Geschwindigkeit um und rannte auf meinen Großvater zu.
Auf seinem Rücken sah ich mehr Blut. .und andere Dinge, sie kamen aus seinem Rücken.
Ich hörte wieder einen Knall, dann noch einen.
Und das Ding fiel.
Erst jetzt sah ich die Schrotflinte meines Großvaters in seinen Händen.
Das Ding lag auf dem Rasen meiner Großeltern.
Es bewegte sich nicht mehr.
Ich sah meine Großmutter, wie sie über Nadine beugte und auf Ihre Brust drückte.
sie tat das immer wieder und pustete in Ihren Mund.
Drückte,
pustete,
drückte,
pustet...
Ich konnte nicht aufhören, das anzusehen.
Menschen versammelten sich und starrten.
Unsere Nachbarn , da, der alte Mann, der seit zwölf Jahren nicht mehr trank.
Als die Polizei und die Krankenwagen kamen, ging die Sonne auf.
Das Ding wurde in einen Krankenwagen gebracht, auch Nadine.

Am Tag holte die Polizei vom Schober unseres Schuppens einen toten Mann und eine tote Frau, die niemand kannte.

Zwei Tage später verbrannte mein Großvater den Schuppen und mein Bruder und ich beobachteten die Flammen, die weit in den Himmel ragten und als Nadine drei Tage später auf dem Örtlichen Friedhof begraben wurde, stand in der Zeitung, das ein kleines Mädchen von einem Obdachlosen ermordet wurde.
Mein Vater holte mich vor der Zeit, und wir sprachen auf den ganzen Heimweg kaum ein Wort miteinander.
Ich war seit dem drei Jahre lang nicht bei meinen Großeltern.
Als ich 13 war starb mein Großvater und wir gingen zu der Beerdigung.
Wo eins der Schuppen stand, war nun ein Beet mit Möhren und Kohlrabi.
Wir sprachen nie wieder über jene Nacht.

Das alles geschah im Sommer 1984.
Und wenn man die Menschen heute danach fragt, dann sagen sie:

"Blutsommer"

Blutsommer 1984.
 

Nightflier

Mitglied
Hallo ...

Ich weise Dich darauf hin ich bin hier neu
habe heut abend nur mal, ne kurzgeschichte gelesen

da ich sehr shcnell schreibe lese ich keinerlei korrektur
und daher ist die rechtschreibung absolut nebensächlich

ich hab deinen text gelesen, einige stellen darin erscheinen mehr als spannend, aber andere wiederum lassen
mich aus der spannung sofort herausfallen, und stören sich
an formalfehlern

alles in allem ist deine geschichte gut gelungen
nur frage ich mich warum du das ding am ende offen lässt

im großem ganzem scheint es sich dabei um einen vampir
zu habdeln, so zumindest mutet die beschreibung an

andererseits, wiederspricht dem die taschenlampe

wenn Du gern mal ne meinung haben möchtest welche formalfehler mich unter anderem stören , ich helfe gern weiter

der nachtflieger
 
P

Phantom

Gast
Ich muss zugeben, dass mir diese Geschichte gut gefallen hat. Irgendwie ein bischen mit Melancholie angehaucht, aber trotzdem spannend. Auch die Erzählperspektive ist mal anders, nicht personal (allwissender Erzähler, der Mann geht so und so, die Frau dachte...) sondern auktorial (Ich-Erzähler), die ist schwieriger und wird von den wenigsten Krimiautoren gewählt. Dennoch hätte ich zwei Verständnisfragen:

1. Du schriebst am Anfang der Geschichte:"Hinter dem Schuppen endete für mich als Kind die Welt", wie kann das sein, da die beiden Jungen ab und zu auf dem Damm sitzen, und die Fischer beobachten, das ist doch die natürliche Barriere, also das Ende der Welt für das Kind.

2. Du hast den Mörder zwar detailliert beschrieben, doch trotzdem kommt nicht raus warum er das getan hat. War er jetzt ein Obdachloser, oder vielleicht doch eher aus einer Irrenanstalt geflohen? An dem Motiv solltest du noch ein wenig arbeiten, für den Leser bleibt es unklar warum er das getan hat.

Ich freue mich schon auf deine nächste Geschichte.
Gruß Phantom
 

Rub.

Mitglied
Danke Phantom,

um gleich auf deine Fragen einzugehen.

Was das End der Welt angeht.
Der Damm war beinahe direkt vor dem Haus, allerdings durften wir Kinder hinter dem Haus nie weiter als zum Schuppen laufen.
Es ging dabei nicht darum, das wir verlohren zu gehen drohten, denn dort war ja noch eine große Weide, sondern darum, das dort der stinkene Schlot mit den vielen ratten war.
Für uns las Kinder ein absolutes Tabu.
Was nun den Mörder angeht.
Ich habe ganz bewußt keine Motive oder näheres zu den Gedankengängen das Mörders beigesteuert, da die Geschichte aus der Sicht eines Kindes beschrieben wird.
Dieses Kind weiß von alle dem nichts. Es ist lediglich mit dem von ihm aufgefasten Tatsachen konfrontiert.
Ich habe es aus diesem Grund ganz vermieden, Spekulationen anzustellen.

liebe Grüße,
und danke für deine Kritik

Rub.
 

GKL

Mitglied
Hey Rub.,
eine tolle Geschichte, hat mir wirklich sehr gefallen: unheimliche Atmosphäre, spannend, rasante Erzählweise. Vor allem aber ist die Geschichte glaubwürdig, d.h. man hat das Gefühl, als wäre alles wirklich so geschehen. An der Story wirkt nichts gekünstelt, dein Schreibstil ist locker und anschaulich. Dafür kann ich dir nur mein Kompliment aussprechen.

Zwei Sachen noch:
- Heißt es nicht "Deich" statt "Damm"? Oder ist "Damm" auch solch typisch friesischer Ausdruck wie "Schlot"?
- Du schreibst "...Tot ihres Hundes", "...Tot ihres Vaters", "...Kinder denken nie an den Tot". Wahrscheinlich hilft dir die Word Rechtschreibhilfe hier auch nicht weiter, denn in diesen Fällen ist die richtige Schreibweise "Tod".

Gruß

Günter
 

Marc Mx

Mitglied
Kommentar zu Blutsommer

Die Geschichte ist ja eigentlich durchaus interessant...

Der Anfang ist aber nicht nur zu lang, sondern auch langweilig. Die Details hättest Du wenn überhaupt irgendwo im Text einfließen lassen können...
An der Stelle „Das war der Sommer 1984“ geht es eigentlich erst los. Leider kommt danach wieder nur ein uninteressanter Einschub...
Der Kommentar: „Obschon er noch viele Jahre lebte“ ist überflüssig.
Das mit dem Balzgeschrei der Katze macht sehr neugierig und die Reaktion des Jungen ist sehr nachvollziehbar...
Gut ist der Text an den Stellen, wo detailliert Ereignisse und Zustände beschrieben werden. Da zieht der Text und macht neugierig.
Sprachlich ist der Text an vielen – zu vielen Stellen problematisch bis mißlungen.
„Ein Schlot lief hinter dem Schuppen her“ klingt sehr witzig, ist aber sicher nicht das, was ausgedrückt werden sollte.
„Ich aber konnte meinen Blick nicht von den Augen des Schuppens wenden.“ – Der Schuppen hat Augen? Doch wohl eher die Katze in dem Schuppen, oder?
„Kinder denken nie an den Tot (Tod!). Für ein Kind scheint das Leben ewig zu währen.“ – Wozu steht das da? Es ist überflüssig!
„Die Nacht sollte mein Leben verändern und von da an sollte ich erfahren, das ein Kind nicht ewig lebt.“ – Ebenfalls ein unsäglicher Einschub, der nichts mit der Geschichte zu tun hat, sondern ein Kommentar des Autors ist...
„Schatten spielten an den ... Ich rannte hinein, mein Herz drohte meine Brust zu sprengen und mein Atem brannte.“ – Pathetischer ging es wohl nicht.
„ES war direkt über mir.“ – Ist ein bißchen sehr platt. Erinnert zu sehr an Stephen King!
Außerdem ist die Stelle etwas unglaubwürdig, weil der Junge nicht weiter nachforscht bzw. es wird nicht nachvollziehbart erklärt, warum er jetzt nicht weiter nachforschen will.
Das Ende finde ich auch nicht so gelungen. Es ist zu offen.

Aus dem Text läßt sich Deine Behauptung, sie sei aus der Sicht eines Kindes geschrieben nicht erkennen.

Insgesamt hat der Text sehr gute Ansätze muss aber mMn nach noch sehr deutlich überarbeitet werden.

Und noch eins: Dieser Text ist kein Krimi!

Gruß

Marc
 

Rub.

Mitglied
hallo Marc

Guten Morgen Marc,
ich habe mich sehr über diese ausführliche Kritik gewundert. Das hatte ich hier noch nie.
Allerdings möchte ich noch auf einige Punkte eingehen, die du angeführt hast.

Zitat
_____

Der Anfang ist aber nicht nur zu lang, sondern auch langweilig. Die Details hättest Du wenn überhaupt irgendwo im Text einfließen lassen können...

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Im Grunde genommen hast du schon recht, sicherlich hätte ich diese Begebenheiten irgendwo einfließen lassen können, nur wäre ich ja dann in plötzliche Geschenisse hineingeplatzt, die schon ein Vorspiel bedürfen.


Zitat

___________-

Sprachlich ist der Text an vielen – zu vielen Stellen problematisch bis mißlungen.
„Ein Schlot lief hinter dem Schuppen her“ klingt sehr witzig, ist aber sicher nicht das, was ausgedrückt werden sollte

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Das war genau das, was ich sagen wollte. Ein Schlot ist ein kleiner, meist zeimlich verdreckter Flußlauf, der, zumindest in diesem Fall, eine Menge Ratten beherbergte.

Zitat
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„Ich aber konnte meinen Blick nicht von den Augen des Schuppens wenden.“ – Der Schuppen hat Augen? Doch wohl eher die Katze in dem Schuppen, oder?
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Die Fenster sind die Augen des Schuppens. Das ist eine Metapher;-)
Es geht nicht um Katzen, die dort im Schuppen sitzten.


Zitat

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„Kinder denken nie an den Tot (Tod!). Für ein Kind scheint das Leben ewig zu währen.“ – Wozu steht das da? Es ist überflüssig!
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Es steht dazu da, um zu verdeutlichen, das selbst Kinder in der Lage sind diese Tatsache zu lernen und auch zu akzeptieren.
Nennen wir es einfach, die Moral von der Geschicht:)

Zitat
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„Die Nacht sollte mein Leben verändern und von da an sollte ich erfahren, das ein Kind nicht ewig lebt.“ – Ebenfalls ein unsäglicher Einschub, der nichts mit der Geschichte zu tun hat, sondern ein Kommentar des Autors ist...
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natürlich hat es etwas mit der geschichte zu tun, denn diese ist ja aus der Sicht des Autors geschreiben, und nicht aus der Sicht des Kindes, wie du es später einmal erwähnst.
Der Autor erinnert sich an diese Begebenheiten und schreibt sie nieder..oder erzählt sie auch. Das bleibt ganz dem Leser überlassen.


Zitat
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„Schatten spielten an den ... Ich rannte hinein, mein Herz drohte meine Brust zu sprengen und mein Atem brannte.“ – Pathetischer ging es wohl nicht.
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Die Dramatik des Augenblickes muß auch als solches dargestellt werden.
Wenn man diese Situation nicht treffend beschreibt, denke ich, ist das "Talent" verschwendet ;-)

Zu guter Letzt noch, habe ich das gefühlt, das du eine Geschichte wie aus dem Lehrbuch hier erwartest.
Stilistische Ausschweifungen dürfen nicht sein, metaphern werden nicht verwendet ect.

Das stimmt mich schon ein wenig traurig, denn man muß die versteckten Dinge auch erkennen.
Nicht nur das was man liest.
Zum Beispiel die Augen des Schuppens.
Aber ich habe mich sehr über deine Kritik gefreut.
Eigendlich sollte die Geschichte auch nicht nach krimi, als ich sie gepostet habe, was schon eine Weile her ist, da stand da noch...:Krimi/Horror

Hm, und nachdem das geändert wurde, ist sie bestimmt da nur reingerutscht.
Eine kleine Sache noch
Die Protagonistin ist ein Mädchen ;-)
Viele Liebe grüße
Rub.
 



 
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