Brüder
„Verschlossen, auf dem Speicher der Erinnerung hinter tonnenweise Gerümpel, unter dem Spinnennetz der Zeit, da liegt wohl der Hund begraben.“, denke ich und öffne meine von Tränen verklebten Augen.
Sehe die Küche meiner Eltern in verschwommenen Umrissen. Dort die weißen Hängeschränke. Einer einen Spalt geöffnet. Das einfache weiße Geschirr starrt mich an – aufgereiht in Stapeln. Ein Bild vertraut aus vergangenen Tagen.Darunter auf der Ablage noch immer die alte Kaffeemaschine. Sie ist gealtert, so wie wir.
Mein Blick schweift hinüber auf die andere Seite. Dort steht noch der alte Bauernschrank mit den verglasten Schranktüren.
Zwei faustgroße Löcher erinnern mich daran, was passiert ist – wo ich bin. Von den Löchern aus zieren hauchdünne Risse das Glas. Es erinnert mich an etwas. Ein Bild schießt mir durch den Kopf. Im Fernsehen hatte ich letztens so ein Gebilde gesehen: Ein Neuron. Ja – Die zwei dunklen Löcher und das umliegende Netz aus angebrochenem Glas sehen aus wie zwei Neuronen. Verbunden durch die Fäden der Zeit. "Auch das Glas hat ein Gedächtnis...", denke ich noch, als ein tiefes Atmen meinen Blick vom Muster der Glastüren löst.
Ich sehe nach unten auf den Linoleumboden. Mein Bruder kniet dort mit blutig zerfetzten Händen. Er sieht zu mir auf. Sein Atmen und sein Blick dringen nicht vollends zu mir durch. Nur ein Geräusch und ein Flackern.
Ich höre und sehe ihn, aber will durchkommen. Ich kann nicht denken, nicht fühlen. Alles um mich herum scheint nicht wirklich zu sein. Meine Gedanken und Gefühle wurde aus mir herausgerissen. Sie schweben hier frei im Raum. Genau wie bei ihm. Keiner von uns spricht ein Wort.
Verzweifelung zeichnet sich auf unseren Gesichtern wider. Mir rollen noch immer Tränen über die Wangen und meinem Bruder läuft das Blut die Finger entlang. Am Ende der Kuppen bildet es dicke Tropfen. Langsam löst sich einer nach dem anderen, um langsam und unaufhaltsam auf dem Linoleum zu zerschmettern.
Er schaut auf den roten Fleck am Boden. Ballt die verletzte Hand. Blut quetscht sich durch die geballte Faust. „Keine Ahnung, was mit mir los ist. Zum Teufel, ich kann nicht mehr.“
Die Glassplitter haben sich mit dem Blut am Boden vereint. Die kleinen Glasstücke, rot getränkt, funkeln und glitzern im Licht des Neonlichts der Küchenlampe. Rubine der Verzweifelung.
„Ja, ich weiß!“, hauche ich. Und meine Seele zerspringt zum X-ten Mal. Ich habe nie gezählt. Vielleicht in der Hoffnung, dass es nie mehr geschieht. Als wenn das Stummsein einen bewahren könnte! Nein – Wie oft stand ich schon mit meinem Bruder vor Zerbrochenem. Egal was zerbrach, ob Stühle, Geschirr, Türen oder Glas – immer zerbrachen auch unserer beider Seelen.
Und ich habe mir oft geschworen, dass es genug wäre. Dass es Zeit wäre, ihn zurückzulassen. Doch ich habe nach all den Jahren erkannt: Ein Entkommen ist nicht möglich. Selbst wenn ich wollte, ich kann ihn nicht zurücklassen. Er ist mein Bruder! Soll das etwa Liebe sein?
„Karl, ich brauch Hilfe! Was soll ich nur tun?! Schau mich an, was mach ich hier nur?!“ Die Angst und das Unbegreifliche verzerren sein Gesicht zu einer Grimasse. Abscheu steigt in mir auf.
„Oh Gott! Ich weiß nicht, was ich tun soll?! Warum bin ich so?“, entfuhr es ihm immer wieder. Gerade so, als würde ihm jemand die Antwort geben, wenn er es nur oft genug herausschreit. Aber der Raum bleibt stumm.
Nur die Vergangenheit hämmert unaufhörlich auf uns ein. „Erinnert Euch! Erinnert Euch!“, ruft sie. Und das zerbrochene Glas klingt mit ohrenbetäubender Frequenz in diese Melodie vergangener Tage mit ein. „Schau, ich bin Zerbrochen durch Eure Hände. Warum habt ihr das getan?“ - "Wieso WIR?!", frag ich mich.
„Ich trage keine Schuld!“, red ich mir zu. „Nein! Was soll ich tun?!“
Doch die Rubine am Boden schreien mir zu „ Elender Feigling! Heulst rum und wir liegen im Blut deines Bruders.“ Mein Kopf dröhnt und in meiner Brust schlägt mein Herz so schnell, dass mir schwindelig wird. „Hilf mir!“, sagen die Augen meines Bruders.
„Verschlossen, auf dem Speicher der Erinnerung hinter tonnenweise Gerümpel, unter dem Spinnennetz der Zeit, da liegt wohl der Hund begraben.“, denke ich und öffne meine von Tränen verklebten Augen.
Sehe die Küche meiner Eltern in verschwommenen Umrissen. Dort die weißen Hängeschränke. Einer einen Spalt geöffnet. Das einfache weiße Geschirr starrt mich an – aufgereiht in Stapeln. Ein Bild vertraut aus vergangenen Tagen.Darunter auf der Ablage noch immer die alte Kaffeemaschine. Sie ist gealtert, so wie wir.
Mein Blick schweift hinüber auf die andere Seite. Dort steht noch der alte Bauernschrank mit den verglasten Schranktüren.
Zwei faustgroße Löcher erinnern mich daran, was passiert ist – wo ich bin. Von den Löchern aus zieren hauchdünne Risse das Glas. Es erinnert mich an etwas. Ein Bild schießt mir durch den Kopf. Im Fernsehen hatte ich letztens so ein Gebilde gesehen: Ein Neuron. Ja – Die zwei dunklen Löcher und das umliegende Netz aus angebrochenem Glas sehen aus wie zwei Neuronen. Verbunden durch die Fäden der Zeit. "Auch das Glas hat ein Gedächtnis...", denke ich noch, als ein tiefes Atmen meinen Blick vom Muster der Glastüren löst.
Ich sehe nach unten auf den Linoleumboden. Mein Bruder kniet dort mit blutig zerfetzten Händen. Er sieht zu mir auf. Sein Atmen und sein Blick dringen nicht vollends zu mir durch. Nur ein Geräusch und ein Flackern.
Ich höre und sehe ihn, aber will durchkommen. Ich kann nicht denken, nicht fühlen. Alles um mich herum scheint nicht wirklich zu sein. Meine Gedanken und Gefühle wurde aus mir herausgerissen. Sie schweben hier frei im Raum. Genau wie bei ihm. Keiner von uns spricht ein Wort.
Verzweifelung zeichnet sich auf unseren Gesichtern wider. Mir rollen noch immer Tränen über die Wangen und meinem Bruder läuft das Blut die Finger entlang. Am Ende der Kuppen bildet es dicke Tropfen. Langsam löst sich einer nach dem anderen, um langsam und unaufhaltsam auf dem Linoleum zu zerschmettern.
Er schaut auf den roten Fleck am Boden. Ballt die verletzte Hand. Blut quetscht sich durch die geballte Faust. „Keine Ahnung, was mit mir los ist. Zum Teufel, ich kann nicht mehr.“
Die Glassplitter haben sich mit dem Blut am Boden vereint. Die kleinen Glasstücke, rot getränkt, funkeln und glitzern im Licht des Neonlichts der Küchenlampe. Rubine der Verzweifelung.
„Ja, ich weiß!“, hauche ich. Und meine Seele zerspringt zum X-ten Mal. Ich habe nie gezählt. Vielleicht in der Hoffnung, dass es nie mehr geschieht. Als wenn das Stummsein einen bewahren könnte! Nein – Wie oft stand ich schon mit meinem Bruder vor Zerbrochenem. Egal was zerbrach, ob Stühle, Geschirr, Türen oder Glas – immer zerbrachen auch unserer beider Seelen.
Und ich habe mir oft geschworen, dass es genug wäre. Dass es Zeit wäre, ihn zurückzulassen. Doch ich habe nach all den Jahren erkannt: Ein Entkommen ist nicht möglich. Selbst wenn ich wollte, ich kann ihn nicht zurücklassen. Er ist mein Bruder! Soll das etwa Liebe sein?
„Karl, ich brauch Hilfe! Was soll ich nur tun?! Schau mich an, was mach ich hier nur?!“ Die Angst und das Unbegreifliche verzerren sein Gesicht zu einer Grimasse. Abscheu steigt in mir auf.
„Oh Gott! Ich weiß nicht, was ich tun soll?! Warum bin ich so?“, entfuhr es ihm immer wieder. Gerade so, als würde ihm jemand die Antwort geben, wenn er es nur oft genug herausschreit. Aber der Raum bleibt stumm.
Nur die Vergangenheit hämmert unaufhörlich auf uns ein. „Erinnert Euch! Erinnert Euch!“, ruft sie. Und das zerbrochene Glas klingt mit ohrenbetäubender Frequenz in diese Melodie vergangener Tage mit ein. „Schau, ich bin Zerbrochen durch Eure Hände. Warum habt ihr das getan?“ - "Wieso WIR?!", frag ich mich.
„Ich trage keine Schuld!“, red ich mir zu. „Nein! Was soll ich tun?!“
Doch die Rubine am Boden schreien mir zu „ Elender Feigling! Heulst rum und wir liegen im Blut deines Bruders.“ Mein Kopf dröhnt und in meiner Brust schlägt mein Herz so schnell, dass mir schwindelig wird. „Hilf mir!“, sagen die Augen meines Bruders.