Brustwarze unter grünem Mond

Wipfel

Mitglied
Brustwarze unter grünem Mond

Als der Maler Pawel Ott die Frau aus dem Staub hob, dachte er an sein Werk. Halb nackt und geschunden fand er sie, ihr Gesicht war zerkratzt, ihre rechte Brustwarze hing nur noch an einem Faden.
„Meine Heldin“, flüsterte Ott und trug die Frau in sein Atelier, „dich muss ich malen. Unbedingt! Du bist meine Anfissa.“

Irgendwann erwachte sie und staunte: der Raum war hell und warm. Bilder standen an den Wänden, die Staffelei am Fenster trug einen bespannten Rahmen, eine alte Tür auf zwei Holzböcken diente als Arbeitsplatz; es roch nach frischen Blumen und Terpentin. In der Mitte des Raumes lag Anfissa, auf einem roten Sofa gebettet, im künstlichen Paradies.
"Hier kannst du schlafen; trink, wenn es dich dürstet, was du zu essen findest, soll deinen Hunger stillen. Nur um eines bitte ich dich: Lass meine Pinsel und Farben in Ruhe! Hörst du?“

Anfissa aß, trank, beobachtete Pawel und fiel in einen tiefen Schlaf. Träume vom Malen.
Bald darauf, Pawel Ott befand sich auf seinem nachmittäglichen Spaziergang, entdeckte Anfissa auf der Leinwand ihren blonden Flaum; ihre rechte Brustwarze schwebte mitten im Bild. Konturen waren mit dünnen Bleistiftstrichen vorgezeichnet. Etwas stimmte mit den Proportionen nicht. Sie suchte nach einem Radiergummi. Ob er die Korrektur bemerken würde? Am nächsten Tag - wieder streunte der Maler über die Felder - zog Anfissa die Brauen der Anfissa nach. Das kann ich besser, dachte die Frau. Und hier noch, das gehört Grün!

Stimmen an der Tür. Der Galerist Beckmann betrat mit Ott den Raum.
„Du malst Gorkis Anfissa? Vielversprechend, wirklich! Das wird dein Durchbruch, ich brauche es bis morgen!“
Der Maler schüttelte den Kopf. „Unmöglich!“
„Morgen oder gar nicht“, sagte Beckmann im Gehen, “das ist mein letztes Wort!“

Pawel zitterte. Er suchte seine Tröster, vergrub sich im blonden Flaum, ertrank in der Nacht.
Lautes Klopfen weckte am nächsten Nachmittag den Maler; Anfissa öffnete, Beckmann stürmte mit einem Kunden an ihr vorbei.
„Habe ich zuviel versprochen?“, säuselte der Galerist. „Ganz außergewöhnlich! Beachten Sie den grünen Mond. Keiner malt so wie Pawel.“
Dann drehte er sich zum fassungslosen Maler und reichte ihm ein Bündel. „Hier, mein Lieber, dein Lohn.“




Anmerkung: Anfissa heißt eine von Drei Geschichten über Helden die Maxim Gorki Anfang der 30er Jahre schrieb.
 



 
Oben Unten