COMMIT SUICIDE

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Zunächst einmal eine Warnung: Diese Geschichte sollte kein potentieller Selbstmörder lesen, sonst verliert er noch den Mut und bringt sich am Ende selber um!
Also, das ganze war so :Da war dieser Erwin Kleingrün, der war absolut häßlich und wirklich saublöd. Allerdings nicht so blöd, daß er es nicht selbst gemerkt hätte. Und genau diese Tatsache brachte ihn auf die Idee, Selbstmord zu machen. Natürlich war dieser Einfall genauso dämlich wie er : Als Leiche wurde man schließlich auch nicht intelligenter und durch den Verwesungsprozeß noch unansehnlicher, aber nie im Leben (oder besser: nie im Tod) hübscher. Aber so weit konnte dieser Erwin ja nicht mitdenken. Deshalb ging er in ein Geschäft und kaufte sich einen Strick. Damit ging er in einen Wald, machte an ein Ende eine Schlinge, die er sich um den Hals band. Nachdem er ein Stückchen auf einen Baum geklettert war, band er das andere Ende des Strickes um einen Ast und ließ sich fallen. Doch der Ast brach und sein Arm auch. Da fiel ihm zum ersten Mal auf, daß er zu all seinem Unglück auch noch an Übergewicht litt, das war ein Grund mehr, erneut einen Selbstmordversuch zu starten.
Diesmal wagte er sich in das Kreisfinanzamt, um dort aus dem 13. Stock zu springen. Wahrscheinlich sollte dies unter anderen ein Racheakt für die 683 $ Steuern, die er zurückzubezahlen hatte, sein. Aber wahrscheinlich ging er nur dort hin, weil dies das höchste Gebäude der Kleinstadt war. Wie auch immer, der Lift war so wie so defekt und da unser "Held" nach dem fünften Stock schon außer Atem war, wollte er dort aus dem Fenster springen, was er auch tat. Dennoch war er immer noch nicht tot, als er unten ankam, da er genau im Sprungtuch der Feuerwehr landete, die gerade eine Übung vollzogen. Trotzdem hatte er eines gewonnen, nämlich die Erkenntnis, daß er nicht gerade fit war. Doch das entmutigte ihn noch mehr, deshalb mußte er es so bald wie möglich noch mal versuchen.
Da er immer noch erschöpft war, schaffte er nicht mehr den weiten Weg nach Hause sondern setzte sich im nahegelegenen Stadtpark auf eine Bank. Er holte sein Taschenmesser raus und wollte sich diesmal ganz fachmännisch die Pulsschlagader aufschlitzen. Allerdings hätte sie ein Fachmann senkrecht und nicht wie Erwin waagerecht aufgeschnitten. Es kamen nur wenige Blutstropfen, doch es reichte, daß er in Ohnmacht fiel. Leider eilte sofort ein Passant herbei, der einen Notarztwagen benachrichtigte. Da die Ärzte im Krankenhaus die klitzekleine Wunde am Handgelenk nicht merkten, mußte Erwin nur drei Tage zur Beobachtung dort bleiben.
Doch die drei Tage waren schnell um, deshalb ging er noch am selben Abend nach der Entlassung zur einer Schnellstraße und legte sich mitten auf die Fahrbahn. Leider war diese nicht nur schlecht beleuchtet, sondern auch sehr schlecht befahren. Es dauerte, sage und schreibe, ganze drei Stunden, bis das erste Auto vorbei kam. Und das hielt auch noch einfach wenige Meter vor ihm an. Aber als dann eine hübsche Frau ausstieg und ihn überredete, statt sich überfahrenzulassen lieber mit ihr nach Hause zu kommen, gefiel ihm das doch.
Was dort bei ihr Zuhause geschah, brauche ich bestimmt nicht mehr zu erzählen. Außer vielleicht, das Erwin mit dieser Frau doch noch den Sinn seines ach so besch... eidenen Lebens gefunden hat. Aber sein Glück hielt nur so lange an, bis ihr Ehemann unerwartet früh von einer Dienstreise zurück kam und die beiden in flagranti erwischte.
Aber auf gewisse Weise ist dies doch ein Happy End: Erwin ist endlich tot!


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majissa

Mitglied
Hallo J. C. Blackstone,

ein paar Mal musste ich wirklich über den todessehnsüchtigen Erwin lachen. Dass sich für ihn nach jedem Suizidversuch ein weiterer Grund fand, dem Leben entfliehen zu wollen, trug erheblich zum Lesevergnügen bei. Mir gefällt deine Phantasie, der es wohl zu verdanken ist, dass ich Erwin dann auch tatsächlich die Treppen hinaufschnaufen hörte. Leider konnte ich ihn aber nicht sehen, und das mag an der vertanen Chance liegen, dem Protagonisten etwas mehr Persönlichkeit zu verleihen. Du schreibst zwar, dass er saublöd, hässlich und dick ist, aber das allein ist für mich als Leser noch nicht interessant bzw. lebendig genug. Im Alltag begegnen mir alle zwei Minuten Menschen, die saublöd, hässlich und dick sind. Haben sie weiterhin keine besonderen Merkmale, stechen sie nicht aufgrund einer besonderen Note aus der Menge heraus, habe ich sie vergessen, kaum, dass sie an mir vorübergegangen sind. Du könntest Erwins Blödheit, Hässlich-und Dickleibigkeit noch etwas genauer beschreiben. Zu Anfang schreibst du, dass es Erwins Blödheit ist, die ihn zum Selbstmord treibt. Warum? Befördert er sich selbst immer wieder ins Abseits? Blamiert er sich tagtäglich vor seinen Freunden, Kollegen? Wird über ihn gelacht? Das würde ich noch spezifizieren. Die Warnung am Textbeginn ist meines Erachtens unnötig und so holprig geschrieben, dass ich schon nach den ersten Sätzen geneigt war, mit dem Lesen aufzuhören. Geschickter wäre es, gleich in die Geschichte einzusteigen. Vielleicht ungefähr so: „Als Erwin Kleingrün begriff, dass er nicht nur häßlich, sondern auch saublöd war, beschloss er, sich umzubringen.“ Ein Fehler in der Logik ist mir noch aufgefallen. Es ist einfach unglaubwürdig, dass aufgeschnittene Pulsadern (auch, wenn der Schnitt quer erfolgte) im Krankenhaus weiter nicht auffallen. Ich könnte mir schon vorstellen, dass das ein ziemliche Sauerei gibt, die nicht zu übersehen ist.
Zum Ende: Es ist äußerst ungeschickt, den Leser mit der eigenen Unlust am Weiterschreiben zu konfrontieren. Aussagen wie „Was dort bei ihr Zuhause geschah, brauche ich bestimmt nicht mehr zu erzählen...Außer vielleicht, dass...“ lassen den Autoren unsicher erscheinen. Besser wäre es, den Satz einfach wegzulassen und tatsächlich zu beschreiben, was als nächstes geschieht. Im übrigen kommt das Ende zu abrupt. Dass Erwin letztendlich doch noch stirbt, hängt für mich nicht zwangsläufig mit dem plötzlichen Auftauchen des Ehemannes zusammen.
Es käme deinem Text zugute, wenn du ihn noch mal auf Füllworte und unschöne Satzkonstruktionen hin überprüfst. Sonst ginge an einigen Stellen dein schöner Humor unter, was schade wäre.

Liebe Grüße
Majissa
 



 
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