Cappuccino-Queen

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Make-up auf meinen Füßen. Wie nur konnte ich deine Schönheit so schnell zertreten?

Bei dem Modell, wie es Pascal vorschwebt, muss ich die zigarettengroßen Miniaturbäume, die Laura gebastelt hat, exakt auf die dafür markierten Stellen kleben. Später wird es teils der berechnete Lichteinfall sein, der dafür sorgen soll, dass das Modell bei der langsamen Kamerafahrt absolut realistisch aussieht.
Für einen so schmal budgetierten Film hat sich der gute Pascal reichlich ins Zeug gelegt, die Liebe zum Detail über das Geld siegen zu lassen. Und deshalb ist er jetzt gerade auch in Leipzig und beschafft Kostüme von seiner Tante; was auch immer damit gemeint sein mag.

Ich bin bei Laura zuhause. Ihr geräumiges Dachgeschosszimmer brachte ihr die privilegierte Last ein, das Modell hier zu bauen. Und so kommt es, dass ich nun schon den siebten Nachmittag hier verbringe, im kühlen Wind erster Frühlingsatemzüge Klebstoff inhaliere und mir in den Pausen, die er zum Trocknen braucht, Farbsplitter von den Fingern pule.
Pausen, in denen Laura mir Tee kocht; sich selbst Fertigcappuccino aus der Tüte. Ich kenne niemanden außer ihr, der die beigelegte Tüte mit Schokopulver exakt auf alle zehn Tassen zu verteilen vermag. Nach meiner Cappuccinozeit, blieben zehn solcher Tüten für ein halbes Jahr im Küchenschrank liegen, ehe ich sie eines Nachts in einer Heißhungerphase auf Süßes in mich hinein geschüttet hab.
Laura ist so exakt, so über die Maßen präzise in allem was sie tut. Mit beinahe mechanischer Akribie bastelt sie so ein Miniaturbäumchen nach dem anderen, die alle verschieden und doch gleich realistisch aussehen. Selbst in der Auswahl des richtigen Materials hat sie oberste Präzision walten lassen und mich nur scheel angeblickt, als ich vorschlug das ganze Modell aus Süßigkeiten zu basteln, damit wir es hinterher aufessen könnten. In einer Heißhungerphase auf Süßes versuchte ich ihr die symbolische Bedeutung des kleinen Duplo-Wäldchens zu erklären, und scheiterte an der Überlegenheit weiblichen Kalküls, hervorgelächelt hinter einer Tasse Cappuccino. - Vielleicht ein Waffelzaun neben dem Haus der Familie? Nein? Auch nicht.

Es ist mir ein Rätsel, wie sie bei all dieser berechnenden Gewissenhaftigkeit andererseits so rücksichtslos mit ihren zwischenmenschlichen Prinzipien umgehen kann.
Es ist mir bekannt, dass sie von Zeit zu Zeit Liebe sucht, wo ganz gewiss keine zu finden ist. Und sie weiß das, und bereut es und leidet, und leidet sich aus, in der Perfektion zu bastelnder Miniaturbäumchen.
Den vierundzwanzigsten von ihnen klebe ich jetzt an seinen Platz. Das Weihnachtsbäumchen. Doch als ich die Finger ganz langsam aus dem Wald ziehe, bemerke ich ein Atmen neben meinem Ohr, das sich schließlich zum Gewicht eines Gesichts auf meine Schulter senkt.
Ich drehe den Kopf, so weit ich es kann, schlage den Blick noch tiefer in die Augenwinkel ein.
„Sieht doch gut aus“, sagt Laura, noch immer von meiner Schulter aus.
„Das finde ich nicht. Was bitte machst du da? – Mit deinem Kopf – auf meiner Schulter“ und ihrer Wange an meiner, wie sie es jetzt mit schlecht gespielter Müdigkeit versucht.
Ich stehe auf und frage, ob wir nicht noch einen Tee trinken wollen.
„Möchtest du noch welchen?“ sagt sie und geht in die Küche. Die andere Frage beantwortet sie nicht.
„Ja, danke. Sehr gern.“
Doch schneller als erwatet ist sie zurück, steht vor mir als ich mich in den Raum drehe, und versucht diesen Blick, der etwas erwartet und doch gerissen genug ist, sich im Zweifelsfall aus der Affäre zu ziehen.
„Ach, weißt du“, sage ich. „Vergiss den Tee und – ja, klar. Lass es uns einfach tun. Lass uns das blöde Modell runter schmeißen und es gleich hier auf dem Tisch tun. Und dann kann ich sagen, ich habe die Cappuccino-Queen gefickt. Das ist nicht die Ballkönigin, aber immerhin. Doch wir müssen uns beeilen. Meine Freundin ist schon zuhause und wartet sicher auf mich. Bis ich da bin, muss das schlechte Gewissen noch trocknen. Und dann bin ich endlich ein Stück weit männlicher.“
Laura lächelt und öffnet ihr Haar mit vergeblicher Liebesmüh.

[21.03.2003]
 
D

Daktari

Gast
Na und?

Hi, David!

Die Story ist nicht ganz uninteressant. Aber ich sehe kein Ziel, auf das der Leser hin geführt wird. Man müßte noch ein wenig Spannung und Überraschung ein bauen.

Ciao
Tim
 

Haselblatt

Mitglied
unglaubwürdig

Schade, gerade der Schluss macht alles zunichte. Welche Frau würde sich nach einem Monolog dieser Qualität:

"..Vergiss den Tee und – ja, klar. Lass es uns einfach tun. Lass uns das blöde Modell runter schmeißen und es gleich hier auf dem Tisch tun. Und dann kann ich sagen, ich habe die Cappuccino-Queen gefickt. Das ist nicht die Ballkönigin, aber immerhin. Doch wir müssen uns beeilen. Meine Freundin ist schon zuhause und ..."

noch ernsthaft ficken lassen?
Ich (wenn ich eine Frau wäre) jedenfalls nicht!
 
Haselblatt, diese Frau hier sicher nicht. Darum geht es ja auch in dem Text. Andererseits gibt es Frauen, die in dieser Hinsicht nicht weniger scheiße sind als die meisten Männer und das durchaus tun würden.
 



 
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