Carpe Diem

Der Denker

Mitglied
Stell Dir vor, des Lebens Quell sei Morgen schon versiegt.
Sag mir, was würdest du tun, bevor die Zeit verfliegt?
Brülltest Du durch Wald und Flur, Du seist noch nicht bereit?
Erbätest Du vom Gnadenlosen noch ein wenig Zeit?
Sperrtest Du im Raum Dich ein, wartend auf den Tod?
Sähest auf einem Berg ein letztes Abendrot?

Nun dieses Tages Zeit, so wünsche ich Dir gerne,
Liegt womöglich ja doch noch in sehr weiter Ferne.
Möglich aber wär‘s doch auch, ein tragisch Mißgeschick
Risse Dich ganz ohne Warnung aus des Lebens Glück.
Darum freue Dich am Leben, an der Wiese und dem Wind,
Denn wer weiß denn schon wie lange sie Dir noch beschieden sind?

Laufe an des Sommers Morgen durch das Gras, noch feucht vom Tau,
Blick im Schein der warmen Sonne in die Augen einer Frau,
Spür den warmen Sommerregen, wie er prasselt auf die Haut,
Erblick die Wunder, die man sieht, wenn man nachts gen Himmel schaut,
Gib dem Mann, in den Du verliebt, heut noch einen Kuß,
Denn womöglich ist ja Morgen mit der Freude Schluß.

Doch solltest Du Dich niemals sorgen,
Denn auf Heute folgt ein Morgen.
Oder wurde vielleicht ohne Dein Wissen,
Dein Zug auf die letzte Weiche gerissen?
Man kann nur sagen, daß es nie sicher ist,
Ob Du im Buch der Nächste bist.

Denke nie, ich bin noch jung, ich hab‘ noch sehr viel Zeit,
Das Leben ist ein Augenblick im Strom der Ewigkeit.


P.S.: Wenn ich das lese, muss ich unwillkürlich denken:
Na das sagt ja der Richtige.
 
L

leonie

Gast
hallo denker

Hat mir gefallen, aber warum sagt es der Richtige? Du hast ein schönes Gedicht über das geschrieben, was viele sich kaum zu denken wagen, weil jeder glaubt, das nur anderen etwas geschieht, aber nie ihm selbst.
liebe grüsse leonie
 

Der Denker

Mitglied
...der Richtige...

hallöchen leonie,

schön, dass es dir gefallen hat :)
was ich mit 'der Richtige' meinte, war:
ich nehme mir den auspruch 'carpe diem' selbst nicht zu herzen. ich nutze den tag eben NICHT. ich blicke nicht im schein der warmen sonne in die augen einer frau ...
das meinte ich, ich schrieb ein 'lehrreiches' gedicht ohne selbst danach zu leben

lieber gruß
der Denker
 

La Luna

Mitglied
Lieber Denker,

eine wundervoll interpretierte Aufforderung bewusster zu leben.

"Was täte ich, wenn ich erführe nur noch eine bestimmte Zeit zu leben", war kürzlich Thema einer Diskussion.
Manche meinten, dass sie all' die Dinge tun würden, von denen sie immer träumten.
Andere sagten, sie würden noch mal "ordentlich die Sau raus lassen".

Doch würden wir das wirklich tun?

Ich glaube eher, dass wir in ein derart "tiefes Loch" fallen würden, das uns danach gar nicht mehr der Sinn stehen würde.
Vermutlich würden wir zwischen Verzweiflung und Wut hin - und hergerissen werden.

Bewusster Leben kann - meine ich mal - nur der, der die Grenze schon mal erfahren hat.
Nur er weiß, wie es schnell es wirklich gehen kann und gewinnt dadurch die Erkenntnis, was im Leben wirklich wichtig ist.

In diesem Sinne....ein schönes Leben.


Liebe Grüße
Julia
 

Der Denker

Mitglied
->La Luna

Hallöchen auch dir, Julia.

Erst mal freut es mich, dass es auch dir gefallen hat.

Was wir tun würden, wenn wir nicht mehr lange zu leben hätten, wurde ja schon öfter, hauptsächlich in Filmen, thematisiert. Allerdings glaube ich nicht, dass man genau voraussagen kann, wie man sich verhalten würde. Es kommt wahrscheinlich auf die Person an. Manche kommen sicher eher damit klar, dass sie bald sterben werden, als andere.
Aber solange man nicht in diese Situation gekommen ist,
kann man es nie mit Sicherheit sagen.
Auf jeden Fall, denke ich, wird sich jemand, der nicht von sich aus den Tag nutzt, sei es, dass er die Todeserfahrung schon gemacht hat oder er diese Einstellung von Natur aus mitbringt, nicht ändern können, nur weil er dazu aufgefordert wird.

Liebe Grüße
der Denker
 
W

willow

Gast
GEFUNDEN!!!!!!!

hah - habs auch ohne deine Hilfe gefunden :p

Ist schön umgesetzt, das Thema "lezter Tag". Ich habe mich auch schon oft gefragt, was ich dann tun würde und habe da bisher auch nur eine Antwort drauf gefunden.

Ich möchte meine Würde behalten, in so einem Augenblick - eben nicht bitten und betteln - aber das ist leichter gesagt als getan. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sich das alles noch einmal wiederholen wird - kein Augenblick ohne Wiederkehr, denn wenn ich es so empfinden würde, dann würde ich zwar bewusster leben aber leider auch todesbewusster.

Wenn wir uns klarmachten, dass von der Geburt an jeder Tag des Lebens ein Schritt auf unseren Tod zu ist, könnte das zwar sehr produktiv wirken - ich glaube allerdings, mir ginge es da wie Julia beschrieb - ein hoffnungsloses Dümpeln mit einem "hat ja doch alles keinen Zweck" - Feeling.

Und da bin ich sicher auch nicht stolz drauf...und von daher froh, dass es mir eben nicht bewusst ist...



Nachdenkliche Grüße,

Willow
 

Der Denker

Mitglied
Hallöchen Willow,

aus dem Blickwinkel habe ich das Thema noch gar nicht betrachtet...
Du hast wohl recht, dass man dann in tiefe Depressionen verfallen würde, wenn man sich des nahenden Endes bewußter wäre.
Doch irgendwie bin ich in einer Art Zwischending. Ich fühle die Zeit geradezu an mir vorbeiziehen. Sehe wie Tag für Tag verstreicht und mir die Zeit zwischen den Fingern zerinnt. Gleichzeitig sehe ich auch, wie ich wirklich wichtige Dinge immer aufschiebe oder ganz von der 'Zu erledigen'- Liste streiche. Doch ich unternehme nichts dagegen (wie bereits erwähnt). Ich habe den Tod vielleicht nicht nahe genug vor Augen.(?)


Grüße
dede
 



 
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