Castro Street

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Ein kleiner Bub aus Wien kommt herum in der Welt und beschreibt, was ihm dabei so auffällt. Gemeinsam mit seiner kleinen Freundin Natasha, die aus Russland stammt und scheinbar alles weiss, versucht er die Situationen und Widersprüchlichkeiten zu verstehen. Dabei bleibt zuerst Mal der Ernst auf der Strecke...

Meine Mama hat Geburtstag gehabt. Deshalb gingen wir nach San Francisco in ein Restaurant auf der Castro Street. Auf der Castro Street fahren alte Strassenbahnen, die von Kabeln gezogen werden. Unsere in Wien sind viel moderner: die werden nicht von einem Kabel gezogen, sondern die hanteln sich mit Elektrofität an einem Kabel entlang.
Auf dem Weg zum Restaurant haben wir viele Männer gesehen, die miteinander Hand in Hand gingen und Papa, Mama und mich komisch ansahen und einander ins Ohr tuschelten, wenn wir vorbeigingen.

Im Restaurant hat uns ein Hinsetzfräulein zum Tisch geführt. In Amerika kann man sich nicht einfach den Platz im Restaurant aussuchen, man muss warten, bis einen die dorthin setzen, wo es ihnen passt. Deshalb muss man eigene Hinsetzdamen einstellen, die einem dann zeigen, wo man sitzen darf. Weil es aber Mamas Geburtstag war und Papa zu dem Fräulein ganz freundlich gesprochen hat, haben wir einen Platz gleich in der Nähe vom Klo bekommen.

Am Nachbartisch sind auch drei Damen gesessen, die geschminkt und mit viel Schmuck auf den Armen und um den Hals Wein geschlürft haben. Papa hat zu ihnen rübergeschaut, sie angelächelt und gegrüsst.

Mama wusste nicht was sie bestellen soll, also hat Papa in der Speisekarte nachgesehen. Er hat einige Menüs vorgelesen, aber keiner konnte sich vorstellen, was „Portobella Mushroom“ oder „Rack of Lamb“ sein soll, also haben wir alle Hamburger mit Pommes Frittes und Ketschup bestellt. Die Amerikaner haben halt keine Esskultur.

Die Kellnerin hat nur freundlich gelächelt und aufgeschrieben, was Papa ihr gesagt hat. Sie hat immerzu gelächelt. Vielleicht war mehr nicht möglich, weil sie hat soviel Schminke im Gesicht gehabt, dass das wie die getrocknete Wandfarbe im Badezimmer ausgesehen hat und wahrscheinlich ihr Gesicht versteinert hat. Schminke wirkt immer so, das weiss ich ganz genau. Einmal habe ich nämlich Natashas Barbielippenstift genommen und meinem Hasen Charley eine Kriegsbemalung aufgemalt. Seine bemalten Haare waren dann mit dem Lippenstift darauf ganz steif. Und Natasha war auch nicht locker, weil sie böse war auf mich, dass ich den Barbielippenstift abgebrochen habe. Aber das war allein Charleys Schuld, der hat beim Anmalen nicht still gehalten.

Während wir bestellten, haben die Damen am Nebentisch immer ganz freundlich herübergelächelt. Papa und ich haben zurückgelächelt. Die eine Dame kam dann herüber und hat mit ganz tiefer Stimme Papa gefragt: „Hallo Süsser, kann ich mir das Salz ausborgen?“ Papa schaute ganz erschrocken und stotterte „Nnnaatüürlich“, und hat ihr das Salz gereicht. Die Mama grinste ihn ganz hämisch an und Papa schaute dann nur mehr auf seinen Teller.

Mama hat mir erklärt, dass es in San Francisco viele Männer gibt, die sich als Frauen verkleiden. Das ist aber nichts Neues, auch die Schotterer und Pfarrer tragen Röcke und sind trotzdem Männer. Mein Papa und ich sind aber echte Männer und tragen nur Hosen.

Jedenfalls waren die Hamburger gut und wir haben sie mit Messer und Gabel zerteilt, was dumm war. Ich hätte sie lieber mit den Fingern gegessen, weil das im Fernsehen auch immer alle tun, aber Mama hat gesagt, dass sich das nicht gehört. Die drei Frauenmänner am Nachbartisch haben die ganze Zeit gekichert, aber die Amerikaner wissen halt nicht, wie man sich benimmt.

Als die Mama nach dem Essen aufs Klo gehen wollte, ist sie gleich darauf mit grossen Augen zu unserem Tisch zurückgestürmt.
„Was ist denn los?“, hat Papa gefragt.
„Ich gehe hier nicht aufs Klo!“, hat Mama empört gesagt. „Auf dem Damenklo sind nur Männer!“
„Dann geh doch aufs Herrenklo“, sagte Papa.
Mama überlegte, sagte „Gut!“ und verschwand in Papas Sakko gehüllt am Herrenklo.

Papa und ich sind aber nicht aufs Damenklo gegangen, denn Mama wollte uns partout ihren Rock nicht borgen.
 
gott zum gruße, herr speermann!

wie war das noch mal mit dem "ein bisschen zu viel tanz für meinen geschmack"???

also, dieser text ist absolut kein stück unausgereift, sondern wieder ein generöses highlight!!!

alles weitere tipp ich dir privat...

lg,
-dennis-
 



 
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