Cata-Tonia

Entstanden als ich für eine andere Geschichte zum Thema psyschische Krankheiten recherchiert habe.
Ich gebe zu, der Text ist etwas schwer zu lesen, hoffentlich findet der ein oder andere trotzdem den Zugang dazu.

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Cata-Tonia

Eine Großstadt in Deutschland. Unbedeutend welche: was wir in und zwischen den folgenden Zeilen erleben könnte und wird sich gleichermaßen in jeder größeren Stadt irgendwo zutragen, mit leichten Abwandlungen, differenten Details; es könnte sich ebenso gut ereignen in einer Stahlbetonfestung mit einer beliebigen Stockwerkanzahl in Frankreich, Amerika (vielleicht gerade dort!), England, Sie verstehen schon: etc. pp.
Wichtiger als der Ort (Hauptsache Großstadt) ist die Uhrzeit – 07.05 Uhr in roten Digitalsignalen auf dem Radioweckerdisplay – wiewohl auch sie im Vergleich mit den Geschehnissen ziemlich unbedeutend erscheint. Nennen möchte ich den momentanen temporären Stand lediglich aus einem Umstand: der Radiowecker wird um exakt 07.10 Uhr sein Wecksignal in den Raum hinaus schreien und damit meine Protagonistin aufwecken. Mir verbleiben ergo nur maximal fünf Minuten Sie vorzustellen.

Eine groß gewachsene Statur, also flüchtige Küsse auf Zehenspitzen gewohnt, liegt scheinbar friedlich ruhend eingewickelt in blau-weiße Bettwäsche, gekrönt von derzeit zerzausten halblangen schwarzen Haaren – ob der seelige Frieden wahrhaftig ist will ich ungeklärt lassen, sprich mir die Beschreibung ihrer Träume sparen – nicht vergessen: fünf Minuten (mittlerweile viereinhalb)!
Obgleich besagte Statur ebenso weit von Kate Moss wie auch von Hella von Sinnen entfernt pendelt, kurz: gesundes Mittelmaß darstellt, bleiben die bereits genannten Zehenspitzenküsse fast ausnahmslos ihren wenigen Freundinnen überlassen, typische Wangenküsse zur Begrüßung unter Mädchen, denn Tonia (ich vergaß: so heißt Sie) ist ausnehmend schüchtern, und dies ist ihr erstes großes Problem, eines von vielen.
Es wird noch verstärkt durch eine besondere Gabe, Tonia nämlich ist in der Lage einem Jungen, der ihr Avancen macht, am Gesicht abzulesen, wenn er Sie nur poppen will um Sie anschließend fallen zu lassen, unsere Großeltern sagten dazu: wie eine heiße Kartoffel. Für meine Protagonistin nicht akzeptables, doch weit verbreitetes Verhalten. Soweit ihre persönliche Ansicht der Zustände, in der Realität hat Sie jedoch eine derartige Paranoia vor einer solchen Situation entwickelt, dass unlängst alle Kerle die verräterischen Stigmata auf ihren Gesichtern tragen. Gleichzeitig wird ihr über vorsichtiges Herz heftig verzehrt von Sehnsucht nach Nähe und Zuneigung, ein großer Baustein ihres täglich gefühlten Unglücks, einer von vielen.

Noch drei Minuten. Passend zur Beliebigkeit der Stadt und des Landes verzichte ich auf Nennung ihrer Hobbies und kleinen Interessen, jene sind austauschbar, es bleibt der Phantasie des Lesers überlassen die Lücken zu füllen, wobei klar sein muss, solch kleine Kiesel im Bauwerk Tonia befinden sich nicht in der Position genügend Glücksgefühl zu emittieren um die Schatten der Unglück abstrahlenden Backsteine auszuleuchten. Jeder ihrer Tage ist vergleichbar mit dem Zustand eines Teilchens nach den Gesetzen der Quantenmechanik: wahrscheinlich erfreulich durch viele kleine Dinge, mit größerer Wahrscheinlichkeit aber total beschissen bedingt von wenigen großen Umständen, vielleicht auch beides gleichzeitig mit Hang zu Letzterem.

07.08 Uhr. Tonia ist zweiundzwanzig, wohnt wegen ihres Studiums noch unterm Dach der Eltern und belegt Englisch und Geschichte auf Lehramt. Womit wir bei ihrem zweiten großen Problem angelangt wären: Warum und mit welchem Sinn studiert man heutzutage noch Geschichte? Warum nicht etwas sinnvolles, anwendbares, Betriebswirtschaft, Informatik, Nanotechnologie? Die erste spontane Antwort ist fast immer: aus Interesse (an der Herkunft unserer Kultur, der Entwicklung unserer Gesellschaft, des Menschen, so in der Art). Aber bloßes Interesse lässt sich auch in privater Beschäftigung mit der Thematik befriedigen, gezielter sogar, und außerdem ist Interesse eine von Schwankungen belastete Empfindung, sprich es lässt zu Zeiten nach. Wiederholen Sie jetzt die obigen „Warum-Fragen“ und finden Sie einige gute Argumente – schwierig nicht wahr?

Wir erkennen ein Dilemma: Tonia sucht, bisher erfolglos, ihren Platz in Weltgefüge und Gesellschaft, ihr Pech ist, dass Sie zu intelligent ist um mit einem normalen einfachen Job glücklich zu werden. Nur wer sich selbst der gleichen Erfahrung rühmen kann, weiß wie belastend sich dieselbe auf die eigene Psyche auswirkt. Da mir nur noch knapp fünfundzwanzig Sekunden für den Abschluß der Einleitung verbleiben, will ich ihn in einem verallgemeinerten philosophischen Block vor ihre Füße werfen. Wer den zu deuten vermag (keine Angst, ist nicht so schwierig!) versteht aus welchem Grund (in Synthese mit oben genannten Problematiken) meine Protagonistin tagtäglich belastet und niedergedrückt von Emotionen erwacht, die einzig von einer krankhaften Depression evoziert werden können.
Das größte Problem für Tonia oder jemand anderen, der erkannt hat wie absurd und unsinnig unsere Gesellschaft, ihre Gefüge und viele menschliche Verhaltensweisen sind, ist: ihre/seine Umgebung lassen ihr/ihm keinen Raum eben diese als sinnentleert erkannten Verhaltensmuster zu unterdrücken oder abzulegen. Die Mitmenschen würgen und pressen solange, bis sie/er im Suizid resigniert oder die besagte Erkenntnis anderweitig – beliebt sind Alkohol oder Arzneimittel oder Ausbildung einer tiefen Depression (siehe Tonia) – ertränkt.

Beep. Beep-beep. Beep-beep-beep. Beeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeep! 07.10 Uhr.
Faszinierend zeitgleich mit der Geräuschkulisse bewegt sich ein Mädchenkörper in eine Position, zu der wir gegen Ende der Geschichte zurückkehren wollen, nein müssen, also üben wir uns in Geduld anstatt jetzt mit deren Beschreibung vorzugreifen. Mit dem üblichen Lächeln auf dem Gesicht – gleich morgens frisch und munter – erwacht Tonia, steigt schwungvoll aus ihrem Bett... Moment! Übliches Lächeln? Ein Splitter ihres Bewusstseins registriert die Abnormalität, meldet gewohnt wäre Trägheit, Unlust, miese Laune, wird aber weggewischt vom hell funkelnden Sonnenschein, der Tonia aufs Gesicht fällt während Sie auf die Straße hinaustritt, bevor er richtig zur Geltung gelangen kann.
Beschwingt durch das hüpfende Glücksgefühl, von der frischen Luft und dem schönen Tag bemerkt das Mädchen ebenso wenig, dass Sie sich nicht daran erinnern kann sich angezogen und gewaschen zu haben. Einerlei: Sie trägt ihre Lieblingskleidung, die sündhaft teuren Schuhe vom Sport-Check, die Sie sich nie leisten konnte und sieht gut aus wie lange nicht mehr, vollkommen ohne Schminke und im vollen Bewusstsein, die Schiffer würde sich bettelnd die Knie blutig rutschen, würde man ihr dafür das Geheimnis der notwendigen Kur preisgeben.
In ihrem Studienkurs der Nanotechnologie liegt Tonia dermaßen gut im Rennen, man hat ihr heute offiziell einen freien Tag zu gestanden, man fürchtet Sie könne bei weniger zuvorkommender Behandlung die Universität wechseln (welch Prestigeverlust!), schließlich reißen sich bereits jetzt diverse Pharmakonzerne darum Sie einzustellen, begierig an ihren genialen Forschungen zum Wohle der Menschheit teilzuhaben und Sie zu fördern, außerdem liegt ihre Sachkenntnis sowieso weit über der des dozierenden Professors, oftmals schon beschämt durch Aufdeckung von Wissenslücken durch ihre Hand.

Aus diesem Umstand heraus beschließt Tonia ihr ausnehmend wohlbehütetes und phantastisches Leben in vollen Zügen auf einem Spaziergang durch die geliebte Heimatstadt mit sauberen Straßen voller freundlicher Bürger zu genießen, vorbei an den Geschäften mit Designermoden zu Niedrigstpreisen (alle passend in ihrer Größe!), ein wenig zu flirten mit all den hübschen gut gebauten Jungs, die keine Sekunde zögern würden Tonia auf ewig ihr Herz zu schenken (wem sonst?), um danach ihrem heiß geliebten Freund einen Besuch abzustatten, dem Adonis der Stadt, der sicher schon mit der romantischsten Überraschung der Welt sehnsüchtig auf Sie wartet.

Ihr tänzelnder leichter Schritt wird auf einer von Bäumen gesäumten Allee gestoppt von unerwarteter, nicht in das Gesamtbild ihrer Umgebung passender Akkustik:
„Tonia! Tonia!“ – sicher, die Stadt war vorher auch nicht still, sondern erfüllt von den fröhlichen, von allgemeiner Bildung zeugenden Diskussionen ihrer Bewohner, „Tonia!“ – doch erschallt dieser Ruf nach ihrem Namen traurig schluchzend, zerrt verzweifelt an ihrem Ohr, entfernt, unwirklich. Suchend fährt ihr Blick zwischen die Bäume, über die Straße, erfolglos. Wer erlaubt sich einen so blöden Scherz? Wer meint die Perfektion dieses Sommertages stören zu müssen? Verwirrt schüttelt Tonia den Kopf, will den Ruf abschütteln, ihr immer noch forschender Blick bleibt endlich an den Blättern der Bäume hängen, die sich unbeschreiblich schön im leichten Wind wiegen und in allen Farben des Regenbogens Leuchten. Freude an den einfachen Dingen des Lebens flutet ihr Herz und bald hört Sie den nagend bittenden Ruf nicht mehr. Die Vögel zwischen den Zweigen singen eine Symphonie allein für Tonia, ein Passant schenkt ihr Rosen, geblendet von ihrer Schönheit! Das ist das wahre Leben! So schön kann es nur in dieser unserer Welt sein!

Oder wollen Sie etwa jetzt doch wissen, woher die Schreie kamen? Folgen Sie mir...

Ein halbdunkles Schlafzimmer, vor dem Fenster plätschernder Regen, drinnen Panikwolken in der Luft, ein starr liegendes Mädchen mit aufgerissenen Augen, grotesk verdrehten Armen, ihr Kopf schwebt bereits so lange erhoben, dass eigentlich kein gesunder Mensch dies zustande bringen könnte, und niemand weiß, wie lange Tonia noch in dieser Position verharren wird. Sie liegt totenstarr, aber lebendig, doch vollkommen abwesend, mit schwachem Puls, die Mutter hält ihre Hand, weint versalzene glitzernde Perlen, ruft ihren Namen – „Tonia!“ – während ihr Herz erdrückt wird von einem Mount Everest aus Verzweiflung. Ein Berg zu hoch, um von ihrem Verständnis erklommen zu werden. Der Vater fassungslos daneben, längst hat er aufgegeben die Erstarrte wachrütteln zu wollen.
Er wartet jetzt nur noch auf die Ankunft des Notarztes, lauscht auf die Sirenen, klammert sich an den Hoffnungsfunken, den sein Glauben an die Macht der „Götter in weiß“ entzündet hat...

Auszug aus einem Lexikon medizinischer Fachbegriffe:
Katatonie (engl. catatonia), ist ein psychisches Krankheitsbild mit ausgeprägter Störung der Willkürmotorik, der Emotionen und Verhaltensweisen des Patienten. Es existiert eine Vielzahl von Ausprägungen, beispielsweise stunden- bis tagelange Starreperioden in bizarren Positionen, manchmal im Wechsel mit gewalttätigen kurzen Erregungszuständen. Patienten sprechen nicht, zeigen einen Mutismus und verhalten sich in keiner Weise mehr zur Umwelt. Häufig kommt es zur Ausbildung unbegründeter Angstzustände oder Aggression, Bewusstseinsstörungen oder zur Umkehrung von Empfindungszuständen.
Vorkommen vor allem bei katatoner Schizophrenie oder Depressionen, seltener im Rahmen von Infektionskrankheiten, bei Hirntumoren.
 
S

suzah

Gast
hallo roland,

"Ich gebe zu, der Text ist etwas schwer zu lesen,"

"schwer zu lesen" ja, aufgrund deines schreibstils, schwer zu verstehen nicht.

teils sprichst du den leser an, dann wieder so(pseudo)-wissenschaftlich, dabei Akustik mit kk (wie Akku) geschrieben, abgesehen von sport-scheck.

was soll das, die beschreibung des plots?
schreib doch die ganze story.

grüße von suzah
 
Entstanden als ich für eine andere Geschichte zum Thema psyschische Krankheiten recherchiert habe.
Ich gebe zu, der Text ist etwas schwer zu lesen, hoffentlich findet der ein oder andere trotzdem den Zugang dazu.

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Cata-Tonia

Eine Großstadt in Deutschland. Unbedeutend welche: was wir in und zwischen den folgenden Zeilen erleben könnte und wird sich gleichermaßen in jeder größeren Stadt irgendwo zutragen, mit leichten Abwandlungen, differenten Details; es könnte sich ebenso gut ereignen in einer Stahlbetonfestung mit einer beliebigen Stockwerkanzahl in Frankreich, Amerika (vielleicht gerade dort!), England, Sie verstehen schon: etc. pp.
Wichtiger als der Ort (Hauptsache Großstadt) ist die Uhrzeit – 07.05 Uhr in roten Digitalsignalen auf dem Radioweckerdisplay – wiewohl auch sie im Vergleich mit den Geschehnissen ziemlich unbedeutend erscheint. Nennen möchte ich den momentanen temporären Stand lediglich aus einem Umstand: der Radiowecker wird um exakt 07.10 Uhr sein Wecksignal in den Raum hinaus schreien und damit meine Protagonistin aufwecken. Mir verbleiben ergo nur maximal fünf Minuten Sie vorzustellen.

Eine groß gewachsene Statur, also flüchtige Küsse auf Zehenspitzen gewohnt, liegt scheinbar friedlich ruhend eingewickelt in blau-weiße Bettwäsche, gekrönt von derzeit zerzausten halblangen schwarzen Haaren – ob der seelige Frieden wahrhaftig ist will ich ungeklärt lassen, sprich mir die Beschreibung ihrer Träume sparen – nicht vergessen: fünf Minuten (mittlerweile viereinhalb)!
Obgleich besagte Statur ebenso weit von Kate Moss wie auch von Hella von Sinnen entfernt pendelt, kurz: gesundes Mittelmaß darstellt, bleiben die bereits genannten Zehenspitzenküsse fast ausnahmslos ihren wenigen Freundinnen überlassen, typische Wangenküsse zur Begrüßung unter Mädchen, denn Tonia (ich vergaß: so heißt Sie) ist ausnehmend schüchtern, und dies ist ihr erstes großes Problem, eines von vielen.
Es wird noch verstärkt durch eine besondere Gabe, Tonia nämlich ist in der Lage einem Jungen, der ihr Avancen macht, am Gesicht abzulesen, wenn er Sie nur poppen will um Sie anschließend fallen zu lassen, unsere Großeltern sagten dazu: wie eine heiße Kartoffel. Für meine Protagonistin nicht akzeptables, doch weit verbreitetes Verhalten. Soweit ihre persönliche Ansicht der Zustände, in der Realität hat Sie jedoch eine derartige Paranoia vor einer solchen Situation entwickelt, dass unlängst alle Kerle die verräterischen Stigmata auf ihren Gesichtern tragen. Gleichzeitig wird ihr über vorsichtiges Herz heftig verzehrt von Sehnsucht nach Nähe und Zuneigung, ein großer Baustein ihres täglich gefühlten Unglücks, einer von vielen.

Noch drei Minuten. Passend zur Beliebigkeit der Stadt und des Landes verzichte ich auf Nennung ihrer Hobbies und kleinen Interessen, jene sind austauschbar, es bleibt der Phantasie des Lesers überlassen die Lücken zu füllen, wobei klar sein muss, solch kleine Kiesel im Bauwerk Tonia befinden sich nicht in der Position genügend Glücksgefühl zu emittieren um die Schatten der Unglück abstrahlenden Backsteine auszuleuchten. Jeder ihrer Tage ist vergleichbar mit dem Zustand eines Teilchens nach den Gesetzen der Quantenmechanik: wahrscheinlich erfreulich durch viele kleine Dinge, mit größerer Wahrscheinlichkeit aber total beschissen bedingt von wenigen großen Umständen, vielleicht auch beides gleichzeitig mit Hang zu Letzterem.

07.08 Uhr. Tonia ist zweiundzwanzig, wohnt wegen ihres Studiums noch unterm Dach der Eltern und belegt Englisch und Geschichte auf Lehramt. Womit wir bei ihrem zweiten großen Problem angelangt wären: Warum und mit welchem Sinn studiert man heutzutage noch Geschichte? Warum nicht etwas sinnvolles, anwendbares, Betriebswirtschaft, Informatik, Nanotechnologie? Die erste spontane Antwort ist fast immer: aus Interesse (an der Herkunft unserer Kultur, der Entwicklung unserer Gesellschaft, des Menschen, so in der Art). Aber bloßes Interesse lässt sich auch in privater Beschäftigung mit der Thematik befriedigen, gezielter sogar, und außerdem ist Interesse eine von Schwankungen belastete Empfindung, sprich es lässt zu Zeiten nach. Wiederholen Sie jetzt die obigen „Warum-Fragen“ und finden Sie einige gute Argumente – schwierig nicht wahr?

Wir erkennen ein Dilemma: Tonia sucht, bisher erfolglos, ihren Platz in Weltgefüge und Gesellschaft, ihr Pech ist, dass Sie zu intelligent ist um mit einem normalen einfachen Job glücklich zu werden. Nur wer sich selbst der gleichen Erfahrung rühmen kann, weiß wie belastend sich dieselbe auf die eigene Psyche auswirkt. Da mir nur noch knapp fünfundzwanzig Sekunden für den Abschluß der Einleitung verbleiben, will ich ihn in einem verallgemeinerten philosophischen Block vor ihre Füße werfen. Wer den zu deuten vermag (keine Angst, ist nicht so schwierig!) versteht aus welchem Grund (in Synthese mit oben genannten Problematiken) meine Protagonistin tagtäglich belastet und niedergedrückt von Emotionen erwacht, die einzig von einer krankhaften Depression evoziert werden können.
Das größte Problem für Tonia oder jemand anderen, der erkannt hat wie absurd und unsinnig unsere Gesellschaft, ihre Gefüge und viele menschliche Verhaltensweisen sind, ist: ihre/seine Umgebung lassen ihr/ihm keinen Raum eben diese als sinnentleert erkannten Verhaltensmuster zu unterdrücken oder abzulegen. Die Mitmenschen würgen und pressen solange, bis sie/er im Suizid resigniert oder die besagte Erkenntnis anderweitig – beliebt sind Alkohol oder Arzneimittel oder Ausbildung einer tiefen Depression (siehe Tonia) – ertränkt.

Beep. Beep-beep. Beep-beep-beep. Beeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeep! 07.10 Uhr.
Faszinierend zeitgleich mit der Geräuschkulisse bewegt sich ein Mädchenkörper in eine Position, zu der wir gegen Ende der Geschichte zurückkehren wollen, nein müssen, also üben wir uns in Geduld anstatt jetzt mit deren Beschreibung vorzugreifen. Mit dem üblichen Lächeln auf dem Gesicht – gleich morgens frisch und munter – erwacht Tonia, steigt schwungvoll aus ihrem Bett... Moment! Übliches Lächeln? Ein Splitter ihres Bewusstseins registriert die Abnormalität, meldet gewohnt wäre Trägheit, Unlust, miese Laune, wird aber weggewischt vom hell funkelnden Sonnenschein, der Tonia aufs Gesicht fällt während Sie auf die Straße hinaustritt, bevor er richtig zur Geltung gelangen kann.
Beschwingt durch das hüpfende Glücksgefühl, von der frischen Luft und dem schönen Tag bemerkt das Mädchen ebenso wenig, dass Sie sich nicht daran erinnern kann sich angezogen und gewaschen zu haben. Einerlei: Sie trägt ihre Lieblingskleidung, die sündhaft teuren Schuhe vom Sport-Scheck, die Sie sich nie leisten konnte und sieht gut aus wie lange nicht mehr, vollkommen ohne Schminke und im vollen Bewusstsein, die Schiffer würde sich bettelnd die Knie blutig rutschen, würde man ihr dafür das Geheimnis der notwendigen Kur preisgeben.
In ihrem Studienkurs der Nanotechnologie liegt Tonia dermaßen gut im Rennen, man hat ihr heute offiziell einen freien Tag zu gestanden, man fürchtet Sie könne bei weniger zuvorkommender Behandlung die Universität wechseln (welch Prestigeverlust!), schließlich reißen sich bereits jetzt diverse Pharmakonzerne darum Sie einzustellen, begierig an ihren genialen Forschungen zum Wohle der Menschheit teilzuhaben und Sie zu fördern, außerdem liegt ihre Sachkenntnis sowieso weit über der des dozierenden Professors, oftmals schon beschämt durch Aufdeckung von Wissenslücken durch ihre Hand.

Aus diesem Umstand heraus beschließt Tonia ihr ausnehmend wohlbehütetes und phantastisches Leben in vollen Zügen auf einem Spaziergang durch die geliebte Heimatstadt mit sauberen Straßen voller freundlicher Bürger zu genießen, vorbei an den Geschäften mit Designermoden zu Niedrigstpreisen (alle passend in ihrer Größe!), ein wenig zu flirten mit all den hübschen gut gebauten Jungs, die keine Sekunde zögern würden Tonia auf ewig ihr Herz zu schenken (wem sonst?), um danach ihrem heiß geliebten Freund einen Besuch abzustatten, dem Adonis der Stadt, der sicher schon mit der romantischsten Überraschung der Welt sehnsüchtig auf Sie wartet.

Ihr tänzelnder leichter Schritt wird auf einer von Bäumen gesäumten Allee gestoppt von unerwarteter, nicht in das Gesamtbild ihrer Umgebung passender Akustik:
„Tonia! Tonia!“ – sicher, die Stadt war vorher auch nicht still, sondern erfüllt von den fröhlichen, von allgemeiner Bildung zeugenden Diskussionen ihrer Bewohner, „Tonia!“ – doch erschallt dieser Ruf nach ihrem Namen traurig schluchzend, zerrt verzweifelt an ihrem Ohr, entfernt, unwirklich. Suchend fährt ihr Blick zwischen die Bäume, über die Straße, erfolglos. Wer erlaubt sich einen so blöden Scherz? Wer meint die Perfektion dieses Sommertages stören zu müssen? Verwirrt schüttelt Tonia den Kopf, will den Ruf abschütteln, ihr immer noch forschender Blick bleibt endlich an den Blättern der Bäume hängen, die sich unbeschreiblich schön im leichten Wind wiegen und in allen Farben des Regenbogens Leuchten. Freude an den einfachen Dingen des Lebens flutet ihr Herz und bald hört Sie den nagend bittenden Ruf nicht mehr. Die Vögel zwischen den Zweigen singen eine Symphonie allein für Tonia, ein Passant schenkt ihr Rosen, geblendet von ihrer Schönheit! Das ist das wahre Leben! So schön kann es nur in dieser unserer Welt sein!

Oder wollen Sie etwa jetzt doch wissen, woher die Schreie kamen? Folgen Sie mir...

Ein halbdunkles Schlafzimmer, vor dem Fenster plätschernder Regen, drinnen Panikwolken in der Luft, ein starr liegendes Mädchen mit aufgerissenen Augen, grotesk verdrehten Armen, ihr Kopf schwebt bereits so lange erhoben, dass eigentlich kein gesunder Mensch dies zustande bringen könnte, und niemand weiß, wie lange Tonia noch in dieser Position verharren wird. Sie liegt totenstarr, aber lebendig, doch vollkommen abwesend, mit schwachem Puls, die Mutter hält ihre Hand, weint versalzene glitzernde Perlen, ruft ihren Namen – „Tonia!“ – während ihr Herz erdrückt wird von einem Mount Everest aus Verzweiflung. Ein Berg zu hoch, um von ihrem Verständnis erklommen zu werden. Der Vater fassungslos daneben, längst hat er aufgegeben die Erstarrte wachrütteln zu wollen.
Er wartet jetzt nur noch auf die Ankunft des Notarztes, lauscht auf die Sirenen, klammert sich an den Hoffnungsfunken, den sein Glauben an die Macht der „Götter in weiß“ entzündet hat...

Auszug aus einem Lexikon medizinischer Fachbegriffe:
Katatonie (engl. catatonia), ist ein psychisches Krankheitsbild mit ausgeprägter Störung der Willkürmotorik, der Emotionen und Verhaltensweisen des Patienten. Es existiert eine Vielzahl von Ausprägungen, beispielsweise stunden- bis tagelange Starreperioden in bizarren Positionen, manchmal im Wechsel mit gewalttätigen kurzen Erregungszuständen. Patienten sprechen nicht, zeigen einen Mutismus und verhalten sich in keiner Weise mehr zur Umwelt. Häufig kommt es zur Ausbildung unbegründeter Angstzustände oder Aggression, Bewusstseinsstörungen oder zur Umkehrung von Empfindungszuständen.
Vorkommen vor allem bei katatoner Schizophrenie oder Depressionen, seltener im Rahmen von Infektionskrankheiten, bei Hirntumoren.
 
Grüße Suzah

Danke für den kurzen kommentar,
hab die zwei Fehler gleich korrigiert.

"Der Text ist schwer zu lesen" - bezog sich auch tatsächlich auf den Schreibstil dieser Geschichte, nicht auf den Inhalt.
Um den Stil geht es auch hauptsächlich in dem Text, der Inhalt ist eher dazu da, ihn zu tragen. Obwohl natürlich auch der Inhalt wichtig ist, nur nicht so schwerwiegend wie üblich.


"was soll das, die beschreibung des plots?
schreib doch die ganze story."
- diesem Kommentar kann ich leider nicht so ganz folgen. Der geplante Inhalt der Geschichte ist da und soll garnicht mehr ausformuliert werden.
Er beginnt mit einer sehr allgemeinen Beschreibung / Einführung in die Situation im Stil "Schreiber spricht Leser an", geht dann konkreter an die Protagonistin - und springt dann plötzlich in die heile Traumwelt, die Tonia in ihrer katatonen Starre wie einen Film abfährt.
Dann kommt wieder der Autor, spricht wieder den Leser direkt an - um ihn aus dieser Traumwelt heraus zu ziehen und auf die Realität zu stoßen.

Das imitiert die Situation eines Arztes, der mit jemandem über den Katatoniepatienten spricht:
- Durch welche Umstände konnte es so weit kommen? Was hat die Depression der Patientin so weit fortschreiten lassen, das sie sich in eine Katatonie gesteigert hat?
- Wie kann man sich die Gedankenwelt der Patientin in der katatonen Starre vorstellen (solche Patienten neigen manchmal dazu, sich die Umkehrung ihrer Realität zu projezieren)?
- Und in dem Fall hier: wie reagiert ihre Umwelt auf den ersten Anfall?

Und aus diesen Umständen heraus würde ich es auch nicht als Plotumschreibung, sondern als die Geschichte ansehen.
Dennoch hatte ich schon vor dem veröffentlichen hier Bedenken, der Text würde nicht "eingängig" wirken, vielleicht habe ich ihn gerade deshalb auch ausgesucht.
 
S

suzah

Gast
hallo roland,

die geschichte wäre es wert, dass du sie überarbeitest.

wie ich schon sagte, sah ich darin erst einmal die beschreibung des plot. m.e. springst du zu viel hin und her und zwischen den sichtweisen, einiges müßte präziser gefaßt werden und einiges läßt mich an pseudowissenschaftliche artikel oder tv-sendugen denken.

ich bin gespannt, wie andere leser das sehen.

grüße von suzah
 
Ich werde übers Wochenende mal darüber nachdenken, auch über deine letzten Kommentare. Vielleicht hilft es schon das Ganze etwas zu entzerren und zu verlängern, weil die wechselnden Sichtweisen möchte ich schon beibehalten.

Derweil ruft andere Arbeit und ich habe vielleicht auch das Glück, noch einen weiteren hilfreichen Eindruck von jemand anderem zu erhaschen.

Danke erstmal, ich schaue zu, mit dem Gedanken "Veränderung" warm zu werden .-)
 

FrankK

Mitglied
Hallo Roland
Ein interessanter Text, allerdings wirklich sauschwer zu lesen.
Ich will mich mal an ein paar Vorschlägen versuchen.

Eine groß gewachsene Statur, also flüchtige Küsse auf Zehenspitzen gewohnt, liegt([blue]Komma[/blue]) scheinbar friedlich ruhend([blue]Komma[/blue]) eingewickelt in blau-weiße Bettwäsche, gekrönt von derzeit zerzausten halblangen schwarzen Haaren – ob der seelige Frieden wahrhaftig ist([blue]Komma[/blue]) will ich ungeklärt lassen, sprich([blue]Komma oder Doppelpunkt[/blue]) mir die Beschreibung ihrer Träume sparen – nicht vergessen: fünf Minuten (mittlerweile viereinhalb)!
Obgleich besagte Statur ebenso weit von Kate Moss wie auch von Hella von Sinnen entfernt pendelt, kurz: gesundes Mittelmaß darstellt, bleiben die bereits genannten Zehenspitzenküsse fast ausnahmslos ihren wenigen Freundinnen überlassen, typische Wangenküsse zur Begrüßung unter Mädchen, denn Tonia (ich vergaß: so heißt Sie) ist ausnehmend schüchtern, und dies ist ihr erstes großes Problem, eines von vielen.
Diese beiden Abschnitte könnten zusammengefasst werden und dadurch um die Hälfte verkürzt.
Doppelte Aussagen (Küsse auf Zehenspitzen), umständliche Umschreibungen (ob der selige Frieden wahrhaftig …), die „Zwischendurch-Hinweise“ auf den „Countdown“, der Vergleich zwischen Kate und Hella (mündet nur in Mittelmaß), die umständliche Einführung ihres Namens.
Die relevanten Aussagen machen nur einen Bruchteil des zu lesenden Textes aus.
Bitte auch mal die Zeichensetzung kontrollieren, ich bin kein Profi darin und habe oben nur mal Beispielhaft Kommata eingesetzt, wo sie nach meinem „Bauchgefühl“ fehlen.

Da mir nur noch knapp fünfundzwanzig Sekunden für den Abschluß der Einleitung verbleiben, will ich ihn in einem verallgemeinerten philosophischen Block vor ihre Füße werfen.
Solche, ich will mal sagen „Stilblüten“, werfen den Leser regelmäßig aus dem Leserhythmus.
Der Sinn und Zweck des Countdowns leuchtet mir nicht ganz ein. In Realzeit-Betrachtung ist es sogar höchst Ablenkend und verschwendete Zeit.

Beep. Beep-beep. Beep-beep-beep. Beeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeep! 07.10 Uhr.
Ab hier beginnt die eigentliche Story, wir hatten bislang nur Einleitung (gut die Hälfte des Textes).

Faszinierend zeitgleich mit der Geräuschkulisse bewegt sich ein Mädchenkörper in eine Position, zu der wir gegen Ende der Geschichte zurückkehren wollen, nein müssen, also üben wir uns in Geduld anstatt jetzt mit deren Beschreibung vorzugreifen. Mit dem üblichen Lächeln auf dem Gesicht – gleich morgens frisch und munter – erwacht Tonia, steigt schwungvoll aus ihrem Bett... Moment! Übliches Lächeln? Ein Splitter ihres Bewusstseins registriert die Abnormalität, meldet gewohnt wäre Trägheit, Unlust, miese Laune, wird aber weggewischt vom hell funkelnden Sonnenschein, der Tonia aufs Gesicht fällt während Sie auf die Straße hinaustritt, bevor er richtig zur Geltung gelangen kann.
Hier wäre ich fast ausgestiegen, ich musste mich zwingen, weiter zu lesen.
Diesen Teil habe ich drei / vier Mal lesen müssen, bevor der Sinn einigermaßen bei mir ankam.


Als Leser fühle ich mich von Dir an die Hand genommen, bekomme eine Geschichte erzählt und ein paar Bilder gezeigt. Ich komme aber selbst nicht in die Geschichte hinein, bleibe außen vor und daher unbeteiligt. Der Stil ist zu „liebevoll“ gestaltet, mit zu vielen sanften Vergleichen, als würdest Du es einem Kind erklären.

Kennst Du „Dinner for One“?
Ein Moderator erklärt kurz zu Beginn des Schauspiels die Besonderheiten, dann verlässt er das Szenario. Der Zuschauer erlebt das „Theater“ ungestört.
Das Schauspiel würde sehr viel an Reiz verlieren, stünde der Moderator die ganze Zeit dabei und erklärte die Handlung. Das Publikum würde sich auf den Moderator konzentrieren und dadurch viel vom eigentlichen Geschehen abgelenkt

In Deinem Text spielst Du selbst den Moderator, erklärst mir zu Beginn viele Dinge, die von Belang sein sollen.
Dann führst Du mich als Moderator an Tonias Traum entlang, erzählst mir, was sie macht, wie sie sich fühlt.
Aus dem Traum heraus zeigst Du mir plötzlich ein Schlafzimmer, in dem ein offensichtlich krankes Mädchen liegt. Du erzählst mir von der Besorgnis der Eltern und deren Gefühle.
Zum Schluss bekomme ich eine fachliche Erklärung für das, was Du mir gerade alles gezeigt hast.
Betroffenheit bei mir: Fast Null.

Anstatt Deine Leser die Geschichte miterleben zu lassen, moderierst Du sie.
Erweitern? Nur nicht, ist schon viel zu breit.

Die Geschichte besteht im Prinzip aus vier Teilen:
1. Einleitung:
Kann ruhig „moderiert“ dargestellt werden, aber etwas dichter und kompakter. Den Countdown empfinde ich auch nach mehrmaligen Lesen für absolut überflüssig.
Viele der Informationen (Küsse auf Zehenspitzen) empfinde ich als irrelevant für die eigentliche Story.
2. Tonias Traum
Lass nicht den Moderator erzählen, was Tonia fühlt und denkt, lass sie es selbst sein. Lass Deinen Leser mit in die Traumwelt gelangen.
3. Das reale Schlafzimmer
Lass nicht den Moderator erzählen, was passiert, lass die Bilder und die Eltern selber für sich sprechen. Setz Deinen Leser quasi mit ans Bett und lass ihn Tonias Hand halten.
4. Sacherklärung
Kann, meiner Meinung nach, so bleiben. Bestenfalls in kursiver Schrift, damit er sich vom Erzähltext abhebt.

Dein Schreibstil erscheint mir streckenweise etwas umständlich, etwas kompliziert. Manchmal hilft es, sich selbst den Text laut vorzulesen.

Betrachte dies als Hinweise, Deinen Text möglicherweise zu verbessern. Was Du davon wie umsetzt, musst Du selbst entscheiden.


Viele Liebe Grüße
Frank
 
Vielen Dank für diese ausführliche Betrachtung.

Ich kann gut nachvollziehen, was du meinst. Manche Sätze wirken jetzt - mit deinen Kommentaren im Hinterkopf - einfach zu überfüllt und lange.

Die Sache mit dem Countdown war eine Stilidee, die eben verwendet werden wollte. Vielleicht ist es wirklich besser, sie hier herauszunehmen und für etwas anderes aufzusparen.

Ich nehme mir jetzt einfach ein paar Tage Zeit und schaue nächste Woche, wie ich den Text umschreiben würde. Das WE gehört einer anderen Veranstaltung.

Sehr hilfreich sind deine Kommentare, manchmal wird man wohl selbst blind für seinen Text.

Wir lesen uns in einigen Tagen!

Roland
 



 
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