Charlotte und die Handwerker

3,00 Stern(e) 2 Bewertungen

spectacle

Mitglied
Charlotte - Und die Handwerker


Eine Frau macht niemals einen Mann zum Narren; sie sitzt bloß dabei und sieht zu, wie er sich selbst dazu macht.
Frank Sinatra

Nun war ich inzwischen 50 Jahre, hatte mittlerweile auch gelernt, wie man Bohrlöcher fachgerecht in Stein bohrt, Regale aufbaut, Armaturen ersetzt, einen Autoreifen auswechselt und vieles andere mehr, was ich in meiner Jugend dank der typisch geschlechterspezifischen Erziehung versäumt hatte. Doch für vieles Handwerkliche gab es bei mir immer noch ein Afrika im 16. Jahrhundert. Dieser dunkle Kontinent. Leere Flecken auf meiner Handwerkskarte, die nur Männer auffüllen konnten, in Latzhosen gekleidet, mit schweren Handwerkskästen in der Hand, mürrische, schweigsame, pragmatisch veranlagte Vertre­ter des anderen Geschlechts.

Dieser dunkle unerforschte Kontinent tauchte vor meinem in­neren Auge auf, als ich feststellte, dass meine Heizung tropfte, kurz hinterm Wärmeregler.

Ich saß fasziniert davor. Nachdem ich eine Auffangschale unter die Tropfstelle geschoben hatte, beobachtete ich ungefähr eine Stunde die Tränen, die meine Heizung äußerlich und ich innerlich von uns gaben. Dann wartete ich einfach ab, in der Hoffnung, dass sich das Problem von allein erledigen würde. Anscheinend hattte ich nicht lang genug gewartet, denn die Heizung tropfte ungeachtet meines beharrlichen Aussitzens frech weiter. Sieben Liter aufgesammeltes Wasser und zwei Wochen später beschloss ich, diesen Mangel meiner Woh-nungsbaugenossenschaft zu melden.
Fiel mir nicht wirklich leicht, da ich einfach ungern Handwer­ker in meiner Wohnung hatte, die dort durchlatschten, durch meinen privaten Bereich, und nach mehr oder weniger Inaugenscheinnahme des Mangels die Wohnung wieder verließen, weil sie noch Werkzeug oder Ersatzteile aus dem Lager holen mussten. Was in der Regel eine Woche dauerte. Nein, auf so was hatte ich gar keinen Bock.

„Die Heizung tropft. Das heißt, eigentlich läuft sie schon aus. So einen halben Liter pro Tag ungefähr.“
„Seit wann? Na ja, zwei Wochen bestimmt schon.“
Eigentlich war ich selbst schuld. Warum wohnte ich auch in einem Altbau.
Nur deshalb, weil ich das so romantisch fand. Altbau mit hohen Decken, ungeraden Zimmern, einem langen Flur und dem gan­zen Kram. Und eben auch mit Altberliner Heizkörpern, wun­derschön, mit außen liegenden Rohren. Nur eben alt. Sehr alt.
Ich meldete den Schaden, wurde von einer Sanitär- und Hei­zungsfirma zurückgerufen und machte einen Termin aus. Für den ich einen Urlaubstag extra nehmen musste. Und mal ehr­lich, weiß man wirklich, ob jemand sich an diesem Tag blicken lässt? Oft verschenkt man einen Urlaubstag dafür, dass man auf Handwerker wartet, die dann doch nicht kommen, weil, ist grad so´n Notfall reingekommen, wir kommen ein andermal, und tschüss.

Diesmal hatte ich aber Glück, der Handwerker war für Freitag terminiert, zwischen 7.00 und 14.30 Uhr und kam auch termin­gerecht. Um 17.00 Uhr. Gerade, als ich das dritte Mal angeru­fen hatte, wobei es jedes Mal hieß, es wäre noch so´n Notfall rein gekommen, in etwa einer halben Stunde wäre er hundert pro da.
Wortkarg und mürrisch betrat er meine Wohnung, misstrauisch um sich blickend, als ob er irgendwo eine versteckte Kamera vermutete, weil, man kennt ja inzwischen die Sendungen, die einen Handwerker nur testen wollen, der dann alles mögliche Falsche repariert und Geld für etwas nimmt, was mit dem eigentlichen Schaden gar nichts zu tun hat. Danach wird er zur Rede gestellt, in Form eines übergroßen Mikrofons, das fest auf seinen Mund gepresst wird, damit er nicht wegrennen kann,
und nun soll er sich mal für den Mist verantworten, den er da gebaut hat und warum er eine so hohe und überhaupt Rechnung gestellt hätte.
Genauso so sah mein Handwerker aus, gescheitert an zu vielen versteckten Kameras, mit einer Unlust, die selbst den redseligs­ten Menschen zum Aufgeben zwang. Ich versuchte es daher erst gar nicht, sondern sagte nur:
„Heizung. Kommen Sie einfach mit. Hier. Tropft.“ Der Hand­werker hatte seine Mütze tief über die Stirn gezogen, ich nahm an, damit niemand sehen konnte, welche Verachtung er der Menschheit im Allgemeinen und Berliner Altbau-Heizkörpern im Besonderen zukommen ließ.
Damit der sensible Herr Handwerker sich nicht beobachtet fühlte, machte ich mich auf ins Bad, das noch zu putzen war. Etwa 15 Minuten später kam er gemächlich aus dem Zimmer herausge­schlurft, eine Diagnose stellend, für die ich zwei Sekunden ge­braucht hatte. Und das als Laie wohlgemerkt.
„Rohr kaputt. Muss noch Ersatzrohr aus dem Lager holen. Dauert. Komme wieder.“
Hoffentlich, dachte ich und putzte munter weiter.

Nach etwa zwei Stunden war er zurück, nahm wortlos meinen angebotenen Kaffee und begab sich ans Werk.

Innerhalb einer weiteren halben Stunde verlegte er Schläuche zum Ablaufen des Heizungswassers, entlüftete alle Heizkörper, hatte also einigermaßen nachvollziehbare Dreckspuren in allen meinen Zimmern hinterlassen und besserte ein Teil des Rohres aus. Nicht ohne in der Wand hinter dem Heizungsventil den Altberliner losen Putz recht großflächig zu zerstören.

Sichtlich stolz erklärte er dann, das Werk wäre getan und ver­schwand schneller als er kam. Vorher wies er mich noch auf ei­nige Dinge im Kurzlehrgang hin. Dass ich jetzt erst mal den zentralen Thermostat auf 30 Grad stellen solle, für ca. 24 Stun­den, damit das Wasser auch wieder bitteschön geschmeidig und allmählich warm durch die Rohre zu allen Heizkörpern fließen könne. Bei diesen alten Heizungen wäre das unbedingt nötig. Und nur nicht zwischendurch runter drosseln. Sonst wäre alles für die Katz gewesen. Das bräuchte seine Zeit. Und überhaupt. Diese alten Heizungen. Das wäre `ne schwierige Angelegenheit, man sollte so was gar nicht mehr haben. Viel zu aufwendig und schwer heiz- sowie reparierbar. Hätte mein Handwerker zwei Zitronen ohne Schale im Mund gehabt, als er das sagte, er könnte nicht genervter klingen.
Das Gesagte gebe ich jetzt in meiner Übersetzung wieder. Er hatte einen etwas mehr verknappten Wortschatz, glücklicher­weise war ich des Übersetzens fähig.

Nachdem er mir also alles in Kurzform erklärt hatte, schob er seine Mütze ein wenig höher, so dass ich endlich seine Augen sah. Die resigniert in eine Welt schauten, die wirklich scheiße sein musste.

Ich bedankte mich herzlich für seine guten Ratschläge, der Mann hatte gesprochen, endlich, was will man mehr? Seine Frau muss viele Kinder haben, dachte ich. Mit so einem Mann verheiratet zu sein, da fühlt man sich doch so, als ob man allein zuhause wohnt. Da will man bestimmt viele Kinder, damit ein wenig Geräusche in der Wohnung sind, ein wenig Leben. Wäh­renddessen befreite ich meine Wohnung etwa drei Stunden lang vom Handwerkerdreck.
Aber vielleicht, sinnierte ich, gibt ihm seine Frau auch einfach eine Sanitäraufgabe zu tun, dann hat sie hinterher so viel zu put­zen, dass ihr nicht langweilig wird.
Wie auch immer, die Wohnung sah wieder schick aus, die Hei­zung stand auf 30 Grad, alles war gut.

Bis ich am nächsten Tag, am Samstag, von der Arbeit kam, ich hatte Wochenendschicht. Nun konnte ich die Heizung wieder auf gewohnte 21 Grad stellen, mit dem Erggebnis, dass einige Stunden später alle Heizkörper kalt waren. Es heizte überhaupt nicht mehr.
Langer Schwede, kurzer Finn, ich rief den Notdienst an, der in zwei Stunden da sein sollte und auch nach vier Stunden erschien, also früher als erwartet.
Nach meinem Bericht und der Überprüfung der Heizung sowie er­neuter Entlüftung der Heizkörper teilte mir der Notdienst mit, dass dies eben alte Heizkörper seien, schwer heiz- und reparier­bar.

Mein Notdiensthandwerker war kommunikativer unterwegs, als der gewöhnliche Wochentagshandwerker und so erzählte er mir, dass der Heizungsdienst 35 km entfernt seine Zentrale hat­te und er Silvester Notdienst gehabt hätte. Viermal hätte er an Silvester ausrücken müssen, in meinen Bezirk.

Und wirklich, es war kaum zu glauben, immer, wenn er die
35 km wegen eines Notfalls bis zu meinem Bezirk und nach der Reparatur die 35 km in sein Bezirk zurück gelegt hatte, wurde er kurz darauf erneut angerufen. Und musste wieder insgesamt 70 km zurücklegen. Gerade auch immer dann, wenn er die Kaffeetasse zum Trinken angesetzt hatte. Er war so genervt, dass er seine Kaffeetasse, die er in dieser Nacht nie austrinken konnte, irgendwann an die Wand schmiss.

Nachdem er mir ausgiebig diese Geschichte erzählt hatte, der kleine muntere Bursche, sagte er, dass ich jetzt erst mal den zentralen Thermostat auf 30 Grad stehen lassen solle, für ca. 24 Stunden, damit das Wasser auch wieder bitteschön geschmeidig und allmählich warm durch die Rohre zu allen Heizkörpern fließen könne. Bei diesen alten Heizungen wäre das unbedingt nötig. Und nur nicht zwischendurch runter drosseln. Sonst wäre alles für die Katz gewesen. Das bräuchte seine Zeit. Und über­haupt. Diese alten Heizungen. Das wäre `ne schwierige Ange-legenheit, man sollte so was gar nicht mehr haben. Viel zu auf­wendig das Ganze.

Ich war froh, dass mein Notdiensthandwerker eine so tolle Lö­sung parat hatte, putzte meine Wohnung erneut und ging mit ei­nem völlig neuen Gefühl schlafen. Denn ich musste daran den­ken, wann ich vorher mal mein Thermostat auf 30 Grad gestellt hatte. In Berlin. Nie. Ist ja nicht Kanada oder so.
Und so träumte ich, man mag es nicht glauben, von einer Holz­hütte in Kanada, mit einem bullernden Ofen darin, mich wohlig einhüllend, während draußen Schneestürme und hungrige Bä­ren meine Hütte umschlichen.

Das war vor einer Woche. Da inzwischen die Temperaturen von null auf zehn Grad plus tagsüber gestiegen sind, brauche ich inzwischen den Thermostat nur noch auf 26 Grad stellen, um 18 Grad in meiner Wohnung zu haben.

Da sage man mal, Handwerker haben keine Ahnung. Was mich wundert ist, dass ich vorher immer, selbst bei minus 20 Grad draußen, das Thermostat auf 21 Grad hatte und die Wohnung kuschelig warm wurde, jahrelang.
Doch wahrscheinlich braucht das neu eingesetzte 20 cm Teil­stück Rohr so viel Durchleitungswärme auf, dass für die ande­ren Heizkörper kaum noch was übrig bleibt.

Kurz darauf fiel dann einer meiner beiden Heizkörper im Wohnzimmer völlig aus. Aber was soll´s? Der andere im Wohnzimmer geht ja noch. So lauwarm.
Das liegt eben einfach an den Berliner Altbau-Heizkörpern. Die sind so schwer heizbar, weiß doch jeder Laie. Selbst ich in­zwischen. Dank dem Handwerker meines Vertrauens.
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo spectacle, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von Zeder

Redakteur in diesem Forum
 



 
Oben Unten