Clever muss man sein

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Scrabbler

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Clever muss man sein

Nochmal schönen Dank, Kurt, dass du die Blumen gießt, während ich weg bin. Zum Dank will ich dir auch verraten, wo ich eigentlich hingefahren bin; du warst ja neugierig, aber ich hatte meine Gründe, warum ich da etwas zugeknöpft war. Ich vertraue übrigens darauf, dass du mich nicht irgendwie bei der Polizei anzeigst oder so, aber ich weiß ja, auf dich kann ich mich verlassen - du wirst das hier hinterher wegschmeißen oder verbrennen, ja?
Ich hatte schon länger vor, dir von der ganzen Sache zu erzählen - damit du mal siehst, dass ich nicht so dumm bin, wie du immer behauptest.
Als mir damals die Firma die Abfindung für meine Erfindung gezahlt hat - da hast du gesagt, ich wäre einfach nicht clever genug - die machen ein paar hundert Millionen damit, und ich schau in die Röhre. Dabei haben sie mir wirklich eine anständige Abfindung gezahlt, und damals konnte ich es auch sehr gut brauchen, weil doch gerade mein Fernseher kaputtgegangen war, und es reichte dann für ein richtiges Luxusmodell. Und bei meiner Entlassung, wegen dem Gesundschrumpfen der Firma und so, da haben sie mir wieder eine faire Abfindung gegeben, ja, durchaus fair - ich meine, es ging der Firma ja nicht besonders gut, damals, das muss man bedenken. Und es hat ja auch eine ganze Weile gereicht, zusammen mit meinem Ersparten, schließlich lebe ich sehr bescheiden.
Aber - die Zeit, als du immer gesagt hast, ich wäre so depressiv - da war es einfach zu Ende, das Geld. Und - na, das weiß man ja, Ingenieure mit fünfzig wollen sie nicht mehr, und das Sozialamt - nicht für mich.
Da kam mir dann diese Idee mit dem Banküberfall. Okay, ich gebe zu, es war verrückt - und wenn ich nicht diese Flasche Sekt getrunken hätte, die mir vor Ewigkeiten mal jemand zum Jubiläum geschenkt hat - Ich war vielleicht tatsächlich ein bisschen in leichtsinniger Laune, irgendwie, aber das ist doch jeder mal,und es war ja nur eine Idee, und Ideen schaden nichts, oder? Also, jedenfalls habe ich mir spaßeshalber mal aus-gedacht, wie ich das wohl machen würde, mit so einem Bank-überfall - nur so, aus Jux, einfach mal so überlegt, als Spiel, verstehst du. Überlegung ist ja sowieso das A und O der Sache, bei allem. Sich einfach einen Strumpf überstülpen, eine Spiel-zeugpistole nehmen und in eine Bank stürmen - nein, so kann man das nicht machen, das ist mal klar. Erstens würden sie einen vermutlich erwischen und ins Gefängnis stecken, und zweitens kann es einem passieren, dass die Bank gerade an dem Tag nicht mehr als ein paar kümmerliche Tausender da hat. Man muss sowas schon sorgfältig planen, aber das liegt mir ja, du weißt, ich bin ein gründlicher Mensch.
Ich bin also sauber systematisch vorgegangen: Aus dem Branchenver-zeichnis habe ich die Adressen der Bankfilialen rausgesucht und mir auf dem Stadtplan dann angeschaut, wo diese Filialen je-weils genau waren. Ich habe dann sofort erkannt: die eine Bank, am Ende der Rabestraße - das ist eine Sackgasse, wie du vielleicht weißt - und liegt überhaupt ziemlich abseits, die Gegend - also, die ist ideal. Als nächstes musste ich die Bank auskundschaften - wieviel Geld sie wann dahaben, wie die Sicherheitsmaßnahmen aussehen undsoweiter. Gleich in der nächsten Woche habe ich damit angefangen - nur so als Spiel natürlich, du weißt ja, ich bin ein ganz ehrlicher Mensch, was wirklich Kriminelles würde ich nie machen, und das Ganze ist ja auch gar nicht - also gut, jedenfalls wollte ich es einfach mal so ein bisschen versuchen, und im übrigen hatte ich sowieso nichts Besseres zu tun; auf die Bank gehen und mich da ein bisschen umgucken, das war auch nicht schlechter als dahocken und irgendein blödes Stück im Fern-sehen anglotzen - das mit der Bank hat mir wenigstens auch noch Bewegung verschafft, und außerdem ist Fernsehen nicht gut für die Augen, also war das andere eindeutig vernünftiger, oder.
Ich war auch so schlau, dass ich gleich erkannte, wo ich ansetzen muss: bei Betriebsschluss nämlich. Wann sie heimgehen, und wer als erster rauskommt und so. Sie machten das allerdings ziemlich durcheinander - mal kamen die einen zuerst und mal die anderen, überhaupt keine Ordnung drin in dem Ganzen. Allerdings war der letzte, der rausging, fast immer derselbe, so ein Schlanker mit Schnurrbart, so um die vierzig, mit einem knallroten Porsche - der Leiter der Filiale, dachte ich.
Mehr kriegte ich erst mal nicht raus, dazu musste ich rein, in die Bank, meine ich. Irgendwie hatte ich nicht viel Lust dazu, aber Disziplin muss schließlich sein, und ich habe mich also aufgereafft, endlich mal reinzugehen - nur so, natürlich, einfach mal um zu sehen, was da so los ist - und das muss man ja wissen, wenn man einen Plan macht, auch wenn es nur im Spaß ist.
Natürlich brauchte ich einen guten Vorwand - man kann ja schließlich nicht einfach in eine Bank gehen, dort rumspazieren und sagen: Ich schau mich bloß mal hier genauer um - das würde sicher auffallen. Ich habe mir also überlegt, dass ich mich nach einem Kredit erkundige; das war ja sowieso dringend nötig bei meiner Finanzlage - obwohl - du weißt ja, wie ich es hasse, Geld zu lei-hen, ich habe auch noch nie im Leben was auf Raten gekauft oder so. Aber es war ja sowieso alles nicht Ernst, sozusagen. Ich hatte ziemliche Angst, dass sie was merken würden, aber eigentlich - was hätten sie schon merken sollen, ich hatte ja wirklich kein Geld, ich habe also nicht mal gelogen oder so.
Es war auch alles halb so schlimm. Der Mann mit dem Schnurrbart, den ich für den Filialleiter gehalten hatte, hat sich sehr zuvorkommend um mich gekümmert. Er heißt Schöffler, einer von diesen dynamischen Typen; der Leiter der Filiale ist er al-lerdings doch nicht, das habe ich auf der ausgehängten Unter-schriftenliste gesehen - schlau von mir, das hättest du mir gar nicht zugetraut, was? Aber immerhin hat er ein privates Büro, und da hat er mich auch gleich reingeführt, wegen dem Kredit. Er hat dann einen Anruf gekriegt und musste nochmal kurz weg, aber das machte mir nichts aus, ich hatte ja Zeit.
Ich habe währenddessen so ein bisschen auf seinem Schreibtisch herumgeguckt - nichts Ungehöriges, ich habe nicht in seine Schubladen geschaut oder so, aber den obersten Papierstapel habe ich doch ein bisschen beiseitegeschoben, das war nämlich nur so eine Zeitschrift oder so, und ich wollte sehen, was dadrunter lag - bloß mal so, aus Neugier, vielleicht hätte ich es ja spaßeshalber auch für meinen Plan verwenden können. Ja, und da lagen zwei Computerausdrucke drunter, mehr oder weniger nebeneinander. Und - du weißt ja, dass ich einen unglaublich guten Blick für al-les habe, was mit Zahlen zu tun hat - okay, bei Wortspielen oder so bin ich immer ziemlich schlecht; aber Zahlen-rätsel, da kann mich keiner schlagen, und Schach - naja, ich hab dich ja oft genug niedergemetzelt, was? Also, jedenfalls, wenn ich Zahlen sehe, dann fängt mein Gehirn sozusagen ganz von selber an zu arbeiten, manchmal direkt ohne dass ich es merke. Und als ich die beiden Computerausdrucke so angestarrt hab - da hab ich auf einmal irgendwie gewusst: auf diesen beiden Seiten sind exakt dieselben Zahlenreihen - bis auf zwei einzelne Stellen, da standen unterschiedliche Zahlen.
Ich habe darüber gebrütet, was das bedeuten könnte, aber da kam der Schöffler schon zurück. Ich konnte die Zeitschrift nicht schnell genug wieder hinschieben, also hab ich es einfach gelassen. Er hat kurz draufgeschaut und die Stirn gerunzelt, aber dann hat er einfach die Zeitschrift wieder drübergeschoben und die Achseln gezuckt. Aber er war erschrocken, das konnte ich genau sehen. Und während er irgendwas von allen möglichen Krediten erzählt hat, hat es in mir drin immer weiter nachgedacht, sozusagen - dass Schöffler nicht der Filialllei-ter war, aber immer der letzte, der abends rauskam aus der Bank - und diese beiden Seiten - fast gleich, nur zwei Zahlen verändert - und Schöffler hatte es nicht gefallen, dass ich sie gesehen hatte, und er hat mir zwischendurch auch immer so einen misstrauischen Blick zugeworfen...
Normalerweise bin ich sehr vorsichtig, das weißt du ja, ich neige wirklich nicht zu überstürzten Handlungen, und es war letztenendes doch ein ziemlicher Schuss ins Dunkle - aber ich konnte es ja so ganz locker machen, mehr so geheimnisvoll, verstehst du, und auf einmal bin ich einfach damit rausgeplatzt, ich war selbst ganz verblüfft - und du hättest mich mal hören müssen, richtig vornehm und raffiniert hab ich das formuliert: "Ich glaube, Herr Schöffler, wir sollten uns mal über Ihre 'Überstunden' unterhalten. Ihr Chef ist vermutlich von dem Eifer begeistert, mit dem Sie sich um den Computer kümmern, aber wenn er wüßte, was Sie wirklich machen -" Ich hab das dann so richtig bedeutungsschwer in der Luft hängen lassen, wie die im Fernsehen manchmal, verstehst du.
Irgendwie dachte ich, er lacht mich jetzt aus oder wird wütend oder was, und sagt ich spinne. Aber ich glaube, ich habe ihn wahnsinnig überrascht - er ist richtig blass geworden und hat fast gejapst. Und auf einmal - also, irgendwie, ich bin ja nicht groß in Psychologie und so, ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll - aber auf einmal hab ich gewusst, es ist wahr, und er hat gewusst, dass ich weiß, dass es wahr ist, und - naja, wir wussten es also beide. Nicht, dass ich gewusst hätte, was genau da faul war – aber dass etwas faul war, das war klar. Und dass die Früchte davon auf Schöfflers Konto landeten.
Er hat es dann sehr sportlich genommen, hat nicht groß rumgetan oder so, hat nur ganz einfach gefragt: "Wieviel?"
Ich habe ihn erstmal angestarrt - ich habe das schon irgendwie bewundert. Und dann habe ich auf Hochtouren gerechnet - denn ich bin nämlich doch ganz schön clever, lieber Kurt, das merkst du vielleicht langsam, oder? Ein anderer hätte sich jetzt wahrscheinlich auf seinen Lorbeeren ausgeruht und hätte einfach irgendwas verlangt, eine Million oder so. Aber nicht ich - ich hab das genau abgeschätzt. Erst mal sollte es natürlich eine monatliche Sache sein, nicht alles auf einmal in einem Riesenklumpen, das wäre nicht das Richtige gewesen, sondern sozusagen wie ein Gehalt - es ist ja auch fast wie ein Gehalt, eigentlich nicht wirklich kriminell, denn das ist ja eigentlich sowas wie eine ausgleichende soziale Gerechtigkeit, oder? Ich hab sowas ähnliches gemacht wie die Polizei, nur dass ich ihn nicht eingesperrt habe, wo das sowieso nichts nützt, sondern ich lasse ihn Buße tun, sozusagen, das ist eigentlich sogar ein gutes Werk, oder?
Also, zuwenig wollte ich natürlich nicht verlangen - aber zuviel auch nicht, man soll den Bogen nie über-spannen, und unendlich viel hatte ja auch Schöffler sicher nicht.
ch habe da also was ausgerechnet - und ich muss wirklich immer wieder sagen, Schöffler hat es wie ein Sportsmann genommen. Okay, hat er gesagt, das wäre eine faire Summe (ich bin eben wirklich gut im Rechnen!), und natürlich wäre es sehr unangenehm, dass ich die Sache rausbekommen hätte, aber er wäre keiner, der über Tatsachen jammert, die man nicht ändern kann, und er müßte mich eben als 'ne Art Geschäftspartner sehen. Dann hat er mir eine Zigarre angeboten - du weißt ja, ich kann die Dinger nicht ausstehen, aber es war trotzdem ein nettes Angebot und ich hab mich natürlich auch höflich bedankt - auch ich habe schließlich meinen Stil, und wenn einer am Boden liegt, trample ich nicht noch auf ihm rum. Gute Manieren sind der Luxus der Könige, hat Mama immer gesagt. Er hat mir dann auch noch Kognak angeboten - das habe ich natürlich auch abgelehnt - du weißt ja, ich trinke tagsüber keine scharfen Sachen. Aber ich wusste es zu schätzen, dass es eine enorm teure Sorte Kognak war, und er konnte ja nicht wissen, dass ich ablehnen würde.
Er hat mir dann gleich schon 50 Euro gegeben, und wir haben ausgemacht, dass ich ein Konto bei ihnen aufmache, und er mir das Geld dahin überweist. Hat er auch schon zweimal getan, hat alles reibungslos geklappt. Da siehst du mal, dass ich doch sehr viel cleverer bin als du dachtest, Kurt, was?
Ja, und ich muss sagen, Schöffler hat trotz seiner Fehler eine gewisse Größe, doch, wirklich. Er hat das alles wirklich sportlich und ge-lassen genommen und ist mir gar nicht ernsthaft böse, glaube ich. Jetzt hat er mir sogar ein ausgesprochen großzügiges An-gebot gemacht. Seine Tante hat eine Skihütte in den Bergen, total einsam gelegen, und ideal geeignet für Langlauf - ich bin ja ein begeisterter Skilangläufer. Ich soll es nicht an die große Glocke hängen, weil seine Tante es nicht mag, wenn Fremde dort übernachten - aber er braucht sich keine Sorgen zu machen. Ich bin ein sehr ordentlicher Mensch, und ich werde immer meine nassen Stiefel ausziehen und hinterher das Bad und den Boden putzen und das Geschirr sauber abspülen und ordentlich zurückstellen, darauf kann er sich verlassen. Und ich werde es auch niemandem erzählen, dass ich da hingehe, das habe ich Schöffler versprochen - wem sollte ich es denn überhaupt erzählen, außer dir, und du behältst sowas natürlich für dich.
Ich mach mich jetzt also auf in die Bergeinsamkeit – so ganz weit weg von jeglicher Zivilisation, das hat was für sich. Ich liebe ja die Natur. Und Schöffler hat mir auch noch eine Flasche extra guten Obstschnaps mitgegeben, so'n Selbstgebrannter. Der Mann hat wirklich Größe.
Also, gieß meine Blumen schön – und das Alpenveilchen nicht zuviel, bitte, das fault sonst.
Bis dann!
 
sabbelt wie ein Buch

Hallo Scrabbler,

dein Stil und die Art wie du deinen Prot. da rumsabbeln lässt, gefallen mir wirklich sehr gut. Man kann sich bildlich vorstellen, wie der gute Mann einen Anrufbeanworter zuquatscht ohne dabei Luft zu holen.

Am Ende habe ich ein wenig zu mäkeln. Da wird der Banker frischweg erpresst, gibt dem Kerl als Anzahlung einen Fünziger und zu guter Letzt noch den Schlüssel zur Berghütte. Obendrauf kommt noch ne Flasche Schnaps.

Bei mir wäre das Zeug vergiftet und der Erpresser schon nach dem ersten Schluck im Bankräuberhimmel.

Du siehst, mir fehlt das Leckerli zum Schluss. - Muss ja kein Gift sein.

Grüße
Marlene
 

Exzentriker

Mitglied
Hallo Scrabbler,

mir hat der Plauderton deines Erzählers wirklich gut gefallen. Und die Raffinesse, mit der aus einem "gespielten" Banküberfall eine Erpressung wird, fand ich auch sehr gut ausgetüftelt.

Wenn du deinem Text am Anfang noch die Form eines Briefes geben würdest - "Hallo Kurt,", Absatz, Briefanfang - das wäre noch schön (gilt auch für's Briefende). Ansonsten noch dieses "weiß't ja, kennst mich ja, etc." noch ein bisschen portionierter einsetzen, an einer Stelle im Text folgte es zu kurz hintereinander.

Den Anfang würd ich etwas straffen. Es ist gut, dass du Hintergrundinformationen zu deinem Erzähler lieferst, aber wenn du das ein bisschen abkürzt und schneller ins Thema rutscht, kommt es besser.

Über die Filiale in der Sackgasse mußte ich ein bisschen grübeln - ist sicher förderlich, wenn die Polizei von nur einer Seite rankommen kann, aber was ist mit dem Bankräuber selbst? Vielleicht sollte da ein Park sein, Schrebergärten, etc. - also ein problemloser Fluchtweg für den plaudernden möchte-gern-Räuber.

Der Text war schön zu lesen. Ich mag solch plaudernde Erzähler wirklich gern...

LG
Exzentriker

PS: Mußt bei reinkopierten Texten drauf achten, dass du die Bindestriche in einigen Worte nicht mehr brauchst...
 



 
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