Conímbriga, Gang durch die römischen Ruinen (in Hexametern)

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Tula

Mitglied
Conímbriga, Gang durch die römischen Ruinen


Sengende Hitze, ein rotes Gesicht schiebt sich träge ans Fenster:
„Stets nur den Weg an den Seilen entlang“ ächzt der Alte entkräftet.
Drei Schritte weiter empfängt sie mich wie ein entfleischter Kadaver;
stummes, versteinertes Flehen, im Klagegesang der Zikaden.

Hier stand der Tempel: noch mahnen drei Säulen, des Kaisers Vermächtnis.
Irgendwann fanden sie auch seine Statue, kopflos, in Stücke
schlugen sie Sonne und Wind und der Regen, die herzlosen Sieger
ließen von anderen glorreichen Herren nicht einmal die Nase.

Hinter dem Forum, die Mauern in Schachteln, das waren mal Läden.
Schließt du die Augen, dann ahnst du den Trubel im Dämmer der Gassen:
Düfte von Salbei und Minze, im Streit mit dem Schweiß einer Toga.
„Stoffe vom Feinsten! Mit Purpur aus Tyros gefärbt!“ schreit ein Händler.

Raus aus dem Lärm und Getümmel! Die Brunnen dort laden zur Muße.
Lausch' nur dem Wasser, das Plätschern belebt dir die Bilder am Boden:
Jagende Reiter, das zappelnde Schwein in der Hand eines Hirten.
Perseus, der Göttliche, reicht dir das grässliche Haupt der Gorgone.

Jetzt zum Gelage ins Haus des Cantaber; zum Fest – Saturnalien!
Tanzende Mädchen, die Diener befrachten die Tische wie Kähne:
Austern aus Tarent, Kastanien aus Spanien, „lukanischer Eber!“
preist man (das Hausschwein), und Wein strömt, vom Besten der beste – Falerner!

Müde schon suchst du am Südhang der Siedlung die Kühle der Thermen;
schreitest noch einmal vorbei an Tavernen, an Kellern und Kammern.
Sicher schrieb hier einst ein reifender Dichter die ersten Satiren.
Staub nun auch diese. Du siehst nur die Echse im Schatten verschwinden.


Zum lyrischen Reiseführer https://lyrischereiseportugal.wordpress.com/conimbriga/
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Wunderbar, Tula!

[blue]Au[/blue]stern aus T[blue]a[/blue]rent, Kast[blue]a[/blue]njen aus Sp[blue]a[/blue]njen, „luk[blue]a[/blue]nischer [blue]E[/blue]ber!“
meinst Du es so? Tarent anfangsbetont, das i in Kastanjen und Spanjen halbvokalisch-konsonantisch?

Am besten gefällt mir das zappelnde Schwein in der Hand des Hirten. Schön realistisch.

grusz, hansz
 

Willibald

Mitglied
Revitalisierung der Ruinenlandschaft durch ein antikisierendes Versmaß, keineswegs antiquarisch angestaubt, sondern licht und schnell und gravitätisch auch.

Der reisende Dichter im Echoraum reifender Dichter.

Schöne Abweichung von der Prosabetonung durch Hexametermetrik:
ließen von anderen glorreichen Herren nicht [blue]ein[/blue]mal die Nase.

Vale

ww
 

Tula

Mitglied
Hallo Mondnein

vielen Dank!!
Ja, genau so (Spanjen), so wie ich es auch spreche, obwohl natürlich anfechtbar, was den theoretischen Aspekt der Silbentrennung angeht.

LG
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo Willibald

du bist ein sehr aufmerksamer Leser, in der Tat hat das 'ein' einen besonderen Witz.

Herzlichen Dank und LG

Tula


Hallo Monika,

und dir natürlich auch! Da freut sich der nicht-mehr-reifende Dichter

LG
Tula
 



 
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