Dame mit Hütchen

Tine soll schneller gehen, sagt Oma, sie müssen noch zum Metzger. Der Laden liegt hinter so und so viel Ecken, durch so und so viele Gassen, weit weg von der Hauptstraße. Endlich biegen sie um die Marienkirche und sind beinahe am Ziel. Da geht vor ihnen eine Dame mit einem Hütchen auf dem Kopf, so langsam geht sie vor ihnen her, recht damenhaft tut sie das, stöckelt ein bisschen, nickt bei jedem Schritt ganz leicht mit dem Kopf … Oma sagt: Tine, geh mal schneller, die überholen wir doch …

Aber da reißt ein plötzlicher Windstoß der Dame das Hütchen vom Kopf und treibt es sofort auf dem Gehweg vor ihr her. Auf einmal hat es auch die Dame eilig, sie will ihr Hütchen zurück. Gut, dass der Wind schon wieder abflaut. Sie bückt sich, um nach dem Hütchen zu greifen – es ist eine Feder oben dran, das sieht Tine erst jetzt. Da, eine neue gewaltige Bö – die Dame braucht sich nicht länger zu bücken, ihr Hut mit der Feder treibt weiter weg dahin. Vier, fünf Meter ist der Abstand zwischen Hand und Hut schon wieder.

So geht es noch eine Zeitlang weiter. Immer wieder legt der Wind sich zwischendurch, die Dame ist ein kleines Stück gerannt, bückt sich dann, und eine neue Bö jagt das kleine Ding im letzten Moment weiter über den Gehweg davon. Tine und Oma können die Dame jetzt nicht überholen, die so wenig damenhaft hinter ihrem verlorenen Gut herrennt. Tine lacht aus vollem Hals und kann sich nicht sattsehen. Oma ist es schon etwas peinlich. Sie zerrt Tine in gerade dem Augenblick an der fremden Dame vorbei, als die sich ein letztes Mal nach dem Hütchen bückt, und diesmal mit Erfolg. Sie hat es eben aus dem Rinnstein aufgehoben.

Dann stehen Oma und Tine in der Metzgerei an, warten, dass sie an der Reihe sind. Die altmodische Ladenklingel ertönt. Tine sieht sich um – da, die Dame mit dem Hütchen, jetzt wieder beide obenauf, Dame und Hütchen. Auch die Feder ist noch dran. Tine platzt sofort heraus, lacht schallend, springt vor Vergnügen im Laden herum und kann sich gar nicht beruhigen. Sie zeigt dabei immer wieder mit dem Finger auf das Hütchen. Aber die Dame nimmt es übel. Sie sagt: Was für ein boshaftes Kind. Schlecht erzogen, das Kind …

Oma kriegt jetzt einen roten Kopf. Sie nimmt Tine rasch bei der Hand und zieht sie ins Freie. Und das Fleisch, fragt Tine. – Kriegen wir auch im Supermarkt, sagt Oma. – Tine hat aufgehört zu lachen. Sie fragt jetzt: Oma, warum hat dein Hut keine Feder? – Damit er nicht so leicht wegfliegt. Und jetzt hör mal mit dem Hut auf!
 



 
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