Das Abendgebet

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Sven Fiedel

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Im Grunde war es ihm nicht viel mehr als eine alltägliche Routine, mit der Alois Bertrand seine Tage begann und auch stets beschloss. Die Mutter hatte es ihn so gelehrt. Heute jedoch war er entschieden ins Gebet vertieft.
Durch das einzige Fenster schien der Mond in die kalte Stube, wo Alois vor dem Bett kniete. Oben auf der strohgefüllten Matratze lag, bis zum Kopf in Leinen eingeschlagen, eine Frau. Ihr blasses Gesicht hob sich kaum von der weißen Nachtwäsche ab. Nur mit ihren Lippen und dem rehbraunen Haar konnte sie überhaupt einen Kontrast ausmachen. Sie schien zu schlafen.
Weiter hinten in der Kammer zuckte die Flamme des Ewigen Lichts, das zu Füßen einer grob geschnittenen Herzjesufigur aufgestellt worden war. Dann und wann – ganz wie die Zugluft die Flamme trieb – warfen sich Schatten auf das Gesicht des Erlösers und belebten es mit einer unheilvollen Mimik. Alois jedoch nahm davon keine Kenntnis, er hatte den Blick auf seine gefalteten Hände gesenkt und hielt an im Gebet.
„Ich rief aus meiner Not zum Herrn, er gab mir Antwort. Aus der Tiefe der Unterwelt flehte ich, er hörte meine Stimme.“
In der Ferne konnte man ein dumpfes Grollen vernehmen. Irgendwo oberhalb vom Engelner Kopf zog sich wohl ein Gewitter zusammen und dort würde es auch bleiben, denn der Wind stand gegen die andere Richtung, den ganzen Tag hatte er die Kirchenglocken von Sankt Philippus und Jacobus herüber geweht. So ging das nun bereits auf den dritten Tag. Einmal meinte Alois, gemischt in das Dröhnen der Glocken, hätte er für einen Moment das Wehklagen eines Kindes vernommen. Aber das konnte er sich auch nur eingebildet haben.
„Du hast mich in die Tiefe geworfen, in das Herz der Meere. Die Flut umschloss mich, all deine Wogen und Wellen schlugen über mir zusammen.“
Ein Klopfen riss Alois aus seinem Gebet. Er lauschte angespannt nach draußen. Jetzt klopfte es wieder, diesmal etwas ungeduldiger. Alois bekreuzigte sich, dann drückte er sich schwerfällig in die Höhe und tat einen Schritt auf die Haustür zu.
„Kommt ihr mich holen?“, fragte er halblaut durch die Tür.
„Ach, für was sollte ich Sie denn holen?“ Die Stimme drang nur gedämpft durch das geteerte Holz. „Ich war auf der Jagd in der Gegend und bei dem Gewitter ist mein Pferd durchgegangen. Ich bitte höflich um ein Obdach, bis das Wetter vorbei ist.“
Zögerlich schob Alois den Riegel zurück und öffnete die Tür einen Spalt weit. Es hatte zu Regnen angefangen. Nein, Regen war kein Wort dafür. Die Wolken schienen geplatzt. Scharfe Böen trieben das gischtende Wasser gegen die Türschwelle. Wie war das Unwetter bloß so schnell herbeigezogen? Das muss der Teufel getan haben, dachte Alois. Vor ihm stand ein Mann, der sofort auf ihn zu drang, weil die freigewordene Flucht der Tür zumindest ein wenig Schutz vor Sturm und Nässe versprach. An seinem spitzen Hut und dem grünen Lodenmantel, der durch das Regenwasser nun aber fast schwarz geworden war, konnte man in ihm leicht einen Jäger erkennen. Dazu trug er einen Rucksack und quer über der Brust eine Flinte, deren Mündung nach unten zeigte, damit das Wasser nicht hineinlaufen sollte.
„Die Forstherren von Weibern kenne ich wohl, aber Euer Gesicht habe ich hier noch nie gesehen. Sagen Sie, wo gehören Sie hin?“, fragte Alois wohl bedacht.
„Ich bin der Jonah Schlösser, Forstadjutant aus Kesseling, und gehöre sicher nicht in diesem Wetter ausgesetzt. Ich könnte mir hier draußen noch den Tod holen, wenn Sie mich nicht endlich einlassen“, antwortete der Fremde.
Weil der Hof soweit draußen lag, empfing Alois nur selten Besuch. Unsicher blickte er über die Schulter des Jägers in die wütende Nacht.
„Dann kommen Sie herein, aber leise bitte, meine Frau schläft dort drüben.“
Er bat den Waidmann an den zerfurchten Holztisch, der vor dem Fenster stand und entzündete dort eine Öllampe. Das fahle Licht warf die Schatten der beiden Männer übergroß gegen die Wand.
„Nun, ich kann Ihnen nicht viel anbieten. Meine Frau, tja, die könnte wohl, aber sie ist krank und muss schlafen“, sagte Alois und wies mit einer Kopfbewegung gegen das Bett, das man im schummrigen Licht aber nur in Umrissen ausmachen konnte.
„Keine Ursache“, ein kurzes Schweigen trat ein, bis der Besucher wieder ansetzte. „Was hat ihr Fräulein denn, dass es bei diesem Donnern schläft?“
„Naja, das Wettern ist sie halt gewohnt. Hier auf der Kuppe staut es sich oft. Sicher hat sie nichts Schweres. War einfach kalt hier in den letzten Tagen.“ Der Jäger besah sich seinen Gastgeber und Alois besah seinen Gast. Sie mochten wohl im gleichen Alter sein, aber die Züge des Fremden waren weich gezeichnet, während man Alois die Hungerjahre deutlich ansah.
„Waren sie denn erfolgreich auf der Jagd?“
„Na, zwei Hasen sind’s geworden.“ Mit diesen Worten zog der Jäger seinen Rucksack heran und brachte daraus ein prächtiges Langohr zum Vorschein. „Wenn sie wollen, können wir den hier braten. Das ist mein Dankeschön für ihre Gastfreundschaft. Ihre Frau kann einen festen Happen sicher auch gut vertragen – das wird sie wieder aufrichten.“
Behände beugte Alois sich über den Tisch: „Jaja, so ein Braten, das wär schon was. Wie freundlich von Ihnen. Wirklich ausgesprochen freundlich.“
„Wenn das alles ist“, der Jäger lachte schallend auf, riss aber sogleich erschrocken die Hand vor den Mund. „Es tut mir leid, für einen Moment hatte ich ihr Fräulein ganz vergessen.“ Alois winkte ab und nahm den Hasen an den Hinterbeinen. Das Blut war noch nicht vollständig geronnen und tröpfelte zäh auf den gestampften Boden.
„Bleiben sie ruhig sitzen, ich zieh ihm schon das Fell über die Ohren. Die Schmutzarbeit ist nichts für den Jagdherrn.“
„Nun denn, wenn sie erlauben, würde ich die nassen Stiefel ausziehen.“
„Aber ja, machen sie es sich bequem. Ich feuer den Ofen an und vielleicht finde ich noch ein Fläschchen von der Ahr.“ Aus einer Schublade nahm Alois das schwere Messer und begann den Hasen aus dem Balg zu schlagen. „Wer hätte gedacht, dass heute noch ein so feiner Herr vorbeikommt und mir ein Festessen bereitet?“
Der Jäger zwinkerte ihm zu und stopfte sich gemütlich sein Pfeifchen. „Wissen Sie, ich geh auch dann und wann gerne zur Jagd“, plauderte Alois. Sein Gast nickte aufmunternd, er freute sich ein schönes Jägerlatein zu hören, bis der Braten gar wäre. „Gerade erst vor drei Tagen war ich draußen und habe ein Kitz gefangen“, fuhr Alois fort, während er mit der scharfen Klinge blutige Spuren in die Tischplatte schnitt. „Das junge Rehlein sah ganz leicht aus, wie es sich auf den Wiesen beim Mühlbach tollte.“ Ganz von der Erinnerung verklärt, ging Alois um den Tisch und trat an den gemauerten Ofen.
Der Jäger paffte gerade seinen würzigen Tabak, als ihm von hinten in einem Zug die Kehle durchschnitten wurde. In einem tiefroten Schwall ergoss er sich über sein Wams und auf den Boden. Ein kurzes Röcheln, sonst nichts.
Alois stützte den Kopf des Jägers, damit er schneller ausbluten sollte. Gleich würde es vorbei sein.
„Ich aber will dir opfern mit lautem Danken“, hob Alois zum Gebet an. Bald schrie er voller Inbrunst gegen den krachenden Donner an. „Was ich gelobt habe, will ich erfüllen. Vom Herrn kommt Hilfe, vom Herrn kommt Hilfe!“
In diesem Moment zuckte ein Blitz über den Himmel. Unter dem gleißenden Licht konnte man für einen Moment deutlich die rostroten Flecken sehen, die sich längs des Bettes gebildet hatten. Bei der Kälte würde das Rehlein wohl noch einige Zeit frisch bleiben.
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Sven Fiedel,

nach der Lektüre des Textes weiß ich leider nicht, worum es darin gehen soll.
Weder wird der Hintergrund des Gebetes erklärt, noch was mit der Frau ist oder warum der Jäger sterben muss. Es gibt jede Menge seltsame Sätze und wildes Gespringe in der Erzählperspektive.

cu
lap
 



 
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