Das Alpha und das Omega

4,70 Stern(e) 6 Bewertungen

poppins

Mitglied
Professor Schatz hallte schon auf dem Flur das Gelächter der im Hörsaal wartenden Studenten entgegen. Offensichtlich hatte jemand einen gelungenen Witz zum Besten gegeben. Als er fast die offene Tür erreicht hatte, hörte er eine Imitation seiner eigenen, leicht näselnden Stimme dozieren: „...Die alten Sprachen, liebe Kadetten, auch wenn kein Volk des Kosmos sie mehr spricht - sind das Alpha und Omega zum Verständnis der Kulturen des Universums. Das Alpha und das Omega!“
Gelächter brandete auf, vermutlich hatte der begabte Stimmenimitator auch einen der zahlreichen kleinen Tics des Professors in seine Darbietung eingebaut.
„Als ich in Ihrem Alter war, gab es noch keine Verständigungsdrogen. Und die Übersetzungsgeräte waren so störanfällig, dass ...“, alle Anwesenden vollendeten den Satz im Chor: „... sie eher dekorativ, als hilfreich waren.“
„Aber die Jugend von heute glaubt ja, dass die Technik ihr Gehirn ersetzen könnte. Und: wenn Sie so weiter machen, meine Damen und Herren, wird sie das auch!“, johlend wurde geklatscht, Professor Schatz nutzte die Gelegenheit, sich im Türrahmen aufzubauen.

„Weise Worte, Herr Kollege!“ rief er in den Hörsaal, „vielen Dank für die würdige Vertretung.“
Schlagartig war Ruhe im Saal. Der Professor ging zügig ans Rednerpult und nickte dem verdatterten Stimmenimitator, der sich rasch ins Auditorium verzog, lächelnd zu.
„Es ist schön, dass meine Worte mittlerweile in Ihren Köpfen so fest verankert sind, dass Sie auch mal fünf Minuten ohne mich auskommen können. Da Sie heute offenbar in geistiger Höchstform sind, werden Sie sicher auch den grammatikalischen Besonderheiten des Ilgurischen gewachsen sein. Wir werden uns mit einem Text des altilgurischen Dichters Jawgos beschäftigen und an dessen Beispiel die Anwendung des ‚Ablativus ethicus’ studieren.“

Mit einem synchronen Aufstöhnen antworteten die Kadetten auf diese Aussichten – Professor Schatz’ Fach „alte Sprachen des Kosmos“ war unter den Studenten allgemein unbeliebt. Es galt als extrem schwierig, und im Alltag der künftigen Raumfahrer als überflüssig. Der Professor, und zum Leidwesen der Kadetten auch die Akademieleitung, waren da ganz anderer Meinung. Vor diesem Fach blieb kein Studiengang verschont, vom künftigen Raketenpiloten, bis zum Interplanetar-Diplomaten – alle versammelten sich dreimal pro Woche für zwei Stunden im Hörsaal, um an Professor Schatz’ Kursus teilzunehmen.
Sosehr die Kadetten das Fach hassten, den Professor aber liebten sie. Die Erfahrungen seines bewegten Lebens und seine vielseitigen Interessen hatten Professor Schatz zu einer äußerst schillernden Persönlichkeit reifen lassen. Vor seiner Lehrtätigkeit hatte er ein paar andere Berufe ausgeübt: er war Mönch im Orden der Thologik gewesen, dann Koch an Bord verschiedener Raumkreuzer – und direkt vor seiner Berufung an die Akademie hatte er sich als Profiboxer durchgeschlagen, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit großer Leidenschaft befasste sich der Professor neben den alten Sprachen auch mit der Geschichte der Raumfahrt, der Philosophie und der Kunst der Gartenpflege. Oft und gerne gab der Professor das eine oder andere seiner Erlebnisse zum Besten, angereichert mit Anekdoten aus abenteuerlichen Raumpionierzeiten – oder er philosophierte über den Sinn des Lebens und die einzig richtige Art, Bohnen zu setzen. Er konnte, wenn er erst mal in Fahrt kam, wunderbar spannend erzählen. Und es war erfreulich leicht, seine Aufmerksamkeit zu diesen Themen umzulenken – die Kadetten wussten dies geschickt zu nutzen und versüßten sich so die Stunden des ‚Alte Sprachen des Kosmos’ -Kurses.

Heute startete ein Kadett aus der dritten Sitzreihe einen ersten Ablenkungsversuch: „Irdische Firmen produzieren die zuverlässigsten Übersetzungsgeräte und Verständigungsdrogen der Galaxis - wer braucht da heute noch Ilgurisch... “

„Übersetzungsgeräte“ und „Verständigungsdrogen“ waren bewährte Reizwörter, dem Professor einen philosophischen Exkurs über die Gefahren der Abhängigkeit von der Technik zu entlocken, wobei er dann in ungefähr der Hälfte der Fälle so weit vom Thema abdriftete, dass irgendeine interessante Erinnerung der Raumfahrtgeschichte seinen Gedankengang kreuzte.

„Soso, Sie meinen also, dass wir uns Dank technischer Hilfsmittel das Denken bald völlig abgewöhnen können?“, Professor Schatz kratzte sich den graumelierten Kinnbart und lugte über den Rand seiner Brille ins Auditorium. „Wozu noch Lesen und Schreiben lernen? Es gibt schließlich Diktographen, und jedes Werk der Weltliteratur auch als Hörbuch, dazu Scanner und Vorleseprogramme. Weshalb sich noch mit Algebra und Geometrie plagen? Taschenrechner existieren seit rund 200 Jahren, die Personalcomputer heutzutage passen wahlweise in Brillenbügel oder Armbanduhrengehäuse. Meine Damen und Herren“, er schüttelte bedenklich den Kopf, „es ist sehr bedauerlich, dass Sie offenbar so schlecht über die Erfahrungen der letzten hundertfünfzig Jahre informiert sind. Anfang des letzten Jahrhunderts erschütterten die Ergebnisse der PISA-Studie zahlreiche europäische Regierungen – hätte sich das Bildungsniveau der Jugend in dem Tempo weiter verflacht, würden wir uns heute mit den letzten Schimpansen im Dschungel um die Bananen streiten.“

Die Kadetten kicherten pflichtschuldig, der Student in der dritten Reihe grinste seinem Sitznachbarn zu – geschafft: heute wohl kein ‚Ablativus ethicus’!

„Das PISA-Desaster war der Endpunkt einer schon seit den siebziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts begonnenen Reformwut im Bildungswesen, die alles Althergebrachte zum überflüssigen Ballast reaktionärer Betonköpfe erklärte. Zum Glück fiel den Verantwortlichen irgendwann auf, dass man meist keine ‚logischen Blöcke’ zur Hand hatte, wenn der Einkauf addiert werden sollte... Sie, liebe Kadetten, sollten sich etwas mehr um die menschliche Historie bemühen, nicht jeder Fehler muss schließlich ständig wiederholt werden. Ich nehme an, Ihnen ist der Name ‚Oswald Pirkoff’ ein Begriff?“

Es erhob sich ein lebhaftes Gemurmel, natürlich war den Kadetten Oswald Pirkoff, die Raumfahrerlegende, der strahlende Held der Gründertage des kosmischen Rats, seit frühester Kindheit bekannt.

„Na, das ist ein Lichtblick. Was sie sicher nicht wissen: mein Großvater – Anton Slonskowitsch - diente über sechzehn Jahre lang als zweiter Technik-Offizier erst neben Pirkoff, später unter seinem Kommando, in der legendären ‚Deep Explorer’-Crew.
Zufällig habe ich letzten Sonntag, beim Aufräumen des Gartenhäuschens, das alte Tagebuch meines Großvaters wiedergefunden. Darin hat er die Erlebnisse seiner ersten Raummission mit Pirkoff festgehalten.“

Professor Schatz lächelte, schob seine verrutschte Brille mit dem Zeigefinger wieder hoch und murmelte, wie zu sich selbst: „Las sich sehr spannend. Die Rosen habe ich Sonntag jedenfalls nicht mehr beschnitten.“
Er räusperte sich und setzte mit lauterer Stimme fort: „Im Jahr 2079 - frisch von der Raumakademie - heuerte mein Großvater auf dem „Deep Explorer“ an. Die Admiralität hatte sie in den Raumsektor um Beteigeuze abkommandiert, um dort einen Planeten ausfindig zu machen, der sich als Versorgungsstützpunkt und Basislager der Pionierschiffe eignen würde.

Sie müssen wissen, dass damals noch keine Nutrifimaten zur Nährstoffsynthese existierten, sondern jeder Tropfen Wasser, alle Vitamin-, Lipid- und Proteinkonzentrate und natürlich auch der damals noch übliche atomare Raketenbrennstoff mühsam und für teures Geld mitgeführt werden mussten. Zu diesen Zeiten lief die Erforschung des Universums ähnlich den historischen Polarexpeditionen auf der Erde ab: von einem Basislager ausgehend wurden immer weiter vorrückend Stützpunkte aufgebaut - erst wenn der letzte Stützpunkt so nahe am Ziel war, dass genügend Vorräte für den Hin- und Rückweg und eine angemessenen Aufenthaltsdauer ins Schiff passten, ging man das Ziel an. All dies war – verglichen mit der heutigen Raumfahrt – ungeheuer zeitraubend und kostspielig.“

Professor Schatz verließ das Rednerpult und begann - eine Hand auf dem Rücken, mit der anderen lebhaft gestikulierend - vor der Tafel auf und ab zu gehen.

„Am sechzigsten Tag der Reise, kurz vor Erreichen des Zielgebiets, geriet der ‚Deep Explorer’ in einen Meteoritenschwarm und wurde schwer an der Steuerelektronik beschädigt. Der Defekt war während des Fluges nicht reparabel, so dass schleunigst ein zur Notlandung geeigneter Landeplatz gefunden werden musste. Zum Glück erreichten sie recht schnell einen Planeten mit nicht allzu zerklüfteter Oberfläche, und Dank der herausragenden Fähigkeiten des Piloten gelang die Landung des schwer angeschlagenen ‚Deep Explorer’.
Schnell stand fest, dass die zerstörte Steuerelektronik mit Bordmitteln nicht wieder instand gesetzt werden konnte. Sie mussten ein Notsignal absetzen, um eine Rettungsexpedition mit den benötigten Ersatzteilen herbeizurufen.

Da sie schon fast ihr Zielgebiet erreicht hatten – das hieß, sie befanden sich sechzig Tagesreisen entfernt vom letzten menschlichen Versorgungsstützpunkt – würde es bis zum Eintreffen der Hilfe mindestens zwei Monate dauern.“

Der Professor machte eine kleine Pause, es war mucksmäuschenstill im Hörsaal.

„Der Kommandant beschloss, dass sie die ursprünglich für den Beteigeuze-Sektor geplante Versorgungsstation neben dem havarierten ‚Deep Explorer’ aufbauen würden: Da es vermutlich einige Zeit dauern würde, bis eine Rettungsexpedition sie erreichen könnte, machte es keinen Sinn, untätig wartend herumzusitzen und die Vorräte aufzubrauchen, die ihnen dann sowieso zum Erreichen des Zielgebiets fehlen würden.
Am nächsten Morgen schafften Anton und Oswald die Kisten mit der provisorischen Faltstation aus dem Laderaum der ‚Deep Explorer’ und wollten sich an den Zusammenbau machen. In der ersten Kiste fanden sie die Aufbauanleitung - allerdings war diese in trolkanischer Sprache verfasst.“

Der Professor blickte fragend ins Auditorium: „Ich will schwer hoffen, dass Ihnen bekannt ist, dass Trolkan auf den Sprachwurzeln des Ilgurischen basiert? Na, deshalb erzähle ich Ihnen doch überhaupt diese Geschichte!“ Die Kadetten beeilten sich, eifrig zu nicken. Der Professor griff unters Rednerpult, und kramte ein an den Ecken etwas zerfleddertes Buch aus seiner Aktentasche. Anton Slonskowitschs Tagebuch. Er blätterte kurz, bis er die gesuchte Stelle gefunden hatte. Dann setzte er mit dem aufgeschlagenen Buch in der Hand seine Wanderschaft vor der Tafel fort.

„Mein Großvater legte die Gebrauchsanweisung ins Übersetzungsgerät ein, und las dann vor:
‚Tricks für das Schlauchverbiegen: Die Hauben 38 und 60-Fuss-Yurt sind das schwierigste, sich oben zu setzen. Überprüfen Sie, zwei starke Leute zu haben, auf ihm zu arbeiten. Wenn Sie Mühe haben zu verbiegen, versuchen die Pfosten eins oder mehr vom folgenden: Verschieben Sie den Fußboden, um ihn aus Ihrer Weise herauszubekommen. Entfernen Sie den Schutzstreifen vom klebrigen rückseitigen und wenden Sie diesen Flausch an der Unterseite der Markierung an, die Sie auf der Seite der Haube gebildet haben. Wiederholen Sie für andere Seiten...’

Anton und Oswald sahen sich fragend an - was war da bloß schiefgegangen?

Oswald nahm Anton das Gerät ab, legte eine andere Seite der Anleitung in den Translator, prüfte noch mal alle Einstellungen und schnipste gegen das Interpolationsrädchen.
Dann las er vor: ‚...den Flausch zu Ihren Nettotüren anzubringen zuerst sicherem der Fußboden zu den Wänden Ihres Yurt ist. Betätigen Sie den Fußboden zum herausgestellten klebrigen des Flausches. Reiben Sie gut, um das Abbinden des Klebers an den Fußboden und an die Seiten Ihrer Haube Yurt zu befestigen...’
Oswald ließ das Übersetzungsgerät mit einem deftigen Fluch sinken. Anton wollte noch nicht aufgeben, legte noch eine andere Seite ein, drehte das Interpolationsrad kräftig zurück, klopfte auf die Rückseite des Geräts und las: ‚Polen können warm gehalten werden, indem man sie in einer Decke mit einigen großen Flaschen des Kochens des Heißwassers aufwickelt...’
‚Wunderbar’, sagte Anton, ‚das ist wirklich ermutigend. Polen können also warmgehalten werden. Was ist mit Russen?- - - Wie viele Übersetzungsgeräte haben wir an Bord?’
‚Nur dieses eine, dafür ist es das neueste Modell, das BLA3000 mit verbesserter Kantenglättung, bis zu 12-fachem, frei skalierbaren Interpolationszoom und ...’
‚Kaputt’, stellte Anton fest.
‚Das kann nicht sein, sicher haben wir nur etwas falsch eingestellt, ich werde mal rasch einen Blick ins Benutzerhandbuch werfen’ - Oswald holte es, schlug es auf – und ließ es mit einem verzweifelten Ausdruck im Gesicht sinken: es war ebenfalls in Trolkan verfasst. Einzig in trolkanischer Sprache.“

Professor Schatz blieb stehen und machte eine bedeutsame Pause. „Zu diesen Zeiten war es noch nicht üblich, Pflicht-Sprachlehrgänge in die Curricula der Raumfahrtakademien zu integrieren. Kein Mitglied der ‚Deep Explorer’ Mannschaft hatte irgendwelche extraterrestrial-Sprachkenntnisse. Es war allerdings auch nie Ziel der Mission gewesen, Kontakte mit Extraterrestrialspezies zu pflegen, sie hatten schließlich nur die Aufgabe, auf einem unbewohnten kleinen Brocken im Beteigeuzesektor eine Versorgungsstation aufzubauen...“ Der Professor räusperte sich, und ging zurück ans Rednerpult.

„Oswald Pirkoff war für die Ausstattung der Mission zuständig gewesen. Dass ihm ein so fataler Fehler unterlaufen war, brachte ihn völlig aus dem Gleichgewicht. Ohne große Hoffnung legte er die erste Seite des Handbuchs in den BLA3000, prüfte noch mal die Stellung des Sprach-Vorwahlschalters und las: ‚Das ist ein klein, das dünnest Translator stereo HI-FI in der Welt, mit faltbar stereo Kopfphon... Setzen sie das stereo Kopfphon in Kopfphon Wagenwinde ein, die Macht ist an, sonst die Macht ist ab. Wenn sie kleinen Lärm wollen, als die Stereo Wirkung, setzen den Umschalter an MONO...’

‚Wer war eigentlich diesmal der Lieferant unserer Ausrüstung? Mir ist aufgefallen, dass alle Kisten das selbe Firmenemblem tragen’, fragte Anton.
‚Die Ausrüstung wurde bei einer auf Alpha Centauri ansässigen Schiffsausrüster-Firma für ein trolkanisches Pilgerschiff bestellt. Die Trolkaner haben das Ganze dann nicht abgeholt, und ich habe es bei ‚Rest- und Sonderposten Schreiner’ für lächerliche 74.999,98 ...’
‚Sie haben – was?’, brüllte Anton.
‚Sie wissen selbst, wie knapp die Budget-Kalkulationen waren’, antwortete Oswald, ‚durch das sensationell günstige Angebot von ‚Rest- und Sonderposten Schreiner’ haben wir soviel gespart, dass ich noch den BLA3000 und für jedes Crewmitglied ein Komfort-Luftbett ...’

Es folgte eine sehr unschöne Szene mit Kraftausdrücken, wüsten Beschuldigungen, durch die Gegend geworfenen Gebrauchsanweisungen und tieffliegenden Handbüchern.
‚...und das Alles für nicht mal 75.000...’, murmelte Oswald. -

Die nächsten Tage und Wochen kämpfte sich die Mannschaft durch kryptische Anweisungen - praktisch jedes Teil der Ausrüstung war mit einer vom BLA3000 in faszinierenden Kauderwelsch übersetzbaren Bedienungsanleitung versehen. Schließlich bauten sie die Station nach endlosen Debatten entsprechend dem Prinzip von Versuch und Irrtum auf. Als sie damit nach sechs Wochen fast fertig waren, entspannte sich die Stimmung innerhalb der Crew soweit, dass sie sich einen netten Zeitvertreib daraus machten, Passagen aus den Gebrauchsanweisungen übersetzen zu lassen, und dann zu raten, welches Ding da wohl gemeint sein könnte... die Beschreibung der ‚Komfort-Luftbetten’ sorgte für tagelange Heiterkeit:
‚Die Feuchtigkeit immer schadet der Puff Unterlage... Wenn die Puff Unterlage etwas kaputt geht, kann man mit den zusätzlichen Nylon Kleiderstoff und Zement reparieren. Wenn das Wetter kalt ist, wird die Puff Unterlage sich langsam puffen. Entrollen der Puff Unterlage und liegen auf ihr, dann wird sie von der Wärme sich Inflationen bekommen.’“

Professor Schatz nahm einen Schluck aus dem Wasserglas, welches auf dem Rednerpult bereitstand.

„Sie wissen natürlich, dass die Geschichte ein glimpfliches Ende nahm – schließlich wurde Oswald Pirkoff erst durch Taten lange nach dieser Episode zur Raumfahrtlegende.
Nach rund neun Wochen traf also eine Hilfsexpedition ein, der ‚Deep Explorer’ wurde repariert und Alle erreichten unbeschadet wieder die Erde.

Es stellte sich übrigens heraus, dass das Übersetzungsgerät BLA3000 keineswegs versagt hatte. Es hatte völlig korrekt den Text aus dem Trolkanischen übertragen - einem entsetzlich verballhornten Trolkan allerdings. Bei der Übersetzung der Anleitungen ins Trolkanische hatten die Mitarbeiter des Alpha-Centaurischen Schiffsausrüsters das antike Babelfish-Programm benutzt. Und was lehrt uns das?“

„Augen auf beim Sonderpostenkauf!“ rief es aus der vorletzten Reihe, worauf tosendes Gelächter den Hörsaal erschütterte.
Der Professor blickte lächelnd in die Sitzreihen.

„Hätte jemand der Crew etwas von Alten Raumsprachen verstanden, wäre sofort klar gewesen, dass nicht das Übersetzungsgerät das Problem war, sondern die babelfishigen Gebrauchsanleitungen. Womit wir wieder beim Anfangspunkt angelangt wären: Das Alpha und das Omega für Raumfahrer ist ein flexibles, wohltrainiertes, womöglich brillantes Gehirn. Es gibt kaum eine wirkungsvollere Hirngymnastik als die Beschäftigung mit alten Sprachen – und die blitzgescheiten Generalisten, die Dank meines Kurses dereinst die Akademie verlassen, werden es sicher nie nötig haben, auch nur einen Blick in eine Gebrauchsanweisung zu werfen. Und falls doch, würden Sie die auch im Halbschlaf aus über einem Dutzend kosmischer Hochsprachen übersetzen können – Sie, die künftigen strahlenden Helden der Raumfahrt!“



**********************************************
Hier, nach längerer Leselupen-Abstinenz, mal wieder eine kleine Geschichte von mir :D

Mit dem Text hatte ich an der Storyolympiade "Strahlende Helden" teilgenommen - er hat's leider nicht ins Buch geschafft (nur fast *schnüff* ;))

- kritische Anmerkungen sind sehr willkommen!! :D:D
 
E

Edgar Güttge

Gast
Ablativus ethicus

Hallo poppins,

habe mich köstlich amüsiert, der Ablativ und dann erst diese köstlichen Gebrauchsanweisungen .... sehr gut.
Ich hätte statt des Großen Latinums das Große Ilgurikum oder noch besser das Große Trol(l)kanum machen müssen. Dank deiner Story weiß ich nun, wozu das alles nützlich ist, vor allem wenn ich nächstes Mal wieder einmal den Fußboden zur Seite schieben oder hochkant stellen muss.
Mein herzliches Beileid wegen der Olympiade.
Ein Problem liegt m.E. in der Struktur der Story:
Dieser Professor Schatz ist ja nicht nur ein Schatz an Informationen, sondern auch ein riesiges Erzähltalent:
Er bringt da aus dem Stegreif eine Story mit wörtlicher Rede von A. und O. im Hörsaal. So weit so gut. Dass er dann aber auch noch diese Gebrauchsanweisungen in zwei verschiedenen Versionen quasi aus dritter Hand zitieren kann, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, auch wenn sich unsere Gehirnkapazitäten trotz Pisa in den nächsten 150 Jahren so ausweiten sollten.
Vielleicht hättest du ihm da doch einen Zettel zum Ablesen in die Hand drücken müssen, nach dem Motto, 'gerade heute habe ich doch zufälig ein Papierchen in meiner Aktentasche mit ...' oder diesen Teil der Geschichte als Flashback einfließen lassen sollen. Ich meine, trotz Verständigungsdrogen etc., er hat sich diesen Text doch nicht in sein Gehirn eingebrannt, oder etwa doch?
Ansonsten hat es mir sehr gut gefallen. Punkte gibt's später.

Gruß
Edgar
 

poppins

Mitglied
... der olympische Gedanke ;)

Hallo Edgar,

*hehe*, da hast’ irgendwie recht – selbst ein durch Großes Ilgurium UND Großes Trolkanum quasi grenzgenialer Professor Schatz wirkt bei all der wörtlichen Zitiererei zugegebenermaßen etwas unglaubwürdig ;).

Danke auch für’s Beileid, obwohl 1. „Dabei sein ... usw.;) und 2. hat der Text das Buch nur knapp verfehlt. Auf http://www.warp-online.de ist er als einer der ersten Finalisten, die es nicht geschafft haben, veröffentlicht worden. (Das zeigt, WIE knapp die Entscheidung war, denke ich mir so.) Aber auf warp-online werden die Texte ja nicht kommentiert oder kritisiert, und nach den Regeln der Storyolympiade durfte der Text vor der Entscheidung auch nicht öffentlich zugänglich gemacht werden.
Den Text hatte ich mit glühendheißer Nadel in zwei Tagen gestrickt, und wäre da nicht der Abgabeschluss gewesen ... so richtig zufrieden war ich mit dem Text nämlich auch nicht.

Werde ich mal drüber nachdenken, wie ich das Ganze glaubwürdiger hinkriege – vielleicht als Zitat aus den Tagebüchern des Großvaters, etwas in der Art ... mal sehen.

Danke fürs Lesen + Kommentieren!
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Über den gedächtnisstarken Schatz bin ich auch gestolpert, aber dann dachte ich mir: Erstens kommt es ja nicht drauf an, dass es wirklich genau so gekauderwelcht war, und sich Schatz also durchaus was ähnlich Klingendes zusammenspinnen konnte, und zweitens ist der Mann Fremdsprachler mit Leib und Seele – Biologen können doch auch mit geschlossenen Augen die Spezies, mit denen sie zu tun haben, und deren seltsame Mutationen beschreiben. Und außerdem könnte Schatz ja auch ein fotografisches Gedächtnis haben…
 

poppins

Mitglied
Hallo jon,

photographisches Gedächtnis – hm, das wäre möglich, sollte ich dann aber vielleicht doch im Text deutlich machen ...
Vielleicht sollte ich den Professor etwas mehr seinem lebenden Vorbild angleichen: einem sehr beliebten Mathematik- und Lateinlehrer mit einem äußerst schillernden Charakter und höchst origineller Vergangenheit – vor seiner Lehrtätigkeit war er Pastor, Schiffskoch und Profiboxer (in DER Reihenfolge!!). Alle LIEBTEN seine Abenteuergeschichten und HASSTEN seine Fächer ;)...
Da irgendwie das photographische Gedächtnis (das ich dem lebenden Vorbild unbesehen zutraue;)) einbauen.

Oder doch ein Zettelchen oder Tagebuch des Großvaters, oder doch ganz anders – mal überlegen.;)
 

poppins

Mitglied
So, ich habe die Geschichte ein wenig überarbeitet: der Professor hat nun das Tagebuch seines Großvaters als Gedächtnisstütze dabei - und auch sonst noch ein paar Facetten mehr als zuvor. Ich hoffe, es gefällt!

Anmerkungen, Kritik und Lob sind jederzeit willkommen!
:D
 

gareth

Mitglied
ich hab mich jetzt die ganze Zeit...

...gewundert und gedacht, was wollen die denn eigentlich alle von poppins, der Schatz hat doch das Tagebuch in der Hand, menschenskind...

...aber dann hab ich es kapiert :eek:)

also mir hat es richtig gut gefallen. Intelligente Geschichte, flüssig und witzig erzählt.

Ich persönlich bin allerdings fest überzeugt, dass Professsor Schatz beim Eintritt in den Hörsaal gerufen hat: "Weise Worte, Herr Kollege!" , aber ich mag mich da auch irren :eek:)
 

poppins

Mitglied
>Ich persönlich bin allerdings fest überzeugt, dass Professsor Schatz beim Eintritt in den Hörsaal gerufen hat: "Weise Worte, Herr Kollege!" , aber ich mag mich da auch irren :eek:)

Wieso, steht doch da!

(... - Jetzt jedenfalls ;))
:D

Danke fürs Lesen + Kommentieren!
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm,

eine hinreißende, sehr überzeugende geschichte. sehr angenehm und flüssig zu lesen. bekommt n guten platz in meiner sammlung.
ganz lieb grüßt
 

poppins

Mitglied
Liebe flammarion -

Oh, inmitten Deiner Lupengoldsammlung? Da fühlt sich meine Geschichte sehr geehrt und sicher pudelwohl!!

Vielmals Dankeschön für das nette Lob!

Liebe Grüsse von
Susanne "poppins";)
 



 
Oben Unten