Das Bergkleid

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Rakun

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Das Bergkleid

Alles fing heute früh am Morgen an.
Mir war nach feiner Spitzenunterwäsche, mir war nach dem Kleid, das ich damals getragen hatte am Fuße des riesigen Gebirges. Schlaftrunken legte sich der Erinnerungsstoff um meinen Körper.
Nun sitze ich hier. Wie zufällig verrutscht, blitzt der Spitzenträger meines BHs unter meinem ausgeschnittenen Sommerkleid hervor. Rechts, zu der Seite, wo er neben mir geschlafen hatte.

„He, du hast mein Auto zugeparkt.“ Links hinter mir steht er, streicht mit seinen Fingern kurz durch meinen Wuschelkopf, „fahr mal weg, meine Süße!“
„Du willst mich allein lassen?“
„Nein, bin gleich wieder hier.“
Aufmerksam bekomme ich die Tür aufgehalten, ich rutsche absichtlich aus auf meinen sündhaft teuren italienischen Sandalen, nach links. Diese Sommerschuhe sind prädestiniert für weibliche Ausrutscher.
Streife ihn mit meinem nackten Arm. Wie auf Kommando gleitet der linke Träger meines BHs langsam hinunter. Er erkennt ihn, als er ihn wieder ordentlich an Ort und Stelle schiebt. So vertraut, so leicht, so selbstverständlich.
„Guck mal, ich hab‘ mein Bergkleid an.“

Er hält den engen Abstand zu mir, als wir zum Parkplatz gehen. Wie lange ist es her, dass ich es getragen habe, das Kleid? Weit nach hinten in den Schrank hatte ich es verbannt. Ich sehe alles genau vor mir. Die Erinnerung blickt mich neugierig an.
Ist es der federnde Gang? Ist es der Mund, der Schwung der Unterlippe? Leicht lockend zeigt er nach oben. Die Oberlippe lächelt verschmitzt synchron mit den Augen, blau sind sie, hellblau, strahlendblau, glücklich blau, übermütig blau, neckend blau, fordernd blau, still blau.
Plötzlich weiß ich es, plötzlich sehe ich sie vor mir. Aus den Tiefen des Unterbewußtseins steigt sie empor. Für einen Moment höre ich ihre Stimme, kann ihr Parfüm vage erriechen. Déjà-vu in höchster Erfüllung.

Meine Liebe, meine verbotene Liebe, meine verscheuchte Liebe. Meine unterdrückte Liebe. Sie ist wieder da, steht vor mir, abwartend. Wie damals, als sie mich nahm, in dem naßkalten Gewölbe des Bruchsteinkellers. Wir waren ins Mittelalter zurück versetzt. So lange kannten wir uns schon.
„Keine Angst, hier sind keine Spinnen, ich passe auf“, flüsterte sie, ihre Lippen berührten meinen erstaunten Mund. Immer wußte sie, was ich dachte. Meine Gedanken waren bei ihr aufgehoben, wie ein versunkener Schatz. Keine Angst, redete ich mir ein. Die Augen schließen, spüren, fallen lassen. Sie fängt mich auf, wie immer, meine Liebe.
 



 
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