Das Bild der lieben Oma

3,00 Stern(e) 2 Bewertungen

triphaena

Mitglied
Annika lauert kniehend auf der obersten Treppensufe hinter der Kellertür. Sie blickt durch den schmalen Türspalt ins gegenüberliegende Wonzimmer und wartet auf den richtigen
Moment. Ausser dem Fernseher ist nichts zu hören. Mama sitzt auf dem Sofa, Papa in seinem Königssessel. Beide vor der Glotze. Die Luft scheint rein zu sein. Aufbruch!

Annika schleicht gekonnt am Wohnzimmer vorbei und verschwindet in der Garderobennische nebenan. Ein kurzer Blick über die Schulter. Alles ruhig. Prima!

An der Garderobe Hängen Mäntel, Jacken und Sporttaschen. Alle werden sie fein säuberlich inspiziert. In Mamas Sachen, wie so oft, nichts zu finden. Die Sporttasche, leider auch leer. Mist! Die ausgebäulte Seitentasche von Papas Freizeitjacke schaut da vielversprechender aus.
Da ist was drin!
Ein paar Münzen in Fremdwährung. Unbrauchbar. Ein Taschentuch. Seufz. Ein Schlüsselbund. Wertlos. Ein einzelner Geldschein. Zu riskant. Rückzug!

Annika verschwindet wieder hinter der Kellertür, wieder einmal ohne Beute. Dem Papa ist wohl nicht entgangen, dass seit einiger Zeit immer wieder Kleingeld verschwindet. Immer
dann, wenn er seine Sachen wie gewohnt an der Garderobe aufhängt. Der hat dazu gelernt. Und das ist nicht gut für Annika.
Geld ausleihen findet Annika doof. Das geht nämlich nur, wenn man es auch zurückzahlt. Ohne Rückzahlung kein Ausleihen. Aber ohne Ausleihen keine Rückzahlung. Und weil Annika kein Taschengeld bekommt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als das Geld verschwinden zu lassen. Wenn aber kein Geld da ist, wird es schwierig. In solchen Situationen gibt es nur noch eine Möglichkeit: das Sparschwein von Brüderchen Nils, randvoll gefüllt mit Münzen. Steht in Papas Arbeitszimmer im Keller, zuoberst auf dem Bücherregal. Das Gute daran: im Keller ist meistens niemand anzutreffen und Annika kann ihr Werk ungestört verrichten. Sie steigt die
Kellertreppe hinab.

Das Arbeitszimmer ist vollgestopft. Überall Bücher und Ordner, dicht aneinander gereiht. Ein Schreibtisch voller Akten, darunter ein übervoller Mülleimer. Am Boden steht eine leere Kaffetasse, daneben eine Wasserflasche. Papas Chaos. Dicke Luft. Kein Fenster. Anika schliesst die Tür. Das
Sparschwein lächelt iht zu.

Das Bücherregal ist gross, grösser als Annika. Sie streckt sich, um an das Sparschwein zu gelangen. Und als Annika da so auf ihren Zehenspitzen balanciert, schaut sie zur Wand rechts neben ihr. An der Wand hängt ein eingerahmtes Bild der lieben Oma. Oma ist leider schon tot, sie starb vor drei Jahren an Krebs. Und Annika mochte sie sehr.
Die Oma auf dem Bild schaut Annika an, fast so, als beobachte sie sie. Annika fühlt sich ertappt, erwischt von der lieben Oma. Egal, ist ja nur ein Bild.
Sie fingert eine grosse Münze aus dem Sparschwein, fühlt sich aber immer noch beobachtet. Sie schaut erneut zu Omas
Bild. Oma starrt zurück. Ein ungutes Gefühl beschleicht Annika.
„Liebe Oma, ich zahle es zurück, versprochen! Diesmal zahle ich es zurück!“, sagt Annika, meint es aber nicht so. Eine zurückzahlende Annika gibt es nicht. Sie betrachtet noch kurz die Münze in ihrer Hand und stellt das Sparschwein wieder ins Regal. Immer noch spührt sie Omas ermanender Blick. Egal, es ist ja nur ein-

KLIRRRRRR!!!

Das Bild der lieben Oma, das eben noch an der Wand hing, fällt zu Boden. Überall Glassplitter, ein kaputter Rahmen. Irgendwo darunter, das Bild der lieben Oma.

Annika ist bleich, kreidebleich. Für einen Moment kann sie nicht atmen. Sie bleibt eine Weile wie angewurzelt stehen. Plötzlich ergreift sie hastig das Sparschwein, wirft die grosse Münze wieder ein, stellt das Sparschwein zurück und rennt, wie vom Blitz getroffen, aus dem Arbeitszimmer.
 

triphaena

Mitglied
Annika lauert kniehend auf der obersten Treppensufe hinter der Kellertür. Sie blickt durch den schmalen Türspalt ins gegenüberliegende Wonzimmer und wartet auf den richtigen
Moment. Ausser dem Fernseher ist nichts zu hören. Mama sitzt auf dem Sofa, Papa in seinem Königssessel. Beide vor der Glotze. Die Luft scheint rein zu sein. Aufbruch!

Annika schleicht gekonnt am Wohnzimmer vorbei und verschwindet in der Garderobennische nebenan. Ein kurzer Blick über die Schulter. Alles ruhig. Prima!

An der Garderobe hängen Mäntel, Jacken und Sporttaschen. Alle werden sie fein säuberlich inspiziert. In Mamas Sachen, wie so oft, nichts zu finden. Die Sporttasche, leider auch leer. Mist! Die ausgebeulte Seitentasche von Papas Freizeitjacke schaut da vielversprechender aus.
Da ist was drin!
Ein paar Münzen in Fremdwährung. Unbrauchbar. Ein Taschentuch. Seufz. Ein Schlüsselbund. Wertlos. Ein einzelner Geldschein. Zu riskant. Rückzug!

Annika verschwindet wieder hinter der Kellertür, wieder einmal ohne Beute. Dem Papa ist wohl nicht entgangen, dass seit einiger Zeit immer wieder Kleingeld verschwindet. Immer
dann, wenn er seine Sachen wie gewohnt an der Garderobe aufhängt. Der hat dazu gelernt. Und das ist nicht gut für Annika.
Geld ausleihen findet Annika doof. Das geht nämlich nur, wenn man es auch zurückzahlt. Ohne Rückzahlung kein Ausleihen. Aber ohne Ausleihen keine Rückzahlung. Und weil Annika kein Taschengeld bekommt, bleibt ihr nichts anderes übrig, als das Geld verschwinden zu lassen. Wenn aber kein Geld da ist, wird es schwierig. In solchen Situationen gibt es nur noch eine Möglichkeit: das Sparschwein von Brüderchen Nils, randvoll gefüllt mit Münzen. Steht in Papas Arbeitszimmer im Keller, zuoberst auf dem Bücherregal. Das Gute daran: im Keller ist meistens niemand anzutreffen und Annika kann ihr Werk ungestört verrichten. Sie steigt die Kellertreppe hinab.

Das Arbeitszimmer ist vollgestopft. Überall Bücher und Ordner, dicht aneinander gereiht. Ein Schreibtisch voller Akten, darunter ein übervoller Mülleimer. Am Boden steht eine leere Kaffetasse, daneben eine Wasserflasche. Papas Chaos. Dicke Luft. Kein Fenster. Anika schliesst die Tür. Das
Sparschwein lächelt iht zu.

Das Bücherregal ist gross, grösser als Annika. Sie streckt sich, um an das Sparschwein zu gelangen. Und als Annika da so auf ihren Zehenspitzen balanciert, schaut sie zur Wand rechts neben ihr. An der Wand hängt ein eingerahmtes Bild der lieben Oma. Oma ist leider schon tot, sie starb vor drei Jahren an Krebs. Und Annika mochte sie sehr.
Die Oma auf dem Bild schaut Annika an, fast so, als beobachte sie sie. Annika fühlt sich ertappt, erwischt von der lieben Oma. Egal, ist ja nur ein Bild.
Sie fingert eine grosse Münze aus dem Sparschwein, fühlt sich aber immer noch beobachtet. Sie schaut erneut zu Omas
Bild. Oma starrt zurück. Ein ungutes Gefühl beschleicht Annika.

„Liebe Oma, ich zahle es zurück, versprochen! Diesmal zahle ich es zurück!“, sagt Annika, meint es aber nicht so. Eine zurückzahlende Annika gibt es nicht. Sie betrachtet noch kurz die Münze in ihrer Hand und stellt das Sparschwein wieder ins Regal. Immer noch spührt sie Omas ermanender Blick. Egal, ist ja nur ein-

KLIRRRRRR!!!

Das Bild der lieben Oma, das eben noch an der Wand hing, fällt zu Boden. Überall Glassplitter, ein kaputter Rahmen. Irgendwo darunter, das Bild der lieben Oma.

Annika ist bleich, kreidebleich. Für einen Moment kann sie nicht atmen. Sie bleibt eine Weile wie angewurzelt stehen. Plötzlich ergreift sie hastig das Sparschwein, wirft die grosse Münze wieder ein, stellt das Sparschwein zurück und rennt, wie vom Blitz getroffen, aus dem Arbeitszimmer.
 
U

USch

Gast
Hallo triphaena,

ganz netter Text vor allem in der Genauigkeit der Beschreibung der Szenen. Aber du solltest ihn noch einmal durch ein Rechtschreibprogramm laufen lassen.

LG USch
 



 
Oben Unten