Das Böse fährt mit voller Fuhre

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Walther

Mitglied
Das Böse fährt mit voller Fuhre


Nachts wandle ich in dunklen Küchen
Ich koche was und sä’ mein Wort
Ich streune durch den schwarzen Ort
Umgebe mich mit bösen Flüchen

Ich nehm’s und werf’s in den Abort
Und es verkommt in offnen Brüchen
Es wirbelt auf in schwer’n Gerüchen
Die fliegen mit den Nächten fort

Am Rand da steh ich dieser Tage
Die führen mich durch leere Flure
Denn wie’s laut klingt in alter Sage

Das Böse fährt mit voller Fuhre
Heut wieder stellt sich jene Frage
Ist mein Gewissen eine Hure
 
S

Sandra

Gast
Ist mein Gewissen eine Hure​
Oh, diese Frage lasse ich mir gerne gefallen, lieber Walter.
Dir einen schönen, guten Abend.

Das Böse fährt mit voller Fuhre - ein schönes 'Sonett'. (Es gibt zu viele Formen, als dass ich 100 % sagen kann, dass dies eins ist. Aber das ist auch nicht wichtig ;) ) Es wirkt wenig oder gar nicht konstruiert, was meiner Meinung nach, selten gelingt.
Irgendwie lässt mich Sprache und Stil in eine andere Zeit schweifen. Doch das Thema und die Gedanken sind sehr nah.
Wie ich schon sagte - einfach gelungen.
LG
Sandra
 

Walther

Mitglied
Liebe Sandra!
Ursprünglich veröffentlicht von Sandra
Ist mein Gewissen eine Hure​
Oh, diese Frage lasse ich mir gerne gefallen ...
Ist dies nicht eine DER Fragen? Wie weit lassen wir es damit kommen?
Ursprünglich veröffentlicht von Sandra ... ein ... 'Sonett'. (Es gibt zu viele Formen, als dass ich 100 % sagen kann, dass dies eins ist. ...
Es ist eines, allerdings ein Sonett im Knittelvers, erstmalig breit umgesetzt und bekannt geworden durch Rilkes Sonette an Orpheus. Später haben es Karl Kraus und auch Brecht benutzt. Heute liest man es gelegentlich bei Robert Gernhardt.

Ich nenne es "Sonett rasant", da ich die alten Reimschemata des 18. und 19. Jahrhunderts benutze, zu dieser Form aber eigentlich der fünfhebige Jambus gehört. Ich schreibe allerdings auch Sonette in dieser Form oder setze sogar den 6 hebigen Alexandriner ein, s. meine Sonett "Päonienblüte", das irgendwie keine Freunde zu finden scheint, obwohl es eigentlich eines meiner schönsten ist, das ich seit Wochen geschrieben habe. Es ist ja ursprünglich für meine Frau geschrieben worden. Für sie mache ich meine Liebesgedichte, daß sie hier stehen, ist eigentlich eine "Zweitverwertung". Diese Form hat bereits Gryphius benutzt, ein Barockdichter, den wir von vielen Kirchenliedern kennen.
Ursprünglich veröffentlicht von Sandra Es wirkt wenig oder gar nicht konstruiert, was meiner Meinung nach, selten gelingt. ...
Danke, danke, das ist (fast!) zuviel des Lobs. Dichter muß man Ansporn geben. Wenn man sie zu sehr lobt, dann werden sie faul und selbstgewiß. Und das ist schlecht für die Weiterentwicklung. :)
Ursprünglich veröffentlicht von Sandra Irgendwie lässt mich Sprache und Stil in eine andere Zeit schweifen. Doch das Thema und die Gedanken sind sehr nah.
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Ja, wer sagt denn, daß alte Formen nicht neue Themen aufgreifen können! Du wirst von mir in der anderen Sache einige sehr moderne Sonette zu lesen bekommen und darfst dann mit lapismont eines bis drei, so ist wohl die Regel hier, auswählen.

Ich bin der Meinung, daß wir den Reichtum der deutschen Sprache mit ihren über 750.000 Wörtern, damit ist sie eine der wortreichsten Kultursprachen, durchaus wieder nutzen sollten. Natürlich entsteht dadurch der Anklang "vergangener Zeiten". Aber sind wir nicht am Ende einer langen Reihe, die nach uns, wenn wir es denn biologisch zuließen, in die Zukunft weiterginge, also im permanenten Durchgang vom Gestern durchs Heute ins Morgen?

Laßt uns unsere Sprache aneignen. Sie ist der Stoff, in dem wir uns und unsere Umgebung beschreiben. Und jedes, aber auch jedes einzelne Wort, ist dazu gerade gut genug.

Liebe Grüße und einen schönen Abend!

W.
 



 
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