Das Duell

nemo

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Das Duell

Eine dunkle Wolkenwand hatte sich über die weite Weidelandschaft aufgebaut und die Grashalme tanzten, begleitet vom rascheln der Zedernbäume. Der Geruch von Gewitter lag in der Luft und erste dicke Tropfen fielen auf Toshiros Gesicht. Er schien den Wetter Umschwung nicht zu bemerken; äußerst konzentriert, starrte er auf einen kleinen, sich nähernden, Punkt am Horizont. Er hatte seinen Geist von allen weltlichen Gedanken befreit und war vollkommen auf den bevorstehenden Kampf fixiert. Sein einziger Wunsch; die Beschmutzung seiner Ehre, mit dem Blut seines Gegners rein zu waschen. Er kniete nieder und sprach ein kurzes Gebet. Dann richtete er sich wieder auf und ging seinem Kontrahenten entgegen. Er hatte sich gut auf den Kampf vorbereitet, es war ihm jedoch auch klar, dass er den Sonnenuntergang vielleicht nicht mehr erleben würde. Doch nach den Lehren des Bushidos, war der Tod, einem ehrlosen Leben vorzuziehen.
Die letzten Wochen hatte er mit Kampftraining und Meditation verbracht. Er hatte viele Gedichte niedergeschrieben; die Kalligraphie, war eine Kunst, die er, ähnlich der Kampfeskunst, wie kein zweiter beherrschte. Seine Pinsellinien waren wie seine Schwerthiebe; schnell ausgeführt, präzise und dennoch graziös. Das Niederschreiben von Versen gehörte genauso zu Toshiros Vorbereitungen, wie das Training mit dem Schwert. Ein scharfer Verstand ist für einen Samurai, eine ebenso wichtige Waffe, wie sein Katana.
Als er nun den leichten Abhang hinunter ging, spürte er die Erregung, die ihn immer dann überkam, wenn er in den Kampf zog. Er konnte jetzt den Umriss seines Gegners, im immer dichter werdenden Regen, erkennen. Toshiros Hand streifte den Griff seines Schwertes. Er schloß die Augen, atmete kurz durch und beschleunigte seine Schritte. Ein Blitz durchzog die schwarze Wolkendecke, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag. Der Regen peitschte jetzt förmlich in Toshiros Gesicht und seine, zu einem Pferdeschwanz gebundenen, Haare, wehten im Sturm, wie eine wild gewordenes Wiesel. Es dauerte nicht lange, da konnte er die Gestalt Katsuros erkennen; seinen bulligen Körperbau, den schwarzen Haarschopf und das, an seiner Hüfte befestigte, Katana. Keiner der beiden Samurais wurde von einem Gefolgsmann begleitet, darauf hatte sie sich geeinigt; es sollte ein Kampf - Mann gegen Mann -, ohne Zeugen werden; ein Kampf, von dem nur einer lebend zurückkehren sollte. Ein einsamer Sonnenstrahl durchbrach die schwarze Masse der Wolken und erhellte die Landschaft für einen kurzen Augenblick. Die beiden Samurais blieben in einem Abstand von zwanzig Schritten stehen und musterten sich. Es folgt eine kurze Verbeugung und fast synchron, rannten sie auf einander los. Ein greller Blitz schlug, unweit der beiden Kämpfer, in einem Baum ein und setzte ihn in Brand. Toshiro legte seine Hände um den Griff seines Schwertes und lief schreiend auf Katsuro zu. Kurz bevor er ihn erreichte, zog er sein Katana, behielt dabei aber die Bewegungen seines Gegners im Auge. Katsuro täuschte einen tiefen Schlag an, setzte dann aber, in einer runden Bewegung, einen Hieb gegen Toshiros Kehle an. Dieser hatte die Finte aber als solche erkannt, und konnte noch rechtzeitig sein Schwert heben und den Schlag blocken. Toshiros drehte sich gewandt um die eigene Achse, und es gelang ihm, Katsuros rechten Arm zu treffen. Dieser schrie vor schmerzen, griff aber, trotz der Verletzung, mit zunehmender Heftigkeit an. Toshiro hatte mühe den Schlaghagel zu parieren und wurde in die Defensive gedrängt. Er hoffte nun, dass Katsuro bald müde werden würde und ihm ein Fehler unterlief. Plötzlich hörte dieser auf zu schlagen und ließ das Katana ein wenig sinken. Toshiro erkannte seine Chance und preschte nach vorne. Zu spät bemerkte er, dass es sich auch diesmal wieder um eine Finte handelte. Er sah, dass Katsuro sein Schwert in seine Richtung stieß, konnte aber nicht mehr ausweichen. Er spürte wie die Klinge in seinem Hals eindrang. Eine Welle der Schmerzen überrollte ihn. Er sank auf die Knie und spürte wie eine salzige Flüssigkeit sein Mund füllte. Er schloss die Augen, sah das Bild seines Vaters, wie er ihm, bei seinem zehnten Geburtstag, sein erstes Schwert schenkte. Er konnte den Geruch des Mahls wahrnehmen, das seine Mutter vorbereitet hatte, er hörte die Stimmen seiner spielender Brüder, er fühlte den Stolz den er damals empfand.
Er hustete, und das letzte, dass er vernahm, war das Gurgeln des Blutes in seinem Hals.
 
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Hallo nemo!!!!

Besonders auffällig fand ich Deinen genialen Spannungsbogen, den Du bis zum Ende durchgezogen hast. Sehr wichtig seine Gedankenbilder, während er stirbt. Ohne den Schluss hätte die Geschichte ihre Würze verloren. Du scheinst die Regeln für eine gelungene Kurzgeschichte zu beherrschen.
Am Ende empfand ich eigentlich nur noch Mitleid mit dem Protagonisten.

Gruß
Guido
 



 
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