Das Duftbrot.

mavys

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Das Duftbrot.von marc villarreal

Konrad Gruber stöhnt leise im Schlaf. Der Zug fährt langsamer.
Er ist wieder mal von Hannover nach Hamburg unterwegs. Er ist Einkäufer, mittleres Management, bei einem großen deutschen Automobilkonzern. Sein Fachbereich sind Kunststoffprodukte für den Innenbereich. In Hamburg wird er sich über neue Produktionswege für Armlehnen informieren. Als der Zug zum stehen kommt, schreckt er auf. Vom Fenster aus kann er den Namen der Station nicht erkennen. Es ist nicht Hamburg. Trotzdem steigt er aus und läuft zielstrebig auf die Strassen vor dem Bahnhof. Dort nimmt er ein Taxi und läßt sich zu einem Hotel bringen.
Als er eincheckt, klingelt sein Handy. Er schaltet es aus. Da er auf zwei Tage geplant hat, hat er ein wenig Gepäck, das er im Hotelschrank verstaut. Er läßt sich vom Portier ein italienisches Restaurant, zwei Straßen weiter, empfehlen und gibt ein angemessenes Trinkgeld. Dort trinkt er einen Viertel Roten, verspeist Ravioli mit Trüffel-Ricotta-Füllung, einen gemischten Salat und etwas Brot. Anschließend läuft er durch die Straßen der kleinen Stadt, deren Namen er immer noch nicht weiß. Am Abend gönnt er sich einen alten irischen Scotch in der Hotelbar und geht zeitig zu Bett.
Am dritten Tag schon hat er ein Lieblingscafe´ für das Frühstück und ein Lieblingsrestaurant für das Abendessen. Das Mittagessen läßt er, aus Mangel eines guten Restaurants mit Mittagstisch. Er kennt alle Straßen mittlerweile. Die Häuser sind klein und hübsch mit Geranien zu Recht gemacht. Ein großer Fluß fließt durch die Stadt und zwei Brücken hat es darüber. Inzwischen hat er den Namen der Stadt ausfindig gemacht und auch schon wieder vergessen. Manchmal denkt er an seine Frau und die beiden Töchter. Er rechnet sich aus, daß sie sich inzwischen fragen wo er stecken könnte.
Ein paar Tage passiert nichts, außer daß Herr Gruber immer länger im Bett bleibt und direkt mit dem Abendessen den Tag beginnt. Nachts streift er ziellos in den Straßen. Er hat sich einen Block und ein paar Stifte gekauft. Damit zeichnet er die Stadt. Was ihn interessiert sind die engen Straßenfluchten und die hellen Kalksteine in den kleinen Mauern, die neben den Gehwegen gebaut sind. So kommt es, daß er eines Nachts einer Frau begegnet, die ihm auf einem Fahrrad entgegenfährt. Zu seiner Überraschung fährt sie nicht an ihm vorbei, sondern bleibt direkt vor ihm stehen. Sie ist schön.
„Hast du Hunger?“, fragt sie. Konrad Gruber räuspert sich. Darauf ist er nicht vorbereitet.
„Ja“, sagt er obwohl es gelogen ist. Aus einem großen Korb holt die Frau ein Brot hervor und reicht es Konrad. „Iss das!“ Sie steigt auf ihr Rad.
„Was ist das?“, fragt Herr Gruber.
„Das ist gut“, sagt sie, „das ist ein kleines Kümmelbrot.“
„Es riecht sehr gut. Es duftet.“
„Ja! Ist gut sage ich doch. Iss es!“, sagt sie noch und fährt davon. Konrad Gruber freut sich sehr. Er riecht an dem Brot und läßt das Malen für heute Nacht.
Am nächsten geht er ohne Frühstück, ohne Schlaf, aufgemuntert durch die Läden und kauft Geschenke. In der Innentasche seines Sakkos trägt er das Duftbrot mit sich und schnuppert hin und wieder daran. Er nimmt sich die Zeit sie zu Zeichnen und zeichnet auch den schönen italienischen Kellner. In dieser Nacht schläft er gut. Die folgenden Tage sind ebenso beschwingt und Herr Gruber fragt sich, wieso? Und was das mit dem duftenden Brot in seinem Sakko zu tun hat.
Diese Fragen gehen ihm durch den Kopf. Auch als er sich nachts wieder einmal in den Straßen verirrt den großen Fluß findet und ihn zeichnet. Er riecht an seinem Duftbrot und denkt an die Frau die es ihm geschenkt hat. Plötzlich kommt ihm eine Einsicht. Es ist nicht das Brot. Es ist die Frau. Er liebt sie. Wegen ihr ist er hier. Herr Gruber wartet drei Nächte lang an der Stelle wo er sie getroffen hat. Eines Nachts kommt ihm wieder eine Gestalt auf dem Fahrrad entgegen. Es ist die gleiche Frau. Diesmal jedoch will sie einfach vorbeifahren, deshalb greift er ihr in den Lenker und stoppt sie.
„Was soll das!“, schreit sie ihn an.
„Ich möchte sie kennenlernen. Entschuldigen sie! Ich bin nur in der Stadt um sie zu treffen. Es ist Schicksal.“ Seine Hände zittern.
„Wer bist du? Ich kenne dich nicht.“ Sagt sie und streift seine Hände energisch vom Lenker. Herr Gruber greift in seine Innentasche.
„Siehst du dieses Brot hier? Das habe ich von dir. Du hast es mir geschenkt.“
„Das habe ich dir nicht geschenkt. Das hattest du schon immer. Es ist deines. Ich habe dir nur gezeigt wo du es hast. Jetzt laß mich gehen.“ Sie fährt in der Dunkelheit davon. Doch Herr Gruber will nicht aufgeben. Er läuft ihr nach. So lange bis er keuchend zusammenbricht. Nicht sehr lange, dann schleppt er sich weiter. Kurz bevor er in die letzte Straße einbiegt, trifft er einen jungen Mann, der gerade sein Auto abschließt.
„Entschuldigen sie“, sagt er höflich, „ich habe eine etwas ungewöhnliche Frage. Sehen sie mal dieses Brot.“ Herr Gruber hält das Brot in die Luft. „Riechen sie mal an dem Brot. Das ist doch ein besonderes Brot. Kennen sie die Bäckerei, die ein solches Brot verkauft?“ Der Fremde riecht an dem Brot und erwidert: „Nein! Ich rieche nichts. Wenn das Brot mal gerochen hat, ist der Duft jetzt weg. Geben sie es doch den Tauben zu essen.“ Und wütend schnaufend biegt Konrad Gruber in eine Straße ein. Sie verläuft gerade in den Horizont hinein und links und rechts stehen Häuser. Abbiegen kann er nicht, zurückgehen kann Gruber auch nicht. In seiner Innentasche trägt er immer noch das Brot. Er hätte es nur essen sollen.
 

Ralf Langer

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hallo,
der mensch so sagt man, lebt nicht vom brot allein.

du schreibst nicht übel. mal ist es ein bischen wie kafka,
( das Schloß)dann ein bischen wie Hamsun( mysterien) und letztlich hat es auch was von gogol( der mantel).

aber es ist doch auch wieder nichts von alle dem.

nach anfänglichen schwierigkeiten,( der start ist allzu holprig)
finde ich gefallen an diesem gruber und an seinem anscheinend sinnlosen trachten.
der kleine spannungsbogen ist durchaus gelungen.

aber die geschichte macht mich - um im bild zu bleiben -
macht mich nicht satt.
der suspense verfliegt, weil ich der geschichte nicht folgen kann.
dieser gruber steigt also falsch aus und verliert sich.

aber was treibt ihn an?
was hat er verloren und in dem brot gefunden nur um es wieder zu verlieren?
das würde mich interessieren.

lg
ralf
 



 
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