Das Ende

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Das Ende


Ich lehne aus dem Fenster
und betrachte
die Silhouette der Stadt,
die von Ost nach West
wie ein aufgeklappter Stadtplan
vor mir liegt,
Bahnhof, Puff, Post,
Banken, Shoppingmeile,
das große gelbe U
der Brauereiruine
und die Kneipe,
in der ich,
wenn ich lese,
umsonst trinken kann.
Das alles passt in eine Hand,
schnell erreichbar und praktisch,
aber heute
seh ich nur aus dem Fenster
und fühl mich alt und leer,
ein Zeichen meines Untergangs.
Fehlt nur eine Zigarre,
Stoppeln und ein Hängebauch,
oder ein Kissen
unter meinen Armen,
so ein grünbraunes
mit goldenen Fransen-
das Ende.
 

Joneda

Mitglied
Hallo black sparrow,

oje,oje, voll deppro, regnets bei Euch???
Das beschriebene Kissen gibt einem den Rest.
:) Lach mal wieder.
Liebe Grüße
Joneda
 

pipi-barfuss

Mitglied
Ende

Hi Black,(ohne Sparrow*lach*) :

Wie gut das Dir der Hängebauch und der Rest fehlt.*smile*
Ansonsten ,gefällt mir.Besonders die Stelle "Das alles passt in eine Hand,und aufgeklappter Stadtplan.Schön.
Auch so Tage muss es einfach mal geben.Sonst könnte man ja nicht darüber schreiben.

Liebe Grüße Pipi. :)
 
Danke für eure Anmerkungen!
Mir gehts auch schon wieder besser!
Joneda, es war strahlender Sonnenschein, und der
Gedanke an das Kissen hat mir auch den Rest gegeben! :)
Und pipi, ich weiß nicht, ich glaub ich schreib lieber über andere Dinge...

Einen schönen Tag wünsch ich euch!

black sparrow
 

Willibald

Mitglied
Fensterblick

Grüß dich, blacksparrow,

habe grade großes Vergnügen an Deinem schönen Text:

Das Ende

Ich lehne aus dem Fenster
und betrachte
die Silhouette der Stadt,
die von Ost nach West
wie ein aufgeklappter Stadtplan
vor mir liegt,
Bahnhof, Puff, Post,
Banken, Shoppingmeile,
das große gelbe U
der Brauereiruine
und die Kneipe,
in der ich,
wenn ich lese,
umsonst trinken kann.
Das alles passt in eine Hand,
schnell erreichbar und praktisch,
aber heute
seh ich nur aus dem Fenster
und fühl mich alt und leer,
ein Zeichen meines Untergangs.
Fehlt nur eine Zigarre,
Stoppeln und ein Hängebauch,
oder ein Kissen
unter meinen Armen,
so ein grünbraunes
mit goldenen Fransen-
das Ende.

Hätte hier ein paar vorsichtige Vorschläge in einer Textvariante - zu diskutieren. Hier erst mal die gesamte Variante im Überblick:

Am Ende

Ich lehne aus dem Fenster
und betrachte
die Silhouette der Stadt,
die von Ost nach West
wie ein aufgeklappter Stadtplan
vor mir liegt,
Bahnhof, Puff, Post,
Banken, Shoppingmeile,
das große gelbe U
der Brauereiruine
und die Kneipe,
in der ich,
wenn ich lese,
umsonst trinken kann.

Das alles passt in eine Hand,
schnell erreichbar und praktisch,
aber heute
seh ich nur aus dem Fenster
und fühl mich schlaff -
ein Zeichen meines Untergangs.

Fehlt nur eine Zigarre,
Stoppeln und ein Hängebauch,
oder ein Kissen
unter meinen Armen,
so ein grünbraunes
mit goldenen Fransen -
am Ende.

Dem Eulenschwinger sagt bereits der Einstieg mit dem Fensterausblick sehr zu, da wird eine Observationswarte ohne verkniffene Anstrengung geliefert. Dann stellt das lyrische Ich seine bisherige Vitalität und die momentane Trübnis aus, schließlich federt es sich in einer humorig-depressiven Sprunglage hinreichend mit dem Kissen ab. Das ließe sich durch die Strophenbildung graphisch vielleicht stützen.

So als Diskussion zur Mikrostruktur ein paar Detailüberlegungen. Das „alt und leer“ ist vielleicht ein bisschen übermarkiert, das vorgeschlagene „schlaff“ steht so in Opposition zu „schnell erreichbar und praktisch“, dass der Leser zwischen den Zeilen vergnügt und mitfühlend folgern kann, welche Depri den Krallengriff noch nicht lockert.

Das Ende der beiden letzten Strophen mit Gedankenstrich-Passagen bringt eine vielleicht erwünschte Parallele: da das abstrakt-wertende „Zeichen meines Unterganges“ mit Gedankenstrich gesetzt wird, ist dann eine konkrete Lesart (Kissen mit Fransen am Ende) und eine biographische Lesart gleichzeitig möglich, dann spielt es auch noch mit dem „Textende“ und stellt außerdem den Titel so auf, dass die konkret-abstrakte Fenstersituation und die konkret (Kissen) – abstraktere (Lebensphase) Ende-Imagination ineinanderhaken.

Macht mir im Moment am leicht lektorierten Text ziemlich Spaß, genauer: erhöht im Moment meine Freude an brillanten Original-Text. Vielleicht geht es dem Autor ähnlich?
 
Hi Willibald,

wie immer brauche ich eine Zeit, um deine Antwort
zu verstehen...
Ich werde darüber nachdenken und schreibe morgen,
was ich denke, wenn ich alles begriffen hab!

Pass auf dich auf

black sparrow
 

Traumtod

Mitglied
Ein Kandidat für die Radiosendung "Stadtlichter".
Absolut nachvollziehbar, für mich jedenfalls.

Spontane Eindrücke und Assoziationen waren:
Bukowski (Schreiben)
Jim Beam (Trinken)
Madrugada (Hören)
Drum (Rauchen)
Alte Schreibmaschine (auskotzen)
Dreckige Matraze (drauf liegen)
Dicke Frau am Fenster gegenüber (zwar einsam, aber trotzdem - oder gerade deswegen - bescheuert)

Gefällt.
Bin froh, nicht mehr in diesem "Ende" leben zu müssen...

Viele Grüße

traumtod
 
Oh, blacksparrow, solche Gefühle! Du auch?

Der Text gefällt mir sehr gut, und ich fühle mich in ihm direkt heimisch. Selbst den leberdebilen aufgedunsenen heruntergekommenen Säufer mit Kissen unter dem Arm am Fenster, von wo aus er auf Falschparker lauert, kenn ich gut.
Das Gefühl: Es ist alles so nah, so einfach, so gegenständlich, fast wie eine Postkarte mit naiver Malerei, aber gerade deshalb ist es so vollkommen leer, trostlos, idiotisch und absurd. (Wie ein ausgestorbenes Straßendorf aus den 50ger Jahren am Sonntagnachmittag)
Es sind die Tage, wo man ins Komplizierte, Nichtevidente, ins Unwägbare flüchten muß um Heimat zu finden.
Oh, wie ich das kenne...

PS: Aber Du bist auch selbst dran schuld! Wer liest schon Jack Kerouac "Gammler, Zen und hohe Berge" ??? Da muß man ja an der sog. Normalität verzweifeln.
 



 
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