Das Experiment

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fossie

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Hier folgt der zweite Teil meiner Kurzgeschichte mit dem Titel "Alles nur Fassade". Lasst euch überraschen. Nebenbei bemerkt: Alles ist frei erfunden und ich selbst habe sowas bisher noch nie ausprobiert. Aber vielleicht gibt es ja Jemanden, der schon solche Erfahrungen gemacht hat. Viel Spaß jedenfalls beim Lesen.



Das Experiment

Was war das gestern eigentlich? Die Frage schoss mir als erstes durch den Kopf, als ich am späten Vormittag aufwachte. Ob ich wollte oder nicht, ich musste sofort an Rurainski denken. War er verrückt, weil er die Grenze des Normalen überschritten hatte?
Ich dachte daran, wie schockiert ich war, als er mir sein Geheimnis offenbarte. Wir alle hatten gerätselt, wie er seine Freizeit verbringen würde, waren schon fast besessen von dieser unstillbaren Neugier. Aber so etwas hätte ich nie im Leben von ihm erwartet. Meinen Kolleginnen würde ich auf keinen Fall etwas davon verraten. Das Ganze erschien mir einfach zu persönlich.
"Probier es aus", hatte er gemeint und mir fiel ein, dass ich es ihm aus einer Laune heraus tatsächlich versprochen hatte. Gleichzeitig sträubte sich in mir alles. "Nein, ich werde ihn anrufen und ihm sagen, dass ich es mir überlegt habe und es einfach nicht mein Ding ist", nahm ich mir vor. Es täte mir zwar leid deswegen, aber ich würde mich in meiner Rolle als Mann unverändert wohl fühlen.
Dafür müsse er Verständnis haben, aber wir könnten ja ab und zu gemeinsam etwas unternehmen.
Im selben Moment, als ich nun zum Telefon greifen wollte, klingelte dieses.
"Guten Morgen. Ausgeschlafen?" Ich erkannte sofort seine Stimme. Es war Tobias und er war mir zuvorgekommen.
"Hallo Tobias." Ich war überrascht von der Gleichgültigkeit, die ich an den Tag legte. "So einigermaßen", war meine kurze und knappe Antwort.
"Stehst du noch immer unter Schock wegen gestern? Habe ich dich vielleicht etwas überfordert?"
"Nein, nein. Das geht schon in Ordnung."
"Du brauchst dein Versprechen auch nicht einlösen, wenn du nicht willst. Ich kann dich schließlich nicht dazu zwingen."
Ups! Er hatte mich eiskalt erwischt. Eigentlich hätte ich ihm spätestens jetzt sagen müssen, dass es einfach nicht mein Ding wäre, mich auch als Frau zu verkleiden wie er sei es auch nur das eine Mal. Jedoch erwiderte ich genau das Gegenteil davon und wunderte mich heimlich selbst über mich.
"Äh, naja, vielleicht sollte ich es tatsächlich ausprobieren. Aber bin ich überhaupt dafür geeignet?"
"Warum nicht? Finde es einfach heraus, dann weißt du es. Also, ab wann hast du heute Zeit?"
"Hä? Das … das ist jetzt schon etwas überraschend für mich. Können wir es denn nicht auf einen anderen Tag verschieben?"
"Warum?"
"Weil … weil ich …", mein Widerstand schmolz dahin wie Schokolade in der Sonne. Ich suchte verzweifelt nach einer Ausrede, musste mich aber am Ende geschlagen geben. "Na gut, wenn es denn sein muss. Wann hättest du gedacht?"
" Etwas mehr Begeisterung bitte. Aber lass mich überlegen. Du solltest dazu auf jeden Fall schon am frühen Nachmittag kommen. Gerade die Vorbereitung nimmt, wie du dir vorstellen kannst, ziemliche Zeit in Anspruch. Mitbringen musst du nichts, außer guter Laune. Sagen wir 13 Uhr?"
Zähneknirschend stimmte ich zu und wir plauderten nur noch kurz über irgendwelche Belanglosigkeiten. Dann beendeten wir das Gespräch, nicht ohne dass mich Tobias nochmals ermahnte, unbedingt pünktlich zu sein.
Hinterher fühlte ich mich elend und wäre am liebsten wieder im Bett verschwunden, wenn da nicht der Einkauf fürs Wochenende noch gewesen wäre.
Tausend Gedanken, die sich immer nur um das Eine drehten, gingen mir durch den Kopf, als ich im Supermarkt an der Straßenecke wahllos Lebensmittel in meinen Einkaufswagen warf.
Zuhause angekommen blickte ich auf die Uhr und wurde daran erinnert, dass ich nur noch eine Stunde Zeit bis zum Start dieses zweifelhaften Experiments zur Verfügung hatte.
Ich schlang mein Mittagessen eilig in mich hinein und brach zu meinem persönlichen Abenteuer auf. Wenig später stand ich mit einem mulmigen Gefühl im Magen vor der Eingangstüre von Rurainskis Haus und klingelte zögerlich.
Ein paar Sekunden danach stand Tobias vor mir, dieses Mal jedoch in "zivil".
"Hallo", begrüßte er mich. "Schön, dass du es dir doch überlegt hast. Du wirst sehen, es tut auch nicht weh", scherzte er, was ich allerdings gar nicht lustig fand.
"Mir bleibt eben nichts Anderes übrig. Wie hast du dir eigentlich den weiteren Verlauf des Tages vorgestellt?"
"Das, mein Lieber, lass mal meine Sorge sein. Es wird auf jeden Fall eine Überraschung für dich geben."
"Die werde ich wahrscheinlich dann haben, wenn du mit mir fertig bist", gab ich missmutig zu.
Er lachte laut und bat mich endlich, hereinzukommen. Die Einrichtung seines Hauses war geschmackvoll und modern, so richtig zum Wohlfühlen. Für eine Junggesellenwohnung hatte ich dies gar nicht erwartet. Dann bot er mir etwas zu trinken an und ich zog dabei Antialkoholisches vor.
"Nun sei doch nicht so eine Spaßbremse", meinte er. "Du wirst sehen, mit dem einen oder anderen Gläschen Sekt wird das eine ganz tolle Sache.
"Aber sollten wir nicht lieber nüchtern sein, wenn du mich bearbeitest? Außerdem werde ich auf keinen Fall so aus dem Haus gehen, wenn wir fertig sind."
"Das ist genau die Überraschung, von der ich spreche. Das brauchen wir auch nicht, man kommt zu uns."
"Nein!"
"Doch, ich habe nämlich einige Freunde eingeladen, lauter nette Leute, du wirst sehen. Und damit es dich beruhigt, für die ist so ein Wechselspiel das Normalste auf der Welt. Du brauchst also keinerlei Hemmungen vor ihnen zu haben. Ich meine, falls du dich genieren solltest. Aber, wer weiß, vielleicht halten sie dich ja sogar für meine richtige Freundin, das hängt ganz von meinen Schminkkünsten ab. Aus deinem Gesicht können wir jedenfalls Einiges machen. lass dich überraschen."
Auf was hatte ich mich da eingelassen? "Sind … sind die etwa auch alle …?" Von dieser Einladung hatte er mir überhaupt nichts erzählt.
"Teilweise. Aber mich kennen sie ja und wir ziehen manchmal ausgeflippt um die Häuser. Da könnte ich dir jede Menge erzählen."
Tobias war einmal mehr das glatte Gegenteil von dem, wie ich ihn aus der Arbeit kannte. Er blühte richtig auf und er schien sich wie ein Schneekönig auf den bevorstehenden Abend zu freuen.
"Aber jetzt lass uns anfangen. Was dich betrifft, so habe ich noch einiges an Arbeit vor mir." Ich sah ihn fragend an, aber er packte mich nur am Arm. "Komm mal mit ins Bad. Da haben wir alles, was man zur Vorbereitung braucht." Mit dem Kneifen schien es jetzt endgültig für mich vorbei zu sein.
"Hmh", meinte er. "Eine Ganzkörperenthaarung für deinen Pelz wäre jetzt zu aufwendig und würde zu lange dauern. Dann machen wir eben nur die Beine, die Arme, deinen Rücken, deinen Bauch und die Schultern im Schnellverfahren." Er nahm eine Packung Einwegrasierklingen aus dem Spiegelschrank und hielt sie mir vor die Nase. "Damit bearbeitest du zuerst deine Beine. Das geht am besten, wenn du dich dazu in die Badewanne schmeißt."
"Ich soll baden?"
"Natürlich, was dachtest du denn? Es soll ja alles möglichst authentisch an dir aussehen. Also lass schon mal Wasser einlaufen. Wenn du in der Wanne sitzt, fängst du, wie gesagt, mit deinen Ober- und Unterschenkeln an. Ich stoße dann später zu dir."
"Was, du willst mit mir baden? Ich bin doch nicht schwul!" Ich war entsetzt.
"Nein, du Kasper. Ich werde dir nur den Rücken rasieren, weil du ja an diese Stelle nicht hinkommst. Den Rest musst du dann selbst machen. Ok.?"
Ich atmete erleichtert auf.
"Und mach es gründlich, denn es soll makellos aussehen", schob er noch hinterher.
Er verließ das Badezimmer.
Während das Wasser aus dem Hahn plätscherte, zog ich mich aus. Eigentlich hatte er ein sehr gemütliches und hochmodernes Badezimmer. Es war ausgestattet mit Dusche und Wanne und es verströmte eine Atmosphäre, in der man sich auf Anhieb wohlfühlen konnte. Ich dachte an mein Etablissement zuhause, das von der Größe nicht einmal die Hälfte erreichte.
Fein säuberlich legte ich meine Klamotten über einen Hocker, damit ich sie später wieder griffbereit haben würde. Dachte ich zumindest, jedoch sollte es später ganz anders kommen.
Aber zunächst stieg ich in die Wanne und ruhte mich aus. Jeder kennt dieses Gefühl, wo man entspannt in der Wanne sitzt und alle Sorgen von einem abfallen. Es fehlte nur noch, dass ich zum Singen anfing, aber das ließ ich lieber bleiben.
Nach ein paar Minuten ging die Tür auf und Tobias schaute herein. "Na, hier kann man es aushalten, oder?"
"Hmmh".
Er griff plötzlich nach meinen Kleidungsstücken. "Die brauchst du heute für den Rest des Tages nicht mehr."
"Spinnst du? Soll ich etwa nackt herumlaufen. Leg sie sofort wieder hin."
Er grinste nur frech. "Vergiss nicht, was du versprochen hast. Rasier dich erstmal anständig. Du siehst ja aus wie ein Orang-Utan. So kannst du nicht vor die Leute treten." Er legte mir die Packung mit den Rasierklingen auf den Wannenrand. "Los, mach schon."
Ich wollte schon wieder leisen Protest anmelden, dass ich mir das Ganze nochmals überlegt hätte. Gleichzeitig merkte ich jedoch an seinem Blick, dass er leicht genervt war.
"Na gut, ich füge mich in mein Schicksal." Mein Widerstand war gebrochen, jedoch schwor ich mir heimlich, mich nie wieder auf so etwas einzulassen.

Eine geschlagene Stunde verging, bis ich alles herunterrasiert hatte. Irgendwie war es dennoch ein ganz neues Körpergefühl für mich und gefiel mir sogar. Allerdings sah es in der Badewanne katastrophal aus, als das Wasser abgelaufen war. Man konnte es mit einem schwarzen Fell vergleichen, das zu meinen Füßen lag. Immer wieder musste ich den Abfluss von den Haaren befreien, damit es keine Verstopfung gab.
Irgendwann wurde es mir zu blöd. "Tobias!", schrie ich. "Houston, wir haben ein Problem!" Endlich öffnete sich die Tür. Er lachte herzhaft und gemeinsam schaufelten wir meine Haare in eine Plastiktüte. "Weißt du, das ist hundert Prozent Recycling, die kann man auf den Kompost ausleeren. Ist alles biologisch abbaubar." Ich sah ihn ungläubig an und stellte mir vor, wie er seine Haare immer auf seine Beete im Garten kippte.
Ich musste mir eingestehen, dass es ein angenehmes Gefühl war, als ich meinen gesamten Körper mit einer Lotion eingecremte, die meine Haut in wenigen Minuten weich und geschmeidig werden ließ. Langsam begann ich zu frieren.
Er bemerkte es, gab mir einen Bademantel und führte mich in sein Schlafzimmer. Dabei bekam ich schon wieder gewisse Befürchtungen, aber er zerstreute sie, indem er mir nur seinen Kleiderschrank zeigte. Ich staunte nicht schlecht: Zur Hälfte war dieser mit Frauenkleidern prall gefüllt und auf dem Boden standen mindestens zehn Paar High Heels mit mörderisch hohen Absätzen, darunter auch jene, die er gestern im Cafe getragen hatte. Sie waren blank geputzt und glänzten. Dann folgte die Krönung. Unter der Garderobe befanden sich noch Schubladen. Er öffnete sie und es kamen mehrere Garnituren von Damenunterwäsche zum Vorschein. "Um perfekt auszusehen, brauchst du auch die passende Unterwäsche. Vor allem soll sie sexy aussehen."
"Soll ich mich etwa noch vor deinen Freunden ausziehen? Nie und nimmer! Außerdem passt mir das doch gar nicht. Du bist doch kleiner als ich." Eine Ausrede, die mir dazu verhelfen sollte, mich mit einem letzten zaghaften Versuch doch noch aus der Affäre zu ziehen.
Aber meine Hoffnung zerplatzte seifenblasenartig, weil er mir Sachen hinlegte, die eine Einheitsgröße hatten.
"Nein, also wirklich. Es reicht! Das kannst du nicht von mir verlangen. Ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn ich so was anziehen müsste. Sorry, das war`s!" Verzweifelt stürzte ich aus dem Zimmer, um nach meinen Klamotten zu suchen, fand sie jedoch nicht sogleich. Hatte er sie absichtlich versteckt? Inzwischen traute ich ihm alles zu.
"Wo sind meine Sachen?", schrie ich.
"Die habe ich sicher versteckt."
"Wie bitte?"
"Ja, ich habe sie an einem sicheren Ort untergebracht, zu dem nur ich Zugriff habe. Du bekommst sie erst wieder, wenn du dein Versprechen einlöst."
"Willst du mich erpressen?"
"Nein, ich will dir nur zeigen, dass es nicht schaden kann, einmal seine geschlechtliche Identität zu wechseln – zumindest für einen Abend. Überwinde einfach den inneren Schweinehund und spiel mit. Außerdem brauchst du, wie gesagt, vor unseren Gästen keine Hemmungen zu haben. Keiner wird dich deswegen auslachen. Im Gegenteil, man wird dich sogar bewundern, dass du solchen Mut beweist. Du wirst sehen, es wird dir gefallen. Bitte mach einfach mit. Ich werde dich als eine gute "Freundin" vorstellen und sie werden staunen, wie hübsch du aussehen wirst. Verlass dich ganz auf mich."
Bei mir sträubte sich noch immer alles.
Nach einer halben Stunde hatte er es endgültig geschafft, mich zu überreden. Wozu ich mir einfach "Augen zu und durch" dachte. Am nächsten Tag würde dann sowieso alles vorüber sein und ich würde wieder normal aussehen. Dieser Abend schien jedenfalls für mich gelaufen zu sein.
Nach mindestens zehnmaliger Anprobe fanden wir endlich die passende Unterwäsche für mich. Der schwarze Spitzen-BH, den er auf meinem Rücken schloss, war ziemlich eng und als er zusätzlich Papier hineinstopfte, um mir die richtige Brustgröße hin zu modellieren, bekam ich fast keine Luft mehr. Was musste eine Frau erst damit ertragen?
Die Unterhose dazu war aus demselben Stoff und relativ bequem zu tragen.
Dann meinte er, ich solle mich im Schlafzimmer vor einer Kommode mit einem Spiegel setzen. Ich kam mir vor wie beim Friseur. Ein paar Minuten später kam er mit einem richtigen Schminkkoffer herein. Bevor er jedoch damit loslegte, seifte er mein Gesicht mit Rasierschaum ein und begann, mich mit einem Rasiermesser zu bearbeiten. Ein mulmiges Gefühl befiehl mich, aber mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu vertrauen.
"Wenn ich dir anschließend diese ganze Farbe auftragen soll, darfst du kein einziges Haar mehr im Gesicht und am Hals haben."
Er war ein Perfektionist. Waren alle Transvestiten so? Was für ein Aufwand! Sicherlich konnte man diese Verkleidungsspielchen nur am Wochenende machen, wenn man genügend Zeit dazu hatte.
Ich ließ diese Prozedur nur widerwillig über mich ergehen. Was würde noch alles folgen? Hätte ich mich nur nicht gestern zu diesem Quatsch überreden lassen! Dann könnte ich jetzt ins Kino, in die Disko oder einfach nur mit Kumpels in den Biergarten gehen. Nie mehr spioniere ich jemandem hinterher, das schwor ich mir.
"So, fertig." Ich war so in Gedanken versunken, dass ich es zunächst gar nicht wahrnahm, was er sagte. "Ich trage dir jetzt noch eine beruhigende Gesichtscreme auf. Dann werde ich dich weiterbearbeiten."
"Hoffentlich beruhigt sie mich auch innerlich", war mein ganzer Kommentar.
Er grinste nur unverschämt, fast hatte es schon etwas Teuflisches an sich.
Ich hingegen kam mir immer blöder vor. Wie sollte das heute nur enden?
Solche Art Gesichtspflege betrieb ich nicht einmal, wenn ich zwischendurch auf Freiersfüßen wandelte. Oder standen die Mädels auf so etwas? Vielleicht sollte ich es in Zukunft ausprobieren. Es konnte vielleicht nicht schaden, wenn man einen gepflegten Eindruck machen wolle, obwohl ja Dreitagebärte schwer in Mode sein sollen.
Immerhin wurde mir langsam klar, warum es bei Frauen so lange dauerte, bis sie sich ausgehfertig gemacht hatten.
Der nächste Kraftakt stand bevor, das Schminken. Dazu benötigte er bei mir fast eine halbe Stunde. Warf ich am Anfang noch verstohlene Blicke in den Spiegel, so unterließ ich es nun, je länger es sich hinzog. Er begann mit meinen Augen und trug kräftig schwarze Farbe auf, sodass ich schon fast nichts mehr sehen konnte. Dann klebte er mir auch noch falsche Wimpern an, sodass meine Lider immer schwerer wurden. Er hatte wirklich an alles gedacht. Jetzt malte und pinselte er wie ein Künstler noch in meinem übrigen Gesicht herum, sogar meinen glattrasierten Hals hinunter bis zum Dekolleté ließ er nicht aus und puderte darauf herum, dass es nur so staubte.
Erst nachdem er meinen Mund bearbeitet hatte, wurde ich endlich von diesen Qualen erlöst. Ich hatte vorher die ganze Zeit nur noch nach unten gesehen und er forderte mich mit einem "Voila" auf, den befreienden Blick in den Spiegel zu wagen.
"Ach du Sch …", brachte ich nur noch heraus. Das blanke Entsetzen hatte sich meiner bemächtigt. Er hingegen schüttete sich aus vor Lachen über diesen Kommentar.
"Das soll ich sein?"
"Siehst du vielleicht jemanden, der sonst noch neben dir sitzt?"
"Bring mir sofort einen Eimer Wasser und einen Schwamm. Das geht doch hoffentlich alles wieder mit Wasser herunter?", fragte ich ihn völlig aufgelöst.
"Naja, größtenteils." Ich sah ihm an, dass er sich beherrschen musste, nicht wieder loszuwiehern.
Mir kam ein furchtbarer Gedanke. "Was soll das heißen. Muss ich … muss ich jetzt etwa ein paar Tage lang so herumlaufen? Das kann doch nicht dein Ernst sein."
"Quatsch, du Dummerchen. Natürlich geht das wieder herunter. Würde ich mich sonst noch jedes Mal danach in die Arbeit wagen?"
Seufzend musste ich ihm recht geben.
"Und jetzt lass mich mein Werk noch vollenden. Bitte in die Umkleidekabine einzutreten." Damit machte er eine einladende Bewegung in Richtung seines Kleiderschranks.
"Aber mir passt doch nichts davon. Du bist viel kleiner als ich." versuchte ich zu widersprechen. In Wirklichkeit war ich tatsächlich nur geringfügig größer als er, wollte es mir aber nicht eingestehen und nahm es gleichzeitig als Ausrede, das ganze Unternehmen kontraproduktiv in der letzten Minute doch noch zum Scheitern zu bringen.
Ich hatte Pech, denn auch mehrere seiner Kleider hatten Einheitsgröße und spätestens nach der fünften Anprobe hatten wir ein passendes "kleines Schwarzes" für mich gefunden. Der dazugehörige Ausschnitt war sehr offenherzig und verführerisch, was Tobias jedoch bei mir geschickt kaschieren konnte.
Er legte das Kleid allerdings zunächst auf die Seite, denn es fehlte noch etwas. "Perfekt", meinte er. "Jetzt brauchst du nur noch die passenden Strümpfe." Er überlegte. "Ich denke, eine schwarze Seidenstrumpfhose ist hier am besten geeignet."
Er zog die nächste Schublade auf, in der sich jede Menge Damenstrümpfe und Strumpfhosen befanden. "Ah, hier ist sie ja. Er nahm sie mit den Fingerspitzen vorsichtig heraus und schüttelte kurz durch, damit sie ihre ganze Länge entfalten konnte.
Aber was war das?
"Die hat ja auch noch so eine komische Naht an den Beinen!", meinte ich entsetzt und völlig fertig, dass ich jetzt auch noch ein solches Teil anziehen sollte.
"Natürlich. Sie soll ja auch sexy aussehen. Komm, ich werde dir beim Anziehen helfen." Dabei legte er uns Latexhandschuhe hin und erklärte mir, dass diese Strumpfhose eines seiner besten und teuersten Stücke sei und man sie ganz vorsichtig anziehen müsse, damit spontan keine Laufmasche entstehen würde. Das ginge am besten, wenn man Handschuhe dabei tragen würde. So könne nichts beschädigt werden.
Weitere endlose Minuten vergingen, in denen ich mir vorkam wie eine Wurst, die man langsam in Folie einschweißt.
Endlich war es geschafft und ich musste zugeben, dass es eigentlich ein geiles Gefühl war, so etwas anzuhaben.
"Jetzt musst du noch in dein Kleid schlüpfen, dann sind wir schon fast fertig. Gib aber acht, dass du nicht dabei mit deiner Schminke im Gesicht in Berührung kommst."
Umständlich hatte ich es übergestülpt, sofort begann er damit, an mir herumzuzupfen, zog mal links alles nach unten, mal rechts. am Schluss legte er mir noch einen eleganten Gürtel an. Dann war ich vollständig eingekleidet. "Mann, Mann, Mann, auf was habe ich mich da nur eingelassen", entkam es mir wieder
"Jetzt kannst du sowieso nicht mehr zurückrudern, dazu müsstest du schon eine Stunde lang dein Gesicht von der Farbe befreien. Du kannst es gerne tun, aber dann versäumst du hier einiges. Lass dich überraschen."
Ich gab mich geschlagen. "Was hast du jetzt noch so auf Lager?"
"Na, überleg mal."
"Keine Ahnung."
"Jetzt stell dich nicht so an, du brauchst doch noch falsche Haare und als Abschluss die richtigen Schuhe. Wobei ich dich vorwarnen will, weil es mit Abstand die größte Qual für uns Männer ist. Dazu muss man sich Zeit nehmen, um darin das Laufen zu üben. Aber das kriegen wir schon hin, wozu gibt es Blasenpflaster."
"Moment mal, soll ich etwa auch noch welche von diesen … diesen Mordinstrumenten anziehen?"
"Selbstverständlich. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du nachher mit deinen ausgelatschten Tretern vor die Leute treten kannst."
"Warum nicht?"
Er winkte ab und ließ keine weitere Diskussion zu. In diesem Augenblick kam er mir fast schon wie eine männliche Domina vor, so bestimmt trat er auf, fehlte nur noch die Peitsche. "Es tut mir leid, aber du musst schon die passenden High-Heels anziehen. Aber keine Sorge, daran gewöhnt man sich nach der fünften Blase." Er kicherte wie ein kleines Mädchen.
War er tatsächlich sadistisch veranlagt? Nie und nimmer würde ich in so etwas herumlaufen, das konnte er sich abschminken. Nahm ich mir jedenfalls vor. Aber wie immer kam es anders. Aber schön der Reihe nach: Eine halbe Stunde später war mein Kopf mit einer blonden glatten Langhaarperücke bedeckt. Darunter steckte ein verführerisches Frauengesicht. Er übte mit mir kurz dazu den entsprechenden Augenaufschlag, denn alles sollte perfekt sein.
Dann wurde ich der Inquisition zugeführt, die Folterinstrumente standen in Form von zehn paar Stöckelschuhen sauber nebeneinander aufgereiht vor mir.
Hatte ich noch die schwache Hoffnung, dass meine Füße dafür zu groß wären, so wurde ich sogleich eines Besseren belehrt. Fast jedes einzelne Paar passte wie angegossen und alle hatten sie eine Absatzhöhe von mindestens zehn Zentimetern. Mehrere Minuten lang drohte ich immer wieder zu straucheln und einfach auf die Seite zu kippen. Nach einer weiteren qualvollen halben Stunde ständigen Hin- und Herstöckelns konnte ich einigermaßen damit gehen, zumindest kleinere Strecken. Eine Wanderung allerdings wäre ausgeschlossen gewesen.
"Üb` schon mal recht fleißig. Und nicht vergessen: Elegant dazu mit dem Hintern wackeln, schließlich soll ja alles authentisch sein. Ich ziehe mich jetzt um und style mich ebenfalls. Ich will ja schließlich nicht unangenehm auffallen." Er freute sich wie ein Schneekönig, so kam es mir vor. "Du siehst übrigens phantastisch aus, fast könnte man neidisch werden." Er warf mir einen eleganten Handkuss zu.
"Danke für das Kompliment." Dabei packte ich einen seiner High Heels und drohte, diesen nach ihm zu werfen. Schon war er aus dem Zimmer verschwunden.
Immer wieder trat ich vor den Schlafzimmerspiegel, zuerst vorsichtig, dann immer neugieriger werdend. Komisch, ich begann tatsächlich reflexartig, an mir herumzuzupfen, war es das Kleid oder waren es die Haare? Ich hatte unbewusst weibliche Verhaltensmuster angenommen, wie war so etwas möglich? Es heißt zwar immer "Kleider machen Leute", dass sie aber das geschlechtsspezifische Verhalten beeinflussen können, war mir neu.
Ich kam mir plötzlich vor wie in einer anderen Welt. Zwar hatte ich schon einmal eine Travestieshow besucht, aber da waren diese "Damen" völlig überdreht und vulgär. Sie zogen hauptsächlich über uns Männer vom Leder, aber das mussten sie ja, denn sie wollten vor allem das überwiegend weibliche Publikum unterhalten. Immerhin hatten diese auch Eintritt bezahlt und wollten etwas für ihr Geld geboten kriegen.
Nach einer endlos langen Zeit, ich hatte mich inzwischen hingesetzt, da mir die Stöckelschuhe langsam aber sicher zur Qual wurden, sodass ich sie immer öfters auszog und mir die brennenden Füße rieb, hörte ich wieder seine Stimme. "Fertig", ertönte es aus dem Bad. Als er dann vor mir stand, war er wieder perfekt geschminkt, ganz so, wie ich ihn vom gestrigen Abend her in Erinnerung hatte. Er lächelte mich hinreißend an und klatschte mir auf den Po. Dann begann er, seine Garderobe zu durchstöbern, bis er fündig wurde und einige Kleider und Röcke aufs Bett legte.
"Du musst mich jetzt beraten, was dir am besten gefällt. Okay? Schließlich möchte ich neben dir nicht wie eine graue Maus daherkommen."
"Wenn du meinst", entgegnete ich wenig begeistert. Gleichzeitig nervten mich immer mehr diese engen Klamotten, die ich anhatte und ich sehnte mich nach meiner bequemen Männerkleidung.
"Also, können wir?"
"Von mir aus."
Dann begann seine Modenschau und irgendwie erinnerte es mich an die Szene, wenn man mit der Frau oder Freundin in ein großes Bekleidungsgeschäft geht. Da dauert es manchmal Stunden, bis sich die Herzensdame entschieden hat. Wir Männer dagegen machen es uns einfacher, denn spätestens nach der zweiten Anprobe muss das betreffende Kleidungsstück passen. Wenn nicht, verschieben wir den Einkauf auf irgendwann andermal.
Qualvolle Minuten vergingen und mir blieb nichts anderes übrig, als gute Mine zum bösen Spiel zu machen. Mit Feuereifer hatte Tobias alles anprobiert, bis er zum Schluss nicht nur etwas Passendes, sondern auch äußerst Frivoles, wenn nicht sogar Rattenscharfes gefunden hatte. Es stand ihm fantastisch, er hatte einfach die ideale Figur dafür und jede Frau wäre bestimmt in diesem Moment vor Neid erblasst. Er trug eine weiße Spitzenbluse, die teilweise unter einer schwarzen Corsage verschwand, dazu einen roten Minirock, den man eher als "Pomanschette" bezeichnen konnte. Glänzende halterlose Lurexstrümpfe verzierten seine makellosen langen Beine und rote High-Heels mit mörderischen fünfzehn Zentimeter hohen Absätzen. Trotzdem hatte er mit dem Stöckeln keinerlei Probleme und wiegte elegant seinen ausgestopften Po hin und her, so, als hätte er in seinem Leben noch nie etwas Anderes getan. Auf seinem Kopf prangte diesmal eine dunkelbraune Langhaarperücke.
Wir sahen aus wie zwei Freundinnen, die sich auf Männerfang begeben hatten, trotzdem fühlte ich mich ziemlich bescheuert. Wenig später klingelte es an der Tür.
 
Interessante Geschichte, stellenweise mit ein paar Längen, aber sonst okay.

In diesem Augenblick kam er mir fast schon wie eine männliche Domina vor, so bestimmt trat er auf, fehlte nur noch die Peitsche
Das dachte ich auch die ganze Zeit, aber dass der Kollege da eigentlich schon Zwang ausübt, macht die Geschichte gerade interessant. Der Protagonist wird zu etwas gezwungen, was er eigentlich nicht will. Oder eigentlich doch, sonst hätte er sich gar nicht erst drauf eingelassen. Er begibt sich auf Entdeckungsreise zu seinen versteckten Neigungen.

Gut beschrieben.

LG SilberneDelfine
 



 
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