Das Gemälde

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Josi

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Das Gemälde

Meine liebe Schwester Amelie,

ich weiß, du kannst dich nicht mehr an jenen Winter im Herrenhaus der Familie Eden erinnern. Ich bin daher zu deinem Gedächtnis geworden.
Wir waren jung an Jahren und zwei recht wilde Kinder.
Unsere Eltern gaben uns gern in den Ferien zu Verwandte und Freunde.
An diesem besonderen kristallklaren sehr kalten Novembertag konnten wir nicht vor die Tür gehen. Der Frost würde in unsere Kleider kriechen da konnten auch die von Mama gestrickten Fäustlinge uns nicht schützen.
Wir stöberten durch das alte Haus. Viele der Räume wurden nicht genutzt, da das Heizen zu aufwändig und auch zu teuer war. Die Möbel wurden mit weißen Leinen überzogen und sahen aus wie dicke Gespenster. Ich war ein rechter Hasenfuß und hatte Angst.
Du warst schon immer mutig wie ein Bub was ich bewunderte, aber schließlich warst du auch einige Jahre älter als ich.
Wir schlichen uns immer tiefer in das alte Gemäuer und die Nacht kam schneller als erwartet.
Deine kleine Hand umschloss fest meine Hand. So wurde die Angst kleiner.
Manchmal sahen wir eine Maus die sich vor uns erschrak und das Weite suchte. Spinnen webten sich über die Wände und bald trugen unsere Haare ihre Netze. Das störte uns nicht.
Wir entzündeten eine Kerze um der Dunkelheit Schatten zu schenken.
Dann betraten wir das Zimmer.
Es war wunderschön und roch nach Veilchen. Ein Feuer knisterte im Kamin und wärmte unsere kleinen Körper. Leise erklang ein Musikstück von Chopin.
Der Raum war sauber und gemütlich eingerichtet. Zwei weinrote Ohrensessel standen vor dem Kamin. Über dem Kamin hing das Ölgemälde eines Mannes mit Augen die mich zu verfolgen schienen. Diese Augen. Sie leuchtete in einem dunklen, intensiven meeresgrün. Seine Haare lockten sich schwarz um sein freundliches Gesicht. Der Mund zauberte Grübchen in seine Wangen.
Ich war hingerissen und ließ deine Hand los. Meine Fingerspitzen berührten das Bild.
Ich fühlte Wärme. Wirklich Amelie.
Der Deckenlüster tauchte den Raum in ein warmes Licht und die Spinnennetze in unseren Haaren leuchteten wie Diamanten.
Ich spürte Liebe, ganz viel Liebe in mir. Die Uhr an der Wand tickte, aber die Zeiger bewegten sich nicht. Stand die Zeit still, oder wo waren wir? Waren wir in einer Zeit zwischen den Stunden?
Ich weiß nicht was da geschah in dieser Nacht im November. In dieser so frostigen, so kristallklaren Nacht.
Du hast mich angesehen. Nie das Bild, das ich noch immer berührte.
Das Bild. Ich nahm es an mich. In meine Arme. Und Amelie ich habe es nie wieder losgelassen. Natürlich mit den Händen aber nicht mit meiner Seele, meinen Gefühlen und meiner Liebe.
So hängt es noch heute bei mir in einem Zimmer das nur ich betrete.
Du kennst diesen Raum nicht. Selbst mit dir wollte ich nicht teilen.
Jedes Jahr im November kommt er zu mir und wärmt mein Leben. Ja, Amelie der Mann auf dem Bild. Er ist dann da aus Fleisch und Blut. Richtig und wirklich.
Als wir noch Kinder waren kam er heimlich in mein Zimmer wenn du und auch unsere Eltern geschlafen haben. Er erzählte mir aus seinem Leben, von seinen Reisen und von Menschen die längst vergessen waren. Er las mir fremde Geschichten vor, oder er tröstete mich wenn ich Kummer hatte.
Als ich erwachsen war, wurde er zu meinem Mann. Darum, meine liebe Schwester habe ich nie geheiratet, denn ich habe einen Mann. Ich bin glücklicher als du auch nur ahnen kannst. Er bleibt immer nur bis zum 2. Advent, dann muss er zurück, sagt er. Wohin? Fragte ich ihn, doch er lächelt nur und geht. Seit 72 Jahren sehen wir uns jeden November, lieben uns, fühlen uns, bis er geht.
Bevor er im letzten Advent von mir ging streichelte er meine Wange und sagte, dass ich nur noch bis Mai auf ihn warten brauche, dann würde er mich zu sich holen.
Liebe Amelie, ist das nicht schön? Er wird bald kommen.
Meine Finger berühren das Gemälde und sie werden warm.
Amelie mein Leben war so erfüllt und ich spüre das Glück ihn bald zu sehen!

In Liebe

Deine Schwester Charlotta


Amelie hielt den Brief in ihren Händen. Sie hatte ihn auf dem Nachtisch ihrer Schwester gefunden, Charlotta hatte ihn nicht mehr abschicken können.
Sie weinte. Es war zu spät. Sie war zu spät gekommen. Charlotta war tot.
Amelie las den Brief ein zweites Mal, dann stand sie mühsam auf um nach dem Zimmer zu suchen.
Es dauerte nicht lange und sie fand den kleinen Raum.
Sie sah das Gemälde sofort und erstarrte. Auf dem Bild war jener schöne Mann mit den unglaublich grünen Augen zu sehen und er hielt in seinen Armen Charlotta.
Und Amelie berührte das Bild und ihre Finger wurden warm.
 

flammarion

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bei

einer so schönen Geschichte lohnt eine Überarbeitung:

Das Gemälde
Veröffentlicht von Josi am 06. 03. 2010 16:21
Das Gemälde

Meine liebe Schwester Amelie,

ich weiß, [red] du [/red] (Du) kannst [red] dich [/red] (Dich) nicht mehr an jenen Winter im Herrenhaus der Familie Eden erinnern. Ich bin daher zu [red] deinem [/red] (Deinem) Gedächtnis geworden.
Wir waren jung an Jahren und zwei recht wilde Kinder.
Unsere Eltern gaben uns gern in den Ferien zu Verwandte und Freunde.
An diesem besonderen kristallklaren sehr kalten Novembertag konnten wir nicht vor die Tür gehen. Der Frost würde in unsere Kleider kriechen[blue] (Komma) [/blue] da konnten auch die von Mama gestrickten Fäustlinge uns nicht schützen.
Wir stöberten durch das alte Haus. Viele der Räume wurden nicht genutzt, da das Heizen zu aufwändig und auch zu teuer war. Die Möbel wurden mit [red] weißen [/red] (weißem) Leinen überzogen und sahen aus wie dicke Gespenster. Ich war ein rechter Hasenfuß und hatte Angst.
Du warst schon immer mutig wie ein Bub[blue] (Komma) [/blue] was ich bewunderte, aber schließlich warst du auch einige Jahre älter als ich.
Wir schlichen uns immer tiefer in das alte Gemäuer und die Nacht kam schneller als erwartet.
Deine kleine Hand umschloss fest meine Hand. So wurde die Angst kleiner.
Manchmal sahen wir eine Maus[blue] (Komma) [/blue] die [blue] sich [/blue] (überflüssig) vor uns erschrak und das Weite suchte. Spinnen webten [blue] sich [/blue] (überflüssig) über die Wände und bald trugen unsere Haare ihre Netze. Das störte uns nicht.
Wir entzündeten eine Kerze[blue] (Komma) [/blue] um der Dunkelheit Schatten zu schenken.
Dann betraten wir das Zimmer.
Es war wunderschön und roch nach Veilchen. Ein Feuer knisterte im Kamin und wärmte unsere kleinen Körper. Leise erklang ein Musikstück von Chopin.
Der Raum war sauber und gemütlich eingerichtet. Zwei weinrote Ohrensessel standen vor dem Kamin. Über dem Kamin hing das Ölgemälde eines Mannes mit Augen[blue] (Komma) [/blue] die mich zu verfolgen schienen. Diese Augen. Sie leuchtete in einem dunklen, intensiven meeresgrün. Seine Haare lockten sich schwarz um sein freundliches Gesicht. Der Mund zauberte Grübchen in seine Wangen.
Ich war hingerissen und ließ deine Hand los. Meine Fingerspitzen berührten das Bild.
Ich fühlte Wärme. Wirklich[blue] (Komma) [/blue] Amelie.
Der Deckenlüster tauchte den Raum in ein warmes Licht und die Spinnennetze in unseren Haaren leuchteten wie Diamanten.
Ich spürte Liebe, ganz viel Liebe in mir. Die Uhr an der Wand tickte, aber die Zeiger bewegten sich nicht. Stand die Zeit still, oder wo waren wir? Waren wir in einer Zeit zwischen den Stunden?
Ich weiß nicht[blue] (Komma) [/blue] was da geschah in dieser Nacht im November. In dieser so frostigen, so kristallklaren Nacht.
Du hast mich angesehen. Nie das Bild, das ich noch immer berührte.
Das Bild. Ich nahm es an mich. In meine Arme. Und Amelie[blue] (Komma) [/blue] ich habe es nie wieder losgelassen. Natürlich mit den Händen[blue] (Komma) [/blue] aber nicht mit meiner Seele, meinen Gefühlen und meiner Liebe.
So hängt es noch heute bei mir in einem Zimmer[blue] (Komma) [/blue] das nur ich betrete.
Du kennst diesen Raum nicht. Selbst mit dir wollte ich nicht teilen.
Jedes Jahr im November kommt er zu mir und wärmt mein Leben. Ja, Amelie[blue] (Komma) [/blue] der Mann auf dem Bild. Er ist dann da aus Fleisch und Blut. Richtig und wirklich.
Als wir noch Kinder waren[blue] (Komma) [/blue] kam er heimlich in mein Zimmer[blue] (Komma) [/blue] wenn du und auch unsere Eltern geschlafen haben. Er erzählte mir aus seinem Leben, von seinen Reisen und von Menschen[blue] (Komma) [/blue] die längst vergessen waren. Er las mir fremde Geschichten vor, oder er tröstete mich[blue] (Komma) [/blue] wenn ich Kummer hatte.
Als ich erwachsen war, wurde er zu meinem Mann. Darum, meine liebe Schwester[blue] (Komma) [/blue] habe ich nie geheiratet, denn ich habe einen Mann. Ich bin glücklicher als du auch nur ahnen kannst. Er bleibt immer nur bis zum 2. Advent, dann muss er zurück, sagt er. Wohin? Fragte ich ihn, doch er lächelt nur und geht. Seit 72 Jahren sehen wir uns jeden November, lieben uns, fühlen uns, bis er geht.
Bevor er im letzten Advent von mir ging[blue] (Komma) [/blue] streichelte er meine Wange und sagte, dass ich nur noch bis Mai auf ihn warten brauche, dann würde er mich zu sich holen.
Liebe Amelie, ist das nicht schön? Er wird bald kommen.
Meine Finger berühren das Gemälde und sie werden warm.
Amelie[blue] (Komma) [/blue] mein Leben war so erfüllt und ich spüre das Glück[blue] (Komma) [/blue] ihn bald zu sehen!

In Liebe

Deine Schwester Charlotta


Amelie hielt den Brief in ihren Händen. Sie hatte ihn auf dem [red] Nachtisch [/red] (Nachttisch) ihrer Schwester gefunden, Charlotta hatte ihn nicht mehr abschicken können.
Sie weinte. Es war zu spät. Sie war zu spät gekommen. Charlotta war tot.
Amelie las den Brief ein zweites Mal, dann stand sie mühsam auf[blue] (Komma) [/blue] um nach dem Zimmer zu suchen.
Es dauerte nicht lange und sie fand den kleinen Raum.
Sie sah das Gemälde sofort und erstarrte. Auf dem Bild war jener schöne Mann mit den unglaublich grünen Augen zu sehen und er hielt in seinen Armen Charlotta.
Und Amelie berührte das Bild und ihre Finger wurden warm.
 

Josi

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Das Gemälde

Meine liebe Schwester Amelie,

ich weiß, du kannst dich nicht mehr an jenen Winter im Herrenhaus der Familie Eden erinnern. Ich bin daher zu deinem Gedächtnis geworden.
Wir waren jung an Jahren und zwei recht wilde Kinder.
Unsere Eltern gaben uns gern in den Ferien zu Verwandte und Freunde.
An diesem besonderen, kristallklaren sehr kalten Novembertag konnten wir nicht vor die Tür gehen. Der Frost würde in unsere Kleider kriechen, da konnten auch die von Mama gestrickten Fäustlinge uns nicht schützen.
Wir stöberten durch das alte Haus. Viele der Räume wurden nicht genutzt, da das Heizen zu aufwändig und auch zu teuer war. Die Möbel wurden mit weißem Leinen überzogen und sahen aus wie dicke Gespenster. Ich war ein rechter Hasenfuß und hatte Angst.
Du warst schon immer mutig wie ein Bub, was ich bewunderte, aber schließlich warst du auch einige Jahre älter als ich.
Wir schlichen uns immer tiefer in das alte Gemäuer und die Nacht kam schneller als erwartet.
Deine kleine Hand umschloss fest meine Hand. So wurde die Angst kleiner.
Manchmal sahen wir eine Maus die sich erschrak und das Weite suchte. Spinnen webten sich über die Wände und bald trugen unsere Haare ihre Netze. Das störte uns nicht.
Wir entzündeten eine Kerze, um der Dunkelheit Schatten zu schenken.
Dann betraten wir das Zimmer.
Es war wunderschön und roch nach Veilchen. Ein Feuer knisterte im Kamin und wärmte unsere kleinen Körper. Leise erklang ein Musikstück von Chopin.
Der Raum war sauber und gemütlich eingerichtet. Zwei weinrote Ohrensessel standen vor dem Kamin. Über dem Kamin hing das Ölgemälde eines Mannes mit Augen die mich zu verfolgen schienen. Diese Augen. Sie leuchtete in einem dunklen, intensiven meeresgrün. Seine Haare lockten sich schwarz um sein freundliches Gesicht. Der Mund zauberte Grübchen in seine Wangen.
Ich war hingerissen und ließ deine Hand los. Meine Fingerspitzen berührten das Bild.
Ich fühlte Wärme. Wirklich Amelie.
Der Deckenlüster tauchte den Raum in ein warmes Licht und die Spinnennetze in unseren Haaren, leuchteten wie Diamanten.
Ich spürte Liebe, ganz viel Liebe in mir. Die Uhr an der Wand tickte, aber die Zeiger bewegten sich nicht. Stand die Zeit still, oder wo waren wir? Waren wir in einer Zeit zwischen den Stunden?
Ich weiß nicht, was da geschah in dieser Nacht im November. In dieser so frostigen, so kristallklaren Nacht.
Du hast mich angesehen. Nie das Bild, das ich noch immer berührte.
Das Bild. Ich nahm es an mich. In meine Arme. Und Amelie ich habe es nie wieder losgelassen. Natürlich mit den Händen aber nicht mit meiner Seele, meinen Gefühlen und meiner Liebe.
So hängt es noch heute bei mir in einem Zimmer, das nur ich betrete.
Du kennst diesen Raum nicht. Selbst mit dir wollte ich nicht teilen.
Jedes Jahr im November kommt er zu mir und wärmt mein Leben. Ja, Amelie der Mann auf dem Bild. Er ist dann da aus Fleisch und Blut. Richtig und wirklich.
Als wir noch Kinder waren kam er heimlich in mein Zimmer wenn du und auch unsere Eltern geschlafen haben. Er erzählte mir aus seinem Leben, von seinen Reisen und von Menschen die längst vergessen waren. Er las mir fremde Geschichten vor, oder er tröstete mich wenn ich Kummer hatte.
Als ich erwachsen war, wurde er zu meinem Mann. Darum, meine liebe Schwester habe ich nie geheiratet, denn ich habe einen Mann. Ich bin glücklicher als du auch nur ahnen kannst. Er bleibt immer nur bis zum 2. Advent, dann muss er zurück, sagt er. Wohin? Fragte ich ihn, doch er lächelt nur und geht. Seit 72 Jahren sehen wir uns jeden November, lieben uns, fühlen uns, bis er mich wieder verlässt.
Bevor er im letzten Advent von mir ging, streichelte er meine Wange und sagte, dass ich nur noch bis Mai auf ihn warten brauche, dann würde er mich zu sich holen.
Liebe Amelie, ist das nicht schön? Er wird bald kommen.
Meine Finger berühren das Gemälde und sie werden warm.
Amelie mein Leben war so erfüllt und ich spüre das Glück ihn bald zu sehen!

In Liebe

Deine Schwester Charlotta


Amelie hielt den Brief in ihren Händen. Sie hatte ihn auf dem Nachttisch ihrer Schwester gefunden, Charlotta hatte ihn nicht mehr abschicken können.
Sie weinte. Es war zu spät. Sie war zu spät gekommen. Charlotta war tot.
Amelie las den Brief ein zweites Mal, dann stand sie mühsam auf, um nach dem Zimmer zu suchen.
Es dauerte nicht lange und sie fand den kleinen Raum.
Sie sah das Gemälde sofort und erstarrte. Auf dem Bild war jener schöne Mann mit den unglaublich grünen Augen zu sehen und er hielt in seinen Armen Charlotta.
Und Amelie berührte das Bild und ihre Finger wurden warm.
 



 
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