Das Geschöpf der Sennen (gelöscht)

Hallo Markus,

die Geschichte hat mich nicht wirklich überzeugt, auch wenn sie nah dran ist, eine gute gruselige Sagenhorrorgeschichte zu werden. Das liegt schon daran, dass der Plot alles mitbringt, was man sich als Leser wünscht. Ich glaube aber, dass du des öfteren zu stark ins Klischee abrutschst. Die Geschichte bekommt einen ironischen Charakter, von dem ich glaube, dass er ihr nicht gut tut.
Es ist kalt und einsam, oben auf dem Berg - und nicht lustig, wenn du verstehst, was ich meine. Mir fallen zunächst solche Begriffe wie "Rauschebart" und "flugs hinter die Binde kippen" ein. Da kommt bei mir als Leser keine Freude auf.
Ein Kollege von mir hat mal gesagt, die Sprache muss zum Inhalt passen. So kann man z.B. nicht aus einer Vergewaltigung einen Schwank machen. Das ist natürlich keine allgemein gültige Wahrheit, aber es steckt Wahrheit drin.
Also hab ich mal versucht, deinen Text der Worte zu entledigen, deretwegen er für mich uneindeutig und deshalb auch nicht rund wird.




DAS GESCHÖPF DER SENNEN



Laut fluchend schmiss Sepp seine Jasskarten auf den Tisch und blickte Fritz zornig an. Zum dritten Mal in Folge hatte er das Spiel verloren. Um sich zu trösten schenkte er sich noch einen Kirsch ein, während der Föhnwind mit einem Seufzen um die Sennhütte auf der Grünbodenalp strich und im Gebälk wühlte. [blue](Das ist stark! im Gebälk wühlen)[/blue]
Fritz lachte, zeigte seine schlechten Zähne, reckte und streckte sich auf dem Hocker. Er sagte: „Mach nicht so einen Grind und sauf nicht alles allein.“ Er hielt dem Verlierer sein Glas hin und es wurde ebenfalls bis zum Rand mit Branntwein gefüllt. Die stämmigen Schweizer Sennen – jeder in einem kragenlosen blauen Hemd mit Edelweißverzierungen – hoben die Gläser an ihre Münder, nickten sich zu und kippten [strike]sich[/strike] den Kirsch [strike]flugs hinter die Binde[/strike][blue]hinunter[/blue]. Fritz leckte sich die Lippen, knallte das Glas auf den Tisch und brummte: „Ist schon verdammt einsam hier oben auf der Alp. Wenn nur ein Weibsbild hier wäre … “
Nun lachte Sepp und strich sich mit den klobigen Fingern behäbig über den Rauschebart.[blue](Das "nun" stört irgendwie, der Rauschebart noch mehr. Schreib: Die beiden Sennen sahen sich mit finsteren Augen an und brachen in schallendes Gelächter aus.)[/blue] „Welche Frau gibt sich schon mit zwei Käuzen wie uns ab!“[blue](, grölte Sepp und rieb sich den schmutzigen Vollbart.)[/blue]
Fritz zuckte die Achseln. „Eine Schweizerin ganz sicher nicht. Und wenn doch, würde sie uns bestimmt nur herumkommandieren.“
„Und wir müssten uns ihretwegen täglich waschen.“ Sepp kratzte sich am Stiernacken, stand schwerfällig auf und holte aus der primitiv eingerichteten kleinen Küche zwei Messer, einen halben Laib Brot und ein Stück Käse. Sie stopften das Essen in ihre Mäuler und [strike]sprachen weiter dem Alkohol zu[/strike] [blue](hoben die Gläser abermals)[/blue].
„Weißt, Sepp, man müsste sich halt selbst ein Weib machen können.“
Fritz grinste blöde,[blue](ich weiß nicht, hier sehe ich ihn einfach nicht blöd grinsen. Ich sehe eher, wie er ins Leere schaut, die Hand auf dem Kinn, verstehste? Dann zwirberlt er natürlich auch nichts, sondern nickt nur)[/blue] zwirbelte am Schnurrbart und nickte. „Eine, die uns die Suppe kocht, die putzt und mit ins Bett kommt.“
„Und die man schlagen kann, wenn sie nicht nach unserer Pfeife tanzt.“
Sie lachten derb und klopften sich vor lauter Vergnügen auf die Schenkel, verstiegen sich weiter in ihre Phantasien und ergötzten sich an ihnen, wobei sie die Flasche mit dem Kirschwasser nach und nach leerten.
„Wir können uns ja eine zusammenbasteln“, schlug Sepp vor.
„Wie denn?“ Fritz runzelte die dichtbuschigen Brauen[blue](siehst du, hier ist kein Klischee, sondern eine starke Beschreibung)[/blue], schob die Unterlippe vor und stierte den anderen an.
„Aus Kleidern und Lumpen und was weiß ich … “ Er vollführte eine kantige Handgeste.
Alsbald[blue](Also)[/blue] machten sie sich ans Werk. Sepp brachte eine verlöcherte Hose und ein Sennenhemd herbei, beides wurde mit allerlei Sachen ausgestopft. Fritz nähte die beiden Teile zu einem Rumpf zusammen, den er aufrecht in ein Paar Bergschuhe steckte und an die Wand lehnte. An die Enden der Hemdsärmel kam noch je ein mit Zeitungspapier gefüllter Handschuh dran, und zuoberst ein aus zusammengebundenen Lumpen geformter Kopf mit einem Stück Fell als Haar. Mit schwarzer Schuhwichse malte Fritz schließlich ein Gesicht drauf und trat dann einen Schritt zurück. Die Sennen kniffen die Augen zusammen und betrachteten eine Weile stumm ihr Geschöpf. [strike]Sepp stemmte eine Faust in die Hüfte, wackelte mit dem Kopf und meinte:[/strike] „Nicht gerade eine Schönheit.“, [blue]meinte Sepp schließlich und stemmte eine Faust in die Hüfte.[/blue]
„Und leben tut sie auch nicht.“
„Wir müssen sie halt füttern und mit ihr reden.“
Fritz nahm ein Stück Brot und hielt es der Puppe an die aufgemalten Lippen. „Da friss!“
Sepp zog ihn weg und benetzte den Puppenmund mit Kirsch. „Nein sauf!“
Dann setzten sich die Männer wieder lachend an den rohen Bauerntisch und [strike]zechten ausgelassen weiter[/strike][blue](gossen sich abermals von dem Kirsch ein)[/blue]. „Schau nur diese Vogelscheuche!“, rief Fritz, woraufhin er schwankend aufstand, die Puppe in die Arme nahm und tapsig und ungelenk mit ihr im Kreis tanzte.
[strike]„Dem Teufel … “, grölte Sepp und hob seine Handorgel auf und fing an, entsetzlich schlecht darauf zu spielen. „Dem Teufel will ich meine Seele zum Lohn geben, wenn er sie uns lebendig macht.“
„Und meine dazu“, gab Fritz zurück und juchzte laut hinaus. Seine Augen glänzten vom Kirsch.[/strike][blue](Das ist zuviel, schließlich kommt der Teufel in der Geschichte nie wieder vor. Ist doch mal wieder ein Klischee, dass Leute in einer Geschichte ihre Seele andauernd dem Teufel verpfänden müßten.)[/blue] Er küsste die Puppe auf den Mund und stellte sie dann in eine Ecke. Nach einer Weile sagte Sepp: „Komm, wir geben ihr einen Namen. Hast du eine Idee?“ Er deponierte das Musikinstrument auf dem Boden aus festgestampftem Lehm.
Fritz überlegte hin und her. „Annekäthi“, sagte er endlich und ließ einen Wind fahren.[blue](das ist gut, solche seltenen Begriffe könnten mehr in der Geschichte sein)[/blue] Gähnend rollte er den Militärschlafsack aus, zog die Bergschuhe aus und kroch gleich darauf in den Sack.
„Schöner Name. Meine älteste Schwester heißt so.“ Sepp drehte die Petrollampe ab und schlüpfte neben Fritz in seinen Schlafsack, der vor Schmutz nur so strotzte. [strike]Wenig später ließ ihr Schnarchen fast die Hüttenwände erzittern.[/strike] [blue](Ok, ich weiß, dass das gesollt ist. Aber die Sätze "Schöner Name. Meine Schwester..." sind so schwach, dass du vermutlich keine andere Chance hattest, als hier einen Schenkelklopfer zu bringen. Du könntest schreiben: "Schöner Name. Meine Schwester hieß so. Aber ich hab sie tot gehaun, als sie zwölf wurde." Sepp drehte die Petrollampe ab und schlüpfte neben Fritz, der müde brummte, in seinen Schlafsack.
Als die beiden Sennen schliefen,[/blue] [blue]brach[/blue] Im Stall nebenan [strike]brach[/strike] eine Kuh zusammen und hauchte ihre Seele aus; das Stöhnen der sterbenden Kreatur ging nahtlos in das Stöhnen des Windes über. Es knackte über den beiden Almhirten im Gebälk[blue],[/blue] von dem Spinnweben herabhingen, aber die Männer schliefen tief und fest, bekamen von all dem nichts mit. Als es in der Hütte mit einem Mal bitterkalt wurde, schlug die Puppe die Augen auf [strike]und öffnete leicht den Mund.[/strike][blue](weiß nicht, denke es ist gruselig genug, dass sie die Augen aufschlägt)[/blue]



So, ich hoffe, du verstehst, was ich meine. Für meinen Geschmack ist es auch zuviel, dass das Annekäthi reden kann. So eine stumme Puppe, die alles tut, was man sagt und einen immer nur durch ihre offenen, aufgemalten Augen betrachtet, finde ich viel gruseliger. Ich denke da an das Auge von Hal9000, das so wunderbar stumm leuchten konnte, während es Dave und ich weiß nicht mehr in der Raumkapsel lippenlesebelauscht hat. Auch der Schluss könnte für meinen Geschmack noch realistischer und brutaler geschildert werden.

Aber wie immer hätte ich mich mit der Geschichte nicht so intensiv auseinandergesetzt, wenn sie mir nicht gefallen würde. Mir fehlt eben nur eine Sprache, die zum Genre passt. So, wie sie jetzt ist, scheint sie mir so ein halb/halb zu sein. Aber das Thema hatten wir ja schonmal.

Hoffe, meine Anmerkungen sind dir eine Alternative, oder wenigstens interessantes Parralleluniversum.

Mit freundl. Grüssen,
Marcus
 

Markus Saxer

Mitglied
Vielen Dank, Marcus, für die Auseinandersetzung mit meiner Geschichte, die tolle Textarbeit und auch die Kritik. Ich werde einige deiner Ratschläge befolgen und die Story demnächst ein bisschen auf Vordermann bringen.
LG, Markus
 



 
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