Das Gespenst hat einen Namen

6.04 – noch eine halbe Stunde bis zum Aufstehen. Vor einer halben Stunde ist meine Tochter zu Bett gegangen. Ihre Gespenster fliehen, wenn das Leben erwacht.

Meine Tochter? Ein Wesen, uns vor langer Zeit anvertraut. Ein kleines Wunder, Zeugnis unbeschwerter Flitterwochen. Vom ersten Tag an strömte die Welt in die Tiefen ihres Augen-Blicks. Mit einem Mal wurden alle Dinge neu, Schöpfung pur. Kreise und Geist weiteten sich. Die Welt wurde bunter und drang mit Macht in die Ebenen ihrer Phantasie. Heller Trost und angstvolle Träume.

6.17 – gleich wird mein Wecker summen

Kindheit umsorgt – aber unbeschwert? Mir fehlt ein Fixpunkt für den Beginn der unglückseligen Entwicklung. Liegt er in ihr? Oder kam die Verwirrung durchs Außen? Eine Diskrepanz. Was hätte ich wissen sollen – müssen?

6.24 – der Wecker ... Werbeblock im Radio, die Gedanken sind woanders

Das Gespenst schlich sich am Ende ihrer Kindheit in unser Leben. Es sträubte sich gegen alle Vernunft. Ratlosigkeit wurde mit Wissen verstopft. Doch das Auge sieht schlecht auf das, was zu nah ist. Wann wird Dornröschen von ihrem bösen Traum erwachen?

6.30 – Nachrichten, die Worte dringen nicht ins Bewusstsein

Der Geist erhascht die Scherben eines Seins. Wer vermag die Teile zu ordnen? Ausgebreitet im Sonnenlicht werfen sie schreckende Muster, meist jedoch vom Dunkel verhüllt. Und die stummen Schreie der Verzweiflung dringen unter die Haut. Wieder und wieder.

6.40 – es ist wirklich Zeit

Niemand da, der hilft. Immer allein mit allem, verdrängt, vergessen – im Abseits. Doch als ich bereit war zu sehen, da sah ich. Und als ich bereit war zu wissen, da wusste ich. Die Splitter der Verzweiflung ergeben ein Ganzes – Borderline. Das zuviel und doch zuwenig, von allem. Ich bin auf dem Weg, irgendwohin.

6.47 – der neue Tag erwartet mich

... und meine Gedanken ...
 



 
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