Das Kind des Teufels

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joachim

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Überarbeitet: Das Kind des Teufels

Der Pakt mit dem Teufel

„Wenn das nur gut geht!“, lamentierte Jakob kleinmütig, kratzte mit schmutzigen Fingern sein unrasiertes Kinn und sah nach oben, wo der Doktor breitbeinig über ihm stand und die Laterne hielt. Wischte den Schweiß von der Stirn und blinzelte in das flackernde Licht, hinter dem er unscharf die dürre Gestalt seines Auftraggebers erkennen konnte.
„Jammerlappen!“, höhnte der Doktor, spuckte verächtlich aus und kickte einen Klumpen Erde in Jakobs Richtung. „Mach dir nicht die Hosen voll. Hattest doch sonst nie Angst, ein Grab zu öffnen. Warum heute?“
„Weil ... weil ...“ stotterte Jakob, „weil man doch sagt, dass ein Fluch auf ihm liegt!“
„Pah, Fluch!“, lästerte der Doktor und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Eitel Weibergeschwätz!“ Und spuckte erneut aus.
Fröstelnd zog Jakob den Kopf auf die Schultern. Ihm war nicht geheuer zumute. Mit zitternden Fingern umklammerte er die Schaufel und sah sich verstohlen um. Eben trat der Mond hinter Wolken hervor und beschien silbrigfahl die Nebelfetzen, die wie Elfenschleier über den Gräbern waberten. In der Ferne jaulten Hunde und von der knorrigen Weide hinter der Friedhofsmauer betrachtete ein Kauz mit großen Augen regungslos die Szene.
„Muss ich dir Beine machen?“, unterbrach der Doktor mürrisch Jakobs vorsichtige Umschau. „Hab keine Lust, mir die Füße in den Bauch zu stehen. Grab weiter, Faulpelz!“
Zähneknirschnd ergab sich der. Verfluchte sich und den Doktor für ihr schändliches Tun. Doch, was anderes blieb ihm übrig in seiner misslichen Lage? Alt und arm hatte er keine andere Wahl, als mit dererlei Tätigkeit sein bescheidenes Einkommen aufzubessern. Seufzend schlug er ein Kreuz, setzte die Schaufel an und stieß sie in die feuchte Erde.
Auch wusste er, was der Doktor mit den Leichen tat. Denn obwohl man schon das Jahr Vierzehnhundertachtundneunzig schrieb und allgemein bekannt war, dass man die Leichen von Adligen kochte und entfleischte, um ihre schneeweißen Knochen hernach in kostbare Gefäße oder Truhen zu legen, war das Sezieren von Leichen zu Forschungszwecken noch immer verboten.
Doch heute handelte es sich um ein Kind. Das uneheliche einer Dirne zwar, dennoch graute ihm davor, ein Kindergrab zu schänden.
Jakob fuhr zusammen. Ganz in der Nähe zerriss das Liebesfauchen eines Katzenpärchens die Stille und jagte ihm eiskalte Schauer über den Rücken. Mit einem wütenden Fluch warf der Doktor einen Klumpen Erde in ihre Richtung. „Halt keine Maulaffen feil!“, herrschte er dann Jakob an und wischte sich die Hände am Mantel ab.
Widerwillig grub Jakob weiter. Schweiß rann ihm den Nacken hinab, als er daran dachte, was man sich hinter vorgehaltener Hand über die Herkunft des Kindes erzählte. Der Teufel habe es gezeugt, flüsterte man sich zu. Seine Mutter Alina – Gott hab sie selig! – sei in der Walpurgisnacht, als sie von einem Schäferstündchen nach Hause eilte, unter die Hexen geraten und von diesen verschleppt worden, als sie auf Besen und Mistgabeln zum Hexensabbat ritten. Luzifer persönlich habe die Hexen begrüßt und die ihm den Pferdefuß geküsst. Dann habe er sich die schönste Hexe ausgesucht, um, wie es der Brauch will, Hochzeit mit ihr zu halten, und seine Wahl sei auf Alina gefallen. Am Morgen dann hatte man sie mit aufgewühlten Kleidern und geschändet am Waldesrand gefunden, den frischen Abdruck eines Pferdehufes neben sich.
Man hatte sie zu einer weisen Frau gebracht, einer Engelmacherin, doch der war es nicht gelungen, ihr das Kind zu nehmen. Neun Monate hatte sie auf einem Strohsack liegend bei ihr zugebracht. Und als das Kind dann tot geboren war, hatte der Teufel Alina zu sich geholt.
Grad schlug es Viertel vor Zwölf vom Dorf herüber und Jakob beeilte sich mit Graben. Wenn er schon nicht umhin kam, mit solch verwerflicher Arbeit sein karges Auskommen aufzubessern, so wollte er doch nicht auch noch mit den Geistern aneinander geraten, wenn sie nach Mitternacht auf den Gräbern tanzten.
Seither ging im Dorf das Gerücht, eines Tages werde der Teufel wiederkommen und das Kind zu sich und seinem Hexenweibe holen.
Um dies zu vereiteln hatte man es gegen den Willen der Kirche auf dem Gottesacker begraben. Dorthin, so dachte man, würde er sich bestimmt nicht trauen. Doch hatte man es weit weg von den getauften Christenmenschen beerdigt, im entferntesten Winkel, gleich neben der Mauer.
Und dort nun grub Jakob, angetrieben vom ruchlosen Doktor, und beide ahnten nicht das Verhängnis, das unausweichlich auf sie zueilte.

Hart stieß die Schaufel auf Widerstand. Dumpf hallte es und hohl, als Jakob die Erde vom Sarge kratzte, und im gleichen Augenblick schlug in der Ferne die Turmuhr Mitternacht. Wolkenfetzen jagten über den Mond, und Lichter und Schatten huschten in raschem Wechsel über die bleichen Gesichter der Männer.
Plötzlich fühlte Jakob den Boden sich bewegen. Erschrocken starrte er nach unten und sah im Flackern der Laterne, wie sich der schlammverschmierte Deckel des Sarges zu heben begann. Die Nägel knirschten quietschend, als sie aus dem Holz gezogen wurden, und eine gewaltige Hitze und ein ekelerregender Gestank breiteten sich aus und machten ihm das Atmen schwer.
Mit einem Aufschrei warf er die Schaufel von sich und wollte aus der Grube springen. Vergebens. Dunkle Kräfte hielten ihn gefangen und ließen nicht mehr los.
„Doktor, Doktor, helft mir!“, schrie er in seiner Not und warf ihm verzweifelt die Arme entgegen.
„Warte“, rief der, ließ die Laterne fallen und griff zu. Umklammerte seine Arme und zog mit Macht an dem armen Jakob, zog, dass ihm die Adern schwollen, stemmte sich gegen die Erde und presste die Kiefer aufeinander, dass die Zähne knirschten. Doch, statt den anderen heraufzuziehen, rutschte er selbst noch tiefer ins Grab hinein.
„Hilf mit!“, schrie der Doktor, „alleine schaff ich dich nicht!“
„Kann nicht!“, brüllte Jakob, „‘s zieht mich nach unten!“
Entsetzten trat in ihre Augen, als nun Gewürm aus dem Erdreich hervorquoll, fingerdick und schleimig und glänzend und grün. Erst wenige, dann immer mehr der abscheulichen Satansbrut pressten sich aus der feuchten Erde. Blutige Saugnäpfe suchten gierig ihr Opfer; fanden Jakob; rissen an seinen Beinkleidern und saugten sich schmatzend am nackten Fleisch seiner Waden fest.
Jakob strampelte, schrie: „Weg! Weg! Weg!“ Und: „Oh mein Gott, so hilf mir doch!“, und schlug auf das Viehzeug ein. Vergebens: unaufhaltsam zog‘s ihn in die Tiefe.
Wild entschlossen, sich selbst zu retten, ließ der Doktor Jakob los und setzte zum Sprung an, um aus der Grube zu kommen.
Doch auch ihn hatte das schleimige Getier schon erreicht und hielt seine Beine fest umschlungen.
„Lasst los!“, brüllte er und versuchte zu entkommen. Sah die Schaufel, riss sie an sich und schlug auf die Würmer ein.
Und hatte Glück. Die scharfen Kanten zerschnitten die Leiber, trennten die Saugnäpfe von den Köpfen der Ungeheuer, und eitriger Schleim und ein Schwall schwarzroten Blutes ergoss sich in die Grube.
Sich auf die Schaufel stützen, auf Jakob springen und so aus der Grube sausen war eins – und der Doktor war draußen.
„Helft mir!“ rief Jakob voll Hoffnung, doch als er sah, wie der Doktor davonrannte, schrie er ihm nach: „Seid verflucht, Elender! Warum helft ihr mir nicht?“ Und: „Ewige Rache schwör ich euch!“, und schluchzte laut.
Da setzten Sturm und Gewitter ein und unter Blitz und Donner zerbarst der Sarg in tausend Fetzen. Es zischte und fauchte und polterte, glühende Brocken flogen umher – und plötzlich tat sich ein gähnender Abgrund auf.
Zitternd starrte Jakob in die Tiefe und was er sah, ließ ihm das Blut gefrieren: loderndes Feuer und umherschwirrende Leiber, soweit sein Auge reichte, blaue und grüne Dämonen mit gezackten Fratzengesichtern, und furchterregendes Heulen und tierisches Gekreische hallten empor. Es dampfte und kochte und waberte und brüllte und zischte so schrecklich durcheinander, dass ihm fast die Sinne schwanden.
„Oh Gott, oh mein Gott!“, heulte er und reckte die Arme Hilfe suchend gen Himmel, „warum nur, oh Gott, hast du mich verlassen?“
Da hob ein irre meckerndes Gelächter an, und umgeben von Katzen, Ziegen, Schlangen, Drachen und vielen anderen Arten von grausamen Tieren und Dämonen stieg die hässliche Gestalt des Gottseibeiuns höchstselbst aus der Tiefe, nackt, feuerrot, und den ganzen Körper mit zottigem Fell bedeckt. Hervorquellende Augen, eine breite Nase und wulstige Lippen bildeten seine abstoßende Fratze, über der zwei spitze Hörner thronten.
„Dies ist mein Reich!“, rief er hämisch und fuchtelte Jakob mit einem glühenden Dreizack vor dem Gesicht herum, „hier hilft dir kein Gott!“ Und, wie ihn zu unterstützen, setzte sein Gefolge zu einem lautstarken Krawall an und stieß die widerwärtigsten und abstoßendsten Worte und abscheulichsten Gotteslästerungen aus. Der Teufel aber tanzte im Kreise und peitschte die Luft mit seinem langen Schwanz.
Dann gebot er Ruhe, grinste und kam näher. „Mir scheint, dein Gott hat dich verlassen“, höhnte er, „ist es nicht so?“ Und, als Jakob betreten schwieg, rief er: „Willkommen im Reich der Verdammten!“
Sogleich hob ein vielstimmiges ohrenbetäubendes Gekreische an und die Dämonen reckten ihre Arme nach Jakob und zogen ihn nun vollends in den Abgrund.
„Wir waren just dabei, den Sabbat zu feiern, da bemerkten wir euer Tun“, fuhr der Höllenfürst nun fort. „Kreuzotter-und-Krötendonner-nochmal, sich mit dem Teufel anzulegen, um ihm das Kind zu rauben: das erfordert ein gerüttelt Maß an Mut!“ Anerkennend nickte er und wies auf eine reich gedeckte Tafel. Dort lagerten wilde Horden, gesichtslose Monster und jedes über und über mit blutenden und eiternden Geschwüren bedeckt.
Jakob würgte, als er sah, um welche Speisen sich die Ungeheuer balgten – grüne Schlangen und fette Kröten, Fledermäuse und Spinnen und Ratten, breitmäulige Muränen und Kraken mit langen Tentakeln; ein paar Gehängte, noch den Galgenstrick um den Hals, lagen umher; und es roch nach Aas und verbranntem Fleisch und Schwefel und Fäule – und er erbrach sich, bis er nichts als Galle spuckte.
„Aber“, fügte der Teufel feixend hinzu und pikste ihn mit seinem Dreizack, „es gelang dir nicht, mir den Sohn zu stehlen. Da, sieh, hier ist er“, und ging zu einer Gestalt, klein und dürr, mit ausgemergeltem Körper und eingefallenen Augen. Wirr stand ihr Haar vom Kopfe ab und Jakob erkannte Alina, die Hexe und Teufelsbraut, die ihr schreiendes Totgeborenes an vertrocknete Brüste drückte.
„Ich will, dass er so stark wird und mutig wie ich“, fuhr Luzifer nun fort, „also muss er Fleisch essen von mutigen Menschen. Da kommst du gerade recht!“ Hinterhältig grinste er und rieb sich die Hände.
Jakob riss die Augen auf. „Du meinst doch nicht ...? Nein, ich hab mich verhört!“
„Doch“, feixte der Antichrist und winkte ein paar Dämonen mit Messern herbei, „du hast recht gehört: mit dir als Speise wird mein Sohn deinen Mut erhalten. Schade nur, dass der andere entkam.“
Da witterte Jakob seine Chance. Vielleicht ließ sich der Teufel ja überlisten. Er schien doch nicht so schlau zu sein, wie alle Welt dachte. Konnte er ihn, wie David den Goliath, besiegen? Zumindest versuchen wollt er‘s. „Hör zu“, hob er an, „wenn dir wirklich am Doktor gelegen ist, so will ich dir helfen.“
Der Teufel, skeptisch, da jegliche Güte ihm ja fremd ist, fragte: „Du willst mir helfen? Du? Warum?“
„Nun“, antwortete Jakob, „ich bin ja sowieso verloren. Aber mit dem Doktor hab ich noch eine Rechnung offen. Also, warum nicht einen Pakt schließen?“
Rachsucht als Motiv gefällt dem Teufel. Doch misstrauisch forschte er: „Was verlangst du dafür?“
„Noch einen Tag auf Erden“, entgegnete Jakob mit treuem Augenaufschlag, „dann will ich dir den Doktor bringen und dein Sohn wird doppelten Mut bekommen.“
„Ha!“, lachte da der Höllenfürst, „das soll ich dir glauben?“
„Ich schwör‘s!“, hob Jakob die Rechte, „bei allem, was mir heilig ist!“
„Pah! Heilig! Das zieht bei mir nicht!“
„War ich nicht immer ehrlich?“
„Gewiss, ja. Doch, welches Pfand gibst du mir?“, fragte er hinterhältig.
„Meine Hand“, erwiderte Jakob.
Nun ist die Gier des Teufels nach Seelen größer als sein Verstand; aber noch schwankte er, zögerte – schaute Jakob zweifelnd an – aber schließlich überwog seine Gier und er schlug mit dem Dreizack die dargebotene Linke ab.
„Gut, den einen Tag will ich dir geben“, sagte er. Und warnte: „Doch wehe dir, du kommst nicht wieder!“

Sogleich fand sich Jakob, wie aus bösem Traum erwacht, in seinem Häuschen wieder. Der blutende Stumpf rief schmerzlich die Erinnerung wach. Er unterdrückte die Qual, versorgte die Wunde in Eile und machte sich an das, was jetzt getan werden musste.
Noch war der Tag nicht angebrochen, als er an die Pforte des Doktors klopfte. Der hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan, aus Furcht, der Leibhaftige könne doch noch kommen, ihn zu holen.
„Wer da?“, rief er hinter verriegelter Tür, bedacht, das Zittern seiner Stimme zu unterdrücken.
„Ich bin‘s, der Jakob!“, gab der zurück, „macht auf!“
Der Doktor aber, der dachte, der Inkubus höchstselbst stünde draußen, wollte ihm nicht glauben. „Weiche von mir, Satan!“, rief er, schlotternd vor Angst und schlug das Kreuz und begann zu beten.
Wieder hämmerte Jakob an die Tür. „Doch, glaubt mir, auch ich bin entkommen!“
„Dann beweise, dass du es bist!“, rief der Doktor und stimmte das Vaterunser an.
Da zog Jakob ein Kreuzchen aus der Tasche und schob es unter der Türe hindurch. „Glaubt ihr mir jetzt? Führt denn der Teufel ein Kreuz mit sich?“
Vorsichtig öffnete der Doktor die Pforte, und als er Jakob erkannte, begrüßte er ihn mit überschwänglicher Freude. „Sei mir willkommen. Tritt ein und erzähle, wie du entflohen bist.“
„Nun, ich habs gemacht wie ihr. Die Schaufel genommen und das Gewürm zerschlagen. Dabei, leider, riss es mir die Linke ab.“
Der Doktor, Bedauern heuchelnd, holte Verbandszeug herbei und versorgte fachmännisch den Stumpf.
„Doch dann, was glaubt ihr, fand ich in der Grube?“
„Was? Sprich!“
„Kaum war das Gewürm vertilgt, tat sich die Erde auf und vor mir lag ein Schatz aus Gold und Silber. Kelche und Schalen, reich verziert mit Edelstein, und Armschmuck und Gehänge aus purem Gold. Zu schwer, ihn alleine auszuheben. Zumal mit einer Hand.“
Des Doktors Augen glühten vor Begierde. „Und den, den willst du mit mir teilen?“
„Mit wem denn sonst?
„Obwohl ich dich im Stich ließ?“
„Nun, hätt ich‘s denn anders gemacht an eurer Stelle?“
„Und wenn ihn schon jemand gefunden hat?“
„Wohl kaum, hab ihn mit Zweigen zugedeckt.“
Da schätzte sich der Doktor überglücklich ob der Einfalt Jakobs und machte sich in freudiger Erwartung mit ihm auf zum Friedhof.

So kam es, dass die beiden sich erneut am Kindsgrab einfanden. Nichts war mehr zu sehen von dem Abgrund, der sich vor Jakob aufgetan und nichts mehr deutete auf das Unheil, das sich hier vor kurzem abgespielt hatte.
„Springt schon mal hinein“, forderte Jakob den Doktor auf, „ich will noch den Karren dort holen, zum Transport.“ Damit deutete er auf die Leichenkarre, die er vorhin, als er den Abgrund mit leichtem Geäst und Blättern und lockerer Erde tarnte, in der Nähe abgestellt hatte.
So wie der Teufel von der Gier nach Seelen, so war auch der Doktor geblendet vom Verlangen nach dem Schatz und dem Gold. Vergaß alle Vorsicht und Skepsis. Wie denn auch könnte der einfältige Alte, der noch nie einer Fliege etwas zu Leide getan hatte, ihm zur Gefahr werden?
Und er sprang mit dem Gedanken, dass er Jakob übers Ohr hauen und den ganzen Schatz an sich bringen würde, mit einem Jauchzer in die Grube.
Durchbrach das dünne Geäst, und vom Rand blickte Jakob in den Abgrund, der sich nun wieder auftat und den Doktor verschlang. Sah, wie der fiel und fiel, mit Armen und Beinen ruderte und fiel, und hörte seine schauerlichen Angstschreie, die immer leiser wurden. Und ein irres und furchterregendes Gelächter hallte aus der Tiefe empor und der Ruf des Teufels: „Jakob, jetzt ist‘s an dir!“
Da lachte der Jakob, und lachte und wollte garnicht mehr aufhören zu lachen. Und lachte den Teufel aus, der ihm voll Zorn die gemeinsten Verwünschungen entgegenschleuderte und Rache schwor.
Fast bis an den Rand der Grube schnellte er empor, haschte begierig nach Jakob, doch konnte er ihn nicht ergreifen, denn der stand ja auf geweihter Erde.

Schon dämmerte der Morgen und Hähne krähten zum Wecken, als Jakob, noch immer schmunzelnd, über die Schwelle seines Hauses trat.
Dort wartete der Leibhaftige bereits auf ihn, stieß zornig mit dem Pferdefuß auf und zischte: „Du dachtest doch wohl nicht im Ernst, dass du so einfach davonkommst!“
Da zuckte Jakob die Schulter, grinste schelmisch und erwiderte: „Ein Versuch war‘s doch wert, oder?“
 
Hallo Joachim,

nette, teilweise sehr spannende Geschichte. Allerdings erscheint mir einiges sehr konstruiert : Hans Hansens Beweggründe, wieso er dem Doktor hilft, kommen irgendwie nicht richtig rüber. Er hilft ihm wegen des Geldes, hat moralische Bedenken. Dieser Zwiespalt wird zwar erwähnt, aber eigentlich nicht richtig lebendig geschildert.
Und die Leichtigkeit, mit der der Doktor Hans Glauben schenkt ( am Schluß ) scheint mir viel guten Willen beim Leser vorauszusetzen.
Und zuletzt ist der Auftritt des Teufels nicht gerade furchterregendl, dieser wirkt eher wie eine Karrikatur.

So, hoffe, meine Anmerkungen helfen dir weiter.

Bis bald,
Michael
 
Hi Joachim,
eigentlich garnicht schlecht geschrieben, das Ganze mit den Würmern, dem gedeckten Tisch, etc.. Die Geschichte ist ist noch sehr stark dem Märchen verhaftet, deshalb auch dieser komische Schluss, wo der alte Mann nur gewinnt, weil er auf geweihtem Boden steht - dann aber geht er fröhlich lachend nach Hause, macht die Tür auf und noch bevor er über die Schwelle getreten ist, steht der Leibhaftige hinter ihm, knallt ihm die glühendheiße Pranke auf die Schulter und sagt:
"Du dachtest doch wohl nicht, daß das so einfach ist, oder?"
Und Hans dreht sich um, grinst schelmenhaft und antwortet:
"Naja, man kann es ja mal versuchen."

Also, die Idee mit dem Sohn fand ich wirklich gut. Und dass Satan versucht, an seinen Sohn heranzukommen, auch. ABER, eine Leiche wird nicht NUR auf geweihtem Boden zur Ruhe gebettet, sondern IN geweihtem Boden beerdigt. Also kann der Teufel sich nicht einfach von unten rangraben. Oder du erklärst, warum die beiden, der Doktor und Hans, den Boden mit irgendwas entweihen, damit der Teufel rankommt.
Die Sache mit dem Ernähren des Sohnes find ich auch klasse. Da könnte ich mir auch einiges vorstellen, wie Satan versucht, seinen Sohn, der ja in heiliger Erde gefangen ist, mit frischem Fleisch zu versorgen.

Aber das wär dann schon nicht mehr deine Geschichte.

Also, für die Einfachheit eines Märchens finde ich die Geschichte schon recht ok. Allerdings fehlt der Geschichte da noch jede Menge von moralischem Hintergrund, den Märchen gewöhnlich haben. Es ist so ein Zwischending, deine Geschichte. Aber keine Sorge, unterhaltsam war sie auf jeden Fall.

Gruss, Marcus
 

joachim

Mitglied
Hallo Marcus,

danke für deinen Kommentar. Find ich super, deine Auflösung. Hab sie gleich eingebaut. Danke.
Märchen ... ja, das Ganze ist als Märchen gedacht, so war die Aufgabenstellung. Und möglichst gruselig sollte es sein, hoffe, das ist mir gelungen.
Beste Grüße, Joachim
 
Na, Joachim,
jetzt polterst du aber etwas voreilig den Hang hinunter. Sicher ist die Idee nicht schlecht, sie passt aber eindeutig nicht zu der Geschichte. Dann müsstest du sie ganz anders aufziehen. Am Anfang ist dein Protagonist nämlich ein ängstlicher alter Knacker, zum Schluss jetzt ein hinterfotziger kleiner Tunichtgut. Entweder das eine oder das andere. Aber die Geschichte muss schon in sich stimmig sein.

Ok, worum geht es in deiner Geschichte? Jemand will den Teufel um seine Seele behumpen und gleichzeitig den Verräter ans Messer liefern. Alles, was er dabei gewinnt - mhm, NICHTS! NIENTE! NADA - kein Gold garnichts. Ich meine, der Kerl ist alt, was interessiert ihn seine Seele? Wäre er ein Gottesfürchtiger Mann - ok. dann würde ihm seine Seele schon was bedeuten. Aber so? Mann, und er verliert auch noch seine Hand - hört sich nicht so an, als würde er den besten Schnitt machen.
Also, ich würde der Geschichte noch etwas beimengen, das den Schluss sinnvoller gestaltet. Das mit dem Schatz war doch schonmal nicht schlecht. Und wie gesagt, das mit dem Füttern von Satans Sohn ist auch klasse.
Fest steht, Hans kann von dem geweihten Boden nicht mehr herunter - Aus, da gibts nichts dran zu rütteln. Hans baut sich sein Haus genau auf dem Friedhof.

OK, ich kann dir sagen, wie ich die Geschichte schreiben würde. Das mit dem toten Kind war gut, das behalten wir bei. Die Sage ist, dass Satan seine Hexen damit beauftragt hat, einen Goldschatz bei seinem toten Sohn zu vergraben, denn er sei zu schwach, um ohne Hilfe in die Hölle niederzufahren. Dazu braucht er eine verruchte Seele, die, wenn sie stirbt, den Sohn mit in die Hölle zieht. Naja, verruchte Leute graben halt gern nach Schätzen. Diese Position nimmt der Doktor ein. Man muss den Sohn Satans dann natürlich als einen grobschlächtigen Trottel darstellen, der die erstbeste Seele ergreift, um nieder zu fahren. Unten angekommen, alles wie beschrieben, nur dass Satan natürlich irgendwie seinen Schatz wieder haben will, den hat sein Sohn nämlich in aller Aufregung vergessen. Und weil der alte Hans nicht wirklich so verrucht ist, wie sich Satan das gedacht hat, schickt er ihn und seinen Sohn zurück in das Grab, um den Schatz und eine verfluchte Seele zu holen(der Doktor). So dann wieder wie beschrieben, der Sohn Satans wartet im Grab, der Alte läuft los und lockt den Doktor in die Grabstelle mit dem Gold. In dem Moment packt ihn der Sohn Satans und rauscht voller Übermut wieder in die Hölle, natürlich wieder den Schatz vergessend("Mein Gott, die Jugend von heute, weiß einfach nicht mehr mit Geld umzugehen!")
Schnell springt jetzt der Alte in das Grab und holt sich ein paar goldene Krüge heraus. Na, und was is? Satan schickt natürlich seinen Sohn wieder zurück, der, völlig entkräftet, japst im Grab rum, bis ihm klar wird, dass er ja eigentlich wieder eine verruchte Seele braucht, um den Schatz in die Hölle zu bringen. Dann fügst du noch irgendeinen Messerstecher und Halunken ein, dem der alte Hans erzählt, er kenne da ein Grab, wo ein Schatz vergraben ist. Der Typ gräbt ihn aus, wieder schnappt sich der Sohn Satans diesen Kerl und rauscht wieder, völlig überhastet in die Tiefe.
Naja, und so lebt der gute Hans natürlich bis heute, wenn er nicht vergessen hat, den Sohn des Teufels um etwas Unsterblichkeit anzuschnorren, dafür, dass er so gnädig ist, ihm eine neue verruchte Seele zu bringen.

Schluss aus - bei dem Spruch "Ein Versuch war es wert", müsstest du im Gegensatz eine Person entwickeln, die den Teufel absichtlich versucht, nur um ein bisschen Spass dabei zu haben. Hört sich für mich aber ein wenig zu sehr nach MTV-Trash an.

Hoffe, das alles nützt dir was.
Gruss, Marcus
 

joachim

Mitglied
Hallo Marcus,

du machst dir ja wirklich viel Arbeit mit meiner kleinen Geschichte, dafür erst mal ein dickes DANKE.
Nur, so ganz bin ich nicht deiner Meinung:
1. Warum soll so ein alter ängstlicher Trottel nicht eine Wandlung durchmachen, zumal wenn er durch sein Zusammentreffen mit dem leibhaftigen Teufel erfährt, dass er diesem zumindest geistig ebenbürtig, wenn nicht überlegen ist? In einem Drehbuchworkshop hab ich mal gelernt, dass der Protagonist unbedingt eine Kehrtwendung um 180 Grad machen MUSS, damit der Film spannend wird. Warum soll das nicht auch für eine Geschichte gelten? Ich finds garnicht schlecht, dass der anfänglich trotteligste am schluss triumphiert, so nach dem Motto: "Ein blindes Huhn findet auch mal ‘n Korn". Oder denk an David und Goliath. Es gibt genug Literatur, in der der Trottel am Ende siegt. Warum nicht auch hier?
2. deine Konstruktion mit dem vertrottelten Teufelssohn und dem mehrmaligen rauf und runter ist m.E. eine ganz andere, eine eigene Story. Hier war die Aufgabenstellung, eine Story mit möglichst viel Grusel zu schreiben. Dein Vorschlag wäre eher eine humorvolle Lösung, die m.E. hier nicht so recht passt.
Also, ich schlaf nochmal ne Nacht drüber und dann sehen wir weiter. O.K?

Nächtliche Grüße
joachim
 



 
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