Das Kochstudio

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Inquerios

Mitglied
Organisieren ist eine große Verantwortung. Manchmal auch eine Herausforderung. Heute trage ich großen Respekt in mir, wenn jemand ein Essen organisieren will. Ich hatte eines Tages von meinem Chef – da war ich noch Gefangener eines Unternehmers – die Aufgabe erhalten, ein Meeting zu organisieren. Er sagte mir, dass es ein revolutionäres Ereignis werden sollte. Er plane nämlich in Zukunft die Meetings nicht mehr in der Geschäftsstelle abzuhalten, sondern in einem besonderen Ambiente. Auf meine Frage hin, was er denn geplant habe und ich das wissen müsse, damit nichts schief gehe, meinte er, dass wir alle gemeinsam kochen gehen werden. Ich hätte die Wahl, welches Kochstudio ich wählen würde. Insbesondere würde der Preis keine Rolle spielen, solange dieser keine zweitausend Euronen übersteigen täte. Ich hatte wahrscheinlich meinen dämlichsten Blick ins Gesicht gemeißelt, weshalb er hinzufügte, dass das den Teamgeist fördern solle. Und damit würden wir uns alle besser kennen lernen und intensiveren Kontakt pflegen. Ich glaube der Chef hatte Kameras in der Firma versteckt. Woher sonst …?

Da hatte ich nun meine drei Berge vor mir: Die Auswahl des Kochstudios, alle dafür begeistern und noch einen gemeinsamen Termin finden.
Wo fange ich da an? Zuerst einmal eine Auswahl treffen. Da gab es im gewünschten Umkreis sieben Kochstudios. Chinesisch, Deutsch, Spanisch (Ole mit Tango!), Russisch und ein Onlinekochstudio. Letzteres war mir sehr angetan, da mir die Planung des richtigen Zeitpunktes am leichtesten fallen würde. Jeder könnte zu Hause in seiner Küche stehen und nach der Anleitung des Onlinekochs einfach nachkochen. Auf meine Nachfrage hin war mein Chef von dieser Idee jedoch nicht begeistert. Er fand es zu digital und ihm schwebe etwas Analoges vor.
Also begann ich alle meine Kollegen anzurufen, um das richtige Ambiente zu wählen. Ran ans Telefon!
„Hallo Jochen. Frank hier. Sag mal, unser Chef plant einen Teamkochabend. Was wäre dir denn lieber. China? Spanien? Deutschland? Russland?“, fragte ich ihn.
„Kochen? Eh´, du weißt doch, ich mag nur Fastfood. Also suche eine Bürgerbude. Geht auch schneller. Außerdem habe ich keine Zeit!“
„Du weißt doch noch gar nicht wann?“
„Egal!“
Irgendetwas musste ich mir einfallen lassen. Mein Chef würde mich sonst degradieren. Und ich hatte einfach keine Lust mehr zu telefonieren.
„Teilnahme ist Pflicht. Sonst wird das Verkaufsgebiet getauscht!“
„Der Erpresser. Der gibt mir glatt wieder diese Hackfressen von Landeiern. Die haben keine Ahnung von ökologischer Stromproduktion. Na dann nimm Spanien. Wie viele Tage fliegen wir dorthin?“
„Fliegen? Nein. Hier in ein Kochstudio gehen wir!“
„Auch noch. Gut. Bleibt dabei. Aber es wird eine Katastrophe!“
„Warte es doch mal ab. Da gibt es einen sehr guten Vorkocher. Und ein paar Tangotänzerinnen.“
„Okay. Wird‘n Spaß!“
Geschafft. Nr. 1 von 12.
Als nächstes suchte ich mir Barbara raus. Das war eine tolle Köchin. Jedenfalls brachte sie immer die tollsten Fertiggerichte mit ins Büro.
Das Telefon fing kurz nach dem ersten Klingelton an zu singen. Es dauerte eine Weile und sie wollte mir damit bestimmt mitteilen, dass sie diese neuentdeckte Boyband toll fand. Und ich solle an ihrer neuen Gefühlsdemontage teilhaben.
„Wittmann!“ krächzte es am anderen Ende nach endlosen drei Minuten. Ich kannte mittlerweile den Text des Songs auswendig. Jedenfalls die ersten vier Strophen.
„Hallo. Frank hier. Wir haben geplant ein Kochstudio zu besuchen. Unser Chef will uns zusammen schmieden.“
„Ach Franky, dafür brauchen wir doch unseren Chef nicht. Aber die Anmache finde ich gelungen. Wann will´ste denn?“
„Barbi, nicht ich allein. Alle vom Team. Jochen will ein spanisches Kochstudio.“
„Neee. Geht gar nicht. Spanisches Essen vertrage ich nicht. Diese ganzen Pasties und so!“
„Pasta ist italienisch. Spanisch ist … Na die eingebackenen Dings da.“
„Ach so! Aber gibt es keine andere Auswahl?“
„Doch Deutsch und Russisch sowie Französisch oder Chinesisch.“
„Nein Hund fällt auch aus. Russisch?!? Das wäre mal was. Paellas. Ja.“
„Das ist spanisches Essen. Russisch ist Borschtsch.“
„Das klingt nicht gut. Nimm Französisch. Wenn´s Essen nicht schmeckt, können wir´s ja noch machen.“
„BARBI! Okay, Französisch.“
Da hieß es Jochen noch einmal anrufen. Schon bei zweien war die Sache zum Scheitern verurteilt. Ich rief Jochen an und schilderte ihm die verfahrene Situation. Er weigerte sich strickt, Barbara nachzugeben. Die Beiden liegen schon immer im Klintsch. Auf meiner Liste stand noch Simon, Erika, Marion, Herbert, Evelyn, Susanne, Bert, Mike, Doreen und Biene Maja (heißt eigentlich Sabine Maria – aber es klingt so toll und fleißig ist sie auch).
Simon will deutsch oder chinesisch.
Erika will nicht, was Evelyn will. Alles andere sei egal.
Marion schließt sich Mike an. Ich glaube, die Beiden haben etwas miteinander.
Herbert ist alles egal. Er gehe ehedem nächstes Jahr in Rente. Sagt er schon seit sechs Jahren (seit seinem vierzigsten Lebensjahr; er scheint eine Midlifecrisis zu habe).
Evelyn kam stöhnend und außer Atem ans Telefon. Sie jogge gerade. Fleisch essen ist Gift für den Körper. Darum solle ich ein vegetarisches Studio suchen.
Susanne ging nicht ran.
Bert lallte, er esse alles. Solange es flüssig ist.
Mike sagte mir, er wüsste von nichts. Er müsse erst seinen Anwalt fragen. Wobei sein Vater Anwalt ist. Und der sei im Urlaub. Übersee. Bis Januar nächstes Jahr. Also Deutsch sagte ich.
Doreen wollte wissen, was Marion gewählt hat. Ich sagte ihr, dass sie wählen würde, was Mike wählt. Und der wartet auf seinen Vater. Der aber erst im Januar wieder aus dem Urlaub kommt. Dann schließe sie sich an. Also auch Deutsch. Das wäre aber langweilig, meinte sie.
Biene Maja (die heißt eigentlich … - ach wissen Sie schon?) brüllte ins Telefon, dass ich Arschloch sie mal könne. Das sie mit mir nicht zum Essen gehen würde und wenn ich sie tausend Mal noch fragen täte. Bis zur Einladung des Chefs kam ich nicht mehr. Also auch Deutsch.
Puh. Jetzt fehlt noch der richtige Tag! Ich überlegte kurz, ob ich nicht hätte gleich fragen können, ob es mittwochs passt. Einen Augenblick lang schoss mir der Gedanke durch den Kopf, die Befehlsmacht des Chefs zu nutzen und einfach einen Tag festzulegen. Da mich dann die Mannschaft aber vielleicht wieder wie beim letzten Sportfest Dreck fressen lassen würde, nahm‘ ich doch wieder das Telefon in die Hand. Terminieren ist so was von schwer.
Zuvor schrieb ich noch allen eine eMail, das die Mehrheit sich für Deutsch entschieden hat.
Das Telefon klingelte. Jochen war dran.
„Kannst du dich nicht durchsetzen. Sag den Anderen Spanisch sei gewählt und das wäre ein Schreibfehler gewesen. Das mit dem Deutsch.“
„Jochen, ich habe zusammen gezählt. Fünf von dreizehn wollen Deutsch.“
„Das ist doch keine Mehrheit.“
„Ich schruppte ja auch die meisten. Ach weil du dran bist. An welchem Tag könntest du denn?“
„Montags!“
„Montag ist schlecht. Da arbeiten fast alle bis 20 Uhr.“
„Montag ist Schontag. Also zieh wenigstens das mal durch!“
Ich wählte alle Telefonnummern noch einmal durch.
Simon will Freitag.
Erika will nicht, was Evelyn will. Alles andere sei egal.
Marion schließt sich Mike an. Ich glaube, die Beiden haben etwas miteinander.
Herbert ist alles egal. Er gehe ehedem nächstes Jahr in Rente. Sagt er schon seit sechs Jahren (seit seinem vierzigsten Lebensjahr; er scheint eine Midlifecrisis zu haben).
Evelyn kam stöhnend und außer Atem ans Telefon. Sie jogge gerade. Ob ich denn ein vegetarisches Restaurant gefunden habe. Ja, sagte ich und es hätte aber nur freitags offen. Und da kann keiner.
Susanne ging nicht ran.
Bert lallte, er gehe immer überall mit hin. Solange es Prozente gibt.
Mike sagte mir, er wüsste immer noch von nichts. Er müsse erst seinen Anwalt fragen. Wobei sein Vater Anwalt ist. Und der sei im Urlaub. Übersee. Bis Januar nächstes Jahr. Aber Samstag täte passen. Freitag habe er eine Verabredung.
Marion rief an und fragte, ob ich mit Mike den Termin geklärt hätte. Ich sagte ihr, dass er nur Samstag könne, Freitag habe er einen Termin. Ach ja, stimmt, meinte sie. Habe sie fast vergessen.
Doreen wollte wissen, was Marion gewählt hat. Ich sagte ihr, dass sie wählen würde, was Mike wählt. Und der wartet auf seinen Vater. Der aber erst im Januar wieder aus dem Urlaub kommt. Dann schließe sie sich an. Also auch Samstag. Das wäre aber langweilig, meinte sie.
Biene Maja (die heißt eigentlich … - ach wissen Sie schon?) brüllte ins Telefon, dass ich Arschloch sie mal könne. Das sie mit mir nicht zum Essen gehen würde und wenn ich sie tausend Mal noch fragen würde. Bis zur Tageswahl kam ich nicht mehr. Also auch Samstag.
Ich schrieb allen, dass Samstag gewählt sei. Plötzlich schreckte ich zusammen! Welchen?
Noch mal anrufen? Ich konnte nicht mehr.
Das Telefon klingelte wieder. Jochen!
„Du Pfeife. Samstag. Montag wäre der richtige Tag!“
„Und welchen Samstag?“ fragte ich ohne auf seine Attacke einzugehen.
„Wähle den 23. Dezember!“ er kicherte. Langsam hatte ich das Gefühl, Jochen sei ein Querulant.
„Mal sehen!“
Simon will am 27. November.
Erika will nicht, was Evelyn will. Alles andere sei egal.
Marion schließt sich Mike an. Ich glaube, die Beiden haben etwas miteinander.
Herbert ist alles egal. Er gehe ehedem nächstes Jahrhundert in Rente. Sagt er schon seit sechzig Jahren (seit seinem vierzehnten Lebensjahr; er scheint langsam einen Knall zu haben).
Evelyn kam stöhnend und außer Atem ans Telefon. Sie jogge gerade. 23. Dezember geht nicht. Da käme die Schwiegermutter. Januar wäre gut. Da wäre Joggen ehedem so anstrengend. Und ich solle jetzt nicht nochmal anrufen. Es gehe bei ihr auf den Endspurt zu.
Susanne ging nicht ran.
Bert lallte, er komme immer. Solange der Chef bezahlt. Bei dem Scheiß Gehalt.
Mike sagte mir, er wüsste von nichts. Er müsse erst seinen Anwalt fragen. Wobei sein Anwalt Vater sei. Und der sei im Urlaub. Übersee. Bis irgendwann nächstes Jahr. Das sei ihm langsam aber völlig egal. Aber diesen Samstag sei Top.
Doreen wollte wissen, was Marion gewählt hat. Ich sagte ihr, dass sie wählen würde, was Mike wählt. Und der wartet auf seinen Anwalt. Der aber erst gar nicht mehr aus dem Urlaub kommt und ´nen Knall hat. Dann schließe sie sich an. Also kommenden Samstag. Das wäre aber langweilig, meinte sie.
Biene Maja (die … - ach wissen Sie ja) brüllte ins Telefon, dass ich Arschloch sie mal könne. Sie würde mir die Russen auf den Hals hetzen, wenn ich heute noch einmal anrufe. Als sie kurz Luft holte, erwähnte ich kommenden Samstag und ich glaube, sie biss dabei ins Telefon. Es gab ein knirschend-kreischendes, hysterisches Geräusch und dann noch einige Kraftausdrücke mit der Schlussbemerkung, dass ich mein Leben verwirkt habe.
Jochen rief an: „Und Montag?“
„Ne, nächsten Samstag!“
„Waschlappen!“
„Ich biete dir 20 Euro, wenn du endlich Ruhe gibt’s!“
„100!“
„Soviel ist nicht mehr in der Portokasse!“
„Okay. 20!“
Keine zwei Minuten später klingelte das Telefon wieder. Susanne war dran. Sie meinte, wenn Jochen ´n Zwanni kriegt, will sie auch Einen haben. Sonst erzählt sie dem Chef, dass ich das Geld aus der … Ja, bitte.
Ich öffnete mein Emaile-Postfach und schrieb eine Email an alle. Das ich jetzt festlege, dass nächsten Samstag ein verfacktes Kochfest mit anschließendem Techtelmechtel mit allen zusammen stattfinden würde und alle zu kommen haben. Es wird gegessen, was am Tisch sitzt und wer nicht will, den trete ich in den Arsch.
Ich war glücklich.
Das Telefon klingelte. Der Chef. Da konnte ich eine gute Botschaft mitteilen.
„Ja, Chef?“
„Frank!“, meldete sich mein Chef, „Das geht so aber nicht. Frau Müller – Hechel - hat mir gerade gesagt, dass – Hechel – Samstag gewählt wäre!“
Evelyn?
„Da haben wir – Hechel – eine Verabredung. Suchen Sie einen anderen Termin. Und – Hechel – Deutsch ist langweilig!“
Ich wollte noch fragen, ob er auch gerade jogge. Aber ich verkniff es mir.

Scheiße. Alles von vorn!
 

Rumpelsstilzchen

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Inquerios, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von Rumpelsstilzchen

Redakteur in diesem Forum
 



 
Oben Unten