Das Leben hinter den Kulissen

Papillon

Mitglied
Ich war gerade mal 8 Jahre alt, als eine Freundin meiner Schwester auf uns zukam und fragte, ob wir nicht Lust hätten, in einer kleinen Theatergruppe mitzumachen. Natürlich hatten wir beide Lust!
Wir übten dort mit unserem "Lehrer" kleine Sketche und Lieder ein und zur Adventszeit zogen wir durch die Altenheime unserer Gegend und lenkten die alten und meist auch kranken Menschen von ihrem tristen Leben ab, indem wir unsere einstudierten Werke vorführten. Wie die alten Leute sich freuten, dieses Leuchten in ihren Augen! Ich habe in meinem jungen Leben schon begriffen, dass es für diese alten Herrschaften das Größte war, zur Vorweihnachtszeit so eine Abwechslung zu haben!

Es gab von dieser Gruppe natürlich auch eine richtige Theatergruppe, die richtige Stücke einstudierten und diese auf der großen Bühne vor Hunderten Leuten vorführten. Immer wenn ich im Theater war und mir diese Stücke ansah, hatte ich nur einen einzigen Wunsch: Das möchte ich auch. Einmal auf dieser großen Bühne stehen - und sei es nur eine kleine Rolle - und zum Schluß den Applaus von diesen vielen Leuten abholen. Nur einmal!

Nach ein paar Jahren, sank das Interesse an dieser Gruppe. Es gab immer weniger Nachfrage, und die Gruppe an sich wurde kleiner! Auch unser super netter und lieber Regisseur konnte mit 3 Leuten nicht mehr wirklich viel organisieren. Ich wurde zu dem Zeitpunkt gerade 15 Jahre und war somit auch schon ein bisschen zu alt dafür. Die Gruppe wurde aufgelöst!

Unser Regisseur kam auf mich zu und sagte mir, dass ich wirklich großes Talent hätte, und ob ich nicht Lust hätte, bei der richtigen Gruppe mitzumachen! Für mich ging in dieser Sekunde ein Traum in Erfüllung, von dem ich nicht mal zu träumen gewagt hatte, aus Angst, er würde nie in Erfüllung gehen!
Ich sagte natürlich sofort zu, keine Frage!

Weil ich denn für diese Gruppe doch noch ein wenig zu jung war, musste ich die erste Zeit noch zusehen. Aber alleine das war für mich schon das Größte! Diesen Leuten, die ich sonst nur von der Bühne kenne, die ich aus dem Publikum angehimmelt habe, persönlich kennenzulernen! Voller Begeisterung sah ich Abend für Abend zu, wie ein komplettes Stück entsteht!

Mein zu Hause war ca. 10 km von dem Theater entfernt, und da ich mit 15 Jahren noch keinen Führerschein hatte, holte meine Mutter mich immer ab. Irgendwann bot mir unser Regisseur an, mich immer nach Hause zu fahren, obwohl dies für ihn selbst auch ein Umweg war. Darüber freute sich meine Mutter, weil sie nicht immer fahren musste, und ich freute mich, weil mir das irgendwie einen besonderen Status in der Gruppe gab! Er war zwar 50 Jahre älter als ich, aber wir verstanden uns prima! Dieser Mann war für mich echt der Größte, ich habe ihn verehrt wie einen Gott! Er war mein absolutes Vorbild, was die ganze Sache mit dem Theater anging!

1 1/2 Jahre später war es dann endlich soweit. Er kam auf mich zu und sagte, dass in seinem nächsten Stück eine kleine Rolle als Hausmädchen frei wäre. Keine große Rolle, nicht viel Text! Aber das war mir so was von egal! Mein Wunschtraum sollte endlich in Erfüllung gehen: Ich auf dieser großen Bühne! Das ich zugesagt habe, brauche ich ja wohl nicht zu erwähnen! Ich habe diesen Mann vergöttert!

Es kam der Tag der ersten Probe, und obwohl ich ja fast Anfänger war und nicht viel zu sagen hatte, stimmten "ihm" alle zu, dass ich sehr viel Talent hätte! Ich war natürlich sehr geschmeichelt und ich fühlte mich wohl wo ich war. Alles war toll!!
Aber auch dieser Abend musste zu Ende gehen! Wir packten alle unsere Sachen zusammen und ich ging mit "ihm" zu seinem Auto! Er steckte sich gerade eine Zigarette an und ich - als Nichtraucher - fing an zu lästern, ob das denn unbedingt sein müsste. Wir haben ein bisschen rumgeshakert und es war irgendwie ganz lustig. Plötzlich nahm er mich in den Schwitzkasten und drückte meinen Kopf in seinen Schoß. Die Sache fing an mir unheimlich zu werden und ich befreite mich aus dieser Umklammerung. Ich sah ihn ein bisschen verdattert an. Da legte er seine Hand an meinen Nacken und zog meinen Kopf zu sich heran. Er küsste mich und versuchte mir seine Zunge in den Mund zu schieben. Dies verhinderte ich, indem ich meine Lippen aufeinanderpreßte, das es schon weh tat. Mir gingen 1.000 Gedanken durch den Kopf aber irgendwie war ich unfähig mich zu wehren! Ich habe mir immer geschworen, dass ich demjenigen der mir zu Nahe kommt, so doll eine runterhaue, dass derjenige nicht mehr weiß, wo oben und wo unten ist, aber in dieser Sekunde war ich unfähig zu reagieren!
Irgendwann ließ er von mir ab und fuhr endlich los. Ich habe es nicht mal geschafft auszusteigen und bin mitgefahren! Während der ganzen Fahrt kraulte er entweder meinen Nacken oder er legte die Hand auf meinen Oberschenkel. Ab und zu sah er mich an, und hatte einen so komischen Blick, dass ich noch mehr Angst bekam, als ich eh schon hatte!

Endlich zu Hause angekommen, wollte er mich noch einmal küssen, aber ich flüchtete schlagartig aus diesem Auto.

Meine Mutter merkte wohl gleich, dass mit mir etwas nicht in Ordnung ist, und fragte mich danach. Aber ich sagte mir ginge es gut und ging in mein Zimmer. Ich hatte vor es ihr zu sagen, aber ich mußte erst mal selbst damit klar kommen!
Am nächsten Tag fuhr ich in meiner Mittagspause nach Hause und erzählte ihr alles.

Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hat, rief meine Mutter bei ihm an, und stellte ihn zur Rede! Wie nicht anders zu erwarten, stritt er alles ab! Ich hätte das völlig falsch verstanden und das war auf keinen Fall böse gemeint! Die typischen Ausreden halt! Er versprach sich bei mir zu entschuldigen! Auf diese Entschuldigung warte ich bis heute!

Dieser Text wurde ohne Namen verfaßt, weil es eine wahre Geschichte ist! Ich habe sie wirklich so erlebt!
Ich bin in der Theatergruppe geblieben, um ihm zu zeigen, dass ich stärker bin als er! Nach einigen Anfangsschwierigkeiten kam ich damit klar!
Ich habe allen Theaterkollegen erzählt was für ein Schwein er in Wirklichkeit ist, und habe sie vor ihm gewarnt! Etwas das niemand für mich getan hat! Leider! Denn sonst wäre diese Geschichte wahrscheinlich zu vermeiden gewesen!

Letzte Woche ist „er“ gestorben. Viele Leute sagen, er hätte seine gerechte Strafe bekommen....
 

Nadja

Mitglied
Papillon,

aufmerksam habe ich deine Geschichte gelesen und ich war regelrecht erleichtert, als ich las, dass du das Ganze deiner Mutter gesagt hattest und dass sie mutig genug war, diesen Mann zur Rede zur stellen.
Noch besser fand ich es, dass du dann auch in der Theatergruppe geblieben bist.

Liebe Papillon, ganz sicher warst du sehr enttäuscht von diesem Mann, den du ja wie du schreibst verehrt hast wie einen Gott. Wenn einen ein solcher Mensch so derart enttäuscht, tut das sehr weh. Ich kann es förmlich nachempfinden. Und aus dem Schmerz wird dann eine große Wut.

Doch ob der Tod eine gerechte Strafe ist, wage ich anzuweifeln. Ich glaube, dass der Tod vieles sein kann - eine Erlösung, ein Weiterkommen, ein Ausruhen.....
aber ganz bestimmt, so glaube ich , keine Strafe.

Nadja
 
S

Stoffel

Gast
eine Geschichte,die etwas sauer macht.Denn Du hattest ja zu diesem Menschen-Vertrauen.
Und ich denke mal, dieses wurde sehr missbraucht.Dabei fiel mir dann das typische Klischeebild ein, eines Regisseurs.
"Besetzungscouch".
Deine Liebe zum Theater ist ungebrochen,das ist gut so.Hak es ab unter dem Mantel der "Erfahrungen" die man(Frau) so im Leben macht, die mehr zu Vorsicht rufen.

Hätte bestimmt auch unter "Erzählungen" seinen Platz gefunden.

Wünsche Dir alles Gute.

Stoffel
 



 
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