Das Lehnen an die Leiden

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Meral Vurgun

Mitglied
Das Lehnen an die Leiden




du, Lebenskraft meiner Seele, komm hierher
komm! setzt dich neben mir
lehne deine Schulter an meine Leiden
wenn wir ha sagen, wird das Herz ins Ströme geraten
wir haben Wörter gesammelt
das Schweigen ist jetzt der Ozean

man hat unsere Nabelbinde mit dem Stein geschnitten
mit dem Schnur gebunden
unser Blut fliesst in den gleichen Adern
ihr Urteil ist der Augenzeuge, die Geschichte weisst es
die Kugel, die in unsere Wunden gesteckt sind
ist der Schmutz von gleichen Händen
es ist bei Jedem offensichtlich
wir sind mit dem Kampf erwachsen
wir wurden in den Händen von Widerstand gespannt
und mit der Liebe wurden wir fein und zierlich gestrickt
unser Erweisen ist an den Freunden
lass uns verheimlichen, was wir alles erlebt haben

ich habe dir einen Tisch gedeckt
teile mit mir die letzte Olive
ich habe dir auch noch einen Tee gekocht
Schluck für Schluck ziehe dir Liebe ins Herz
danach zünde dir deine Zigarette an
lass in ihr Feuer unsere Zunge brennen
und Rauch zu Rauch küssen
unser Sehnsuchtswunden und Geschrei
das ganze ist eine Hand voller Liebe
ein Atemzug ist unsere gebrochene Stimme

du weisst es
wir vergessen niemals die schmerzhaften Wörter
auf unseren Rücken wurden so viele gerostete Messer gesteckt
wir wurden so viele male ausplündert
und in den Zerstörungstrümmern geraten
unser Schlafen wurde tausend mal gestört
doch wir haben selber die Herzwunden von unseren Freunden geheilt
wir haben sie nie den fremden Händen gelassen

man sagt
dass die Liebe gemeinsame Lieder von Menschheit ist
in jeder Sprache die gleiche Melodie
aber
doch das Freiheitslied
in der Muttersprache
ist ein schussbereiter Gewehr...
 
D

dockanay

Gast
liebe meral,


ja, am schmerz festhalten (acılara tutunmak, h.h. korkmazgil), mehr denn je ist das für uns menschen wichtig geworden (wenn wir ha sagen, wird das Herz ins Strömen geraten / wir haben Wörter gesammelt / das Schweigen ist jetzt der Ozean) und so wie du, über das ganze, möchte man sagen, hat der heutige dichter kaum eine meinung mehr, auch ist er nicht geneigt, sich für die welt schlechthin verantwortlich zu fühlen oder das amt des stellvertreters der menschheit für sich zu beanspruchen, wie noch der autor der 'Duineser Elegien' es tut. bescheidung und beschränkung ist eher sein teil, er hält sich an einzelnes - bei mir ist das auch nicht anders - an eine besondere sinnliche oder seelisch erfahrung und deren reine vergegenwärtigung in der sprache. bei dir ist jedoch, trotz stiller und stets lyrischer wörter, eine kosmische aufruhr zu spüren, eine mit sonnen und gestirnen ball spielende, großartige geste, die sich mit einem bescheidenen stück welt zur abbildung nicht zufrieden gibt, weil es eben nicht den einzelnen betrifft, sondern uns alle, die gesamte menschheit nämlich (man sagt / dass die Liebe gemeinsame Lieder von Menschheit ist / in jeder Sprache die gleiche Melodie).
ich kann nur danken für dein wunderbar veräußertes gefühl mit allen menschen in brüderlichkeit leben zu wollen.
deine worte erobern wirklich das herz, danke.

lg dockanay
 
B

bonanza

Gast
"das freiheitslied ist ein schussbereites gewehr"
- mit einer munition aus liebe.
wie oft wurde das freiheitslied mißbraucht und mit
bleikugeln aus den gewehren geschossen.

die poesie deines gedichts ist dick wie blut.

bon.
 
S

Sandra

Gast
Hallo meral,

deine Gedichte handeln von großen Gefühlen, von Leid, von Schmerz, der Liebe, Heimat und Verlust.
Du findest sehr schöne Metaphern. Manchmal denke ich während des Lesens - brauchen solche Gefühle nicht Zeit? Braucht so etwas zu schreiben (und auch zu lesen) nicht Zeit? (Weil es Schmerz bedeutet. Bedeuten muss.)

Und weil deine Texte eine Verdichtung deiner Empfindungen sind, weil sie so intensiv sind, ist es für mich manchmal schwer nachzuvollziehen, wie viele deiner Texte hier stehen. Ich wäre blutleer an deiner Stelle.

LG
Sandra
 
S

Sandra

Gast
Und über noch etwas dachte ich nach:

Niemals war ich heimatlos, niemals wurde ich bekriegt und verlor ein Haus, den Blick auf meine Heimat, einen Geliebten.
Deine Geschichte ist nicht meine Geschichte. Unsere Kulturen sind getrennt und ein Trugschluss fasst der, der denkt, sie werden durch die Poesie vereint.
Ich kann teilhaben. Wie bei einem Fernsehersprecher, der mir die Nachrichten aus fernen Ländern verliest. Deine Gedichte sind schöner, denn der Klang deiner Worte nimmt mich ein. Ich kann mitfühlen und weinen. Kann mich durch die Poesie deiner Worte einnehmen lassen. Doch wenn ich ehrlich bin - wie weit bin ich doch letztendlich immer noch von dir entfernt, von den Bildern, die ich zu sehen bekomme? Habe und kann ich doch nie erlebt haben, was du erlebtest. Und so bleibt es meine Vorstellung aus Tausend und einer Nacht, vermischt mit den Kriegen deiner Heimat und den Grenzen meiner Vorstellung, was mich an deinen Gedichten berührt. Doch zu sagen, ich würde mit deinen Zeilen verschmelzen, zu behaupten, ich hätte ein Geschenk erhalten, welches nun mir gehören würde, wäre gelogen.
Vielleicht erzählten früher die alten Frauen in deinem Heimatdorf Geschichten, denen du zuhörtest. Und ich erfahre nun aus deiner Hand in einem anderen Land von alldem. Und ich mag das Fremde, was ich höre, denn es ist bunt und anders und lebendig. Und ich will fühlen das Fremde, weil es fremd und poethisch und nochmals fremd ist.
Doch ich bin kein Teil davon und werde nie einer sein.

LG
Sandra
 

Meral Vurgun

Mitglied
Lieber dockanay,

du hast so einen schönen Kommentar auf mein Gedicht geschrieben. Ich weiss nicht wie Antworten soll. Du kennst ja, was im Gedicht vorgeht.

Ich danke dir herzlich für das Lesen und Lob.

Liebe Grüsse.




Lieber Bon,

das Leben besteht aus den Leiden, aus Glück und aus der Liebe.

Ich danke dir vom Herzen.


Lieben Gruss.
 

Meral Vurgun

Mitglied
Liebe Sandra,


ich freue mich auf deine schöne Antwort zu meinem Gedicht.

Ja. Das ist die Welt. Manschmal man braucht keine eigene Erlebnisse.
Es ist genug, wenn man in die Welt nachschaut.

Auf der Welt genug sache um ein Gedicht zu schreiben. Sogar viele.



Ich danke dir für das Lesen und Kommentieren.


Liebe Grüsse.
 
D

Denschie

Gast
liebe meral,
sandras kommentar hat mich doch noch einmal zum
nachdenken darüber gebracht, warum ich dieses gedicht
so wunderschön finde.
natürlich bin ich, wie wohl auch sandra, weder heimat-
vertrieben, noch habe ich jemals um meine freiheit
kämpfen müssen oder einen geliebten verloren.
dennoch kann ich mich mit deinen worten identifizieren.
deine sprache scheint mir universell, verständlich über
alle kulturellen unterschiede hinaus und damit gleich-
zeitig beweis dafür, dass "kultur" gar kein so entschei-
dendes "merkmal" ist, wie (momentan) oft behauptet wird.
ich freue mich immer, von dir lesen zu dürfen.
viele grüße,
denschie
 

Meral Vurgun

Mitglied
Liebe Denschie,

jeder Mensch hat andere Erlebnisse. Jede Mensch leidet unter verschieden Sachen.

Dises Gedicht besteht aus schlechte Erlebnisse. Aber auch aus schöne, aus Hofnungen, (sie habe ich niemals verloren) aus Liebe (verlorener und gewonnener) und auch noch aus zukunft. Und aus Heimatland und aus Kulturen natürlich.

Ich sagte, "Gewonnener Liebe".
Ich habe einen Freund und ich liebe ihn doch. Aber ich bin nicht sicher, dass wir uns verstehen können.

Ich bin sicher, dass du auch in meiner Meinung bist. Ich will hier erlich sagen, (das ist keine Worwurf an den Männenrn) wenn die Frauen lieben, lieben sie richtig.

So ist das Leben.

Mit jedem kann man nicht die letzte Olive teilen.

Ich danke die für deinen lobenden Kommentar.


Liebe Grüsse.
 
D

Denschie

Gast
liebe meral,

du schreibst

"Ich bin sicher, dass du auch in meiner Meinung bist. Ich will hier erlich sagen, (das ist keine Worwurf an den Männenrn) wenn die Frauen lieben, lieben sie richtig."

und ich stimme dir tatsächlich zu. es würde vielleicht
zu weit führen, den unterschied auseinander zu pflücken,
wahrscheinlich ist das auch "bloß so ein gefühl", das
sich einfach nicht näher beschreiben lässt. aber ich
denke es auch.
vielleicht ist das auch ein grund, aus dem ich von dir
als frau viel lieber über freiheit und brüderlichkeit lese,
als ich es von einem mann tun würde.

liebe grüße, denschie
 
S

Sandra

Gast
Aus einem Gefühl heraus ....

Ich möchte niemand die Ehrlichkeit seiner Liebe absprechen. Noch nicht einmal einem Mann.
 

Meral Vurgun

Mitglied
Liebe Sandra,

das sagen wir auch nicht. Ich sage nur, dass die Frauen lieben anders als Männer. Und das ist gut so. Die Liebe ist das Fundament der Welt.

Liebe Grüsse.
 
D

Denschie

Gast
hallo meral und sandra,
so meinte ich es auch und so hatte ich meral ursprünglich
verstanden. tut mir leid, wenn meine antwort missverständlich
formuliert war.
ich möchte selbstverständlich niemandem
die ehrlichkeit seiner gefühle absprechen. mir ist die
liebe mit den worten einer frau (wie hier in merals gedicht)
einfach vertrauter, ich kann sie gut nachvollziehen.
liebe grüße, daniela
 
S

Sandra

Gast
Mir ist aufgefallen:

Ihr schriebt nicht 'ehrlich', sondern benutztet das Wort 'richtig'. Somit war es mein Fehler ;)

Allerdings gelingt es mir nur selten Gefühle eindeutig als richtig oder falsch zu bezeichnen. Die Gefühle eines anderen Menschen zu bewerten oder betiteln kann ich ebenfalls nicht. Meistens möchte ich es auch gar nicht. Doch ich glaube Liebe ist immer richtig, egal wer sie empfindet. Richtiger als richtig kann man m.E. nicht lieben.



LG
Sandra
 

Meral Vurgun

Mitglied
Liebe Sandra,

das Richtige und Falsche man kann selbe bestimmen. Egal ob meine Richtige für anderen falsch ist. Aber Liebe man kann nicht selbe bestimmen. Meine Gefühle nur kann ich selbe bewerten. Die andere können nicht wissen was in mir los geht. Das ist bei jeder Mensch so.
 



 
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