Das Licht

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Charima

Mitglied
Das Licht

Das Licht, das sich in Deinen Augen bricht,
funkelt golden und sternenklar.
Ich blicke nachdenkend in Dein Gesicht,
versuche, mich an das zu erinnern, was war.

Gerne würde ich wieder mit Dir über Steine springen,
am Fluß die Eisschollen knacken lassen,
aus tiefster Seele "Heroes" singen
und morgens um vier den letzten Zug verpassen.

Aber apathisch liegst Du da,
Dein letzter Atemhauch klagt mich an.
Ich fühle mich Dir seltsam nah
und komme doch nicht an Dich heran.

Der Glanz in Deinen Augen verlischt,
alles erscheint so unwirklich und still,
während meine Seele sich sehnt
und nochmal mit Dir leben will.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Charima,

das ist ein Text, der einen nicht kalt lassen kann. In der zweiten Strophe schilderst Du das glückliche Zusammensein mit dem Du, und man erfährt, wie jung Du noch bist:"um vier Uhr den letzten Zug verpassen". Man kann auch in der vierten Strophe erahnen, daß das Du gestorben ist. Soweit ist Dein Text deutlich. Dann gibst Du uns aber Rätsel auf:"Dein letzter Atemhauch klagt mich an". Es gibt Texte, bei denen macht es Spaß, etwas herauszufinden, das zunächst versteckt ausgedrückt ist. Aber bei Deiner Stelle hier hat man ja keine Chance, denn Du teilst ja nichts mit. Nach meinem Empfinden ist es günstiger, entweder die Sache auszusprechen oder anzudeuten, oder diese Zeile eben wegzulassen. Nun wirst Du Dein schönes Gedicht nicht ändern wollen. Das wollte ich Dir auch nicht empfehlen. Ich wollte Dich nur darauf aufmerksam machen, daß mich etwas stört.

Ganz liebe Grüße Vera-Lena
 

Charima

Mitglied
Ein ganz liebes Dankeschön an Dich...

Liebe Vera-Lena!

Herzlichen Dank für Deine Reaktion auf meinen Text! Es ist ja schon länger her, seit ich etwas in der Leselupe gepostet habe, und daß ich bei meinem ersten Text nach der Pause sofort eine Antwort bekomme, freut mich sehr.

Zu der Zeile, die Dich stört: Muß ich wirklich etwas dazu erklären? Ich frage das, weil ich die Ansicht vertrete, daß die meisten Texte viel von ihrer Interpretationsfreiheit durch (in meinen Augen teilweise überflüssige) Erklärungen verlieren.

Für Dich mache ich jedoch meine persönliche Aussage, die ich mit dieser Zeile machen möchte, hiermit ganz deutlich offen (ich hoffe es zumindest): Kennst Du das Gefühl der Hilflosigkeit, gegen das Sterben einer Person nichts unternehmen zu können, sich verantwortlich zu fühlen, für ihren Tod - auch wenn keine "reale Schuld" gegeben ist? Dieses Gefühl ist es, das ich damit zum Ausdruck bringen möchte. Meinem Empfinden nach habe ich dies damit auch ausgesagt, aber wie es scheint, vielleicht nicht deutlich genug, daß es jeder verstehen kann.

Gelächelt habe ich im übrigen bei Deiner Bemerkung zu meinem Alter. Die Stelle mit dem Zug muß ja nichts mit meinem tatsächlichen Lebensalter zu tun haben - ich habe Personen in meinem Freundeskreis, die Ende Dreißig und älter sind, und denen es oft genug so geht. Süß fand ich die Bemerkung aber trotzdem - war die Textstelle doch auf Erlebnisse meiner Jugendzeit gemünzt, die nun aber wiederum ein Jahrzehnt zurückliegen.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende mit kreativen Glücksmomenten wünscht Dir :)

Charima
 
Bitte, mir das Folgende nicht nachzutragen, ich bewerte hier vorerst nix. Es geht mir nur um den Text, nicht um die Autorin!

Den Text "kaufe" ich so nicht ab.
Was ist die Aussage?
Der/die Tote/ Sterbende wird instrumentalisiert um anhand dessen eigene Sentimentalitäten auszudrücken. Ist schon eine sehr zu hinterfragende Denkfigur. Diese Einstellung ist lange nach einem Tod die Normale für den Überlebenden, aber NICHT im aktuellen Sterben, weil dann noch die Distanz fehlt.
Der Text müßte sich also entscheiden, ob er ein Sterben "lange danach" im Rückblick thematisieren will, oder eine aktuelle Situation während des Sterbens. Macht er aber nicht.

Dann textlich:
[Das Licht, das sich in Deinen Augen bricht,
funkelt golden und sternenklar.]

Beide Zeilen machen konträre Bilder auf: Symbolisch "die Augen brechen" und "Licht ist freundlich golden und sternenklar". Ist ein Widerspruch, der aber für den folgenden Text nicht mehr aufgegriffen wird, also hier überflüssig ist (oder Fehler!)

[Ich blicke nachdenkend in Dein Gesicht,
versuche, mich an das zu erinnern, was war.]

Hier sollte "nachdenklich"/ "zurückblickend" stehen?

[Gerne würde ich wieder mit Dir über Steine springen,
am Fluß die Eisschollen knacken lassen,
aus tiefster Seele "Heroes" singen
und morgens um vier den letzten Zug verpassen.]

Diese Stelle ist die authentischste im ganzen Text, und der Erzähler/die Erzählerin schildert Eigenschaften des Sterbenden/der Sterbenden anhand einstiger gemeinsamer Befindlichkeiten. Gelungen.

[Aber apathisch liegst Du da,]

Ist ok, als Gegensatz zur vorherigen Aktivitätenschilderung.

[Dein letzter Atemhauch klagt mich an.]

Ein kaum wahrnehmbarer "Hauch" kann schlecht anklagen, dann sollte da etwa stehen:
"Dein letzter, schwerer Atemzug/ Dein letzter seufzender Atemzug".
"Apathisch gehaucht" ist nicht nachvollziehbar, wieso eine (selbst symbol.) Anklage zustande kommen sollte.
Oder: Es muß an dieser Stelle etwas mehr an Zusammenhang/ Hintergrund erklärt werden.

[Ich fühle mich Dir seltsam nah
und komme doch nicht an Dich heran.]

Dies als Bild der Hilflosigkeit im Problem eines fremden Sterbens sehr gelungen.

[Dann: Der Glanz in Deinen Augen verlischt,]

Das "dann" macht den intendierten Sterbevorgang zu einem Prozess und holt ihn punktgenau in die Wirklichkeit und wirkt ziemlich falsch, denn: Steht sehr im Widerspruch zum illusionären Charakter der vorhergehenden Zeilen.

[alles erscheint so unwirklich und still,
während meine Seele sich sehnt
und nochmal mit Dir leben will.]

Jetzt wieder illusionär fortgesetzt, macht die Zeile "dann:..." noch unbrauchbarer

[Für einen ganz besonderen Menschen in tiefer Verbundenheit und Liebe.]

Mag subjektiv richtig empfunden sein, ist aber textlich nicht gelungen diese Aussage/Gefühle entsprechend explizit auszuführen. Teilweise wirken Zeilen auch gekünstelt, so, als seien sie selbst in ihrer Aussage reim-manipuliert/-gestutzt.
 

Charima

Mitglied
Liebe Vera-Lena, lieber Waldemar!

Herzlichen Dank für Eure Stellungnahmen zu meinem Text! Ich freue mich immer über Rückmeldung, denn ohne Rückmeldung fehlt der Dialog zwischen Autor und Leser.

Was Du sagst, Vera-Lena, kann ich sehr gut nachvollziehen, und es tut mir gut zu erfahren, daß Dir meine Erklärungen offensichtlich geholfen haben, die Bedeutung meines Textes besser zu verstehen.

Zu Deinen Aussagen, lieber Waldemar: Es gefällt mir, daß Du so offen geschrieben hast, welche Wirkung mein Text auf Dich erzielt. Deine intensive Bearbeitung zeugt in meinen Augen von einem regen Interesse und wahrer Kritik. Dafür danke ich Dir!

Was Du im ersten Teil zum Sterben schreibst, kann ich bestätigen. Vielleicht wäre es passend von mir, an dieser Stelle zu erwähnen, daß ich mit diesem Text versucht habe, meine Schuldgefühle und die Trauer, bezogen auf den Tod einer für mich sehr wichtigen Person, zu verarbeiten. Ich bin dazu viele Jahre danach in Gedanken zurück in die Sterbesituation gegangen und schreibe daher quasi aus einem "aktuellen Erleben im Rückblick", dem aber bereits viele Jahre der Trauer zugrundeliegen. Vielleicht wirkt der Text daher in dieser Hinsicht etwas diffus.

Im ersten Teil des Textes brechen im übrigen NICHT die Augen - es geht um den letzten Blick und die Schönheit des Augenblicks, BEVOR die Augen brechen. Dies geschieht erst im letzten Teil.

Das Wort "nachdenkend" habe ich sehr bewußt gewählt, um eben nicht das typische "nachdenklich" zu benutzen. Auch das Wort "Hauch" ist bewußt gewählt - kennst Du nicht auch das Gefühl, daß etwas Leises, Zartes, Zerbrechliches um vieles stärker berühren kann, als etwas Lautes, Bombastisches? Gerade durch die Stille werde ich häufiger viel mehr betroffen, als durch einen lauten Schrei - so auch in dieser Situation. Darum geht es mir bei der Aussage.

Du hast Recht, was das "Dann" betrifft - dieses Wort hat mich an dieser Stelle von Anfang an gestört. Ich habe es aber letztlich doch stehen lassen, um mit diesem Einschnitt den abrupten Wechsel zu absoluter Hoffnungslosigkeit zu verdeutlichen. Ich glaube aber, daß Du Recht hast und der Text stimmiger wirkt ohne dieses Wort, daher werde ich es streichen.

Die letzte Zeile gehört eigentlich nicht zum Text - damit habe ich nur versucht, einen Teil der in mir widerstreitenden Gefühle auf den Punkt zu bringen und mir (mehr für mich selbst) zu sagen, warum ich diesen Text geschrieben habe: Weil ich die betreffende Person noch immer liebe! Ich werde die Worte daher ebenfalls hier streichen.

Es dankt Dir herzlich für Dein Engagement

Charima

P.S.: Ich hoffe, daß ich mit meinen Erklärungen vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen konnte, auch wenn mir das Erklären sehr schwer fiel, da mir bei diesem Thema immer sehr leicht die richtigen Worte fehlen...
 



 
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