Das Lockende

Ludowika

Mitglied
Das Lockende
Unruhe treibt sie aus der Stadt hinaus.
Sie geht, läuft, so schnell sie kann. Schon bald riecht sie das nahe Moor. Was ist es, das mich berührt? überlegt sie. Es ist so still. Eigenartig! Ist es der ungewöhnliche Geruch oder das Schweigen?
Sie liebt Stille, aber nicht diese Lautlosigkeit. Kein Wind weht durch ihr Haar. Nicht eine Vogelstimme ist zu hören. Die Bäume neigen sich einander zu, als suchten sie Schutz vor etwas Drohendem.
Erdklumpen bleiben an den Sohlen hängen und machen das Weitergehen mühsam. Ihr ist beklommen zu Mute. Die Hände sind feucht. Schaudernd überlegt sie, was die Natur zum Schweigen bringt?
Sie will von hier fort und doch auch wieder nicht. Nebel kommt direkt auf sie zu und unbemerkt wird sie von Schwaden umringt. Die Umgebung ist nicht mehr zu erkennen, aber am Glucksen kann sie hören, dass das Moor nicht mehr weit ist. Modrige Luft nimmt ihr fast den Atem, und plötzlich steht sie vor dem Sumpf, sieht den aufgewühlten Grund voller Blasen, die sich aufplustern und an quakende Frösche erinnern
Ihr Blick wird starr. Sie kann ihn nicht von der Wasseroberfläche lösen. Da teilt sich der Sumpf zu ihren Füßen. Im dunklen Schlund wälzt sich die schlammige Masse von einer Seite zur anderen und eine rauhe Stimme lockt:„Komm, komm!“ Gebannt schaut sie hinunter, ist wie angewurzelt. Immer eindringlicher wird der Ruf.„Komm zu mir! Komm! Ich warte! Hier findest du Frieden!“
Zaghaft geht sie einen Schritt näher. Mit dem nächsten, weiß sie, wird sie in die Tiefe stürzen.„Nein,ich will nicht!“ schreit sie.„Laß mich in Ruhe!“
Sie springt entsetzt zurück. Nur ganz schnell weg von hier. Immer wieder scheitert ihre Kraftanstrengung fortzukommen, weil sie mit den Schuhen hängen bleibt. Nach einigen verzweifelten Versuchen löst sich ihre Anspannung allmählich. Glücklich, dem Hexenkessel entkommen zu sein, will sie nur noch schnell von diesem Abgrund fort. Nach einigen Schritten fühlt sie wieder festen Boden unter ihren Füßen.
Gespenstische Figuren wirft der Nebel in die Luft. Verschwommen tanzt ein Irrlicht über dem Moor, bis es sich im schwachen Mondschein verliert.
Der Spuk ist vorbei.
Immer noch rast ihr Herz. Sie kann nicht unterscheiden, was lauter ist, ihr Herzklopfen oder der bellende Schrei des Schelladlers auf Beuteflug. Mit weit ausgespannten Flügeln gleitet er über sie hinweg. In ihrer Aufregung, vom Morast fortzukommen, hat sie Moorschnepfen und Sumpfhühner aufgescheucht. Im selben Moment stürzt der Adler auf sein wehrloses Opfer. Im schnellen Flug steigt er wieder in die Höhe, wo im Baumhorst hungriger Nachwuchs auf ihn wartet. Des Adlers durchdringender Schrei kreischt in ihren Ohren.
Sie kann ihn nicht mehr sehen, hört aber im Laufen immer noch den grellen Ton. Unaufhaltsam schrillt es in ihrem Kopf, bis ein vertrautes Geräusch sie in die Wirklichkeit zurückholt.
Ihr Wecker.
 

Andre

Mitglied
Ein sehr schöner Schlußeffekt! Bis zu diesem Punkt fand ich die Geschichte allerdings etwas zu schnell. Vielleicht kannst Du da das ein oder andere noch ausbauen, traumhafter gestalten?

André
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo,

zuerst einmal herzlich wilkommen auf der lupe! deine geschichte gefällt mir gut. ich fürchtete schon, der erzähler landet als vogelfutter im adlernest (gibt es wirklich Schelladler?), aber dann war ich glücklich über das weckerklingeln. gut geschrieben, mach weiter so! lieb grüßt
 

Ludowika

Mitglied
Hallo Andre
danke für Deine Mitteilung. Nur ist mir noch nicht ganz klar, was ich in die Geschichte noch einbringen soll. Ich hätte Bedenken, daß sie dann zu langweiöig wird. Vielleicht kannst Du mir einen Vorschlag machen.
Liebe Grüße
Ludowika
 

Ludowika

Mitglied
Liebe Flammarion,
ja es ist mein erster Beitrag in der Leselupe. Danke, daß Du mir geantwortet hast. Ich freue mich, daß Dir diese Ge-schichte gefällt. Es gibt tatsächlich Schelladler. Sie zählen nach den Geiern zur größten Raubvogelgattung. Mehr ist darüber im Herders Bildungsbuch zu lesen.
Ich habe noch einige GEschichten im Petto und werde sie so nach und nach mal eingeben. Eigentlich bin ich eine Lyrikerin und übe mich jetzt im Kurzgeschichten schreiben.
Liebe Grüße
Ludowika
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
aha.

vielen dank für die auskunft. in die lyrik-abteilung gehe ich selten, mich interessieren im wesentlichen geschichten und auf deine bin ich nach diesem auftakt gespannt. lg
 



 
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