Das Männchen aus dem Wald

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Lyrischa

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Das Männchen aus dem Wald

Es war einmal ein Mädchen namens Daniela. Das wohnte mit seinen Eltern hinter den sieben Bergen, in der wunderschönen alten Stadt mit den sieben Kirchen, den sieben Schulen und mit einer mittelalterlichen Stadtmauer, von deren einstmals sieben Toren nur noch drei erhalten waren.
Das Mädchen liebte die Stadt und versuchte sie in Bildern festzuhalten. Schon im Alter von drei mal drei Jahren, als Dreikäsehoch, war sie fest entschlossen, eine Malerin zu werden. Aber was sie zeichnete, stimmte sie nicht zufrieden. Es hielt der Wirklichkeit nicht stand. Sie würde noch viel lernen müssen!
Oft ging sie in die Umgebung, stieg auf einen der sieben Hügel, breitete ihr Zeichengerät aus und begann zu skizzieren. Von hier aus hatte sie einen wundervollen Blick auf die Stadt.
Von Jahr zu Jahr machte sie Fortschritte.
Eines Tages, inzwischen waren wieder drei mal drei Jahre vergangen, begab sie sich an den nahe gelegenen Wald. Auf einer Lichtung, die den Blick Richtung Stadt freigab, ließ sie sich nieder. Sie begann zu zeichen. Dabei schloss sie leicht die Augenlider. So holte sie das Bild, welches sie schaffen wollte, ganz tief in sich hinein.
In der Stille ihrer friedlichen Umgebung hörte sie auf einmal eine Stimme:
"Dreimaldrei ist neune.Weißt du, was ich meine? Dreimaldrei und eins ist zehn. Lass mal dein Gemale sehn!"
Sie erschrak! Da stand doch vor ihr, wie aus dem Boden gewachsen, ein altes Männle, mit langem Bart, einer roten Hose und einer Jacke voll bunter Farbklechse und Pinselstriche. Einerseits gab er ein armseliges, andererseits aber auch ein lustiges Bild ab. Unwillkürlich musste sie lächeln.
"Was gibts' da zu grinsen, he?", meckerte er. Dabei klang er wirklich ähnlich wie ein Ziegenbock.
"Nichts, gar nichts; ich wollte dich nicht kränken. Woher kommst du so plötzlich? Wohnst du hier in diesem Wald?"
"Das geht dich nichts an, neugieriges, vorlautes Ding, willst einen betagten Mann ausfragen? - Wenn du gute Bilder malen willst", dabei zeigte er auf ihre Staffelei, "dann musst du aber noch viel üben und lernen!"
"Das will ich ja. Ich nutze jede freie Stunde. Aber mir fehlt ein guter Lehrer."
"Hi, hi, hi, nichts leichter als das. Komm doch einfach zu mir. Ich lehre dich sehen und Stift und Pinsel zu führen..." -
"Wirklich, ist das dein Ernst?" -
"Wenn ich's doch sage. Ich bin jeden Tag zur selben Stunde hier an dieser Stelle, he, he, he", lachte er. "Du brauchst nur regelmäßig zu kommen." -
"Das werde ich ganz bestimmt."
"Du bekommst den besten Unterricht. Aber den kriegst du nicht umsonst! Du musst auch etwas für mich tun.
Ich bin gezwungen, mich hier im Wald selbst zu versorgen. Da brauche ich täglich eine tüchtige helfende Hand. Traust du dir das zu? Und willst du das überhaupt? Du sollst mir drei Jahre dienen und wirst drei Jahre bei mir studieren." -
"Ja, das will ich, wenn du mir versprichst, dass ich dann eine echte Künstlerin werde."
"Ho, ho, ho , das liegt ganz bei dir, mein Kind."
"Ich werde fleißig sein und gut lernen."
"Wir werden sehen, ob du dein Versprechen hältst. Bis morgen."
Weg war er, als hätte es ihn nie gegeben!
Es begann zu dämmern. Dem Mädchen wurde kühl. Sie räumte ihr Arbeitsmaterial zusammen und machte sich auf den Heimweg. Ein Käuzchen, das auf dem Baum über ihr gesessen und das Gespräch mit dem eigenartigen Männchen verfolgt hatte, flog ein Stück des Wegs neben ihr her und rief ihr dreimal in Abständen zu:"Daniela, vergiss die Worte des Alten nicht! Vergiss den Alten nicht, Daniela,...Dani, vergiss des Alten Worte nicht! " Dann wendete es Richtung Wald.
"Seltsam, dieses Käuzchen...",wunderte sich das junge Mädchen,"es will mir sagen,dass ich unbedingt wieder hierher kommen soll."
Am nächsten Tag, nach Schule und Hausarbeit begab sie sich mit ihrer Staffelei, mit Kreide, Farben und Pinseln wieder zu jener Lichtung am Waldrand. Sie setzte sich und schloss leicht die Augen. Noch einmal sah sie das gestrige Geschehen vor sich, und als sie die Augen öffnete, stand er grinsend vor ihr.
"Bist wirklich gekommen, he... Ist es dir also ernst? Das ist gut. Na, dann folge mir und tritt deinen Dienst an."
Er holte mit dem gebeugten Arm aus, sie heranzuwinken. Er bückte sich leicht und verschwand im Unterholz. Sie hatte Mühe, ihm zu folgen. Irgendwann standen sie vor einer armseligen Holzhütte aus Ästen und Zweigen - offensichtlich selbst gebaut - mit einer runden Feuerstelle davor.
"Hier wohne ich. Du wirst für mich Beeren, Pilze, Kräuter und Früchte sammeln und mir täglich eine warme Mahlzeit bereiten. Wenn ich versorgt bin, werden wir uns auf die Kunst konzentrieren."
Obwohl sie sich im Stillen fragte, woher sie dann noch die Zeit für die Schule und ihr Zuhause nehmen sollte, wagte Daniela keinen Einspruch und machte sich sogleich an die gestellten Aufgaben. Die wurden ihr bald zur Selbstverständlichkeit.

Es wurde Herbst und Winter, Frühjahr und wieder Sommer. Auch das zweite Jahr verging wie im Fluge.
Nach drei weiteren Jahreszeiten sagte der Alte zu seiner Schülerin:"Deine Zeit bei mir ist um. Du hast eifrig gelernt und mir treu gedient. Dadurch hast du mich erlöst von einem bösen Fluch. Ich bin wieder frei und darf mein Können jedem vermitteln, der es wert ist. Und du erhältst den Lohn für deinen Einsatz: all die schönen Zeichnungen und Gemälde, die während deiner Dienstzeit bei mir entstanden sind. Dazu kommt noch eine Belohnung. Das ist die Aufnahmebestätigung für dich an der Kunstakademie des Landes. Ich bin sicher, du wirst deinen Weg gehen. Lebe wohl! Ich werde dich nicht aus den Augen verlieren..."
Mit diesen Worten waren sowohl der alte Mann als auch die Hütte und die Feuerstelle verschwunden. Daniela fand sich auf ihrer bekannten Waldlichtung wieder. In ihrer Mappe, zwischen Zeichnungen und Papieren lag die Zulassung zur Kunstakademie.
Als die junge Frau nach den Ferien hochmotiviert ihr Studium antrat, meinte sie in ihrem Professor einen alten Bekannten wiederzusehen: das Männchen aus dem Walde...
 

Lyrischa

Mitglied
der Zeichenlehrer oder das Männchen aus dem Wald

Es war einmal ein Mädchen namens Daniela. Das wohnte mit seinen Eltern hinter den sieben Bergen, in der wunderschönen alten Stadt mit den sieben Kirchen, den sieben Schulen und mit einer mittelalterlichen Stadtmauer, von deren einstmals sieben Toren nur noch drei erhalten waren.
Das Mädchen liebte die Stadt und versuchte sie in Bildern festzuhalten. Schon im Alter von drei mal drei Jahren, als Dreikäsehoch, war sie fest entschlossen, eine Malerin zu werden. Aber was sie zeichnete, stimmte sie nicht zufrieden. Es hielt der Wirklichkeit nicht stand. Sie würde noch viel lernen müssen!
Oft ging sie in die Umgebung, stieg auf einen der sieben Hügel, breitete ihr Zeichengerät aus und begann zu skizzieren. Von hier aus hatte sie einen wundervollen Blick auf die Stadt.
Von Jahr zu Jahr machte sie Fortschritte.
Eines Tages, inzwischen waren wieder drei mal drei Jahre vergangen, begab sie sich an den nahe gelegenen Wald. Auf einer Lichtung, die den Blick Richtung Stadt freigab, ließ sie sich nieder. Sie begann zu zeichen. Dabei schloss sie leicht die Augenlider. So holte sie das Bild, welches sie schaffen wollte, ganz tief in sich hinein.
In der Stille ihrer friedlichen Umgebung hörte sie auf einmal eine Stimme:
"Dreimaldrei ist neune.Weißt du, was ich meine? Dreimaldrei und eins ist zehn. Lass mal dein Gemale sehn!"
Sie erschrak! Da stand doch vor ihr, wie aus dem Boden gewachsen, ein altes Männle, mit langem Bart, einer roten Hose und einer Jacke voll bunter Farbklechse und Pinselstriche. Einerseits gab er ein armseliges, andererseits aber auch ein lustiges Bild ab. Unwillkürlich musste sie lächeln.
"Was gibts' da zu grinsen, he?", meckerte er. Dabei klang er wirklich ähnlich wie ein Ziegenbock.
"Nichts, gar nichts; ich wollte dich nicht kränken. Woher kommst du so plötzlich? Wohnst du hier in diesem Wald?"
"Das geht dich nichts an, neugieriges, vorlautes Ding, willst einen betagten Mann ausfragen? - Wenn du gute Bilder malen willst", dabei zeigte er auf ihre Staffelei, "dann musst du aber noch viel üben und lernen!"
"Das will ich ja. Ich nutze jede freie Stunde. Aber mir fehlt ein guter Lehrer."
"Hi, hi, hi, nichts leichter als das. Komm doch einfach zu mir. Ich lehre dich sehen und Stift und Pinsel zu führen..." -
"Wirklich, ist das dein Ernst?" -
"Wenn ich's doch sage. Ich bin jeden Tag zur selben Stunde hier an dieser Stelle, he, he, he", lachte er. "Du brauchst nur regelmäßig zu kommen." -
"Das werde ich ganz bestimmt."
"Du bekommst den besten Unterricht. Aber den kriegst du nicht umsonst! Du musst auch etwas für mich tun.
Ich bin gezwungen, mich hier im Wald selbst zu versorgen. Da brauche ich täglich eine tüchtige helfende Hand. Traust du dir das zu? Und willst du das überhaupt? Du sollst mir drei Jahre dienen und wirst drei Jahre bei mir studieren." -
"Ja, das will ich, wenn du mir versprichst, dass ich dann eine echte Künstlerin werde."
"Ho, ho, ho , das liegt ganz bei dir, mein Kind."
"Ich werde fleißig sein und gut lernen."
"Wir werden sehen, ob du dein Versprechen hältst. Bis morgen."
Weg war er, als hätte es ihn nie gegeben!
Es begann zu dämmern. Dem Mädchen wurde kühl. Sie räumte ihr Arbeitsmaterial zusammen und machte sich auf den Heimweg. Ein Käuzchen, das auf dem Baum über ihr gesessen und das Gespräch mit dem eigenartigen Männchen verfolgt hatte, flog ein Stück des Wegs neben ihr her und rief ihr dreimal in Abständen zu:"Daniela, vergiss die Worte des Alten nicht! Vergiss den Alten nicht, Daniela,...Dani, vergiss des Alten Worte nicht! " Dann wendete es Richtung Wald.
"Seltsam, dieses Käuzchen...",wunderte sich das junge Mädchen,"es will mir sagen,dass ich unbedingt wieder hierher kommen soll."
Am nächsten Tag, nach Schule und Hausarbeit begab sie sich mit ihrer Staffelei, mit Kreide, Farben und Pinseln wieder zu jener Lichtung am Waldrand. Sie setzte sich und schloss leicht die Augen. Noch einmal sah sie das gestrige Geschehen vor sich, und als sie die Augen öffnete, stand er grinsend vor ihr.
"Bist wirklich gekommen, he... Ist es dir also ernst? Das ist gut. Na, dann folge mir und tritt deinen Dienst an."
Er holte mit dem gebeugten Arm aus, sie heranzuwinken. Er bückte sich leicht und verschwand im Unterholz. Sie hatte Mühe, ihm zu folgen. Irgendwann standen sie vor einer armseligen Holzhütte aus Ästen und Zweigen - offensichtlich selbst gebaut - mit einer runden Feuerstelle davor.
"Hier wohne ich. Du wirst für mich Beeren, Pilze, Kräuter und Früchte sammeln und mir täglich eine warme Mahlzeit bereiten. Wenn ich versorgt bin, werden wir uns auf die Kunst konzentrieren."
Obwohl sie sich im Stillen fragte, woher sie dann noch die Zeit für die Schule und ihr Zuhause nehmen sollte, wagte Daniela keinen Einspruch und machte sich sogleich an die gestellten Aufgaben. Die wurden ihr bald zur Selbstverständlichkeit.

Es wurde Herbst und Winter, Frühjahr und wieder Sommer. Auch das zweite Jahr verging wie im Fluge.
Nach drei weiteren Jahreszeiten sagte der Alte zu seiner Schülerin:"Deine Zeit bei mir ist um. Du hast eifrig gelernt und mir treu gedient. Dadurch hast du mich erlöst von einem bösen Fluch. Ich bin wieder frei und darf mein Können jedem vermitteln, der es wert ist. Und du erhältst den Lohn für deinen Einsatz: all die schönen Zeichnungen und Gemälde, die während deiner Dienstzeit bei mir entstanden sind. Dazu kommt noch eine Belohnung. Das ist die Aufnahmebestätigung für dich an der Kunstakademie des Landes. Ich bin sicher, du wirst deinen Weg gehen. Lebe wohl! Ich werde dich nicht aus den Augen verlieren..."
Mit diesen Worten waren sowohl der alte Mann als auch die Hütte und die Feuerstelle verschwunden. Daniela fand sich auf ihrer bekannten Waldlichtung wieder. In ihrer Mappe, zwischen Zeichnungen und Papieren lag die Zulassung zur Kunstakademie.
Als die junge Frau nach den Ferien hochmotiviert ihr Studium antrat, meinte sie in ihrem Professor einen alten Bekannten wiederzusehen: das Männchen aus dem Walde...
 

Josi

Mitglied
Hallo Lyrischa,

mir hat dein Märchen gefallen, es war anschaulich geschrieben!

Liebe Grüße
von Josi
 

Lyrischa

Mitglied
Re.Zeichenlehrer

Hallo Josi, danke für deine Einschätzung; freut mich außerordentlich. LG Lyrischa
 



 
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