Das Märchen vom Oger und der Liebe

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Das Märchen vom Oger und der Liebe

Einmal war ein junger Ogermann traurig.
Was recht ungewöhnlich war, denn die Oger bewahren ihre Seelen außerhalb ihrer Körper auf.
Und deshalb kannten sie keine Gefühle.
Die meisten Oger hatten ihre Seelen in ein gläsernes Ei oder in ein Taubennest auf dem Mond verstaut.
Die Seele des jungen Ogermannes, lag auf dem tiefsten Grund des Meeres in einer eisernen Kiste.
Dieser Umstand machte den Ogermann beinahe unsterblich.
Außerdem konnte er seine Gestalt wechseln, sich in jedes beliebige Tier oder menschliche Wesen verwandeln und er konnte zaubern.
Wie alle Oger.
Eines Tages nun hatte sich der junge Oger in einen 2,99 großen Gutaussehenden Hünen verwandelt. In prächtigen purpurroten Kleidern gehüllt, das flammenrote Haar gebändigt wanderte er durch die Ländereien.
Auf einer saftig grünen Wiese traf er auf ein junges wunderschönes Mädchen.
Bei ihrem Anblick begann sein Herz laut zu pochen.
Der Oger war verwirrt, denn er kannte ja keine Gefühle.
Doch das schöne Mädchen sprach mit sanfter Stimme: „Wer bist du? Ich habe dich noch nie zuvor gesehen.“
Und obwohl die Oger am allerliebsten Menschen fraßen und ihr bekanntester Spruch: „ Fi-fo-fum! Hier riechts so gut nach Menschenblut“, lautetet,
verliebte sich der seelenlose Ogermann in das schöne Menschenkind.
Aber es begann schon zu dämmern und bald würde sich der schöne stolze Hüne wieder in das hässliche bösartige Monster zurückverwandeln.
Da lief der Oger, ohne ein Wort zu erwidern, schnell fort.
Zurück in das dunkele feuchte Gemäuer, indem er mit anderen Unholden hauste.
Doch das schöne Mädchen konnte er nicht vergessen. Immer wenn er an sie dachte, begann sein dummes Ogerherz aufs Neue wild zu pochen.
So vergingen viele Tage und Nächte.
Der junge Ogermann war so verwirrt, dass er weder essen, trinken, noch das alte Gemäuer verlassen konnte.
Die anderen Ungeheuer verspotteten ihn.
„Dummkopf!“, riefen sie ihm zu.
„Du sollst die Menschen fressen und nicht lieben!“
Doch woher sollte der junge Ogermann wissen, was Liebe war?
Seine Seele befand sich doch auf dem tiefsten Grund des Meeres.
Aber nicht sein Herz!
Und das wollte und wollte einfach nicht aufhören zu pochen.
Da beschloss der junge Ogermann seine Seele zu holen, um zu erfahren, wie das war, Gefühle zu haben.
Er verwandelte sich in einen Adler und flog zum Meer.
Als Schwertfisch tauchte er auf den Meeresgrund und suchte nach der eisernen Kiste, in der sich seine Seele befand.
Der zehnarmige Oktopus, dessen Gestalt er schließlich annahm, öffnete geschwind die eiserne Truhe.
Und als seine Seele langsam in seinen Körper wanderte, verwandelte er sich wieder in den jungen Ogermann zurück.
Mit letzter Kraft schaffte er es aufzutauchen, denn schließlich war er jetzt nicht mehr unsterblich und verwandeln konnte er sich nun auch nicht mehr.
Deshalb brauchte er auch fünf Tage und fünf Nächte um zu der Wiese zurückzukehren, auf der er dem schönen Mädchen begegnet war.
Schon von weitem sah er sie.
Sie saß inmitten des saftigen Grün und sang ein leises trauriges Liebeslied.
Und als sie den jungen Ogermann erblickte, da lächelte sie.
Der Oger schämte sich, denn schließlich war er nun kein schöner stattlicher Hüne mehr, sondern ein hässlicher und gemeiner Oger. Schon wollte er davon laufen, da rief das Mädchen: „Lauf nicht fort. Ich habe auf die gewartet!“
Der Oger schämte sich noch mehr und senkte seinen breiten Schädel.
„Aber ich bin doch so hässlich“, krächzte er verzweifelt.
Da schaute ihn das Mädchen aus hellen Augen an und sagte: „Ich erkenne dein Herz, ich sehe deine Seele.
Du bist wunderschön!“
Und von diesem Tag an lebten sie gemeinsam glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende.
©Antje Szillat
 



 
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