Das Monster des Waldes

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Aminmelalle

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Die Gegenwart des Todes ließ mich zaudern.
Auf diesem ach so ruchlosen düsteren Felde, kroch ein Schleier umher,
der nur einen zum Tode Verdammten umhüllen konnte.
Meine rastlosen Augen suchten eine logische Erklärung für dieses intuitiv böse Gefühl.
Was ich nun sah, veränderte mein Leben von einer Sekunde auf die andere komplett.
In einer einsamen verwahrlosten Ecke dieser Lichtung lag an Junge nur in das ihm von Gott gegeben Gewand eingehüllt.
Blut qualmte aus seinem Torso aus scheinbar tausenden Löchern hervor.
Es sah so aus als wurde ihm ein Schicksal zu teil um das ihn nicht einmal die schlimmsten Kreaturen der Hölle beneiden würden.
Doch für seine augenscheinlich freudlose Situation ließ er noch immer gehobener Stimmung, liegend im Gras, äußerst sanguinische Melodien von sich.
All das ergab ein Bild, das auf mich äußerst grotesk wirkte.
Auf der einen Seite war mir klar dass dieser Junge nur menschlich auf Grund seiner Wunden sein konnte, doch seine Laute ließen mich an dieser unwiderruflichen Erkenntnis zweifeln. Er hatte etwas Unnatürliches.
Dieser Gedanke erschreckte mich dermaßen das wieder dieses schon von vorher bekannte Gefühl in mir aufstieg.
Aber nicht in der gleichen Art und Weise.
Es war diesmal auch ein unwiderlegbar gutartiges Gefühl dabei.

Ich überlegte sekundenlang was ich nun tun sollte. Für mich gab es so oder so nur eine Möglichkeit. Ich musste zu ihm. Zu diesem Jungen der zwar so scheußlich verletzt war, aber trotzdem solch einen unglaublichen Gesang von sich gab. Somit begann ich mich schritt für schritt ihn zu nähern.
Schon nach den ersten paar Schritten musste ich erkennen das dieses unheilvolle Gefühl je näher ich der Ecke der Lichtung kam, immer stärker wurde. Zuletzt wurde ich nur noch von dem Verlangen getrieben den Gesang des Jungen besser hören zu können. Schließlich schaffte ich es. Ich stand vor ihm.

Doch was ich nun sah ließ mich seelisch in den Abgrund des Todes stürzen. Mein mir eigenes Nirwana. Dort, kurz hinter dem Waldrand. Stand es. Das Monster. In seiner ganzen unheilvollen Pracht. Noch nie hatte ich etwas Scheußlicheres gesehen. Seine Augen glitzerten mordlustig im fahlen Mondschein und sein Körper schien aus brennenden Kohlen der Höhle zu bestehen. Ich sah nichts mehr außer diese Ausgeburt der Hölle. Nicht einmal den Jungen sah ich. Seinen Gesang hörte ich nicht, jedoch verstand ich ihn nun. Denn mir wurde klar, dass er froh war zu sterben. Nichts konnte für ihn schöner sein als zu sterben und nie wieder das Monster zu sehen.
Mein Blick hing noch immer wie verschleiert an diesem Ding das nur knapp vor mir stand. Ich konnte schon seinen stinkenden Atem riechen.
Doch plötzlich begann das Monster zu reden.
Und das auch nun mit einer Frauenstimme die schriller und grässlicher war als jegliches Geheul einer Walküre.


„Du elender Narr. Dein Schicksal wirst du nun mit dem des Jungen teilen müssen.
Einsam und verlassen sitzt er in dunkler Nacht
Ein Schrei zerreist die Stille
Doch niemand erwacht
Niemand nimmt Notiz von seiner Trauer,
alles bleibt verhangen,
alles wird nur grauer.
Sein Leben ist nun vergangen."
Vom Horror getrieben sah ich wiederum zu dem Jungen hin. Und nun fiel mir etwas neues auf. Eine Klinge lag in seiner Hand. Und da fing ich an zu begreifen. Der Junge hatte sich selber diese Verletzungen zugefügt.
Nur warum?

Ich musste es wohl oder übel irgendwie herausbekommen. Und ich hatte den Verdacht, dass ich es so oder so früher oder später erfahren würde.
So konnte ich es auch gleich erfragen.
"Scheusal des Waldes, was hat sich dieser Junge angetan?"
Und so sprach es: "Nicht dies ist die Frage, solltest wohl eher fragen warum er dies getan hat."
Ich wunderte mich immer mehr darüber wie dieses Ding sprach. Irgendwie lyrisch, aber nicht im angenehmen Sinne.
Bibbernd vor Angst kam die offensichtliche essentielle Frage über meine Lippen: "Ja also dann. Warum hat er sich das angetan?"
In diesem Moment erfolgte noch ein letzter, scheinbar unendlich hoher Ton um das Lied des Jungen je abebben zu lassen.
Nun war er endlich von seinen Qualen erlöst.
All dies nahm ich aber nur am Rande war, denn ich wartete noch immer auf die Antwort auf meine Frage. Das Monster jedoch ließ mich zappeln und starrte mich unentwegt an, als wolle mich es mit seinen Blicken verschlingen.
Doch zu guter letzt kam doch noch die Antwort.
"Erforsche deine Gedanken. Du weißt es. Dies und noch mehr. Erinnere dich. Du kennst mich. Du hast mich schon einmal gesehen. Vor nicht all zu langer Zeit in den Kneipen des Montmartre."
Schockiert über das Gehörte, stand ich nun da. Schweißperlen traten an meine Stirn. Kalter klarer Angstschweiß.
Fieberhaft begann ich nachzudenken. Es stimmte, ich war bis vor ein paar Monaten öfters am Montmartre anzutreffen gewesen. Ich wollte an der Revolution der Boheme am Ende unseres Jahrhundertes teilhaben und vielleicht als der Schriftsteller der ich damals gewesen war, ein Stück über Freiheit, Schönheit, Wahrheit und vor allem über Liebe schreiben. Aber nachdem der Sommer des Jahres 1899 vorbei, mein Herz durch eine gescheiterte Liebe gebrochen und mein Körper mehr mit Absinth als mit Blut gefüllt gewesen war, hatte ich mich entschlossen Fortzugehen und mein Leidgequälte Seele in den unendlichen Wäldern und Berglandschaften der Schweiz zur Ruhe kommen zu lassen.
Aber trotzdem blieb der Fakt, dass ich so ein Ding wie es vor mir stand niemals vergessen hätte können. Niemals. Und ich hatte es mit Sicherheit noch nie gesehen.

Aus meinen Gedanken gerissen sprach das Monster erneut: "Nun denk schon. Du weißt es!" Schrilles Gelächter entsprang seinem unförmigen Mund.
Ich erinnerte mich plötzlich an das Gedicht, dass das Ding vorher vorgetragen hatte.


Einsam und verlassen sitzt er in dunkler Nacht
Ein Schrei zerreist die Stille
Doch niemand erwacht
Niemand nimmt Notiz von seiner Trauer,
alles bleibt verhangen,
alles wird nur grauer.
Sein Leben ist nun vergangen.

Es kam mir gleich irgendwie bekannt vor. Doch nun wusste ich woher ich es kannte. Es war eines der Meinen, geschrieben nach dem mein Leben nach dem Tod von Guiselle, meiner Liebsten, in Scherben lag.
Doch wie konnte dieses Ding es nur kennen?
Dann viel es mir wie Schuppen aus den Augen.
Aber das konnte doch gar nicht sein.
Ein unbeschreibliches Gefühl der Angst überkam mich und ließ mich nicht mehr los.
Es kannten nur zwei Leute dieses Gedicht. Ich selber und Guiselles Schwester. Marie!

"Aber das kann doch gar nicht sein. Das ist nicht wahr. "
"Bist du es wirklich Marie?"
Allein der Gedanke ließ mich einen Schauer erleben der den weit überstieg, den ich hatte solange ich noch gedacht hatte, das dieses Ding eine Ausgeburt der Hölle war.
Mit bös- funkelnden, durch und durch grausamen Augen sah mich es (oder doch sie?) an und sprach: "Ja, ich bin es Philippe. Schön das du die Wahrheit unter der Fassade der Hölle gesehen hast. Doch die Hölle wird dir nun gebracht werden. Von mir!"
Ein unheimliches, glutorales Lachen entsprang dem Schlund Maries. Die Erkenntnis dass das vor mir stehende Scheusal ein Mensch ist, den ich einmal kannte, nahm mir kurz die unbändige Furcht. Ich musste nachdenken.
Marie.
Es musste Marie sein. Das Ding kannte meinen Namen und noch dazu kannte es ein Gedicht das außer mir nur Marie kennen konnte.
Sie hatte es gehört als sie und ich die Totenwache nach Guiselles, schnellen schmerzvollen Tod nach ihrer Tuberkuloseerkrankung gehalten hatten.
Ich hatte es nur wenige Stunden nach dem Tod meiner Liebsten geschrieben und hatte es gemurmelt als Marie und ich bei dem toten Körper Guiselles standen. Nachdem wir eine Woche lang über ihren Leichnam gewacht hatten, gingen wir beide unsre Wege. Ich ergab mich danach dem Suff und sie, ja was war nur mit ihr passiert? Ich hatte sie seit dem Ende unsrer gemeinsamen Verabschiedung Guiselles nicht mehr gesehen.
"Gott Marie, falls du es wirklich bist, wie zum Teufel ist aus dir geworden, was aus dir geworden ist?"
"Ja, gut das du ihn ansprichst. Er hat aus mir gemacht was ich nun bin."
Verdutzt sah ich Marie an und kapierte wieder einmal rein gar nichts.
"Du hast schon richtig verstanden. Der Teufel gab mir diese Hülle. Er brachte mich nach meinem Tode wieder hierher um mich ewig zu quälen. Aber ich ziehe es nun vor andre die Torturen aufzuerlegen die ich erlebt habe."
"Nach deinem Tod? Teufel brachte dich zurück? Was redest du nur?"
"Du weißt doch dass die Seelen der Selbstmörder nicht in den Himmel gelassen werden."
Wieder fuhr mir ein Schrecken in Mark und Bein.
"Warum? Wann? Wie?"
"Dazu musste du einiges wissen. Und wenn du dann alles erfahren hast, wirst du zu diesem Jungen gehen, seine Klinge nehmen und dich auch selbst kasteien bist du stirbst. So wie er!"
Mein Blick wanderte zu dem Toten Jungen und wieder zurück zu Marie, die mich noch immer mit einem Blick taxierte der nur von purem Hass geprägt war.
Sie wollte tatsächlich dass ich mich selbst umbringe und damit ihren Schicksalsweg beschreite.
Aber wieso hatte sie sich umgebracht?
Und wie sollte sie mich zu einem Suizid bringen?


Fortsetzung folgt, falls die Geschichte euch bis jetzt gefällt
 

Gorgonski

Mitglied
Hallo Aminmelalle

Bis auf ein paar kleine Fehler (Schusselfehler)

<In einer einsamen verwahrlosten Ecke dieser Lichtung lag an (ein) Junge nur in das ihm von Gott gegeben Gewand eingehüllt.

In diesem Moment erfolgte noch ein letzter, scheinbar unendlich hoher Ton um das Lied des Jungen je (jäh) abebben zu lassen.

Ein Schrei zerreist (zerreißt) die Stille>

ist die Geschichte ganz gut. Solltest Du an einer Fortsetzung arbeiten, dann erzähle mehr über den Jungen.

Danke und mfG, Rocco
 



 
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