Das Rachefestival

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fah

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Das Rachefestival.

Es war kurz nach neun Uhr abends. Die Überstunden für die Familienkasse hatte ich hinter mir. Vor dem Gerichtsgebäuse, in dem ich arbeitete, stellte ich mich in den Windschatten einer Halbsäule für die erste Zigarette. Gerade hatte ich sie angezündet, sah ich schräg gegenüber wie eine vermummte Gestalt auf eine Frau einstach, die zu Boden sank. Ein Mann in hellem Mantel bog um die Ecke, erkannte offensichtlich die Lage und lief sofort auf die beiden zu. Der Vermummte ließ das Messer fallen und floh. Der Mann im Mantel stolperte und fiel auf das Opfer. Er rappelte sich blitzschnell wieder auf, griff nach dem Messer. In diesem Augenblick schrie eine Frau aus einem Fenster gellend: „Er hat ein Messer! Polizei! Mörder.“ Der Mann im Mantel warf das Messer weg und schaute sich um. Ich hielt mich immer noch wie erstarrt an meiner Zigarette fest. Dieses Gesicht kannte ich. Es war Jürgen U., der mir fast mein ganzes Leben versaut hatte. Blitzschnell wurde mir klar, was zu tun war – nämlich nichts.
Ich blieb im Halbschatten meiner Raucherecke, rührte mich nicht vom Fleck und beobachtete das Geschehen. Fenster gingen auf, Menschen schrien nach Polizei und Krankenwagen, die auch einige Minuten später eintrafen. Jürgen wehrte sich nur kurz, als die Polizisten ihn mit festem Griff abführten. Der Krankenwagen fuhr bald wieder ab, nachdem jemand ausgestiegen war und die am Boden Liegende untersucht hatte. Ihr war wohl nicht mehr zu helfen.
Mir rauschte der Kopf, als ich langsam an der Hauswand entlang schleichend, darauf bedacht, nicht gesehen zu werden, den Schauplatz Richtung Zuhause verließ.
Jürgen, dieses Schwein, ich konnte mich noch gut an sein hämisches Gesicht erinnern, als ich das Direktorat nach peinlicher Befragung mit hängenden Schultern verließ. Ich konnte nicht beweisen, dass die Bilder der nackten und halbnackten Mädchen im Duschraum nicht von mir waren. Man hatte sie im Innendeckel meines Biologiebuches gefunden. Jürgen hatte ausgesagt, dass er mich beim Betrachten dieser Bilder beobachtet und sich dann entrüstet an einen Lehrer gewandt hatte. Ich wusste, es war wegen Else. Else, die ich anschwärmte, auf die Jürgen aber ebenso scharf war. Strahlemann Jürgen hatte mich auf diese Weise gnadenlos aus dem Wege geräumt.
Ich konnte mich auch noch - als wäre es gestern - an den steinernen Blick meines Vater und meine schluchzende Mutter erinnern, als sie von meinem Schulverweis erfuhren, 4 Monate vor dem Abitur. Die erhoffte Karriere als Anwalt, auf die mein Vater für die Fortführung der Kanzlei so gehofft hatte, war dahin. Ich schaffte es, eine Lehrstelle als Rechtsanwaltsfachangestellter zu erhalten, absolvierte die Lehre und arbeitete nun bei kleinem Gehalt für einen Rechtsanwalt am Ort, der mich auch an das örtliche Amtsgericht für administrative Arbeiten auslieh. Ich schluckte das alles, hatte ich doch nach Überwindung des Schmerzes über den Verlust von Else eine nette Frau geheiratet und einen Hausstand gründen können. Wir hatten mit den Überstunden ein bescheidenes Auskommen. Zuwendungen des Vaters blieben regelmäßig aus. Der Kinderwunsch meiner Frau erfüllte sich lange nicht, bis wir feststellen mussten, dass ich keine Kinder zeugen konnte. Wir nahmen die Dienste eines befreundeten Arztes und einer Samenbank in Anspruch. Die Tochter, ich hatte darauf bestanden, sie Else zu nennen, war mein Ein und Alles. Sie gedieh prächtig, war jetzt gerade 18 geworden und auf dem Weg in ein Studium. Dass meine Frau seit der Geburt kränkelte, machte mich nicht fröhlicher. Dieser Lebensweg, in den Jürgen mich gezwungen hatte, entsprach überhaupt nicht dem, was ich mir vorgenommen hatte oder was mein Vater für mich geplant hatte. Die Schmach der frühen Jahre, das Unrecht, das mir geschehen war, nagte immer noch tief in mir.
War jetzt vielleicht der Moment der Rache gekommen? Am nächsten Tag stürzte ich mich auf die Presse. Große Lettern auf der Titelseite des Lokalblatts zeigten tatsächlich das Erhoffte: „Bekannter Rechtsanwalt Jürgen U. unter Mordverdacht verhaftet!“. Ich verschlang die spärlichen Einzelheiten, die der Presse bekannt waren: „Mordwaffe in der Hand“, „Blutspuren des Opfers an der Kleidung“, „Von mehreren Zeugen gesehen“. Sogar ein Motiv wurde seitens der Journalisten gemutmaßt. Das Opfer war eine Richterin des Amtsgerichts, mit der Jürgen U. als Rechtsanwalt schon ein paar Mal in Fehde gelegen hatte. Es passte einfach alles.
Ich, der genau wusste, dass er unschuldig war, ich konnte jetzt über das weitere Schicksal von Jürgen entscheiden. Ich musste nur nichts tun, einfach gar nichts tun. Man hatte mich nicht gesehen. Keiner schrieb in der Presse von einem unbekannten Zeugen am Tatort. Ich würde mich nicht rühren und Jürgen seinem Verderben überlassen. Kein entlastendes Sterbenswort würde über meine Lippen kommen. Das Vorgefühl des späten Triumphs verschönte mir ab sofort die Tage. Ich studierte laufend die gesamte örtliche Presse zu dem Fall. Die Reportage im Lokalfernsehen über den Fall Jürgen U. zeichnete ich auf. Die Verhandlung stand bald bevor. Berichte über weitere Ermittlungen brachte die Presse nicht.
Mich ärgerte nur ein Umstand. Ich sah keinen gangbaren Weg, um Jürgen unter diesem, meinem, Triumph zusätzlich leiden zu lassen. Als erfolgreicher Rechtsanwalt unter Mordanklage vor Gericht zu stehen, ohne große Aussicht auf Freispruch, war sicher schon schlimm genug. Wenn er aber jetzt noch wüsste, dass ich ihn entlasten könnte, aber dazu nicht die geringste Veranlassung sah – das wäre ein wahres Rachefestival.
Else liebte mich, aber sie hatte von ihrer Mutter vor einem Jahr erfahren, dass ich nicht ihr biologischer Erzeuger war. Sie hatte sich nach anfänglichem Schmerz gefangen, wollte aber in jedem Fall wissen, wer denn ihr richtiger Vater war. Die Mühlen der Behörden mahlten langgsam, gaben ihrem Antrag aber statt. Man würde ihr den Namen des Spenders demnächst mitteilen.
Ich hatte im Augenblick keinen Nerv für die Nöte meiner Tochter. Ihr verständlicher Wunsch verletzte mich schon ein wenig. Meine Else-Maus versicherte mir aber hoch und heilig immer wieder, dass ich ihr „Papa“ bliebe.
„Du hast mich schließlich gewickelt und bis heute ertragen, dafür liebe ich Dich“, pflegte sie zu sagen, mich zu umarmen und zu küssen. Ich schmolz regelmäßig dahin.
„Schön für Dich“, hatte ich zerstreut gesagt, als sie mir freudestrahlend den positiven Zwischenbescheid der Behörde zeigte. Ich war zu vertieft in die Vorberichte zu anstehenden Prozessen. Morgen sollte es soweit sein. Ich würde hingehen, in der hinteren Reihe sitzen und genüsslich zuhören, wie Jürgen verurteilt würde. Hoffentlich zu lebenslänglich, auch wenn das nur 15 Jahre wären. 15 Jahre gegen mein zweitrangiges Leben auf der untersten Stufe der Justizhierarchie. Was wäre das schon? Vielleicht könnte ich noch aufstehen und klatschen?
Der Tag der Verhandlung lief wie erwartet. Ich hatte mir extra am Nachmittag frei genommen. Gespannt verfolgte ich den Prozess. Die Verteidigung plädierte schwach, wie ich fand. Sprach von einem reinen Indizienprozess, erwähnte einen nicht gefundenen Zeugen, dessen glühende Zigarette der Angeklagte gesehen haben wollte. Die Polizei hatte aber niemanden ermittelt. Jürgen U. wurde schließlich wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Ich verkniff mir schweren Herzens eine Beifallskundgebung. Ganz gegen meine Gewohnheit ging ich in eine Kneipe auf dem Weg nach Hause und trank zwei Bier. Beschwingt öffnete ich die Wohnungstür. Else kam mir freudestrahlend entgegen gelaufen, schwenkte ein Schreiben in der Hand. Sie rief. „Papa, ich weiß jetzt endlich, wer mein biologischer Vater ist. Ich bin so glücklich. Ich muss ihn unbedingt bald kennenlernen.“
„Ist ja wunderbar für Dich, mein Kind“, antwortete ich ebenfalls bestens gelaunt.
„Lass’ mich noch meinen Mantel ausziehen, Else-Maus.“
Dann las ich, was die Behörde meiner Tochter mitgeteilt hatte:
„Im Auftrag der Samenbank SBD teilen wir Ihnen den Namen des für
die Spende Nr. 787866787 registrierten Spenders mit.
Es ist ein gewisser Jürgen U., geb. ....., wohnhaft ..... „
 

ThomasQu

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Hallo Fah,
Deine Geschichte gefällt mir prima, sie hat nur einen Schwachpunkt. Ein Rechtsanwalt würde in einer solchen Situation nicht die Tatwaffe in die Hand nehmen.
Gruß
Thomas
 

fah

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Das Rachefestival.

Es war kurz nach neun Uhr abends. Die Überstunden für die Familienkasse hatte ich hinter mir. Vor dem Gerichtsgebäuse, in dem ich arbeitete, stellte ich mich in den Windschatten einer Halbsäule für die erste Zigarette. Gerade hatte ich sie angezündet, sah ich schräg gegenüber wie eine vermummte Gestalt auf eine Frau einstach, die zu Boden sank. Ein Mann in hellem Mantel bog um die Ecke, erkannte offensichtlich die Lage und lief sofort auf die beiden zu. Der Vermummte ließ das Messer fallen und floh. Der Mann im Mantel stolperte und fiel auf das Opfer. Er rappelte sich blitzschnell wieder auf, griff nach dem Messer. In diesem Augenblick schrie eine Frau aus einem Fenster gellend: „Er hat ein Messer! Polizei! Mörder.“ Der Mann im Mantel warf das Messer weg und schaute sich um. Ich hielt mich immer noch wie erstarrt an meiner Zigarette fest. Dieses Gesicht kannte ich. Es war Jürgen U., der mir fast mein ganzes Leben versaut hatte. Blitzschnell wurde mir klar, was zu tun war – nämlich nichts.
Ich blieb im Halbschatten meiner Raucherecke, rührte mich nicht vom Fleck und beobachtete das Geschehen. Fenster gingen auf, Menschen schrien nach Polizei und Krankenwagen, die auch einige Minuten später eintrafen. Jürgen wehrte sich nur kurz, als die Polizisten ihn mit festem Griff abführten. Der Krankenwagen fuhr bald wieder ab, nachdem jemand ausgestiegen war und die am Boden Liegende untersucht hatte. Ihr war wohl nicht mehr zu helfen.
Mir rauschte der Kopf, als ich langsam an der Hauswand entlang schleichend, darauf bedacht, nicht gesehen zu werden, den Schauplatz Richtung Zuhause verließ.
Jürgen, dieses Schwein, ich konnte mich noch gut an sein hämisches Gesicht erinnern, als ich das Direktorat nach peinlicher Befragung mit hängenden Schultern verließ. Ich konnte nicht beweisen, dass die Bilder der nackten und halbnackten Mädchen im Duschraum nicht von mir waren. Man hatte sie im Innendeckel meines Biologiebuches gefunden. Jürgen hatte ausgesagt, dass er mich beim Betrachten dieser Bilder beobachtet und sich dann entrüstet an einen Lehrer gewandt hatte. Ich wusste, es war wegen Else. Else, die ich anschwärmte, auf die Jürgen aber ebenso scharf war. Strahlemann Jürgen hatte mich auf diese Weise gnadenlos aus dem Wege geräumt.
Ich konnte mich auch noch - als wäre es gestern - an den steinernen Blick meines Vater und meine schluchzende Mutter erinnern, als sie von meinem Schulverweis erfuhren, 4 Monate vor dem Abitur. Die erhoffte Karriere als Anwalt, auf die mein Vater für die Fortführung der Kanzlei so gehofft hatte, war dahin. Ich schaffte es, eine Lehrstelle als Rechtsanwaltsfachangestellter zu erhalten, absolvierte die Lehre und arbeitete nun bei kleinem Gehalt für einen Rechtsanwalt am Ort, der mich auch an das örtliche Amtsgericht für administrative Arbeiten auslieh. Ich schluckte das alles, hatte ich doch nach Überwindung des Schmerzes über den Verlust von Else eine nette Frau geheiratet und einen Hausstand gründen können. Wir hatten mit den Überstunden ein bescheidenes Auskommen. Zuwendungen des Vaters blieben regelmäßig aus. Der Kinderwunsch meiner Frau erfüllte sich lange nicht, bis wir feststellen mussten, dass ich keine Kinder zeugen konnte. Wir nahmen die Dienste eines befreundeten Arztes und einer Samenbank in Anspruch. Die Tochter, ich hatte darauf bestanden, sie Else zu nennen, war mein Ein und Alles. Sie gedieh prächtig, war jetzt gerade 18 geworden und auf dem Weg in ein Studium. Dass meine Frau seit der Geburt kränkelte, machte mich nicht fröhlicher. Dieser Lebensweg, in den Jürgen mich gezwungen hatte, entsprach überhaupt nicht dem, was ich mir vorgenommen hatte oder was mein Vater für mich geplant hatte. Die Schmach der frühen Jahre, das Unrecht, das mir geschehen war, nagte immer noch tief in mir.
War jetzt vielleicht der Moment der Rache gekommen? Am nächsten Tag stürzte ich mich auf die Presse. Große Lettern auf der Titelseite des Lokalblatts zeigten tatsächlich das Erhoffte: „Bekannter Unternehmer Jürgen U. unter Mordverdacht verhaftet!“. Ich verschlang die spärlichen Einzelheiten, die der Presse bekannt waren: „Mordwaffe in der Hand“, „Blutspuren des Opfers an der Kleidung“, „Von mehreren Zeugen gesehen“. Sogar ein Motiv wurde seitens der Journalisten gemutmaßt. Das Opfer war eine Richterin des Amtsgerichts, mit der Jürgen U. schon ein paar Mal in Fehde gelegen hatte. Es passte einfach alles.
Ich, der genau wusste, dass er unschuldig war, ich konnte jetzt über das weitere Schicksal von Jürgen entscheiden. Ich musste nur nichts tun, einfach gar nichts tun. Man hatte mich nicht gesehen. Keiner schrieb in der Presse von einem unbekannten Zeugen am Tatort. Ich würde mich nicht rühren und Jürgen seinem Verderben überlassen. Kein entlastendes Sterbenswort würde über meine Lippen kommen. Das Vorgefühl des späten Triumphs verschönte mir ab sofort die Tage. Ich studierte laufend die gesamte örtliche Presse zu dem Fall. Die Reportage im Lokalfernsehen über den Fall Jürgen U. zeichnete ich auf. Die Verhandlung stand bald bevor. Berichte über weitere Ermittlungen brachte die Presse nicht.
Mich ärgerte nur ein Umstand. Ich sah keinen gangbaren Weg, um Jürgen unter diesem, meinem, Triumph zusätzlich leiden zu lassen. Als erfolgreicher Unternehmer unter Mordanklage vor Gericht zu stehen, ohne große Aussicht auf Freispruch, war sicher schon schlimm genug. Wenn er aber jetzt noch wüsste, dass ich ihn entlasten könnte, aber dazu nicht die geringste Veranlassung sah – das wäre ein wahres Rachefestival.
Else liebte mich, aber sie hatte von ihrer Mutter vor einem Jahr erfahren, dass ich nicht ihr biologischer Erzeuger war. Sie hatte sich nach anfänglichem Schmerz gefangen, wollte aber in jedem Fall wissen, wer denn ihr richtiger Vater war. Die Mühlen der Behörden mahlten langgsam, gaben ihrem Antrag aber statt. Man würde ihr den Namen des Spenders demnächst mitteilen.
Ich hatte im Augenblick keinen Nerv für die Nöte meiner Tochter. Ihr verständlicher Wunsch verletzte mich schon ein wenig. Meine Else-Maus versicherte mir aber hoch und heilig immer wieder, dass ich ihr „Papa“ bliebe.
„Du hast mich schließlich gewickelt und bis heute ertragen, dafür liebe ich Dich“, pflegte sie zu sagen, mich zu umarmen und zu küssen. Ich schmolz regelmäßig dahin.
„Schön für Dich“, hatte ich zerstreut gesagt, als sie mir freudestrahlend den positiven Zwischenbescheid der Behörde zeigte. Ich war zu vertieft in die Vorberichte zu anstehenden Prozessen. Morgen sollte es soweit sein. Ich würde hingehen, in der hinteren Reihe sitzen und genüsslich zuhören, wie Jürgen verurteilt würde. Hoffentlich zu lebenslänglich, auch wenn das nur 15 Jahre wären. 15 Jahre gegen mein zweitrangiges Leben auf der untersten Stufe der Justizhierarchie. Was wäre das schon? Vielleicht könnte ich noch aufstehen und klatschen?
Der Tag der Verhandlung lief wie erwartet. Ich hatte mir extra am Nachmittag frei genommen. Gespannt verfolgte ich den Prozess. Die Verteidigung plädierte schwach, wie ich fand. Sprach von einem reinen Indizienprozess, erwähnte einen nicht gefundenen Zeugen, dessen glühende Zigarette der Angeklagte gesehen haben wollte. Die Polizei hatte aber niemanden ermittelt. Jürgen U. wurde schließlich wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Ich verkniff mir schweren Herzens eine Beifallskundgebung. Ganz gegen meine Gewohnheit ging ich in eine Kneipe auf dem Weg nach Hause und trank zwei Bier. Beschwingt öffnete ich die Wohnungstür. Else kam mir freudestrahlend entgegen gelaufen, schwenkte ein Schreiben in der Hand. Sie rief. „Papa, ich weiß jetzt endlich, wer mein biologischer Vater ist. Ich bin so glücklich. Ich muss ihn unbedingt bald kennenlernen.“
„Ist ja wunderbar für Dich, mein Kind“, antwortete ich ebenfalls bestens gelaunt.
„Lass’ mich noch meinen Mantel ausziehen, Else-Maus.“
Dann las ich, was die Behörde meiner Tochter mitgeteilt hatte:
„Im Auftrag der Samenbank SBD teilen wir Ihnen den Namen des für
die Spende Nr. 787866787 registrierten Spenders mit.
Es ist ein gewisser Jürgen U., geb. ....., wohnhaft ..... „
 

fah

Mitglied
Das Rachefestival.

Es war kurz nach neun Uhr abends. Die Überstunden für die Familienkasse hatte ich hinter mir. Vor dem Gerichtsgebäuse, in dem ich arbeitete, stellte ich mich in den Windschatten einer Halbsäule für die erste Zigarette. Gerade hatte ich sie angezündet, sah ich schräg gegenüber wie eine vermummte Gestalt auf eine Frau einstach, die zu Boden sank. Ein Mann in hellem Mantel bog um die Ecke, erkannte offensichtlich die Lage und lief sofort auf die beiden zu. Der Vermummte ließ das Messer fallen und floh. Der Mann im Mantel stolperte und fiel auf das Opfer. Er rappelte sich blitzschnell wieder auf, griff nach dem Messer. In diesem Augenblick schrie eine Frau aus einem Fenster gellend: „Er hat ein Messer! Polizei! Mörder.“ Der Mann im Mantel warf das Messer weg und schaute sich um. Ich hielt mich immer noch wie erstarrt an meiner Zigarette fest. Dieses Gesicht kannte ich. Es war Jürgen U., der mir fast mein ganzes Leben versaut hatte.
Jürgen, dieses Schwein, ich konnte mich noch gut an sein hämisches Gesicht erinnern, als ich das Direktorat nach peinlicher Befragung mit hängenden Schultern verließ. Ich konnte nicht beweisen, dass die Bilder der nackten und halbnackten Mädchen im Duschraum nicht von mir waren. Man hatte sie im Innendeckel meines Biologiebuches gefunden. Jürgen hatte ausgesagt, dass er mich beim Betrachten dieser Bilder beobachtet und sich dann entrüstet an einen Lehrer gewandt hatte. Ich wusste, es war wegen Else. Else, die ich anschwärmte, auf die Jürgen aber ebenso scharf war. Strahlemann Jürgen hatte mich auf diese Weise gnadenlos aus dem Wege geräumt.
Ich sah auch noch - als wäre es gestern - den steinernen Blick meines Vater und hörte meine schluchzende Mutter, als sie von meinem Schulverweis erfuhren, 4 Monate vor dem Abitur. Die erhoffte Karriere als Anwalt, auf die mein Vater für die Fortführung der Kanzlei so gehofft hatte, war dahin. Ich schaffte es, eine Lehrstelle als Rechtsanwaltsfachangestellter zu erhalten, absolvierte die Lehre und arbeitete nun bei kleinem Gehalt für einen Rechtsanwalt am Ort, der mich auch an das örtliche Amtsgericht für administrative Arbeiten auslieh. Ich schluckte das alles, hatte ich doch nach Überwindung des Schmerzes über den Verlust von Else eine nette Frau geheiratet und einen Hausstand gründen können. Wir hatten mit den Überstunden ein bescheidenes Auskommen. Zuwendungen des Vaters blieben regelmäßig aus. Der Kinderwunsch meiner Frau erfüllte sich lange nicht, bis wir feststellen mussten, dass ich wegen einer frühen Mumpserkrankung keine Kinder zeugen konnte. Wir nahmen die Dienste eines befreundeten Arztes und einer Samenbank in Anspruch. Die Tochter, ich hatte darauf bestanden, sie Else zu nennen, war mein Ein und Alles. Sie gedieh prächtig, war jetzt gerade 18 geworden und auf dem Weg in ein Studium. Dass meine Frau seit der Geburt kränkelte, machte mich nicht fröhlicher. Dieser Lebensweg entsprach überhaupt nicht dem, was ich mir vorgenommen hatte oder was mein Vater für mich geplant hatte. Die Schmach der frühen Jahre, das Unrecht, das mir geschehen war, nagte immer noch tief in mir.
Jetzt sah ich ihn, den Verantwortlichen für das alles, auf der anderen Straßenseite, meinem Blick schutzlos ausgeliefert. Blitzschnell wurde mir klar, was zu tun war – nämlich nichts.
Ich blieb im Halbschatten meiner Raucherecke, rührte mich nicht vom Fleck und beobachtete das Geschehen. Fenster gingen auf, Menschen schrien nach Polizei und Krankenwagen, die auch einige Minuten später eintrafen. Jürgen wehrte sich nur kurz, als die Polizisten ihn mit festem Griff abführten. Der Krankenwagen fuhr bald wieder ab, nachdem jemand ausgestiegen war und die am Boden Liegende untersucht hatte. Ihr war wohl nicht mehr zu helfen.
Mir rauschte der Kopf, als ich langsam an der Hauswand entlang schleichend, darauf bedacht, nicht gesehen zu werden, den Schauplatz Richtung Zuhause verließ.
War jetzt vielleicht der Moment der Rache gekommen? Am nächsten Tag stürzte ich mich auf die Presse. Große Lettern auf der Titelseite des Lokalblatts zeigten tatsächlich das Erhoffte: „Bekannter Unternehmer Jürgen U. unter Mordverdacht verhaftet!“. Ich verschlang die spärlichen Einzelheiten, die der Presse bekannt waren: „Mordwaffe in der Hand“, „Blutspuren des Opfers an der Kleidung“, „Von mehreren Zeugen gesehen“. Sogar ein Motiv wurde seitens der Journalisten gemutmaßt. Das Opfer war eine Richterin des Amtsgerichts, mit der Jürgen U. schon ein paar Mal in Fehde gelegen hatte. Es passte einfach alles.
Ich, der genau wusste, dass er unschuldig war, ich konnte jetzt über das weitere Schicksal von Jürgen entscheiden. Ich musste nur nichts tun, einfach gar nichts tun. Man hatte mich nicht gesehen. Keiner schrieb in der Presse von einem unbekannten Zeugen am Tatort. Ich würde mich nicht rühren und Jürgen seinem Verderben überlassen. Kein entlastendes Sterbenswort würde über meine Lippen kommen. Das Vorgefühl des späten Triumphs verschönte mir ab sofort die Tage. Ich studierte laufend die gesamte örtliche Presse zu dem Fall. Die Reportage im Lokalfernsehen über den Fall Jürgen U. zeichnete ich auf. Die Verhandlung stand bald bevor. Berichte über weitere Ermittlungen brachte die Presse nicht.
Mich ärgerte nur ein Umstand. Ich sah keinen gangbaren Weg, um Jürgen unter diesem, meinem, Triumph zusätzlich leiden zu lassen. Als erfolgreicher Unternehmer unter Mordanklage vor Gericht zu stehen, ohne große Aussicht auf Freispruch, war sicher schon schlimm genug. Wenn er aber jetzt noch wüsste, dass ich ihn entlasten könnte, aber dazu nicht die geringste Veranlassung sah – das wäre ein wahres Rachefestival.
Else liebte mich, aber sie hatte von ihrer Mutter vor einem Jahr erfahren, dass ich nicht ihr biologischer Erzeuger war. Sie hatte sich nach anfänglichem Schmerz gefangen, wollte aber in jedem Fall wissen, wer denn ihr richtiger Vater war. Die Mühlen der Behörden mahlten langsam, gaben ihrem Antrag aber statt. Man würde ihr den Namen des Spenders demnächst mitteilen.
Ich hatte im Augenblick keinen Nerv für die Nöte meiner Tochter. Ihr verständlicher Wunsch verletzte mich schon ein wenig. Meine Else-Maus versicherte mir aber hoch und heilig immer wieder, dass ich ihr „Papa“ bliebe.
„Du hast mich schließlich gewickelt und bis heute ertragen, dafür liebe ich Dich“, pflegte sie zu sagen, mich zu umarmen und zu küssen. Ich schmolz regelmäßig dahin.
„Schön für Dich“, hatte ich zerstreut gesagt, als sie mir freudestrahlend den positiven Zwischenbescheid der Behörde zeigte. Ich war zu vertieft in die Vorberichte zu anstehenden Prozessen. Morgen sollte es soweit sein. Ich würde hingehen, in der hinteren Reihe sitzen und genüsslich zuhören, wie Jürgen verurteilt würde. Hoffentlich zu lebenslänglich, auch wenn das nur 15 Jahre wären. 15 Jahre gegen mein zweitrangiges Leben auf der untersten Stufe der Justizhierarchie. Was wäre das schon? Vielleicht könnte ich noch aufstehen und klatschen?
Der Tag der Verhandlung lief wie erwartet. Ich hatte mir extra am Nachmittag frei genommen. Gespannt verfolgte ich den Prozess. Die Verteidigung plädierte schwach, wie ich fand. Sprach von einem reinen Indizienprozess, erwähnte einen nicht gefundenen Zeugen, dessen glühende Zigarette der Angeklagte gesehen haben wollte. Die Polizei hatte aber niemanden ermittelt. Jürgen U. wurde schließlich wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Ich verkniff mir schweren Herzens eine Beifallskundgebung. Ganz gegen meine Gewohnheit ging ich in eine Kneipe auf dem Weg nach Hause und trank zwei Bier. Beschwingt öffnete ich die Wohnungstür. Else kam mir freudestrahlend entgegen gelaufen, schwenkte ein Schreiben in der Hand. Sie rief. „Papa, ich weiß jetzt endlich, wer mein biologischer Vater ist. Ich bin so glücklich. Ich muss ihn unbedingt bald kennenlernen.“
„Ist ja wunderbar für Dich, mein Kind“, antwortete ich ebenfalls bestens gelaunt.
„Lass’ mich noch meinen Mantel ausziehen, Else-Maus.“
Dann las ich, was die Behörde meiner Tochter mitgeteilt hatte:

„Im Auftrag der Fa. SBD teilen wir Ihnen den Namen des für
die Spende Nr. 787866787 registrierten Spenders mit.
Es ist ein gewisser Jürgen Unmann.“
 

fah

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Das Rachefestival.

Es war kurz nach neun Uhr abends. Die Überstunden für die Familienkasse hatte ich hinter mir. Vor dem Gerichtsgebäuse, in dem ich arbeitete, stellte ich mich in den Windschatten einer Halbsäule für die erste Zigarette. Gerade hatte ich sie angezündet, sah ich schräg gegenüber wie eine vermummte Gestalt auf eine Frau einstach, die zu Boden sank. Ein Mann in hellem Mantel bog um die Ecke, erkannte offensichtlich die Lage und lief sofort auf die beiden zu. Der Vermummte ließ das Messer fallen und floh. Der Mann im Mantel stolperte und fiel auf das Opfer. Er rappelte sich blitzschnell wieder auf, griff nach dem Messer. In diesem Augenblick schrie eine Frau aus einem Fenster gellend: „Er hat ein Messer! Polizei! Mörder.“ Der Mann im Mantel warf das Messer weg und schaute sich um. Ich hielt mich immer noch wie erstarrt an meiner Zigarette fest. Dieses Gesicht kannte ich. Es war Jürgen U., der mir fast mein ganzes Leben versaut hatte.
Jürgen, dieses Schwein, ich konnte mich noch gut an sein hämisches Gesicht erinnern, als ich das Direktorat nach peinlicher Befragung mit hängenden Schultern verließ. Ich konnte nicht beweisen, dass die Bilder der nackten und halbnackten Mädchen im Duschraum nicht von mir waren. Man hatte sie im Innendeckel meines Biologiebuches gefunden. Jürgen hatte ausgesagt, dass er mich beim Betrachten dieser Bilder beobachtet und sich dann entrüstet an einen Lehrer gewandt hatte. Ich wusste, es war wegen Else. Else, die ich anschwärmte, auf die Jürgen aber ebenso scharf war. Strahlemann Jürgen hatte mich auf diese Weise gnadenlos aus dem Wege geräumt.
Ich sah auch noch - als wäre es gestern - den steinernen Blick meines Vater und hörte meine schluchzende Mutter, als sie von meinem Schulverweis erfuhren, 4 Monate vor dem Abitur. Die erhoffte Karriere als Anwalt, auf die mein Vater für die Fortführung der Kanzlei so gehofft hatte, war dahin. Ich schaffte es, eine Lehrstelle als Rechtsanwaltsfachangestellter zu erhalten, absolvierte die Lehre und arbeitete nun bei kleinem Gehalt für einen Rechtsanwalt am Ort, der mich auch an das örtliche Amtsgericht für administrative Arbeiten auslieh. Ich schluckte das alles, hatte ich doch nach Überwindung des Schmerzes über den Verlust von Else eine nette Frau geheiratet und einen Hausstand gründen können. Überstunden sicherten uns ein bescheidenes Auskommen. Zuwendungen des Vaters blieben regelmäßig aus. Der Kinderwunsch meiner Frau erfüllte sich lange nicht, bis wir feststellen mussten, dass ich wegen einer frühen Mumpserkrankung keine Kinder zeugen konnte. Wir nahmen die Dienste eines befreundeten Arztes und einer Samenbank in Anspruch. Die Tochter, ich hatte darauf bestanden, sie Else zu nennen, war mein Ein und Alles. Sie gedieh prächtig, war jetzt gerade 18 geworden und auf dem Weg in ein Studium. Dass meine Frau seit der Geburt kränkelte, machte mich nicht fröhlicher. Dieser Lebensweg entsprach überhaupt nicht dem, was ich mir vorgenommen hatte oder was mein Vater für mich geplant hatte. Die Schmach der frühen Jahre, das Unrecht, das mir geschehen war, nagte immer noch tief in mir.
Jetzt sah ich ihn, den Verantwortlichen für das alles, auf der anderen Straßenseite, meinem Blick schutzlos ausgeliefert. Blitzschnell wurde mir klar, was zu tun war – nämlich nichts.
Ich blieb im Halbschatten meiner Raucherecke, rührte mich nicht vom Fleck und beobachtete das Geschehen. Fenster gingen auf, Menschen schrien nach Polizei und Krankenwagen, die auch einige Minuten später eintrafen. Jürgen wehrte sich nur kurz, als die Polizisten ihn mit festem Griff abführten. Der Krankenwagen fuhr bald wieder ab, nachdem jemand ausgestiegen war und die am Boden Liegende untersucht hatte. Ihr war wohl nicht mehr zu helfen.
Mir rauschte der Kopf, als ich langsam an der Hauswand entlang schleichend, darauf bedacht, nicht gesehen zu werden, den Schauplatz Richtung Zuhause verließ.
War jetzt vielleicht der Moment der Rache gekommen? Am nächsten Tag stürzte ich mich auf die Presse. Große Lettern auf der Titelseite des Lokalblatts zeigten tatsächlich das Erhoffte: „Bekannter Unternehmer Jürgen U. unter Mordverdacht verhaftet!“. Ich verschlang die spärlichen Einzelheiten, die der Presse bekannt waren: „Mordwaffe in der Hand“, „Blutspuren des Opfers an der Kleidung“, „Von mehreren Zeugen gesehen“. Sogar ein Motiv wurde seitens der Journalisten gemutmaßt. Das Opfer war eine Richterin des Amtsgerichts, mit der Jürgen U. schon ein paar Mal in Fehde gelegen hatte. Es passte einfach alles.
Ich, der genau wusste, dass er unschuldig war, ich konnte jetzt über das weitere Schicksal von Jürgen entscheiden. Ich musste nur nichts tun, einfach gar nichts tun. Man hatte mich nicht gesehen. Keiner schrieb in der Presse von einem unbekannten Zeugen am Tatort. Ich würde mich nicht rühren und Jürgen seinem Verderben überlassen. Kein entlastendes Sterbenswort würde über meine Lippen kommen. Das Vorgefühl des späten Triumphs verschönte mir ab sofort die Tage. Ich studierte laufend die gesamte örtliche Presse zu dem Fall. Die Reportage im Lokalfernsehen über den Fall Jürgen U. zeichnete ich auf. Die Verhandlung stand bald bevor. Berichte über weitere Ermittlungen brachte die Presse nicht.
Mich ärgerte nur ein Umstand. Ich sah keinen gangbaren Weg, um Jürgen unter diesem, meinem, Triumph zusätzlich leiden zu lassen. Als erfolgreicher Unternehmer unter Mordanklage vor Gericht zu stehen, ohne große Aussicht auf Freispruch, war sicher schon schlimm genug. Wenn er aber jetzt noch wüsste, dass ich ihn entlasten könnte, aber dazu nicht die geringste Veranlassung sah – das wäre ein wahres Rachefestival.
Else liebte mich, aber sie hatte von ihrer Mutter vor einem Jahr erfahren, dass ich nicht ihr biologischer Erzeuger war. Sie hatte sich nach anfänglichem Schmerz gefangen, wollte aber in jedem Fall wissen, wer denn ihr richtiger Vater war. Die Mühlen der Behörden mahlten langsam, gaben ihrem Antrag aber statt. Man würde ihr den Namen des Spenders demnächst mitteilen.
Ich hatte im Augenblick keinen Nerv für die Nöte meiner Tochter. Ihr verständlicher Wunsch verletzte mich schon ein wenig. Meine Else-Maus versicherte mir aber hoch und heilig immer wieder, dass ich ihr „Papa“ bliebe.
„Du hast mich schließlich gewickelt und bis heute ertragen, dafür liebe ich Dich“, pflegte sie zu sagen, mich zu umarmen und zu küssen. Ich schmolz regelmäßig dahin.
„Schön für Dich“, hatte ich zerstreut gesagt, als sie mir freudestrahlend den positiven Zwischenbescheid der Behörde zeigte. Ich war zu vertieft in die Vorberichte zu anstehenden Prozessen. Morgen sollte es soweit sein. Ich würde hingehen, in der hinteren Reihe sitzen und genüsslich zuhören, wie Jürgen verurteilt würde. Hoffentlich zu lebenslänglich, auch wenn das nur 15 Jahre wären. 15 Jahre gegen mein zweitrangiges Leben auf der untersten Stufe der Justizhierarchie. Was wäre das schon? Vielleicht könnte ich noch aufstehen und klatschen?
Der Tag der Verhandlung lief wie erwartet. Ich hatte mir extra am Nachmittag frei genommen. Gespannt verfolgte ich den Prozess. Die Verteidigung plädierte schwach, wie ich fand. Sprach von einem reinen Indizienprozess, erwähnte einen nicht gefundenen Zeugen, dessen glühende Zigarette der Angeklagte gesehen haben wollte. Die Polizei hatte aber niemanden ermittelt. Jürgen U. wurde schließlich wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Ich verkniff mir schweren Herzens eine Beifallskundgebung. Ganz gegen meine Gewohnheit ging ich in eine Kneipe auf dem Weg nach Hause und trank zwei Bier. Beschwingt öffnete ich die Wohnungstür. Else kam mir freudestrahlend entgegen gelaufen, schwenkte ein Schreiben in der Hand. Sie rief. „Papa, ich weiß jetzt endlich, wer mein biologischer Vater ist. Ich bin so glücklich. Ich muss ihn unbedingt bald kennenlernen.“
„Ist ja wunderbar für Dich, mein Kind“, antwortete ich ebenfalls bestens gelaunt.
„Lass’ mich noch meinen Mantel ausziehen, Else-Maus.“
Dann las ich, was die Behörde meiner Tochter mitgeteilt hatte:

„Im Auftrag der Fa. SBD teilen wir Ihnen den Namen des für
die Spende Nr. 787866787 registrierten Spenders mit.
Es ist ein gewisser Jürgen Unmann.“
 



 
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