Das Rad der Zeit

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Also sprach der Dorfälteste - Hallo Leute - wir müssen die Zeit anhalten - sie rast vorwärts - immer weiter vorwärts - viel zu schnell - kaum versieht man sich - da ist schon wieder 1 Stunde 1 Tag 1 Woche 1 Monat 1 Jahr vorbei - Männer, Frauen - hört mir zu - so darf das nicht weitergehen - wie soll man denn so überhaupt zum Leben kommen? - ständig sitzt einem die Zeit im Nacken - ständig hört man ein bedrohliches Ticken - nie kann man sich mit voller Muße etwas hingeben - denn die Zeit jagt ständig weiter - und sie bringt uns immer näher an das Ende - sie bringt uns immer näher zum Tod - Leute, es wird Zeit - dass wir uns gegen die Zeit wehren - lasst uns aufbrechen - das Rad der Zeit zu suchen - ich stelle einen Trupp von Freiwilligen zusammen - einen Trupp von Zeitjägern - wir werden es schon finden - das Zeitrad - und dann werden wir es festhalten - wir werden verhindern, dass es sich weiterdreht - dann ist die Diktatur der Zeit beendet - wir werden alle Zeit der Welt für uns haben.

Und sie brachen auf - eine Gruppe unerschrockener Männer - sie reisten nach Norden, Osten, Süden und Westen - aber nirgends konnten sie das Zeitrad finden - schließlich kamen sie wieder zu ihrem Ort zurück - von wo sie aufgebrochen waren – da ergriff der Dorfälteste wieder das Wort - Leute - lasst uns nachdenken und diskutieren - wieso haben wir das Zeitrad nicht gefunden? - viele Gedanken und Meinungen wurden geäußert - es gibt kein Zeitrad - sagte einer - das Zeitrad ist unsichtbar - sagte eine andere - das Zeitrad ist im Himmel - sagte ein dritter - es gibt gar keine Zeit - die existiert nur in unserer Einbildung - das sagte der Dorf-Philosoph - aber es half auch nicht weiter - schließlich meinte eine fünfte - in jedem Ding und in jedem Lebewesen ist ein Zeitrad - aber das war ihnen zu hoffnungslos - da sprach ich - Leute - ich hatte eine Vision - und zwar sah ich - was? - schrien die Leute - ich sah - dass das Zeitrad unser Mühlrad ist - das Rad unserer Ortsmühle - nur das müssen wir anhalten - zunächst tobten und lachten die Leute - aber dann sprach der Dorf-Philosoph - lasst es uns doch versuchen - probieren geht über studieren - und das ist eine verdammt merkwürdige Aussage für einen Philosophen.

Sie zogen also zur Mühle - aber so sehr sie sich auch bemühten - mit Muskelkraft schien das Rad der Zeit nicht anzuhalten sein - deshalb banden sie immer mehr Seile an das Rad - und da begann es tatsächlich langsamer zu laufen - plötzlich erkannte der Philosoph die Gefahr - Leute - schrie er - merkt Ihr nicht? - wir bewegen uns auch immer langsamer - wir dürfen das Zeitrad nicht anhalten - aber sie hörten nicht auf ihn - immer weiter beschwerten sie den Lauf des Rades - und plötzlich hielt es an - und die Welt und alles Leben auf ihr erstarrten in absoluter Bewegungslosigkeit.
 
A

aligaga

Gast
Diesem Märchen gebricht's gleich an Dreierlei, @Stefan: Am Beginn, in der Mitte und am Schluss.

Wer wuchtig mit "Also sprach der Dorfälteste" und im Weiteren wichtig sein will, kann nicht mit "Hallo Leuz!" fortfahren - da lacht das Hühnchen!

Die Trennung der Sätze oder Satzteile durch Gedankenstriche sind bloße Faxen; einen eventuellen "Takt" (wie etwa den einer Unruh) geben sie nicht.

Das plötzlich auftauchende lyrische Ich wirkt sofort unsympathisch, weil es so gescheit tut und doch dumm genug ist, nicht zu wissen, wie man eine Mühle wirklich anhält: Heute dreht man ihr den Strom ab - früher nahm man ihr das Wasser oder den Wind weg oder ließ die Ochsen ausruhen. Oder man unterbrach die Verbindung zwischen Antrieb und Mahlwerk; den dafür nötigen Hebel kannten schon die alten Ägypter.

Tipp: Wirklich Märchen erzählen, nicht Quark mit Mühlsteinen rühren! Die Idee wäre ja gar nicht schlecht, aber die Ausführung ist dir missglückt.

Und noch was: Dieses Forum lebt von der Interaktion. Du hoffst, irgendwer möge deine Texte zur Kenntnis nehmen und dir damit weiterhelfen, sie günstigsten Falles gar als best of hervorzuheben. Also kümmere dich gefälligst auch mal um das Leben der anderen, bevor du weiter nur selber dichtest und nicht mal auf Zuschriften antwortest, mein Freund!

Gruß

aligaga
 

John

Mitglied
Hallo Stefan,

ich muss sagen, dass ist der erste Kommentar, den ich bisher überhaupt schreibe und dass ich mir dafür jetzt "ausgerechnet" Deine Geschichte hier ausgesucht habe, entbehrt, zugegebenermaßen, nicht einer gewissen Willkür. Ich bin hier halt jetzt so "drübergestolpert" und dachte mir, ich fange einfach (endlich) mal "irgendwo" an, mit dem Vorsatz, mich in Zukunft regelmäßig auch als Kommentator einzubringen...
Nun ist Deine Geschichte natürlich auch schön kurz und das kann man ja, je nach dem, als Plus ansehen und sie ist ja wohl offensichtlich als Märchen gedacht. Trotzdem hätte ich persönlich mir am Anfang vielleicht etwas mehr Zeit gelassen, d.h. ich persönlich finde dieses Plötzliche des Anfangs (und überhaupt die Art, wie Du durch die Geschichte so "durchjagst") irritierend;
"Also sprach der Dorfälteste" hört sich an wie "Also sprach Zarathustra" und wirkt im Zusammenhang mit irgendeinem beliebigen von Dir erfundenen "Dorfältesten", von dem man nichtmal weiß, wer das sein soll und/oder um welches Dorf es sich handelt, bzw. was es damit auf sich hat, seltsam. Und, wie aligaga schon angemerkt hatte, wenn das "also sprach" einen "altertümlichen" Stil der Geschichte "ankündigen" soll, passt die teilweise eher "flapsige", modernere Ausdrucksweise, wie "hallo Leute" des weiteren Texts nicht dazu.
Ich muss dazu sagen, dass mit (!) ein Grund, warum ich bisher noch keine Kommentare geschrieben habe, der war, dass ich selbst auch noch nicht gerade überschwängliches Lob für meine Texte geerntet habe und schon allein deswegen will ich jetzt hier um Gottes Willen nicht zu arrogant oder "von oben herab" rüberkommen. Natürlich ist alles, was ich hier schreibe nichts weiter als mein ganz persönlicher Eindruck (aber das dürfte sich wohl eh von selbst verstehen), mit dem Du umgehen kannst, wie Du willst.
Noch zum Text: Also, da es sich wie gesagt um ein Märchen handelt (?), hättest Du meiner Meinung nach (aber das ist wohl auch die Aussage von aligaga, wenn ich das richtig sehe...) auch ruhig ganz "traditionell" mit "es war einmal ein Dorf..." etc., etc. anfangen können, um Dir so Zeit zu lassen, die Ausgangssituation erstmal richtig "einzuführen". Ich verstehe, dass die von Dir gewählte Form die "Rastlosigkeit" der Zeit zum Ausdruck bringen soll, aber dafür, dass das wirkt, müsste der Leser ja erstmal akzeptieren, dass es darum geht bzw. dass Rastlosigkeit von Zeit ein Problem wäre (das ist sie aber hier in Deinem Text nur in den Augen der Dorfbewohner und die Aussage soll ja wohl offensichtlich sein, dass sie damit falsch liegen...).
Puh, wie in Deiner Geschichte, wird auch bei mir jetzt gerade die Zeit knapp (und wenn ich bedenke, wie lange ich jetzt gebraucht habe um diesen Kommentar richtig auszuformulieren und alles, fällt mir ein weiterer Grund ein, warum ich bisher noch keine geschrieben hatte -muss aber, wie gesagt, jetzt mal sein ;) außerdem bin ich auch momentan durch leichte Müdigkeit verlangsamt und hoffe darüber hinaus, dass ich mit zunehmender Geübtheit im Kommentar-Schreiben vielleicht in Zukunft nicht mehr ganz so lang brauchen werde ;) ). Solltest Du darauf bestehen, dass ich mich zum Rest der Geschichte auch noch äußere (und nicht nur zum Anfang, wie es sich jetzt leider ergeben hat) und/oder Fragen zu dem haben, was ich bereits geschrieben habe, einfach melden :)

Ansonsten bis vielleicht demnächst mal

John
 

molly

Mitglied
Hallo Stefan,

Der Anfang mit "Also sprach".. finde ich durchaus gelungen. Der Dorfälteste fällt gleich mit der Tür ins Haus, schließlich glaubt er, dass keine Zeit zu verlieren sei.
Die Bindestriche irritieren etwas und sicher hättest Du noch ausführlicher über die Zeitdiebe schreiben können. Aber es ist Deine Geschichte.
Mich hat sie als Märchen überzeugt. Ein sehr interessantes Thema.

Gern gelesen :) molly

Rat an John: Damit Dir die Freude an der Textarbeit am Anfang nicht gleich zur Last wird, genügt auch mal ein kurzer Kommentar.
 
A

aligaga

Gast
Ein Rat an @molly:

Neu hinzugekommene User, die so freundlich sind, einen klugen, ausführlichen Kommentar über das Werk Dritter zu schreiben, statt nur blabla zu machen, nicht verprellen wollen, sondern ermuntern und motivieren. Das hier ist ein Literaturforum, kein bloßes Leseeckerl.

Lass dich nicht irre machen, @John: Dein Beitrag ist genau das, wovon ein Literaturforum lebt. Bitte mach weiter so!

Gruß

aligaga
 
Hallo aligaga,
kaum hatte ich meine Geschichte online gestellt, schon war dein Kommentar da. Und wie immer schreibst du liebenswürdig, aufbauend, konstruktiv. Danke. Was für ein Service!
Ich glaube, du wirst noch zu meinem größten Fan. Also freue dich, ich habe vor, noch viele Texte in der Leselupe zu veröffentlichen – es gibt schon einige fertige in der Schublade.
Beste Grüße
Stefan Sternau
 
A

aligaga

Gast
Viel schöner wäre, wenn du das tätest, @Stephan, was Sache eines Forums wie diesem ist: dich auch mit den Hervorbringungen anderer kritisch zu beschäftigen, statt nur mit dem eigenen Kram.

Aber das hab ich ja schon mal gesagt.

Gruß

aligaga
 
Hallo aligaga, ja, du hast recht, heute ist wirklich schönes Wetter, aber vielleicht wird es morgen regnen („don’t feed …“).
Mit allerfreundlichsten Grüßen
Stefan Sternau
 

steyrer

Mitglied
Das Mühlrad

Hallo!

Nun, der Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist also das Mühlrad. Das führt mich zur folgenden Frage: Wer betreibt diese seltsame Mühle, die offensichtlich nicht betreten werden kann?

steyrer
 
Hallo Stefan,

zu Anfang wollte ich etwas zum Thema "Verwendung von Satzzeichen" schreiben. Allerdings fiel mir auf, dass du sehr wenig - naja, eigentlich habe ich keine gefunden - Rechtschreibfehler in deinem Text hast. Seltsamer Widerspruch. Jemand, der sich so gut in der Sprache auskennt, wird sich doch auch mit den korrekten Satzzeichen auskennen, oder?
Daraufhin habe ich deine anderen Texte überflogen und war fast fasziniert. Es sieht für mich so aus, als würdest du mit deinen Texten experimentieren. Auch mit uns?
Das macht das Kritisieren in Form von "helfen" ziemlich schwierig. Darum kann ich dir nur die Rückmeldung geben, dass ich auf Grund der verwendeten Satzzeichen schon beim ersten Satz "herausgeflogen" bin. Es macht keinen Spaß, den Text zu lesen, ist erzwungene Anstrengung, die nur die Neugier etwas erleichtert.
Vielleicht wäre es hilfreich, wenn du schreibst, welche Art von Kommentar du erwartest.

Liebe Grüße
Rainer
 
Hallo steyrer,
offen gesagt verstehe ich deine Frage nicht wirklich. Denn ich habe nicht geschrieben, dass die Mühle nicht betreten werden kann. Aber ich gebe gerne zu, dass vielleicht nicht jedes Detail der Geschichte realistisch ist. Nur muss es das m. E. auch nicht, der Text steht in der Rubrik „Fantasy und Märchen“, da darf es ruhig auch einmal etwas seltsam, fremd, irrational, rätselhaft oder auch übersinnlich zugehen.

Viele Grüße
Stefan Sternau
 
An die Rezensenten,

danke für all diejenigen Kommentare, die konstruktiv sind (was Kritik nicht ausschließt). Ich freue mich über Zustimmung; und ich lese Kritik bzw. Veränderungsvorschläge interessiert und denke darüber nach. Derzeit schaffe ich es aber nur selten, im Einzelnen auf Kommentare zu antworten, vielleicht später einmal wieder.

Viele Grüße
Stefan Sternau
 

steyrer

Mitglied
Lieber Stefan,

meine Frage ist nur als kleiner Denkanstoß gedacht. Rückmeldungen hast du ansonsten schon genug bekommen.

Schöne Grüße
steyrer
 
Hallo John,

man muss nicht auf jeden Kommentar antworten. Ich kann und will das auch gar nicht, schon aus Zeitgründen. Aber dein Kommentar ist mir immer in Erinnerung geblieben. Auch, weil du schriebst, dass es deine erste Rezension ist. Ich fand es etwas unfreundlich von mir, nicht darauf zu antworten. So will ich das heute – endlich – nachholen.

Ich verstehe, wenn du schreibst, es ist anstrengend und zeitraubend, einen Kommentar bzw. eine Antwort zu schreiben. Ich bin noch kürzer als du dabei und empfinde es oft genauso.

Auf jeden konkreten Punkt deiner Rezension kann ich nicht eingehen. Generell sehe ich es so: Es gibt viele Wege, einen Text zu schreiben und zu lesen. Zu behaupten, genau ein! Weg wäre der richtige, alle anderen wären falsch, halte ich für unangemessen - höflich formuliert.

Z. B. „Also sprach Zarathustra.“ Ich habe das Nietzsche-Zitat einfach intuitiv verwendet, ohne besondere inhaltliche Implikationen, für mich passte es einfach dahin. Manch ein Kritiker mag das völlig überinterpretieren und fehldeuten, ist aber „natürlich“ davon überzeugt, recht zu haben.

Die Geschichte „Das Rad der Zeit“ sollte bewusst kurz gehalten werden. Für mich muss eine Story nicht bis in letzte Detail ausgemalt sein. Ich finde zwar eine üppige Detailschilderung auch interessant und reizvoll, aber es gibt eben gleichberechtigte Alternativen und Varianten des Schreibens. Und persönlich lese ich selbst auch am liebsten kurze Geschichten. Die Zeit … du verstehst … (Vielleicht sollten wir das Zeitrad doch einmal anhalten.)

Sympathisch finde ich, dass du nicht die Laufbahn der überheblichen, allwissenden, selbst ernannten Mega-Kritiker einschlagen willst, für die ihre Meinung alternativlos ist.

Viele Grüße
Stefan
 



 
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