Das Rinnsal kreischt, der Felsen bricht in Stuecke

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das Rinnsal kreischt, der Felsen bricht in Stuecke,
der Adler faellt vom Himmel wie ein Stein,
in allen Waeldern modert sein Gebein,
durch alle Haeuser zieht sich eine Luecke.

Ein Lufthauch traegt die Gabe um die Welt,
ich huste laut, ich falle lautlos um,
auf allen Strassen starren Menschen stumm
zum Himmel, der verspricht, was er nicht haelt.

Ein Gott blickt auf die Erde und erschrickt,
er ist unsterblich, das bedauert er,
die Sonne schmilzt erbarmungslos den Teer
auf allen Strassen, eine Sanduhr tickt.

Solange irgendwo etwas besteht,
geht es zugrunde, doch die Fahne weht.
 

Haget

Mitglied
MoinMoin Bernd,
WAS Du schilderst, gefällt mir nicht (die Idee ja!), WIE Du schilderst: Gratuliere!
Nur in den beiden letzten Zeilen:
>> Solange irgendwo etwas besteht,
geht es zugrunde, doch die Fahne weht. <<

Kann etwas GLEICHZEITIG bestehen UND zugrunde gehen? Ich bin mir da etwas unsicher. Klingt aber bedrohlich GUT.

Liebe Grüße
Hans-Georg
 

Pseudorinym

Mitglied
Hallo Bernd,

das Gedicht fängt wirklich gut an mit dem kreischenden rinnsal und dem brechenden Felsen,aber das Bild von dem Adler, der einfach so mal eben vom Himmel plumpst und merkwürdigerweise in allen Wäldern gleichzeit zu vermodern beginnt, paßt meiner Meinung nach nicht.
Und wenn wir schon mal dabei sind.
Der Satz:"Ich huste laut,ich falle um"
erziehlt ungeahnte Comedy-Effekte wenn man ihn sich bildlich vorstellt.Stell du dir doch mal einen normalsterblichen Alltagsbürger vor,der während dem Spazierengehen zu husten anfängt und gleich darauf einfach umkippt.Das ist das gleiche wie mit dem Adler.

Die nächste Strophe wiederum gefällt mir sehr gut,
eine geniale Idee das mit dem Gott der nicht unsterblich sein will.

Die letzte Strophe würde ich auch ändern,denn wie Haget oben schon erwähnt hat ist es etwas unlogisch.
Wie wäre es denn mit:

Alles,was irgendwann besteht
geht auch zugrunde, und die Fahne weht


Wie gesagt,nur ein Vorschlag

@--;----
xxx
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

vielen Dank für die freundlichen Kommentare.
Ich werde darüber nachdenken.

Alltagsmenschen sind es hier übrigens nicht oder aber doch, die einfach umfallen.

Eigentlich aber geht es um die innere Wahrheit, die poetische Wahrheit des Gedichtes.

Zu dem Paradox:


Was nicht besteht, kann überhaupt nicht zugrunde gehen, die Existenz, das Bestehen, ist Voraussetzung und Ursache dafür.

In der Existenz ist das Zugrundegehen, der Wandel, bereits vorbestimmt.

Das einzig Invariante der Gesellschaft scheint die Fahne zu sein, die aber doch, obzwar sie es nicht wahrhaben will, dem gleichen (selbstähnlichen, fraktalen) Prinzip unterliegt.

Viele liebe Grüße von bernd
 

Elmar

Mitglied
@ Haget:
...klar kann etwas bestehen und zugrunde gehen...
Aristoteles war ja ganz toll, aber warum zum Teufel immer entweder oder? "Tertium non datur" ist zwar Latein, aber völliger Quatsch.
Gruß, Elmar
 

Haget

Mitglied
MionMoin Elmar,
>> ...klar kann etwas bestehen und zugrunde gehen... <<
Ich stimme in dieser Formulierung zu.
Aber wohl schwerlich bei der Betonung auf UND im Sinne von GLEICHZEITIG. Zugrunde gehen SO LANGE ES BESTEHT?

Aber ich zeige ja nur auf, was mir so auffällt und mache evtl. Vorschläge. Welche Schlüsse ein Autor daraus zieht, kann und will ich nicht beeinflussen.

Liebe Grüße
Hans-Georg
 

Elmar

Mitglied
...jaa! eben, genau! Gleichzeitig...!
Tertium datur!!
Wir sind so verflixt gefangen in dieser Tradition des "Entweder-Oder" ...Völliger Quatsch!... Entschuldige, es ist so schwer zu beschreiben,
Elmar
 

Pseudorinym

Mitglied
Hallo Elmar,
dann gib doch mal ein Beispiel,
anstatt diese tertium datur,das hört sich an wie eine geheime Verschwörungsformel, die nur für Eingeweihte verständlich ist.
(tertium datur- das ist doch Latein,oder?
heißt das soetwas wie das dritte wird gegeben?)

einen nächtlichen gruß
xxx
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo,

zugrunde gehen ist ein Prozess, er hat Abstufungen.
deshalb kann etwas nur zugrunde gehen, solange es existiert.
Etwas, was nicht (mehr) existiert, kann nicht zugrunde gehen. Denn da ist ja nichts da, was solches könnte.

"Tertium datur" ist das Gegenteil von "tertium non datur" - ein drittes gibt es nicht - könnte man es in etwa übersetzen.

Xenon hat die entsprechenden Paradoxien aufgestellt.

Zum Beispiel kann dich ein Pfeil nicht treffen, da er ja an einem bestimmten Ort abgeschossen wird.
Um sich zu bewegen, müßte er gleichzeitig an einem anderen Ort sein. Das aber kann er nicht. Jedenfalls nicht in der klassischen Mechanik.

Da er's aber tut, muß die klassische Mechanik falsch sein.

Ist sie aber wohl nicht, denn sie beschreibt seine bewegung ziemlich genau.

Ziemlich? Also doch nicht?
 

Haget

Mitglied
MoinMoin zusammen,
ich glaube von Xenon(?) ist auch die Beweisführung, dass der schnellste Läufer einen langsamen nicht überholen kann - in der Praxis natürlich nicht so.
Aber der mir gegenläufigen Argumentation beuge ich mich langsam. Ich stand eigentlich mehr unter dem Eindruck, dass im Gedicht erst alles recht plötzlich geschah und nun Umkehr in gleichzeitig mit dem Bestehen, was zumindest nach einem längeren Prozess klingt.

Liebe Grüße
Hans-Georg
 



 
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