Zum Text
Hallo Mumpf Lunse,
es tut mir sehr leid, dass ich dem Urteil von xzar nicht folgen kann. Mir hat der Text überhaupt nicht gefallen, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Der Aufbau Ankunft, Kennenlernen, Verlieben, Hadern, Abschied ist linear und entbehrt damit jeder Dramatik. Warum nicht alles umstellen, um damit Spannung zu erzeugen? Konkret: Mit dem Liebesgeständnis anfangen. Die ganze Vorgeschichte kannst Du Dir im Grunde sparen oder im Anschluss in wenigen Sätzen skizzieren. Wer, was, wann, wo sind W-Fragen, die in einem journalistischen Text beantwortet werden müssen. In einer Erzählung ist weniger manchmal mehr.
2. Die Sprache ist trocken, der Duktus behäbig. In den meisten Fällen kannst Du Dir die die wörtliche Rede begleitenden "und sie fügte erklärend hinzu" oder "und antwortete etwas Unverbindliches wie" einfach sparen. Dadurch bekommt der Text mehr Tempo.
Es fehlen nahezu vollständig Metaphern, die der Poesie des Erzählten angemessen sind. Und wenn es Bilder sind, sind die pauschal, abgegriffen und damit eher lesetötend ("Wie ein weidwundes Tier" oder "Ich hatte das Gefühl in einen Abgrund zu stürzen und nahm plötzlich alles durch einen Schleier wahr"). Tipp: Metaphern suchen, die sich andie exotische Szenerie anlehnen (statt "waidwundes Tier" z. B. "geprügelter Bettler". Ok, ist auch nicht berauschend, aber Du verstehst vielleicht, was ich meine...)
Beschreibungen der Orte entsprechen meist dem Niveau von Reiseführern: "überwältigend unwirklich". Was heißt das??? Konkret! Ansonsten wirkten Erläuterungen wie zur Tee-Landschaft Hangzhou auf mich eher bremsend. Nochmal: Weniger ist manchmal mehr!
Ein weiteres Beispiel für diese oberflächlichen Beschreibungen: "Am Ufer des Westsees, vor langer Zeit als paradiesische Gartenlandschaft gestaltet, durchzogen von Dämmen und kunstvollen Brücken, eingesäumt von romantischen Teehäusern, sah man Schleiertänzer und Gymnastikgruppen, Ansammlungen von jungen Leuten, die sich hier trafen, um sich in einer Fremdsprache zu unterhalten oder einfach nur zu schwatzen." Was ist paradiesisch, was kunstvoll, was romantisch? Alles Phrasen, konkret beschreiben!
Insgesamt hatte ich das Gefühl, einen Schulaufsatz zu lesen, mit all seinen negativen Begleiterscheinungen, aber keine sensible Erzählung. Die exotische Szenerie wird viel zu selten in die Handlung einbezogen. Die Protagonisten bewegen sich wie in Kulissen, was das Ganze unrealistisch erscheinen lässt.
3. Einzelne Passagen:
Die Beschreibung von "Hae-Sun" ist abgeschmackt. Ich habe einfach zu oft von sinnlichen Lippen gelesen. Was sind sinnliche Lippen überhaupt? Sind sie voll, zart, fein geschwungen, herzförmig?
"Sie lächelte mich an und fragte dann spöttisch: "Was meinst du, stimmt unsere Chemie?". "Keine Ahnung,", antwortete ich, "wenn du keine Chemie hast..."."
"Spöttisch" passt hier wohl kaum, ist zu negativ besetzt. In vielen Fällen scheinen mir die von Dir gewählten Wörter nicht treffend zu sein. Noch mal den kompletten Text danach überprüfen.
Die Passage mit dem Dylan-Song ist entsetzlich konstruiert. Die Idee ist im Grunde gut, wirkt aber in der Form gequält.
"Hae-Sun verbrachte jetzt mehr Zeit mit mir. Wir führten lange Gespräche und ich erfuhr viel über sie, ihre Familie, ihre Freunde, die Männer, mit denen sie zusammen war."
DAS sind die Sachen, von denen ich etwas wissen will. Schildere die Gespräch, ihre Familie, Freunde, Männer, und nicht die Atmosphäre grüner Teeplantagen (und dann nicht einmal gekonnt)!
"Wie süß.", seufzte sie.
Dein Text ist voll von Stellen, in denen jemand was sagt, Du aber eine Handlung an die wörtliche Rede anhängst. Das ist das Niveau von Groschenromanen! Wenn überhaupt: "Wie süß", sagte sie und seufzte. Wenn jemand etwas sagt, dann sagt er es und "seufzt", "zischt" "faucht" oder "stößt" nicht. Besser vielleicht: "Sie seufzte.'Wie süß.'"
4. Entgegen xzars Meinung finde ich die blöden Witze des Erzählers gut, weil sie die kulturellen Unterschiede der beiden einigermaßen unaufdringlich wiedergeben.
Beste Grüße
Gladiator