Das Telefonat

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Claus Thor

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Das Telefonat
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Claus Thor

„Also, Ihr Mann wollte nach Mallorca fliegen?“, sagte der Polizeihauptkommissar Berger und rollte einen Schreibstift unentwegt zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand hin und her.
„Nun ja“, sagte die zierliche Frau, die wie ein Häuflein Elend auf dem Stuhl saß. „Ursprünglich wollte Peter mit seinen Skatbrüdern zum Oktoberfest, aber das hätte ihr Budget gesprengt.“
„... und so fanden die Skatbrüder ein Angebot für Mallorca?“, sag-te der Berger.
„Ja, ja“, sagte Sibylle, „sie hatten fast drei Jahre gespielt und das Geld gespart.“
„Wer buchte die Reise?“, Berger legte den Stift zurück in die Schreibschale.
„Das war Bruno, er hatte das Ganze via Internet erledigt.“
„Waren Sie einverstanden, dass Ihr Mann die Reise machen woll-te?“
Der korpulente Kriminalist, dessen Gesicht eine dunkelrote Fär-bung aufwies, sodass die Frau glaubte, er würde jeden Moment ex-plodieren, sah sie herausfordernd an.
„Ach, wissen Sie“, sagte Sibylle und lächelte verlegen. „Ich ver-traute meinem Mann, voll und ganz; aber Bruno traute ich noch nie über den Weg.“
„So, so … wie soll ich das verstehen?“
„Die Art, wie er sich Frauen gegenüber äußert.“
„Nämlich?“
„Na ja, er gibt einem das Gefühl Mensch zweiter Klasse zu sein.“
„Sie fühlten sich also nicht wohl dabei, dass die Drei, das Wo-chenende auf der Ferieninsel verbringen würden“, sagte Berger, „und Sie haben nicht versucht, es Ihrem Mann auszureden?“
„Nein, wie ich anfangs schon sagte, ich vertraute meinem Mann.“
„Sie waren also fest der Überzeugung, dass Ihr Mann, am Freitag dem 20. August 2011, mit seinen Skatbrüdern im Flieger nach Mal-lorca saß.“
„Ja, natürlich.“ Sibylle war verärgert.
„Was denken Sie eigentlich ... glauben Sie ich hätte etwas mit der Sache zu schaffen?“
Die Sekretärin schaute auf; auch der Polizeihauptkommissar sah sie mit seinen kleinen Schweinsäuglein an: „Haben Sie?“
„Nein.“
Der Kriminalist sagte eine Weile nichts; dann begann er mit teil-nahmsloser Stimme die Aktennotizen zu erläutern: „Den Spuren nach zu urteilen war es Einbruch. Die Spezialisten konnten den Weg des Einbrechers rekonstruieren. Im Obergeschoss des Hauses traf der Täter auf Ihren Mann und die Frau. Vermutlich war der Dieb überrascht, jemanden im Haus anzutreffen.“
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte Sibylle. „Soll ich froh sein, dass das fremd gehen meines Mannes auf diese Weise eine Bestrafung fand, oder doch traurig ...“
„Tja, wie dem auch sei“, sagte Berger, „er wird es bereut haben, dass er nicht mit seinen Freunden geflogen ist.“
Darauf können Sie wetten, dachte Sibylle und fragte: „Den Anruf-beantworter haben Sie untersucht?“
„Ja. Er hat Sie glauben machen wollen, dass er auf der Ferieninsel sei.“ Berger beäugte die Frau und fragte: „Wo waren Sie, als der Anruf kam?“
„Ich hatte Kopfschmerzen und Tabletten genommen, um mich schlafen zulegen.“ Sie schaute auf ihre schmalen Hände. „Ich habe erst am anderen Morgen den AB abgehört.“
„Hmmm ...“, machte Berger, „ja, das wäre vorläufig alles.“
Trotz seiner Leibesfülle erhob sich der Kriminalist behände und führte die Frau aus dem Büro.
Sibylle dachte: wenn du wüsstest … Ich habe gesehen, wie mein Mann zur Telefonzelle ging; und hörte, wie er mich belog, als er sagte: ‚... ähm, Sibylle ich bin’s Peter. Oh, du bist nicht da ... ähm, hier ist es über 30 Grad. strahlend blauer Himmel von morgens bis abends …’
Er belog und betrog mich. Das konnte ich nicht auf mir sitzen las-sen. Ich folgte ihm zu dieser Frau. Peter hatte sich damals eine Pis-tole besorgt, ich weiß, nicht wofür, aber ich wusste, wo sie zu fin-den war. Sollen sie nach dem Täter suchen. Sie werden nicht auf mich kommen; das kleine zierliche Persönchen kann doch keiner Fliege was zuleide tun. Peter hat ganz schön dumm geschaut, als ich plötzlich vor ihm stand, mit der Waffe; ich schoss ihm ins Herz und der blöden Kuh schoss ich mitten in ihr hübsches Gesicht. Ha. Ich habe meine Spuren gut verwischt und einen Einbruch vorge-täuscht. Was man nicht alles im TV lernt.“
-Ende-
 

Claus Thor

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Das Telefonat
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Claus Thor

„Also, Ihr Mann wollte nach Mallorca fliegen?“, sagte der Polizeihauptkommissar Berger und rollte einen Schreibstift unentwegt zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand hin und her.
„Nun ja“, sagte die zierliche Frau, die wie ein Häuflein Elend auf dem Stuhl saß. „Ursprünglich wollte Peter mit seinen Skatbrüdern zum Oktoberfest, aber das hätte ihr Budget gesprengt.“
„... und so fanden die Skatbrüder ein Angebot für Mallorca?“, sagte der Berger.
„Ja, ja“, sagte Sibylle, „sie hatten fast drei Jahre gespielt und das Geld gespart.“
„Wer buchte die Reise?“, Berger legte den Stift zurück in die Schreibschale.
„Das war Bruno, er hatte das Ganze via Internet erledigt.“
„Waren Sie einverstanden, dass Ihr Mann die Reise machen wollte?“
Der korpulente Kriminalist, dessen Gesicht eine dunkelrote Färbung aufwies, sodass die Frau glaubte, er würde jeden Moment explodieren, sah sie herausfordernd an.
„Ach, wissen Sie“, sagte Sibylle und lächelte verlegen. „Ich vertraute meinem Mann, voll und ganz; aber Bruno traute ich noch nie über den Weg.“
„So, so … wie soll ich das verstehen?“
„Die Art, wie er sich Frauen gegenüber äußert.“
„Nämlich?“
„Na ja, er gibt einem das Gefühl Mensch zweiter Klasse zu sein.“
„Sie fühlten sich also nicht wohl dabei, dass die Drei, das Wochenende auf der Ferieninsel verbringen würden“, sagte Berger, „und Sie haben nicht versucht, es Ihrem Mann auszureden?“
„Nein, wie ich anfangs schon sagte, ich vertraute meinem Mann.“
„Sie waren also fest der Überzeugung, dass Ihr Mann, am Freitag dem 20. August 2011, mit seinen Skatbrüdern im Flieger nach Mallorca saß.“
„Ja, natürlich.“ Sibylle war verärgert.
„Was denken Sie eigentlich ... glauben Sie ich hätte etwas mit der Sache zu schaffen?“
Die Sekretärin schaute auf; auch der Polizeihauptkommissar sah sie mit seinen kleinen Schweinsäuglein an: „Haben Sie?“
„Nein.“
Der Kriminalist sagte eine Weile nichts; dann begann er mit teilnahmsloser Stimme die Aktennotizen zu erläutern: „Den Spuren nach zu urteilen war es Einbruch. Die Spezialisten konnten den Weg des Einbrechers rekonstruieren. Im Obergeschoss des Hauses traf der Täter auf Ihren Mann und die Frau. Vermutlich war der Dieb überrascht, jemanden im Haus anzutreffen.“
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte Sibylle. „Soll ich froh sein, dass das fremd gehen meines Mannes auf diese Weise eine Bestrafung fand, oder doch traurig ...“
„Tja, wie dem auch sei“, sagte Berger, „er wird es bereut haben, dass er nicht mit seinen Freunden geflogen ist.“
Darauf können Sie wetten, dachte Sibylle und fragte: „Den Anrufbeantworter haben Sie untersucht?“
„Ja. Er hat Sie glauben machen wollen, dass er auf der Ferieninsel sei.“ Berger beäugte die Frau und fragte: „Wo waren Sie, als der Anruf kam?“
„Ich hatte Kopfschmerzen und Tabletten genommen, um mich schlafen zulegen.“ Sie schaute auf ihre schmalen Hände. „Ich habe erst am anderen Morgen den AB abgehört.“
„Hmmm ...“, machte Berger, „ja, das wäre vorläufig alles.“
Trotz seiner Leibesfülle erhob sich der Kriminalist behände und führte die Frau aus dem Büro.
Sibylle dachte: wenn du wüsstest … Ich habe gesehen, wie mein Mann zur Telefonzelle ging; und hörte, wie er mich belog, als er sagte: ‚... ähm, Sibylle ich bin’s Peter. Oh, du bist nicht da ... ähm, hier ist es über 30 Grad. strahlend blauer Himmel von morgens bis abends …’
Er belog und betrog mich. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich folgte ihm zu dieser Frau. Peter hatte sich damals eine Pistole besorgt, ich weiß, nicht wofür, aber ich wusste, wo sie zu finden war. Sollen sie nach dem Täter suchen. Sie werden nicht auf mich kommen; das kleine zierliche Persönchen kann doch keiner Fliege was zuleide tun. Peter hat ganz schön dumm geschaut, als ich plötzlich vor ihm stand, mit der Waffe; ich schoss ihm ins Herz und der blöden Kuh schoss ich mitten in ihr hübsches Gesicht. Ha. Ich habe meine Spuren gut verwischt und einen Einbruch vorgetäuscht. Was man nicht alles im TV lernt.“
-Ende-
 

jon

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Teammitglied
Schade, dass die Auflösung so „verdorben" ist. Diese ganze Erklärung macht es kaputt. Dass Peter von einer Telefonzelle aus anrief, ist (für diese Story) egal, auch wem die Waffe gehörte, wäre nur für eine ausführlichere Geschichte von Belang. Idee: Am Schluss (nachdem sie entlassen ist) etwas wie:

"… führte die Frau aus dem Büro. Mit kummervoller Mine nickte Sybille ihm zum Abschied zu. Dann verließ sie das Gebäude und ging nach Hause. Auf der Brücke über dem Fluss bleib sie kurz stehen und sah in die braune Brühe hinunter. Nein, da drin würde niemand die Pistole finden. Sie lächelte."
 

Claus Thor

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Hallo jon,
du hast recht, das Ende gefällt mir auch nicht besonders. Muss mir mal den alten Text zur Brust nehmen, aber für bestimmte Stories muss ich immer erst in Stimmung sein. Kling komisch … ist es auch.
MfG
CT
 

Claus Thor

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Das Telefonat
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Claus Thor

„Also, Ihr Mann wollte nach Mallorca fliegen?“, sagte der Polizeihauptkommissar Berger und rollte einen Schreibstift unentwegt zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand hin und her.
„Nun ja“, sagte die zierliche Frau, die wie ein Häuflein Elend auf dem Stuhl saß. „Ursprünglich wollte Peter mit seinen Skatbrüdern zum Oktoberfest, aber das hätte ihr Budget gesprengt.“
„... und so fanden die Skatbrüder ein Angebot für Mallorca?“, sagte der Berger.
„Ja, ja“, sagte Sibylle, „sie hatten fast drei Jahre gespielt und das Geld gespart.“
„Wer buchte die Reise?“, Berger legte den Stift zurück in die Schreibschale.
„Das war Bruno, er hatte das Ganze via Internet erledigt.“
„Waren Sie einverstanden, dass Ihr Mann die Reise machen wollte?“
Der korpulente Kriminalist, dessen Gesicht eine dunkelrote Färbung aufwies, sodass die Frau glaubte, er würde jeden Moment explodieren, sah sie herausfordernd an.
„Ach, wissen Sie“, sagte Sibylle und lächelte verlegen. „Ich vertraute meinem Mann, voll und ganz; aber Bruno traute ich noch nie über den Weg.“
„So, so … wie soll ich das verstehen?“
„Die Art, wie er sich Frauen gegenüber äußert.“
„Nämlich?“
„Na ja, er gibt einem das Gefühl Mensch zweiter Klasse zu sein.“
„Sie fühlten sich also nicht wohl dabei, dass die Drei, das Wochenende auf der Ferieninsel verbringen würden“, sagte Berger, „und Sie haben nicht versucht, es Ihrem Mann auszureden?“
„Nein, wie ich anfangs schon sagte, ich vertraute meinem Mann.“
„Sie waren also fest der Überzeugung, dass Ihr Mann, am Freitag dem 20. August 2011, mit seinen Skatbrüdern im Flieger nach Mallorca saß.“
„Ja, natürlich.“ Sibylle war verärgert.
„Was denken Sie eigentlich ... glauben Sie ich hätte etwas mit der Sache zu schaffen?“
Die Sekretärin schaute auf; auch der Polizeihauptkommissar sah sie mit seinen kleinen Schweinsäuglein an: „Haben Sie?“
„Nein.“
Der Kriminalist sagte eine Weile nichts; dann begann er mit teilnahmsloser Stimme die Aktennotizen zu erläutern: „Den Spuren nach zu urteilen war es Einbruch. Die Spezialisten konnten den Weg des Einbrechers rekonstruieren. Im Obergeschoss des Hauses traf der Täter auf Ihren Mann und die Frau. Vermutlich war der Dieb überrascht, jemanden im Haus anzutreffen.“
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte Sibylle. „Soll ich froh sein, dass das fremd gehen meines Mannes auf diese Weise eine Bestrafung fand, oder doch traurig ...“
„Tja, wie dem auch sei“, sagte Berger, „er wird es bereut haben, dass er nicht mit seinen Freunden geflogen ist.“
Darauf können Sie wetten, dachte Sibylle und fragte: „Den Anrufbeantworter haben Sie untersucht?“
„Ja. Er hat Sie glauben machen wollen, dass er auf der Ferieninsel sei.“ Berger beäugte die Frau und fragte: „Wo waren Sie, als der Anruf kam?“
„Ich hatte Kopfschmerzen und Tabletten genommen, um mich schlafen zulegen.“ Sie schaute auf ihre schmalen Hände. „Ich habe erst am anderen Morgen den AB abgehört.“
„Hmmm ...“, machte Berger, „ja, das wäre vorläufig alles.“
Trotz seiner Leibesfülle erhob sich der Kriminalist behände und führte die Frau aus dem Büro.
Sibylle lächelte nicht, als sie sich noch einmal umschaute und Kommissar Berger im Türrahmen, den er fasst ausfüllt, stehen sah. Er fixierte sie mit seinen kleinen Schweinsaugen, und gab ihr das Gefühl als lese er ihre Gedanken. Dann drehte sie sich langsam um und folgte den Gang bis zur nächsten Ecke, wo sie die Richtung zum Ausgang folgte. Sie hatte das Bedürfnis einen Blick über die Schulter zu machen, wagte es aber nicht, irgendwie dachte Sibylle sie würde alles hinausschreien, wenn er da stehen würde, die ganze Wahrheit. Dann straffte sich ihr Körper und sie legte sich ans Herz, durchzuhalten. Endlich trat sie durch die Ausgangstür. Das fühlte sich gut an, dachte sie. Sie ging zum Parkplatz und öffnete elektronisch ihren Wagen. Als sie im Auto sitzt sieh sie die Fassade des Gebäudes, welche schmutzig gelb ist, und die Fenster. Hinter eines der Scheiben steht Berger. Sie ahnt nur sein rotes Mondgesicht und ein leichtes Stöhnen entrinnt ihrer Kehle.
„Reiß dich zusammen, Mädchen!“, ermahnte sie sich. Doch sie lässt den Motor aufheulen.
Sibylle steht auf der Brücke, die über den Mittellandkanal führt, wo um diese Zeit nur wenig Verkehr herrschte. Ihr Auto ist nicht weit entfernt. Sie hat die Tür aufgelassen. Der Motor läuft.
Vor ihrem geistigen Auge sieh sie noch einmal Peter. Und Sibylle denkt: wie dumm er geschaut hatte, als ich plötzlich vor ihm stand, mit der Waffe in der Hand. Ich schoss ihm ins Herz und der blöden Kuh schoss ich mitten in ihr hübsches Gesicht.
Dann schaut Sibylle in die kalte Brühe des Kanals. Sie lässt die Pistole fallen. Es platsch, und als die Ringe vergehen, lächelt sie.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Inhaltlich/Strukturell flüssiger - gefällt mir. Und nun noch die Zeiten richtig machen (auch dieser Teil muss im Präteritum stehen) und Tipp/Schreibfehler beheben und das Ding ist rund.

Tippfehler und andere Details:


„... und so fanden die Skatbrüder ein Angebot für Mallorca?“, sagte der Berger.
"der" zu viel

„Waren Sie einverstanden, dass Ihr Mann die Reise machen wollte?“
Hinweis für künftige Arbeiten: Klar redet man manchmal so, aber eigentlich will der Kommissar doch wissen, ob sie einverstanden war, dass er die Reise macht(e).

„Na ja, er gibt einem das Gefühl Mensch zweiter Klasse zu sein.“
Komma nach "Gefühl"

„Sie fühlten sich also nicht wohl dabei, dass die Drei, das Wochenende auf der Ferieninsel verbringen würden“, sagte Berger, „und Sie haben nicht versucht, es Ihrem Mann auszureden?“
"die drei" („die Drei“ wäre jemand oder etwas, der/das den Namen "Drei" trägt)

„Ja, natürlich.“ Sibylle war verärgert.
„Was denken Sie eigentlich ... glauben Sie ich hätte etwas mit der Sache zu schaffen?“
Kein Absatz nach "verärgert" (Die bessere Regel lautet nicht "neue Rede, neuer Absatz" sondern "neuer Redner, neuer Absatz".)
Komma nach "glauben Sie"
Sinnvoller wäre, "glauben" als Satzanfang groß zu schreiben. Und (jedenfalls für mein Empfinden) keine drei Punkte zu machen (was "fehlt" da?), sondern "?!" oder nur "?".

Die Sekretärin schaute auf; auch der Polizeihauptkommissar sah sie mit seinen kleinen Schweinsäuglein an: „Haben Sie?“
Man kann "Haben Sie?" sagen aber nicht jemanden "Haben Sie?" ansehen. (Ich weiß, das wird oft gemacht, aber es ist semantisch eben falsch. Es gibt sicher Fälle, wo es geradezu nötig ist, diesen Fehler in kauf zu nehmen, hier geht es gut und gerne aber auch mit einem Punkt.)


Der Kriminalist sagte eine Weile nichts; dann begann er mit teilnahmsloser Stimme die Aktennotizen zu erläutern: „Den Spuren nach zu urteilen war es Einbruch. Die Spezialisten konnten den Weg des Einbrechers rekonstruieren. Im Obergeschoss des Hauses traf der Täter auf Ihren Mann und die Frau. Vermutlich war der Dieb überrascht, jemanden im Haus anzutreffen.“
Hier zum Beispiel ist es richtig(er), denn "erläutern" ist eine Sprachäußerung, die wörtliche Rede gibt diese Erläuterung wider.
Komma nach "urteilen"

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte Sibylle. „Soll ich froh sein, dass das fremd gehen meines Mannes auf diese Weise eine Bestrafung fand, oder doch traurig ...“
"das Fremdgehen"

Darauf können Sie wetten, dachte Sibylle und fragte: „Den Anrufbeantworter haben Sie untersucht?“
Beim ersten Lesen dachte ich hier, es sei sein AB gemeint. Vielleicht besser „Meinen Anrufbeantworter …"?

„Ich hatte Kopfschmerzen und Tabletten genommen, um mich schlafen zulegen.“ Sie schaute auf ihre schmalen Hände. „Ich habe erst am anderen Morgen den AB abgehört.“
Hinweis für die Zukunft: Man redet manchmal so, aber die Doppelnutzung von "hatte" ist semantisch falsch. Einmal (Kopfschmerz) hat es den Charakter eines Vollverbs, für "genommen" ist aber das zeitformbildene Hilfsverb.


Trotz seiner Leibesfülle erhob sich der Kriminalist behände und führte die Frau aus dem Büro.
Feinheit: Das klingt ein wenig so, als könnten Dicke Leute nur unter Schwierigkeiten aus eine Büro führen.

Sibylle lächelte nicht, als sie sich noch einmal umschaute und Kommissar Berger im Türrahmen, den er fasst ausfüllt, stehen sah.
fast
Er fixierte sie mit seinen kleinen Schweinsaugen, und gab ihr das Gefühl als lese er ihre Gedanken.
Komma nach "Gefühl"
genau genommen: "als läse" (Kann aber sein, dass "als lese" als modernere Form auch zulässig ist, ich bin da grad nicht ganz sicher)

Dann drehte sie sich langsam um und folgte den Gang bis zur nächsten Ecke, wo sie die Richtung zum Ausgang folgte.
Dopplung "folgte"
folgte dem Gang
wo sie der Richtung folgte

Sie hatte das Bedürfnis einen Blick über die Schulter zu machen, wagte es aber nicht, irgendwie dachte Sibylle sie würde alles hinausschreien, wenn er da stehen würde, die ganze Wahrheit.
Kommas nach "Bedürfnis" und "dachte Sibylle"
Blicke macht man eigentlich nicht, man wirft sie
Worte wie "irgendwie" sollte man als Autor im Erzählteil vermeiden. Figuren dürfen das Wort sagen oder (in „wörtlichen Gedanken“) denken. Der (aus der Position wie hier heraus erzählende) Autor sollte aber schon wissen, was wie passiert – denkt sie es oder nicht, ist der Gedanke unangenehm, beiläufig, überraschend … Ich nehme an, du meinst eigentlich „… wagte es aber nicht, weil sie das Gefühl hatte, sie würde alles herausschreien …".

Das fühlte sich gut an, dachte sie.
Meinst du wirklich "fühltE"? Oder doch "fühlt"?

Sie ging zum Parkplatz und öffnete elektronisch ihren Wagen.
Seltsame Formulierung, klingt in meinen Ohren sogar irgendwie falsch. Ich würde es aber nicht unbedingt anmeckern. Wichtig dabei ist in diesem Fall vor allem, dass eine so ungewohnte Formulierung starke Aufmerksamkeit weckt. Man erwartet dabei, dass es wichtig ist, dass sie nicht "klassisch aufschließt". Ist es aber nicht, oder?


Hier beginnst du, ab und zu die Gegenwart statt der Vergangenheit zu benutzen:

Als sie im Auto sitzt sieh sie die Fassade des Gebäudes, welche schmutzig gelb ist, und die Fenster. Hinter eines der Scheiben steht Berger. Sie ahnt nur sein rotes Mondgesicht und ein leichtes Stöhnen entrinnt ihrer Kehle.
saß (nicht „sitzt") und danach dann ein Komma
gelb war, stand Berger, ahnte, entrann
hinter einer der Scheiben
Stöhnen "entrinnt" eigentlich nicht, dazu ist es zu kurz. Hattest du etwas wie "entringen" im Hinterkopf gehabt?

„Reiß dich zusammen, Mädchen!“, ermahnte sie sich. Doch sie lässt den Motor aufheulen.
ließ
Feinheit: Das „doch" wirkt komisch, der Sinnzusammenhang ist einen Ticken zu kurz geknüpft. Milder wäre es mit "Dennoch heulte der Motor auf, als sie aufs Gas trat." Deine Version klingt so, als würde sie es darauf anlegen, dass der Motor aufheult, die andere Version betont eher, dass dieser Effekt nicht beabsichtigt war. Ich weiß nicht, ob du das auch so im Sprachgefühl hast. Horch einfach mal, wie die Versionen in dir nachklingen!


Sibylle steht auf der Brücke, die über den Mittellandkanal führt, wo um diese Zeit nur wenig Verkehr herrschte.
stand, führte (auch wenn sie das immer macht - das Erzähljetzt steht im Präteritum)

Ihr Auto ist nicht weit entfernt. Sie hat die Tür aufgelassen. Der Motor läuft.
Vor ihrem geistigen Auge sieh sie noch einmal Peter. Und Sibylle denkt: wie dumm er geschaut hatte, als ich plötzlich vor ihm stand, mit der Waffe in der Hand. Ich schoss ihm ins Herz und der blöden Kuh schoss ich mitten in ihr hübsches Gesicht.
Dann schaut Sibylle in die kalte Brühe des Kanals. Sie lässt die Pistole fallen. Es platsch, und als die Ringe vergehen, lächelt sie.
„Wie dumm er geschaut hat“ ist ein neuer Satz (groß schreiben)
es platscht
Alles in Vergangenheit setzen! –––– Man kann eine Schlüsselszene wie diese auch durch Zeitformwechsel abheben, da hast du natürlich recht. Und es würde hie rauch gut passen. Dann muss es aber einen spürbaren Bruch geben, genau eine Stelle, an der das eben Erzählte zur Vergangenheit erklärt und ab der das neue Jetzt in Gegenwartsform erzählt wird. Hier könnte der Bruch entstehen, indem die Fassaden-Szene gestrichen wird und das neue Jetzt auf der Brücke beginnt. Das vorherige Jetzt (das im Kommissariat) kann (muss aber nicht) noch explizit zum "Davor" erklärt werden (Sibylle steht auf der Brücke, die über den Mittellandkanal führt. Noch immer spürt sie die aufmerksamen Schweinsäuglein des Kommissars, wie sie in ihrem Kopf zu lesen versuchen.) und alles ist paletti.


Also: Manches ist Kleinkram, manches eher Hinweise für die Zukunft (sozusagen zum "ins Schreib/Sprachgefühl übernehmen"), manches einfach Tippfehler. Richtig große Stolperer habe ich (bis auf die Zeitformsache) nicht gefunden.

PS: Das mit dem Telefonat ist etwas unklarer geworden, oder?
 

Claus Thor

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Ungesühnt
Von
Claus Thor

„Also, Ihr Mann wollte nach Mallorca fliegen?“, sagte der Polizeihauptkommissar Berger und rollte einen Schreibstift unentwegt zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand hin und her.
„Nun ja“, sagte die zierliche Frau, die wie ein Häuflein Elend auf dem Stuhl saß. „Ursprünglich wollte Peter mit seinen Skatbrüdern zum Oktoberfest, aber das hätte ihr Budget gesprengt.“
„... und so fanden die Skatbrüder ein Angebot für Mallorca?“, sagte Berger.
„Ja, ja“, sagte Sibylle, „sie hatten fast drei Jahre gespielt und das Geld gespart.“
„Wer buchte die Reise?“, Berger legte den Stift zurück in die Schreibschale.
„Das war Bruno, er hatte das Ganze via Internet erledigt.“
„Und waren Sie einverstanden?“
Der korpulente Kriminalist, dessen Gesicht eine dunkelrote Färbung aufwies, sodass die Frau glaubte, er würde jeden Moment explodieren, sah sie herausfordernd an.
„Ach, wissen Sie“, sagte Sibylle und lächelte verlegen. „Ich vertraute meinem Mann, voll und ganz; aber Bruno traute ich noch nie über den Weg.“
„So, so … wie soll ich das verstehen?“
„Die Art, wie er sich Frauen gegenüber äußert.“
„Nämlich?“
„Na ja, er gibt einem das Gefühl, Mensch zweiter Klasse zu sein.“
„Sie fühlten sich also nicht wohl dabei, dass die drei, das Wochenende auf der Ferieninsel verbringen würden“, sagte Berger, „und Sie haben nicht versucht, es Ihrem Mann auszureden?“
„Nein, wie ich anfangs schon sagte, ich vertraute meinem Mann.“
„Sie waren also fest der Überzeugung, dass Ihr Mann, am Freitag dem 20. August 2011, mit seinen Skatbrüdern im Flieger nach Mallorca saß.“
„Ja, natürlich.“ Sibylle war verärgert. „Was denken Sie eigentlich? Glauben Sie, ich hätte etwas mit der Sache zu schaffen?“
Die Sekretärin schaute auf; auch der Polizeihauptkommissar sah sie mit seinen kleinen Schweinsäuglein an.
„Haben Sie?“
„Nein.“
Der Kriminalist sagte eine Weile nichts; dann begann er mit teilnahmsloser Stimme die Aktennotizen zu erläutern: „Den Spuren nach zu urteilen, war es Einbruch. Die Spezialisten konnten den Weg des Einbrechers rekonstruieren. Im Obergeschoss des Hauses traf der Täter auf Ihren Mann und die Frau. Vermutlich war der Dieb überrascht, jemanden im Haus anzutreffen.“
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte Sibylle. „Soll ich froh sein, dass das Fremdgehen meines Mannes auf diese Weise eine Bestrafung fand, oder doch traurig ...“
„Tja, wie dem auch sei“, sagte Berger, „er wird es bereut haben, dass er nicht mit seinen Freunden geflogen ist.“
Darauf können Sie wetten, dachte Sibylle und fragte: „Meinen Anrufbeantworter haben Sie untersucht?“
„Ja. Er hat Sie glauben machen wollen, dass er auf der Ferieninsel sei.“ Berger beäugte die Frau und fragte: „Wo waren Sie, als der Anruf kam?“
„Meine Migräne quälte mich schon den ganzen Tag. Ich nahm Tabletten und legte mich schlafen.“ Sie schaute auf ihre schmalen Hände. „Ich habe erst am anderen Morgen den AB abgehört.“
„Hmmm ...“, machte Berger, „ja, das wäre vorläufig alles.“
Trotz seiner Leibesfülle erhob sich der Kriminalist behände, bedankte sich und die Frau verließ das Büro.
Sibylle lächelte nicht, als sie sich noch einmal umschaute und Kommissar Berger im Türrahmen, den er fast ausfüllte, stehen sah. Er fixierte sie mit seinen kleinen Schweinsaugen und gab ihr das Gefühl, als lese er ihre Gedanken. Dann drehte sie sich langsam um und ging den Gang bis zur nächsten Ecke, wo sie die Richtung zum Ausgang folgte. Sie hatte das Bedürfnis, einen Blick über die Schulter zu machen, wagte es aber nicht, weil sie das Gefühl hatte, sie würde alles hinausschreien, wenn er da stehen würde, die ganze Wahrheit. Dann straffte sich ihr Körper und sie legte sich ans Herz, durchzuhalten. Endlich trat sie durch die Ausgangstür. Das fühlt sich gut an, dachte sie. Während Sie zum Parkplatz ging, benutzte sie den Funkfernschlüssel. Als sie im Auto saß, sieh sie die Fassade des Gebäudes, welche schmutzig gelb war, und die Fenster. Hinter eines der Scheiben stand Berger. Sie ahnte nur sein rotes Mondgesicht und ein leichtes Stöhnen kam aus ihrer Kehle.
„Reiß dich zusammen, Mädchen!“, ermahnte sie sich. Dennoch heulte der Motor auf, als sie das Gaspedal niederdrückte.
Sibylle stand auf der Brücke, die über den Mittellandkanal führte, wo um diese Zeit nur wenig Verkehr herrschte. Ihr Auto war nicht weit entfernt. Sie hatte die Tür aufgelassen. Der Motor lief.
Vor ihrem geistigen Auge sah sie noch einmal Peter. Und Sibylle dachte: „Wie dumm er geschaut hat, als ich plötzlich vor ihm stand, mit der Waffe in der Hand.“ Ich schoss ihm ins Herz und der blöden Kuh schoss ich mitten in ihr hübsches Gesicht.
Dann schaute Sibylle in die kalte Brühe des Kanals. Sie ließ die Pistole fallen. Es platschte. Und als die Ringe im Wasser verschwanden, lächelte sie.
 

Claus Thor

Mitglied
Hallo jon,
vielen Dank für deine riesengroße Mühe. Ich habe einiges umgesetzt und hoffe das es jetzt passt.
Der alte Spruch „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“ bewahrheitet sich leider bei mir. Obwohl Abi, liegt es sicher an dem Arbeitermilieu, dem ich entstamme. Habs auch immer versucht zu lernen, bin aber da ne Krampe drin.
Wie auch immer
Herzlichen Dank und Gruß
CT
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Ganz locker bleiben! Man muss diese Dinge sowieso in das Schreibgefühl einsickern lassen und darf beim Schreiben selbst nicht krampfhaft darauf achten, sondern muss die Story „fließen lassen“. Erst beim Überarbeiten sollte man hellsichtig(er) werden, aber das kommt mit der Zeit. Ich stamme auch nicht aus einem Professoren-Haushalt und das ausgesprochene Erbsenzählen ist erst mit der Redaktions- und vor allem der Lektorenarbeit gekommen. Wenn die Story stimmt (Spannungsbogen, Figurenführung, Logik, Glaubwürdigkeit etc), kann man sich für den Rest leicht Hilfe holen. Außerdem ist auch bei der Sprache das Ziselierhämmerchen nicht für jeden das passende Werkzeug, Es mag ja auch nicht jeder filigranen Schmuck.
 

Claus Thor

Mitglied
Überarbeitet Mai 2018.

Ungesühnt
Von
Claus Thor

„Also, Ihr Mann wollte nach Mallorca fliegen?“, sagte der Polizeihauptkommissar Berger und rollte einen Schreibstift unentwegt zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger der rechten Hand hin und her.
„Nun ja“, sagte die zierliche Frau, die wie ein Häuflein Elend auf dem Stuhl saß. „Ursprünglich wollte Peter mit seinen Skatbrüdern zum Oktoberfest, aber das hätte ihr Budget gesprengt.“
„... und so fanden die Skatbrüder ein Angebot für Mallorca?“, nahm Berger an.
„Ja, ja“, sagte Sibylle, „sie hatten fast drei Jahre gespielt und das Geld gespart.“
„Wer buchte die Reise?“, Berger legte den Stift zurück in die Schreibschale.
„Das war Bruno, er hatte das Ganze via Internet erledigt.“
„Und waren Sie einverstanden?“
Der korpulente Kriminalist, dessen Gesicht eine dunkelrote Färbung aufwies, sodass die Frau glaubte, er würde jeden Moment explodieren, sah sie herausfordernd an.
„Ach, wissen Sie“, sagte Sibylle und lächelte verlegen. „Ich vertraute meinem Mann, voll und ganz; aber Bruno traute ich noch nie über den Weg.“
„So, so … wie soll ich das verstehen?“
„Die Art, wie er sich Frauen gegenüber äußert.“
„Nämlich?“
„Na ja, er gibt einem das Gefühl, Mensch zweiter Klasse zu sein.“
„Sie fühlten sich also nicht wohl dabei, dass die drei, das verlängerte Wochenende auf der Ferieninsel verbringen würden“, stellte Berger fest, „und Sie haben nicht versucht, es Ihrem Mann auszureden?“
„Nein, wie ich anfangs schon sagte, ich vertraute meinem Mann.“
„Sie waren also fest der Überzeugung, dass Ihr Mann, am Freitag dem 15. September 2017, mit seinen Skatbrüdern im Flieger nach Mallorca saß.“
„Ja, natürlich.“ Sibylle war verärgert. „Was denken Sie eigentlich? Glauben Sie, ich hätte etwas mit der Sache zu schaffen?“
Die Sekretärin schaute auf. Der Polizeihauptkommissar sah sie forschend an.
„Haben Sie?“
„Nein.“
Der Kriminalist sagte eine Weile nichts; dann erläuterte er mit teilnahmsloser Stimme die Aktennotizen: „Den Spuren nach zu urteilen, war es Einbruch. Die Spezialisten konnten den Weg des Einbrechers rekonstruieren. Im Obergeschoss des Hauses von Frau Meinhardt traf der Täter auf Ihren Mann und die Frau. Vermutlich war der Dieb überrascht, jemanden im Haus anzutreffen.“
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte Sibylle. „Soll ich froh sein, dass das Fremdgehen meines Mannes auf diese Weise eine Bestrafung fand, oder doch traurig ...“
„Tja, wie dem auch sei“, sagte Berger, „Ihr Mann wird es bereut haben, dass er nicht mit seinen Freunden geflogen ist.“
Mit Sicherheit, dachte Sibylle und fragte: „Meinen Anrufbeantworter haben Sie untersucht?“
„Ja. Er hat Sie glauben machen wollen, dass er auf der Ferieninsel sei.“ Berger beäugte die Frau und fragte: „Wo waren Sie, als der Anruf kam?“
„Meine Migräne quälte mich schon den ganzen Tag. Ich nahm Tabletten und legte mich schlafen.“ Sie schaute auf ihre schmalen Hände. „Ich habe erst am anderen Morgen den AB abgehört.“
„Hmmm ...“, brummte Berger, „ja, das wäre vorläufig alles.“
Trotz seiner Leibesfülle erhob sich der Kriminalist behände, bedankte sich und die Frau verließ das Büro.
Sibylle lächelte nicht, als sie sich umschaute, und Kommissar Berger im Türrahmen, den er fast ausfüllte, stehen sah. Mit seinen kleinen Schweineaugen gab er ihr das Gefühl, als lese er ihre Gedanken. Dann drehte sie sich langsam um und stöckelte den Gang bis zur nächsten Ecke, wo sie die Richtung zum Ausgang folgte. Sie hatte das Bedürfnis, einen Blick über die Schulter zu werfen, wagte es aber nicht, weil sie das Gefühl hatte, dass sie alles hinauszuschreien drohte, wenn er da stehen würde, die ganze Wahrheit. Dann straffte sich ihr Körper und sie legte sich ans Herz, durchzuhalten. Endlich trat sie durch die Ausgangstür. Ich fühle mich bestens, dachte sie. Während Sibylle den Parkplatz überquerte, benutzte sie den Funkfernschlüssel. Und als sie im Auto saß, sieht sie die Fenster, die Fassade des Gebäudes, welche schmutzig gelb war, und hinter eines der Scheiben stand Berger. Sie ahnte nur sein rotes Mondgesicht und ein leichtes Stöhnen kam aus ihrer Kehle.
„Reiß dich zusammen, Mädchen!“, ermahnte sie sich. Dennoch heulte der Motor auf, als sie das Gaspedal niederdrückte.

Sibylle stand auf der Brücke, die über den Mittellandkanal führte, wo um diese Zeit nur wenig Verkehr herrschte. Ihr Auto war nicht weit entfernt. Sie hatte die Tür aufgelassen. Der Motor lief.
Vor ihrem geistigen Auge erschien die Szenerie mit Peter und der Anderen. Sibylle dachte: „Wie dumm er geschaut hat, als ich plötzlich vor ihm stand, mit der Waffe in der Hand. Ich schoss ihm ins Herz und der blöden Kuh mitten ins Gesicht.“
Fast hypnotisiert starrte Sibylle in die kalte Brühe des Kanals, an zwei Fingern baumelnd ließ sie die Pistole fallen. Das Platschen weckte sie aus ihrer Starre. Und als die Ringe im Wasser verschwanden, stahl sich ein kleines Lächeln in ihr Gesicht.
 



 
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