Das Telefonbuch
Der Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen stieg mir in die Nase. Mein erster Abend im Bistro der Stadt, die seit heute mein Zuhause war, ließ sich insgesamt entspannt an. Das Gezwitscher von Teenagern und die Tuba des Fettleibigen, mit der er seine Frau ermunterte, sich noch ein Stück Torte zu bestellen, waren zwar keine schönen Begleiterscheinungen für mein bewusst aufreizendes Vorkommnis, aber ich nahm sie hin. Ich war nicht zufällig hier. Hier war, laut meiner Vermieterin, der örtliche Treffpunkt, also mein Jagdrevier, mindestens für heute.
Er sah wirklich süß aus, vielleicht etwas zu jung für mich, aber das entschied in aller Regel ich. Als er auf die Toilette ging, ließ er sein Smartphone liegen, sehr unvorsichtig. Ich setzte mich mit solcher Selbstverständlichkeit auf seinen Platz, dass ich keinen schiefen Blick dafür erntete. Das Smartphone war noch nicht gesperrt, das Display noch an. Das musste wohl ein dringendes Bedürfnis sein.
Ich öffnete das Telefonbuch und scrollte darin herum. Es enthielt fast nur Vornamen, deren Gesichter ich mir vorstellte, als ich sie las.
Fiona hatte lange hellblaue Haare, tiefrote Lippen und bekam eine SMS, wenn er einen außerirdischen Blowjob wollte. Sie rannte als Luxus-Manga durch die Stadt und wurde zum knienden Vamp, wenn er oder jemand anderer sie in eine öffentliche Toilette zog. Wahrscheinlich blieb er gerade solange weg, weil sie dahinten auf ihn gewartet hatte.
Georg war Elektriker, weil die alle Georg hießen. Er bekam bestenfalls eine ab, wenn er über diese Nummer um Anstandsbegleitung gebeten wurde und selbst dann lag seine Trefferquote unter zehn Prozent. Seine lange Leitung bestand aus einem Jahr Warten auf den nächsten durchschnittlichen Sex.
Manuela war eine schmucklose Hausfrau, die es faustdick hinter den Ohren hatte, wenn ihr Mann, ein Deutsch- und Geschichtslehrer, nicht zuhause war. Der Jüngling hier konnte sicher von ein paar netten Schweinereien erzählen, die sie mit ihm angerichtet hatte. Ihr Traum von einem Dreier hatte mit einer anderen Frau zu tun, nicht aber mit ihrem Mann.
Pierre trug ein Baguette, nein er war eins, mit seiner Glatze und dem ovalen Kopf und dem darunter angebrachten Strich als der er in der Landschaft stand.
Roberto war ein eingebildeter Italohengst, der glaubte, Frauen hätten nur wirklich Sex, wenn es wehtat. Seine Ritte waren vorbei noch bevor die Ladies in Stimmung waren. Die Sauerei, die er danach auf ihnen anrichtete war das einzige, das von ihm blieb.
Salma musste eine vollbusige Schönheit sein, die sich das junge Gemüse, in dessen Telefonbuch sie stand, zwischen ihre opulente Oberweite zog, wenn ihr danach war. Ihre schwarzen Locken fielen dabei auf den Korbsessel, auf dem sie gerne saß, wenn sie sich verwöhnen ließ. Wenn er zwischen ihren Beinen kniete trank sie Tequila aus der Flasche und biss anschließend in eine Zitrone.
Yvonne klang nach einer devoten Rothaarigen mit flachen Brüsten und dem Drang, sich selbst von so Bubis wie meinem hier erniedrigen zu lassen. Sie hatte nur eine Festnetznummer also war sie vermutlich zuhause angekettet und wenn ihr Daddy Geld brauchte, ließ er sie von schmierigen Typen besteigen. Wenn sie Glück hatte, war Mister Sonnenschein hier auch mal dabei.
Noch während er die Tür schloss, sah er mich überrascht aber mit einem dezenten Lächeln an.
„Hi“, sagte er, setzte sich neben mich und sah verwundert auf sein Handy in meiner Hand.
„Ich habe dir meine Nummer eingetragen.“
„Unter welchem Namen?“ Er grinste breiter, also hatte er angedockt.
„Such dir einen aus.“
Er tippte, während ich ihm zusah.
Jetzt grinste ich, weil ich den Eintrag sah.
„Traum“ stand da. Er lud mich auf meinen Kaffee ein, ich dankte und verließ das Bistro. Ich konnte seinen Blick auf meinen Hintern im Spiegel sehen und er vermutlich mein Lächeln.
Ich war mir sicher, nicht lange auf seinen Anruf warten zu müssen.