Die Bushaltestelle vor meiner Haustür. 20. März 2003, sieben Uhr morgens, drei Stunden Krieg. Noch im Halbschlaf auf dem Weg zur Arbeitsstelle springen meine Gedanken wild durcheinander, unfähig an ein Ziel zu kommen. Als würde eine Katze versuchen ihren Schwanz zu fangen. Sinnlose Beschäftigung?
Die Frage nach dem letztendlichen Grunde weicht der nach den Alternativen. Gab es welche, gibt es welche? Wie lange wird der Krieg dauern? Wann kommt endlich der Bus? Zumindest körperlich möchte ich mich fortbewegen; als würde es im Irak etwas ändern ob ich auf der Straße stehe oder im Büro Akten von der einen Seite zur andern schiebe, wirr im Kopf, komplett auf der anderen Seite der Welt gefangen.
Aus der orangenen Abfalltonne lugt das Völkerrecht hervor, mit wund geweinten Augen, ängstlich, fast lächerlich klein. Aus geschlossenem blassen Mund schreit es nach Hilfe. Man solle aufhören es zu treten, solle es wieder ernst nehmen, anstatt mit Panzern darüber hinweg zu rollen.
Abc-Schützen schlendern an mir vorbei zur Schule. Wird die Lehrerin mit ihnen reden, einen Erklärungsversuch starten über dieses Thema in dem es kein Licht gibt? Oder wird sie hoffen, dass die Kinder sich nicht nachts ins Wohnzimmer geschlichen haben als die Eltern die Bilder der ersten Angriffe in den Nachrichten sahen? Hoffen, das niemand von den Grundschülern an diesem Morgen Cartoons im Fernsehen schauen wollte und stattdessen einem ernsten Präsident Bush in die Augen blickte?
Stände ich an einer Bushaltestelle in Berlin, vielleicht wäre die verlassene rote Sporttasche ganz in meiner Nähe von Robotern gesprengt worden. Roboter, computerisierte Kommandozentralen – wo sind die Menschen? Massengräber oder doch nur wenige Tage Krieg? Massendesertation vom irakischen Militär oder doch ein Einsatz von ABC-Waffen? Ich will meinen Kopf anhalten, jedoch: Die Katze schafft es nicht ihren Schwanz zu fangen.
Mein Bus kommt und kommt nicht. Das Völkerrecht blickt mich an, abgemagert zum Zombie eines unschuldigen Kindes. Es singt mir leise ein Lied: „Wir lernen das ABC – Atomar, Biologisch, Chemisch. Der Todesbote scheut sich nicht. ABC – wenn’s schnell geht, schmerzt der Tot dich nicht.“ In den Nachrichten hieß es, der Einsatz von biologischen und chemischen Waffen sei möglich; von einer atomaren Verteidigung würde nicht ausgegangen. Ich habe das Alphabet damals anders gelernt
Ich denke an die Videobotschaften und Flugschriften der Amerikaner, die sie im Irak ausstrahlen und abwerfen. Ergebt euch, soll es da heißen. Wir wollen nur das Regime ablösen, euch soll nichts geschehen. – Ich denke an „Mars Attacks“ und die Szene, in welcher der Präsident erleichtert ist eben einen Vertrag mit den Marsianern abgeschlossen zu haben, als diese ihre Waffen zücken, mit den Zurufen, sie seien freundlich gesinnt und fröhlich glucksend durch die Gegend schießen. Im Film kann mancher darüber lachen. Wer lacht heute?
Ich gehe zu dem orangenen Abfallbehälter, der Geruch von Schimmel und altem Müll bedrängt meine empfindliche Nase. Die großen Augen des Völkerrechts flehen mich an. Meine Hände greifen nach ihm. Ich will es in die Arme nehmen, es trösten und an einen Ort bringen wo es sicher ist und sich erholen kann. Meine Hände greifen eine leere Packung Vanille-Frühstücks-Milch mit abgekautem Strohhalm. Ein Passant schaut mich angewidert an. Bin ich hier etwa der Wahnsinnige?
Der Bus kommt, hält, und ich steige ein. Auf dem Weg zur Arbeit. Habe ich das Völkerrecht im Stich gelassen? Ich konnte es nicht greifen, nicht retten, es sich nicht an meinem Herz ausweinen lassen, es nicht mit neuer Stärke nähren.
Sieben Uhr fünfzehn. In Bagdad ist es nun neun Uhr fünfzehn. ABC – Schützen sind dort nun nicht mehr die Schüler, dort meinen diese Worte etwas anderes. Dort will niemand einen Buschbrand löschen, es soll nur der Brand von Bush entfacht gelöscht werden.
Ich will helfen, weint das Völkerrecht in den Flammen.
Die Frage nach dem letztendlichen Grunde weicht der nach den Alternativen. Gab es welche, gibt es welche? Wie lange wird der Krieg dauern? Wann kommt endlich der Bus? Zumindest körperlich möchte ich mich fortbewegen; als würde es im Irak etwas ändern ob ich auf der Straße stehe oder im Büro Akten von der einen Seite zur andern schiebe, wirr im Kopf, komplett auf der anderen Seite der Welt gefangen.
Aus der orangenen Abfalltonne lugt das Völkerrecht hervor, mit wund geweinten Augen, ängstlich, fast lächerlich klein. Aus geschlossenem blassen Mund schreit es nach Hilfe. Man solle aufhören es zu treten, solle es wieder ernst nehmen, anstatt mit Panzern darüber hinweg zu rollen.
Abc-Schützen schlendern an mir vorbei zur Schule. Wird die Lehrerin mit ihnen reden, einen Erklärungsversuch starten über dieses Thema in dem es kein Licht gibt? Oder wird sie hoffen, dass die Kinder sich nicht nachts ins Wohnzimmer geschlichen haben als die Eltern die Bilder der ersten Angriffe in den Nachrichten sahen? Hoffen, das niemand von den Grundschülern an diesem Morgen Cartoons im Fernsehen schauen wollte und stattdessen einem ernsten Präsident Bush in die Augen blickte?
Stände ich an einer Bushaltestelle in Berlin, vielleicht wäre die verlassene rote Sporttasche ganz in meiner Nähe von Robotern gesprengt worden. Roboter, computerisierte Kommandozentralen – wo sind die Menschen? Massengräber oder doch nur wenige Tage Krieg? Massendesertation vom irakischen Militär oder doch ein Einsatz von ABC-Waffen? Ich will meinen Kopf anhalten, jedoch: Die Katze schafft es nicht ihren Schwanz zu fangen.
Mein Bus kommt und kommt nicht. Das Völkerrecht blickt mich an, abgemagert zum Zombie eines unschuldigen Kindes. Es singt mir leise ein Lied: „Wir lernen das ABC – Atomar, Biologisch, Chemisch. Der Todesbote scheut sich nicht. ABC – wenn’s schnell geht, schmerzt der Tot dich nicht.“ In den Nachrichten hieß es, der Einsatz von biologischen und chemischen Waffen sei möglich; von einer atomaren Verteidigung würde nicht ausgegangen. Ich habe das Alphabet damals anders gelernt
Ich denke an die Videobotschaften und Flugschriften der Amerikaner, die sie im Irak ausstrahlen und abwerfen. Ergebt euch, soll es da heißen. Wir wollen nur das Regime ablösen, euch soll nichts geschehen. – Ich denke an „Mars Attacks“ und die Szene, in welcher der Präsident erleichtert ist eben einen Vertrag mit den Marsianern abgeschlossen zu haben, als diese ihre Waffen zücken, mit den Zurufen, sie seien freundlich gesinnt und fröhlich glucksend durch die Gegend schießen. Im Film kann mancher darüber lachen. Wer lacht heute?
Ich gehe zu dem orangenen Abfallbehälter, der Geruch von Schimmel und altem Müll bedrängt meine empfindliche Nase. Die großen Augen des Völkerrechts flehen mich an. Meine Hände greifen nach ihm. Ich will es in die Arme nehmen, es trösten und an einen Ort bringen wo es sicher ist und sich erholen kann. Meine Hände greifen eine leere Packung Vanille-Frühstücks-Milch mit abgekautem Strohhalm. Ein Passant schaut mich angewidert an. Bin ich hier etwa der Wahnsinnige?
Der Bus kommt, hält, und ich steige ein. Auf dem Weg zur Arbeit. Habe ich das Völkerrecht im Stich gelassen? Ich konnte es nicht greifen, nicht retten, es sich nicht an meinem Herz ausweinen lassen, es nicht mit neuer Stärke nähren.
Sieben Uhr fünfzehn. In Bagdad ist es nun neun Uhr fünfzehn. ABC – Schützen sind dort nun nicht mehr die Schüler, dort meinen diese Worte etwas anderes. Dort will niemand einen Buschbrand löschen, es soll nur der Brand von Bush entfacht gelöscht werden.
Ich will helfen, weint das Völkerrecht in den Flammen.