Das Wort

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Karinina

Mitglied
Das Wort
Warum sagt sie es nicht? Was soll das mit den Händen fuchteln? Und diese Begierde im Gesicht.
Das Wort. Ich weiß, was sie will. Aber muss ich es wissen? Nein, niemand zwingt mich dazu. Soll sie doch fuchteln. Ich bin nicht schuld, dass sie das Wort nicht weiß. Oder besser: nicht sagen kann.
Mein dicker Bauch schiebt sich an sie. Ich fürchte, das da drin in mir will lieb zu ihr sein. Ich nicht. Was hab ich davon. Der Kerl, ihr Sohn, treibt sich in der Weltgeschichte herum. "Ich geh zum Briefkasten", sagt er und verlässt das Haus. Ich warte. Worauf? Das er wiederkommt? Natürlich kommt er wieder. Irgendwann braucht er Geld, dann nimmt er das Sparbuch dieser alten Frau und geht. Ich sitz hier und sehe zu, wie sie mit den Händen fuchtelt und immer wieder sagt: "Gib mir...gib mir..." Was ich ihr geben soll, das sagt sie nicht. Das kann sie nicht. Ihr fehlt das Wort...
Der Himmel ist blau vor dem Fenster. Kleine feine Wolkenbänder ziehen davon wie zarte Seide. Ich würde gern nach ihnen greifen und sie mir um meine langen Haare winden, wie den Schleier, den ich damals trug. Sie verwehen im Wind. Sie schlängeln sich über den Himmel dahin, vergehen, tauchen wieder auf, öffnen blaue Blicke ins Unendliche.
Die Tage und Nächte vergehen und das breite Bett wurde oftmals zu breit. Dann saß er nachts an ihrem Bett und grübelte. Für sie ist Tag. Sie rumort und will raus und ist störrisch wie ein kleines Kind. Er deckte sie zu, erzählte ihr ein Märchen. Und ich? Kein Märchen für mich. Bin ich die böse Fee? Die Dreizehnte?
Ach könnt es nicht wieder damals sein? Am Elbufer. Im taufeuchten Gras lag es sich weich. Von den Höhen herab blinkten die Lichter der Nacht. Musikfetzen, wenn der Wind gut stand, schwebten vom Luisenhof herab, überlagert vom Schaukeln und Streichen des Wassers, das dahinzog, schwarz, nur die Lichterfunken zuckten mit den Wellen. Manchmal kreischte die Straßenbahn durch die Nacht, hell erleuchtet zuckelte sie über die Brücke, ließ sich spiegeln im dunklen Wasser und zog weiter in die Stadt hinein. Sommernächte, samtig schob sich gegen Morgen das erste Grün des kommenden Tages hinter den östlichen Hängen herauf.
Irgendwann einmal, nach langer Zeit, hob er mich über die Schwelle und legte mich in das breite Bett. Sanft war er...
Die Wochen danach. Das Haus schön, die Zimmer hell, das Bett sehr breit, die alte Frau irgendwo, versponnen in ihr Nichtwissen, murmelt Worte, aber die falschen. Er füttert sie, lacht mit ihr, zieht sie aus und an, legt sie hin und lässt sie aufstehen, bindet ihr eine rosa Schleife in ihr dünnes weißgelbliches Haar. Ob er sie liebt? Schon, Auf eine Art, die ich nicht wissen will. Finger- und Zehennägelschneiden, das macht er. Er bezieht ihr nasses Bett neu, er geht mit ihr ans Fenster und singt mit ihr ein Winterlied, im Sommer.

Aber der Sommer verging und Schnee fiel. Seine Sanftheit war ein Sommerwesen. Jetzt sah er mich kaum noch, es gab nur noch sie.
Er hebt sie in die Wanne. Wie er sie wäscht, ihre knorrigen Arme mit den braungefleckten Händen, die stakigen Beine, wie Marionettenholz bewegt er sie. Er keuscht, sie keuscht. Und dann, wenn er die bestimmten Stellen berührt, dann graust es mich, dann muss ich würgen, dann knall ich die Badezimmertür. Ich würge.
Wenn er dann neben mir im breiten Bette liegt und nach mir sucht, entzieh ich mich. Er schwitzt, aber er ist kalt, kalt da innen.
Er flüstert es in mich hinein. Ich verkriech mich, er zerrt an mir, er berührt mich hart, ich würge.
Nun seh ich wieder hinaus in das weisfasrige Blau, starre in den Himmel. "Gib mir..." lallt sie und fuchtelt. Nein, denk ich, niemand kann mich zwingen. Aber der da drinnen in mir, der zwitschert und sagt, vielleicht bin ich ein Sohn, dein Sohn, dann werde ich einmal für dich das tun, was sie jetzt will...
Werd ich das Wort dann wissen?
Einmal kam jemand und wollte nach ihr sehen. Die Fremde sagte:"Die ist ja ganz dehydriert!". Wenn schon, dachte ich, Sie sagt das Wort nicht, dies eine, das sie muss. Es fehlt ihr. Es sitzt irgendwo in ihrem Hirn und kommt nicht raus.
Dehydriert. Na und. Jetzt sagt sie und ist ganz ausgelassen, dass sie es jetzt weiß: den Hut.
Den Hut? Was will sie mit einem Hut? Sie kann nicht mehr raus aus ihrem Zimmer, aus ihrem Bett, wozu also den Hut? Ich stell sie mir vor, wie sie ausgesehen haben mag, in ihrer Jugend, mit Florentiner und so. Mit langen, elfenbeinfarbenen Handschuhen bis hinauf zu den Ellbogen. Einen spanischen Fächer hält sie gespreizt. In ihrem Zimmer hängt ein Foto von ihr. Vielleicht war sie einmal schön. Eine stolze Frau. Sängerin.
Hut. Wie kommt sie auf Hut? Ich weiß schon, so abwegig ist das nicht. Man könnte tatsächlich Hut sagen, ja, ich weiß ja, was sie will. Aber muss ich es wissen? Nein. Ich bin nicht gezwungen dazu. Ich bin nicht ihr Sohn. Soll er doch kommen. Soll er doch wissen, was sie will. Hut, das ich nicht lache...
Dann wurde das Bett schmaler und ich dicker. Kein Platz mehr für zwei, oder für jetzt drei. Er saß nun die Nächte nur noch bei ihr. Und ging dann fort. Ging öfter fort. Zu oft...
Ich, die dreizehnte böse Fee. Fuchtel nur, denk ich. Fuchtel nur und sage Hut. Ich muss dich nicht verstehen, verstehst du? Ich nicht. Ich bin nur ich. Nein. Nein zwitschert der da in mir drin. Nein, wir sind zwei.
Zwischen wilden Küssen und hin und her Gezerre sagte ich ihm, ich könne seine Mutter nicht pflegen. Ich verstünde nichts davon. Ich sei einfach zu jung dazu. Ich wolle tanzen und ausgehen und ins Kino und sonstwohin, überallhin, nur nicht Hand an sie legen, ich könne sie keinesfalls berühren, meine Hände könnten das einfach nicht. Ach, wie sanft er zu mir war. Wie er meine Zehen beleckte, die Wade hinauf, und immer weiter, wie ich mich wand vor Lust... Ach, sein Sommerwesen...Ich sagte ja.
Und er ging fort. Zum Briefkasten. Erst waren es Stunden, ehe er kam, dann Tage, nun Wochen. Vielleicht ist der Briefkasten inzwischen in Kanada?
Jetzt würgt mich manchmal Wut. Liegt nicht irgendwo ein Messer? Mit einer doppelten Schneide? Gezackt?
Wieder bin ich am Fenster Ach, wie gut diese Stille tut. Dieses herrliche Blau. Wie die Luft wohl riecht unter diesem Himmel? Wenn es nur nicht Nacht wird und ihr Rumoren beginnt...
Da zuckt er wieder in mir. "Lass sie so nicht aus der Welt" murmelt er. ."Lass sie so nicht fort, so ohne Wärme... sie ist doch ein Mensch, einer, der sich nicht mehr wehren kann."
Na und? Bin ich vielleicht kein Mensch? Kann ich mich etwa wehren? Brauch ich etwa keine Wärme? Wo bleibt er denn, dieser Kerl, er ist es doch, der nicht da ist.
"Lass sie so nicht gehn" sagt er in mir, "Du willst doch nur ihn bestrafen, nicht wahr? Du willst ihm wehtun, ihm schaden. Er ist doch nur gegangen, weil er nicht mehr konnte..."
Ja, und ich? Kann ich vielleicht noch?
"Ich will auf diese Welt" sagt er da drinnen in mir, "Was soll werden, wenn ich in so eine kalte Welt komme, in eine Welt ohne Wärme?"
Ich nehm die schrumplige Hand der Alten, ziehe mit zwei Fingern die Haut vom Handrücken. So hat die Frau es gemacht, die, die "dehydriert" gesagt hat. Ich lass die Hautfalte fallen. Ihre Hand sinkt auf meinen dicken Bauch, der sich bewegt. Sie zuckt und lallt und ihre Hand beginnt zu streicheln. Oh bitte nicht....
Ach, nun nehm ich 'das Wort' und halt es ihr an die Stelle, wo früher ihre Lippen gewesen sein müssen. Sie schluckt, keucht, schluckt, das Wasser gluckst in sie hinein und ihr Gesicht beginnt zu strahlen. Sie zittert vor Gier. "Nicht so schnell" sag ich. Und ihre Hand streicht über meinen dicken Bauch...
Und jetzt mach ich was. Ich heb dieses wacklige Bündel aus dem Bett, drück es an mich, berühre ihre geschlossenen Augen mit meinem Mund, dann ihre Wangen, alles nur Falte, ihre Stirn. Ich setze sie wieder hin und streichle sie. Ich. Die dreizehnte böse Fee.
Plötzlich hör ich das Wort. Sie sagt es. Sie sagt nicht mehr "Hut", oder "Schüssel", oder "Vase" .
Laut und deutlich sagt sie: "Gib mir die Tasse"...
 

Garde

Mitglied
Was soll ich schreiben?
Ich bin wirklich beeindruckt. Das ist in meinen Augen ein starker Text.
Sehr gerne gelesen.

Garde
 
U

USch

Gast
Hallo Karinina,

Eine sehr gut geschriebener Text und ein sehr relevantes Thema in unserer demographischen Situation.

Ein paar Fehler solltest du noch ausmerzen:

Ich warte. Worauf? Das[blue]s[/blue] er wiederkommt?

Schon, [strike]A[/strike][blue]auf [/blue]eine Art, die ich nicht wissen will.

[blue]Er keuscht, sie keuscht.[/blue]. Muss es nicht keucht heissen oder ist das eine Mundart, die ich nicht kenne?

Hut, das[blue]s[/blue] ich nicht lache...

Wieder bin ich am [blue]Fenster.[/blue] Ach, wie gut diese Stille tut.

Generell kommt nach dem Ende einer wörtlichen Rede ein Komma, wenn der Satz dann weitergeht, z.B.
"Lass sie so nicht aus der[blue] Welt",[/blue] murmelt er. [strike][red].[/red][/strike]"Lass sie so nicht fort, so ohne Wärme...

"Lass sie so nicht [blue]gehn",[/blue] sagt er in mir, "[red]D[/red][blue]du [/blue]willst doch nur ihn bestrafen,

Im folgenden Text fehlen noch mehrer Kommatas nach wörtlichen Reden.

LG USch
 

Karinina

Mitglied
Danke Usch für Deine Bewertung, ja, die Fehler werde ich berichtigen, wie ich das hier machen kann, weiß ich allerdings noch nicht, aber ich krieg das schon raus.
LG Karinina
 

Karinina

Mitglied
Das Wort
Warum sagt sie es nicht? Was soll das mit den Händen fuchteln? Und diese Begierde im Gesicht.
Das Wort. Ich weiß, was sie will. Aber muss ich es wissen? Nein, niemand zwingt mich dazu. Soll sie doch fuchteln. Ich bin nicht schuld, dass sie das Wort nicht weiß. Oder besser: nicht sagen kann.
Mein dicker Bauch schiebt sich an sie. Ich fürchte, das da drin in mir will lieb zu ihr sein. Ich nicht. Was hab ich davon. Der Kerl, ihr Sohn, treibt sich in der Weltgeschichte herum. "Ich geh zum Briefkasten", sagt er und verlässt das Haus. Ich warte. Worauf? Dass er wiederkommt? Natürlich kommt er wieder. Irgendwann braucht er Geld, dann nimmt er das Sparbuch dieser alten Frau und geht. Ich sitz hier und sehe zu, wie sie mit den Händen fuchtelt und immer wieder sagt: "Gib mir...gib mir...". Was ich ihr geben soll, das sagt sie nicht. Das kann sie nicht. Ihr fehlt das Wort...

Der Himmel ist blau vor dem Fenster. Kleine feine Wolkenbänder ziehen davon wie zarte Seide. Ich würde gern nach ihnen greifen und sie mir um meine langen Haare winden, wie den Schleier, den ich damals trug. Sie verwehen im Wind. Sie schlängeln sich über den Himmel dahin, vergehen, tauchen wieder auf, öffnen blaue Blicke ins Unendliche.

Die Tage und Nächte vergehen und das breite Bett wurde oftmals zu breit. Dann saß er nachts an ihrem Bett und grübelte. Für sie ist Tag. Sie rumort und will raus und ist störrisch wie ein kleines Kind. Er deckte sie zu, erzählte ihr ein Märchen. Und ich? Kein Märchen für mich. Bin ich die böse Fee? Die Dreizehnte?

Ach könnt es nicht wieder damals sein? Am Elbufer. Im taufeuchten Gras lag es sich weich. Von den Höhen herab blinkten die Lichter der Nacht. Musikfetzen, wenn der Wind gut stand, schwebten vom Luisenhof herab, überlagert vom Schaukeln und Streichen des Wassers, das dahinzog, schwarz, nur die Lichterfunken zuckten mit den Wellen. Manchmal kreischte die Straßenbahn durch die Nacht, hell erleuchtet zuckelte sie über die Brücke, ließ sich spiegeln im dunklen Wasser und zog weiter in die Stadt hinein. Sommernächte, samtig schob sich gegen Morgen das erste Grün des kommenden Tages hinter den östlichen Hängen herauf.
Irgendwann einmal, nach langer Zeit, hob er mich über die Schwelle und legte mich in das breite Bett. Sanft war er...

Die Wochen danach. Das Haus schön, die Zimmer hell, das Bett sehr breit, die alte Frau irgendwo, versponnen in ihr Nichtwissen, murmelt Worte, aber die falschen. Er füttert sie, lacht mit ihr, zieht sie aus und an, legt sie hin und lässt sie aufstehen, bindet ihr eine rosa Schleife in ihr dünnes weißgelbliches Haar. Ob er sie liebt? Schon, auf eine Art, die ich nicht wissen will. Finger- und Zehennägelschneiden, das macht er. Er bezieht ihr nasses Bett neu, er geht mit ihr ans Fenster und singt mit ihr ein Winterlied, im Sommer.

Aber der Sommer verging und Schnee fiel. Seine Sanftheit war ein Sommerwesen. Jetzt sah er mich kaum noch, es gab nur noch sie.
Er hebt sie in die Wanne. Wie er sie wäscht, ihre knorrigen Arme mit den braungefleckten Händen, die stakigen Beine, wie Marionettenholz bewegt er sie. Er keucht, sie keucht. Und dann, wenn er die bestimmten Stellen berührt, dann graust es mich, dann muss ich würgen, dann knall ich die Badezimmertür. Ich würge.
Wenn er dann neben mir im breiten Bette liegt und nach mir sucht, entzieh ich mich. Er schwitzt, aber er ist kalt, kalt da innen.
Er flüstert es in mich hinein. Ich verkriech mich, er zerrt an mir, er berührt mich hart, ich würge.

Nun seh ich wieder hinaus in das weisfasrige Blau, starre in den Himmel. "Gib mir...", lallt sie und fuchtelt. Nein, denk ich, niemand kann mich zwingen. Aber der da drinnen in mir, der zwitschert und sagt, vielleicht bin ich ein Sohn, dein Sohn, dann werde ich einmal für dich das tun, was sie jetzt will...

Werd ich das Wort dann wissen?

Einmal kam jemand und wollte nach ihr sehen. Die Fremde sagte:"Die ist ja ganz dehydriert!". Wenn schon, dachte ich, Sie sagt das Wort nicht, dies eine, das sie muss. Es fehlt ihr. Es sitzt irgendwo in ihrem Hirn und kommt nicht raus.
Dehydriert. Na und. Jetzt sagt sie und ist ganz ausgelassen, dass sie es jetzt weiß: den Hut.
Den Hut? Was will sie mit einem Hut? Sie kann nicht mehr raus aus ihrem Zimmer, aus ihrem Bett, wozu also den Hut? Ich stell sie mir vor, wie sie ausgesehen haben mag, in ihrer Jugend, mit Florentiner und so. Mit langen, elfenbeinfarbenen Handschuhen bis hinauf zu den Ellbogen. Einen spanischen Fächer hält sie gespreizt. In ihrem Zimmer hängt ein Foto von ihr. Vielleicht war sie einmal schön. Eine stolze Frau. Sängerin.

Hut. Wie kommt sie auf Hut? Ich weiß schon, so abwegig ist das nicht. Man könnte tatsächlich Hut sagen, ja, ich weiß ja, was sie will. Aber muss ich es wissen? Nein. Ich bin nicht gezwungen dazu. Ich bin nicht ihr Sohn. Soll er doch kommen. Soll er doch wissen, was sie will. Hut, dass ich nicht lache...

Dann wurde das Bett schmaler und ich dicker. Kein Platz mehr für zwei, oder für jetzt drei. Er saß nun die Nächte nur noch bei ihr. Und ging dann fort. Ging öfter fort. Zu oft...

Ich, die dreizehnte böse Fee. Fuchtel nur, denk ich. Fuchtel nur und sage Hut. Ich muss dich nicht verstehen, verstehst du? Ich nicht. Ich bin nur ich. Nein. Nein, zwitschert der da in mir drin. Nein, wir sind zwei.

Zwischen wilden Küssen und hin und her Gezerre sagte ich ihm, ich könne seine Mutter nicht pflegen. Ich verstünde nichts davon. Ich sei einfach zu jung dazu. Ich wolle tanzen und ausgehen und ins Kino und sonstwohin, überallhin, nur nicht Hand an sie legen, ich könne sie keinesfalls berühren, meine Hände könnten das einfach nicht.
Ach, wie sanft er zu mir war. Wie er meine Zehen beleckte, die Wade hinauf, und immer weiter, wie ich mich wand vor Lust... Ach, sein Sommerwesen...Ich sagte ja.
Und er ging fort. Zum Briefkasten. Erst waren es Stunden, ehe er kam, dann Tage, nun Wochen. Vielleicht ist der Briefkasten inzwischen in Kanada?

Jetzt würgt mich manchmal Wut. Liegt nicht irgendwo ein Messer? Mit einer doppelten Schneide? Gezackt?

Wieder bin ich am Fenster. Ach, wie gut diese Stille tut. Dieses herrliche Blau. Wie die Luft wohl riecht unter diesem Himmel? Wenn es nur nicht Nacht wird und ihr Rumoren beginnt...

Da zuckt er wieder in mir. "Lass sie so nicht aus der Welt", murmelt er. "Lass sie so nicht fort, so ohne Wärme... sie ist doch ein Mensch, einer, der sich nicht mehr wehren kann."
Na und? Bin ich vielleicht kein Mensch? Kann ich mich etwa wehren? Brauch ich etwa keine Wärme? Wo bleibt er denn, dieser Kerl, er ist es doch, der nicht da ist.
"Lass sie so nicht gehn", sagt er in mir, "du willst doch nur ihn bestrafen, nicht wahr? Du willst ihm wehtun, ihm schaden. Er ist doch nur gegangen, weil er nicht mehr konnte..."
Ja, und ich? Kann ich vielleicht noch?
"Ich will auf diese Welt", sagt er da drinnen in mir, "Was soll werden, wenn ich in so eine kalte Welt komme, in eine Welt ohne Wärme?"

Ich nehm die schrumplige Hand der Alten, ziehe mit zwei Fingern die Haut vom Handrücken. So hat die Frau es gemacht, die, die "dehydriert" gesagt hat. Ich lass die Hautfalte fallen. Ihre Hand sinkt auf meinen dicken Bauch, der sich bewegt. Sie zuckt und lallt und ihre Hand beginnt zu streicheln. Oh bitte nicht....

Ach, nun nehm ich 'das Wort' und halt es ihr an die Stelle, wo früher ihre Lippen gewesen sein müssen. Sie schluckt, keucht, schluckt, das Wasser gluckst in sie hinein und ihr Gesicht beginnt zu strahlen. Sie zittert vor Gier. "Nicht so schnell", sag ich. Und ihre Hand streicht über meinen dicken Bauch...

Und jetzt mach ich was. Ich heb dieses wacklige Bündel aus dem Bett, drück es an mich, berühre ihre geschlossenen Augen mit meinem Mund, dann ihre Wangen, alles nur Falte, ihre Stirn. Ich setze sie wieder hin und streichle sie. Ich. Die dreizehnte böse Fee.

Plötzlich hör ich das Wort. Sie sagt es. Sie sagt nicht mehr "Hut", oder "Schüssel", oder "Vase" .
Laut und deutlich sagt sie: "Gib mir die Tasse"...
 
U

USch

Gast
Hallo Karinina,
wenn du deinen Text ändern willst, mußt du einfach unten links den Button <Bearbeiten/Lö> anklicken und dann kannst du Änderungen im Text vornehmen und sie dann bestätigen. Bei umfangreicheren Änderungen ist es sinnvoll die zunächst in deinem Textprogramm vorzunehmen, wenn du eines verwendest, und dann den alten Text in der LL über denselben Button und Markieren des ganzen Textes zu löschen und dann den neuen Text in das LL-Feld zu kopieren.
So long Uwe
 



 
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