Das Zimmermädchen

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Die Räder des Wäschewagens quietschten, als Elvira ihn mit einem Ruck vor Zimmer 118 abstellte.
Sie klopfte an die Zimmertür, wartete ab, ob jemand Antwort gab und als keine erfolgte, öffnete sie mit ihrem Generalschlüssel die Tür. Sie musterte widerwillig das zerwühlte Doppelbett - natürlich, hier hatte sich mal wieder ein Pärchen gehen lassen - und streifte dann mit flüchtigem Blick die Kommode. Ihr Blick fiel auf eine handgeschriebene Karte. "Danke für die schöne Zeit mit dir" las sie, dann wandte sie sich ab und beschloss, sich zuerst dem Badezimmer zuzuwenden. Auch wenn die Karte nicht das Geringste mit ihr zu tun hatte, die Worte und das zerwühlte Bett versetzten ihr einen Stich. Es war gerade mal zwei Wochen her, dass die Beziehung mit Adrian zu Ende gegangen war und sie war nach dieser kurzen Zeit längst nicht darüber hinweg. Keine Sommerabende mehr, die sie mit Adrian verbringen konnte, im Licht der untergehenden Sonne am Strand oder vor ihrer Mietwohnung im Hof, keine Nächte mehr, in denen sie sich an ihn schmiegen konnte, mit der unbestimmten Sehnsucht im Herzen, dass es für immer so bleiben würde.

Einige Bekannte hatten ihr erzählt, dass sie Adrian des Öfteren schon mit einer anderen Frau gesehen hätten - älter als Elvira - und vor allen Dingen - reicher. Elvira wollte nicht glauben, dass das Geld der Grund gewesen war. War Adrian wirklich so einer, der ihre Liebe verriet, weil eine andere reicher war? Und was war das für ein Mann, der sich von einer Frau aushalten ließ? Kannte sie ihn so wenig?
"Wahrscheinlich macht Liebe wirklich blind", dachte sie, ärgerlich auf sich selbst und pfefferte den Putzlappen, als sie im Badezimmer fertig war, wütend in den Eimer, so heftig, dass er aufklatschte, das Wasser an die Kacheln spritzte und sie wohl oder übel noch einmal mit dem Lappen über die Kacheln wischen musste.
"Wie kann man nur so blöd sein", schimpfte sie leise vor sich hin, dann fing sie an, im Schlafzimmer Staub zu wischen - und stutzte. Beim Blick auf die Kommode war ihr vorhin schon etwas irritierend aufgefallen, neben der Karte, und tatsächlich: Auf der Kommode lag eine Brieftasche. "So ein Dämlack" dachte Elvira. "Wie kann man so blöd sein, seine Brieftasche zu vergessen? Na, das wird er wohl merken." Sie fing an, die Betten zu machen, doch ihr Blick fiel immer wieder auf die Brieftasche. Wieviel Geld der Typ wohl so mit sich herumtrug? Das Hotel, in dem Elvira schon seit vier Jahren arbeitete, war eines der gehobenen Preisklasse und sehr vornehm. Wer hier logierte, hatte Geld, das war sicher.
Schließlich konnte sie der Versuchung nicht mehr widerstehen. Sie öffnete die Brieftasche und traute ihren Augen nicht. Fünf 100-Euro-Scheine in bar befanden sich darin. Sie ließ die Brieftasche wieder sinken und kämpfte mit sich. Würde der Typ es überhaupt merken, wenn ein einziger Schein davon fehlte? Und schließlich hatte er alles - Liebe, Geld, Urlaub - sie, Elvira, hatte nichts. Eine Arbeit, bei der man nicht reich werden konnte und die Leute auch beim Trinkgeld mehr als sparsam waren. Wenn sie überhaupt welches gaben. Außerdem hatte Adrian sie verlassen - auch wegen Geld. Nur weil eine andere mehr hatte. Gerecht war das alles nicht. Mit 100 Euro konnte sie Adrian zu einem feudalen Essen einladen. Er würde sicher annehmen und vielleicht zu ihr zurück kommen.

Elvira rang mit sich. Wenn das herauskommen würde, wäre sie ihre Stelle los. Aber es musste ja nicht herauskommen und sie würde es auch nur ein einziges Mal tun. Der Reiche, dem die Brieftasche gehörte, würde es sicher noch nicht einmal merken. Ohne noch länger zu überlegen, nahm sie einen 100-Euro-Schein aus der Brieftasche und legte sie dann wieder an ihren Platz. Den Rest des Tages arbeitete sie vergnügt vor sich hin.

Abends rief sie Adrian an und wartete mit klopfendem Herzen darauf, dass er sich meldete.
"Ich bin es, Elvira", sagte sie dann. "Wie geht es dir?"
"Gut", sagte Adrian. "Was gibt es?" Es klang nicht gerade freundlich.
"Nichts Besonderes. Aber du sagtest doch, wir können Freunde bleiben. Da darf ich dich doch anrufen!"
Adrian schwieg ein paar Minuten lang, in denen Elvira ängstlich das Telefon umklammerte. "Bitte, bitte, leg nicht auf", dachte sie.
"Schon", hörte sie Adrian dann sagen. "Was ist denn los?"
"Ich wollte dich zum Essen einladen. Ins" Miramare". Das "Miramare" war ein teures Restaurant im Stadtzentrum.
Sie hörte Adrian lachen. "Hast du im Lotto gewonnen?"
"Das nicht. Aber auch ich kann mir mal was leisten."
"So? Wäre ja mal was Neues, so knauserig, wie du sonst warst."
"Kommst du mit oder nicht?"
"Im Moment habe ich keine Zeit." Elvira hörte eine Frauenstimme im Hintergrund.
"Tschau, nett, dass du angerufen hast. Bis dann." Adrian legte auf.

Elvira ließ sich auf ihr Bett sinken. Das war also alles, was dabei heraus gekommen war. Adrian war nicht mehr an ihr interessiert, selbst wenn sie ihn einladen wollte. Und dafür hatte sie ihre Stelle riskiert und jemanden bestohlen, der weder an ihrer Liebesmisere schuld war noch daran, dass sie mit dem Geld immer knapp war. Sie beschloss, den 100-Euro-Schein am nächsten Tag zurück zu geben.

Als sie am nächsten Tag zur Arbeit kam und auf den Plan schaute, sah sie, dass die Leute aus Zimmer 118 abgereist waren. Das Zimmer sollte für die nächsten Gäste hergerichtet werden. Damit hatte sie nicht gerechnet. Wie sollte sie nun das Geld zurück geben, ohne dass es jemand merkte? Sie ging an ihre Arbeit und überlegte den ganzen Vormittag. Dann glaubte sie, eine Lösung gefunden zu haben und suchte nach der Arbeit ihren Chef auf.
"Die Leute in Zimmer 118 haben was vergessen, Chef."
"So, was denn?" Ihr Chef war mit seinen Büchern beschäftigt und schaute kaum auf.
"Das hier." Elvira hielt ihm den Geldschein hin. 'Ist aus der Bettwäsche gefallen, als ich sie ausgeschüttelt habe."
"100 Euro? Ach, da sind sie hingekommen. Der hat hier vielleicht ein Theater gemacht gestern Abend. Man hätte ihn bestohlen und er würde nie wieder bei uns absteigen. Ich wollte nachher sowieso mal rumfragen bei euch, ob euch was aufgefallen ist."
Er nahm den Geldschein und nickte Elvira zu.
"Danke, Elvira. Schön, dass du so ehrlich bist.
Nana, brauchst doch deswegen nicht rot zu werden."
 

Veil

Mitglied
Guten Morgen!

Das Zimmermädchen - ein Text, an dem man noch arbeiten könnte.
Mir fallen die teils sehr langen Sätze auf. Beim lauten Lesen sollte man nicht in Atemnot kommen, also: kürzere Sätze.

Ein Beispiel:
Keine Sommerabende mehr, die sie mit Adrian verbringen konnte, im Licht der untergehenden Sonne am Strand oder vor ihrer Mietwohnung im Hof, keine Nächte mehr, in denen sie sich an ihn schmiegen konnte, mit der unbestimmten Sehnsucht im Herzen, dass es für immer so bleiben würde
In kürzeren Sätzen sähe es etwa so aus:

Sie vermisste die Sommerabende mit ihm. Wie oft hatten sie gemeinsam die untergehenden Sonne am Strand genossen! Ihr fehlte seine Nähe in den Nächten, in denen sie sich an ihn schmiegen konnte. Eine unbestimmte Sehnsucht ließ sie befürchten, dass sie ohne Adrian nie wieder glücklich sein würde.

Kleine Korrekturen:
-Fünf 100-Euro-Scheine [strike]in bar[/strike]

Auch die Zahl Hundert mag ich persönlich lieber buchstabiert.

- zurückzugeben (zusammen)

- Adrian schwieg ein paar Minuten lang, in denen Elvira ängstlich das Telefon umklammerte.

So lange wartet kein Mensch am Apparat ...
Besser: Adrian schwieg. Elvira umklammerte ängstlich das Telefon ...

- Gedanken wie 'Bitte leg nicht auf!' nicht in doppelten Gänsefüßchen.

-Mir fallen etliche Sätze mit der Konjunktion "dass" auf, die sich mit ein wenig Kreativität reduzieren ließen.

Etwas war mir noch aufgefallen, habs jetzt aber aus den Augen verloren.

Insgesamt ein Text, der noch bearbeitet werden kann. Auch hätte ich mir einen "spektakuläreren" Verlauf gewünscht. Idee: Könnte es das Zimmer von Adrian und seiner Geliebten gewesen sein, das sie putzt? Hätte er ihrer Einladung nicht folgen können und somit den Abend 'bezahlen' müssen? Man merkt ihm (dem Text) an, wie sehr du erzählen möchtest, welchen Spaß dir das Schreiben macht.

Mit Gruß Veil
 
Hallo Veil,

danke für deinen Kommentar.

Das Zimmermädchen - ein Text, an dem man noch arbeiten könnte.
Mir fallen die teils sehr langen Sätze auf. Beim lauten Lesen sollte man nicht in Atemnot kommen, also: kürzere Sätze
Warum sollte man eine solche Geschichte laut lesen? :) Hier sehe ich keinen Handlungsbedarf, ob kurze oder lange Sätze, ist eher ein Stilmittel. Ich finde nicht, dass eine Geschichte grundsätzlich nur kurze Sätze haben sollte. Hier gefallen mir die (relativ wenigen) langen Sätze. Auch enthalten sie keine umständlichen Erklärungen mehr (so wie ich früher geschrieben habe).

Insgesamt ein Text, der noch bearbeitet werden kann. Auch hätte ich mir einen "spektakuläreren" Verlauf gewünscht. Idee: Könnte es das Zimmer von Adrian und seiner Geliebten gewesen sein, das sie putzt? Hätte er ihrer Einladung nicht folgen können und somit den Abend 'bezahlen' müssen? Man merkt ihm (dem Text) an, wie sehr du erzählen möchtest, welchen Spaß dir das Schreiben macht.
Danke :) mir macht das Schreiben Spaß.

Aber ich hatte etwas Bestimmtes im Sinn: Die Versuchung durch die gefüllte Brieftasche zu beschreiben, der Elvira nachgibt. Es ging mir nicht um einen spektakulären Verlauf und auch Elviras Liebeskummer sollte zweitrangig sein. Es sollte um die Versuchung gehen und ich wollte beschreiben, wie Elvira sich dabei fühlt.
Wahrscheinlich habe ich das nicht so gut ausgearbeitet, da die Geschichte auf dich ganz anders gewirkt hat.

Bei den anderen Kritikpunkten (zuviel dass etc.) hast du recht. Außer mit den Gänsefuesschen, denn Gedanken setzt man genau wie wörtliche Rede in ".

LG SilberneDelfine
 
Hallo SilberneDelfine,

ich finde deine Geschichte im Ganzen sehr gelungen, ein paar Kleinigkeiten wurden ja schon erwähnt.

Eine Anmerkung zum Geschichtsverlauf: Wenn du die Versuchung beschreibst, musst du ins Innere der Figur gehen. Mir persönlich gefallen hier Passagen, in denen eine erzählende Beschreibung, wie du sie machst, immer wieder von Gedanken durchbrochen wird.

Mir gefiele es zum Beispiel so:

Wahrscheinlich macht Liebe wirlich blind!

xxx

So ein Dämlack!

Würde er das Geld überhaupt vermissen...?



xxx


bis hin zu dem Schluss, in dem Elvira zum Stuhl geht, um dann doch nur ein Handtuch zu nehmen und mit gutem Gefühl aus dem Zimmer gehen kann . Sie war stark genug.



Das war beim Lesen meine Erwartung an den Schluss - vielleicht ist es authentischer, Sie das Geld nehmen zu lassen - in diesem Sinne ist es also nur eine Idee, die auch gerne für nichtig erklärt werden kann :)

Mit besten Grüßen
Weltenwandler
 



 
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