Das große Schweigen

Das große Schweigen

Sie saßen einander schräg versetzt gegenüber. Ein Ehepaar, beide Ende fünfzig, Urlauber wie ich.

Es war Sonntag und wir saßen bei schönstem Wetter auf der Terrasse eines Ausfluglokals. Von ihrem Platz aus konnten sie weit in die Ferne bis zu den Alpen schauen. Die Sicht war wunderbar. Doch sie starrten aneinander vorbei ins Leere.

Er bestellte für beide. Und er bestellte für beide das gleiche. Dann schwiegen sie. Schon vorher hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. So saßen sie da, starrten aneinander vorbei und schwiegen.

Sie schwiegen so lange, bis das Essen kam. Sauerbraten mit Knödeln, Böhmischer Art, dazu tranken sie Apfelschorle.

Schweigend aßen sie ihre Mahlzeit. Eine kurze Bemerkung über das Essen. Es schmeckte ihnen, obwohl es anders war als gewohnt. Dann schwiegen sie weiter.

Eine unerträgliche Schwere lag in jenen Momenten auf dieser Terrasse, als ich zahlte und meine Wanderung fortsetzte.

"Daheim wird man wahrscheinlich von einer harmonischen Ehe sprechen", dachte ich mir in jenem Moment.

Harmonie ist, wenn man trotzdem lacht.
Nein, zum Lachen ist Deine Geschichte nicht, aber ich denke, solche Paare sitzen täglich auf tausendundeiner Terrasse und schweigen sich ihre Zweisamkeit zusammen.
Gemeinsam schweigen ist wunderschön. Aber aneinander vorbeischweigen ist tödlich.
Gut beobachtetes Bild gut umgesetzt, anbas!
Liebe Grüße, Burana

Danke Burana,
hab's vor Jahren so erlebt und gleich aufgeschrieben. Jetzt habe ich den Text wieder hervorgeholt und überarbeitet - das Bild der beiden und das Gefühl, das ich damals hatte, waren gleich wieder da.
Liebe Grüße
Andreas

Was für eine grauenvolle Szene, anbas! Ich werde wohl nie verstehen, wie man jahrelang zusammen bleiben kann, obwohl man sich nichts mehr zu sagen hat, - dennoch weiß ich, dass es solche "Verbindungen" (Ich scheue mich hier den Begriff "Beziehung" zu verwenden...) gibt.

Dein Text hat mich tief berührt und sehr traurig gemacht.

Liebe Grüße von no-name.