Das müde Schaf

Ikarus

Mitglied
Das müde Schaf

Es war einmal ein müdes Schaf,
Das pflegte den Jahrhundertschlaf.
Es war fast zu beneiden –
Die andern mussten weiden.

Kein Kleeblatt hatt’s im angetan,
Kein Ampfer und kein Löwenzahn.
Wie schlimm, es hatt' vergessen –
Vor lauter Schlaf zu fressen.

Es trotzte jedem Herbstorkan,
Durch Lüfte flogen Huhn und Hahn.
Ja, vieles weitere purzelt –
`s Schaf war wie verwurzelt.

Drauf kam die raue Winterzeit,
Es wurde völlig eingeschneit.
Mein Gott, jetzt hielt das Schaf
Auch noch den Winterschlaf.

Es schlief und schlief, jahrein, jahraus,
Die Haare wuchsen lang und kraus,
Bis über beide Ohren –
Dann wurde es geschoren.

Das alte Schaf war nackt wie nie,
Wenn’s friert, so alle dachten sie,
Wird’s endlich wach und heiter –
Doch falsch, es schnarchte weiter.

Der Schäfer bat aus diesem Grund,
Sein Wuffchen, einen Schäferhund,
Das müde Schaf zu stellen –
Es tüchtig anzubellen.

Er kläffte, knurrte hundsgenau:
„Wach auf! Wuffwuff!
Wach auf! Wauwau!“
Dazwischen ging der Schäfer –
Komm’ lass den Dauerschläfer!

Er gab dem Metzger jetzt Bescheid
Und sprach mit `ner Endgültigkeit:
„Das riecht hier nach Komplott –
Da hilft nur das Schaf-ott!“

Es war einmal ein altes Schaf,
Das pflegte den Jahrhundertschlaf,
`s war richtig zu bedauern –
Die andern mussten trauern.
 
K

Klopfstock

Gast
Hallo, Ikarus,

finde Dein "müdes Schaf" sehr interessant
und anregend, gerade weil es sich meines Erachtens auf
Anhieb einer eindeutigen Interpretation entzieht.
So schwanke ich selber, ob es Dir um die sinnbildliche
Darstellung einer "philosophisch fundierten Lebensverneinung
an sich" ging, oder, da Du Deinen Beitrag unter "Humor und
Satire" eingetragen hast, ob es sich um eine Satire eines
allzu großen Phlegmas handelt. Vielleicht kannst Du noch
etwas dazu sagen?
Der Aspekt der "konsequenten Verweigerung" oder "Ignoranz"
in Deinem Werk ist -wie immer er auch gemeint sein mag-
sehr vieldeutig und gerade deshalb für den Leser so lohnens-
wert.
Mit schönen Grüßen von
 

Ikarus

Mitglied
Hallo Klopfstock,

mein Schaf finde ich auch interessant. Hat aber mit Lebens-
verneinung nichts zu tun. Es ist humorisch zu sehen, ohne
Happy End. Irgendwie passt es schon auf
Taugenichtse und Tagesdiebe oder Phlegmas, die es schwer
haben werden zu etwas zu bringen. Die Idee zur
Geschichte kam, als ich ein Schaf unweit von hier auf
der Wiese liegen sah. Sofort hatte ich die ersten Zeilen
im Kopf, der Schluss war natürlich unklar.
Dachte mir es sterben zu lassen, weil Schafe des Fleisches
wegen auch geschlachtet werden. Alles real. Das es schläft ist wohl eher eine Erfindung von mir.
Es gibt eine Bildergeschichte davon. Die hat mein Freund
und Illustrator gefertigt.

Grüße
Ikarus
 
K

Klopfstock

Gast
Antwort auf Antwort

Hallo, Ikarus,

vielen Dank für Deine Aufklärung! Wie schon gesagt,
ein sehr interessanter Beitrag.

Nochmals viele Grüße von
 

Haget

Mitglied
MoinMoin Ikarus
Und hat's auch keinen Hintersinn,
steckt trotzdem für mich Sinn darin
und - wie vieles auf der Welt -
gehört's zu dem was mir gefällt!

Liebe Grüße: Hans-Georg
 

Ikarus

Mitglied
Hallo ihr beiden,

freut mich sehr, dass mein müdes Schaf bei euch angekommen
ist. Die Grammatikfehler habe ich im Original bereits
berichtigt. Vielen Dank dafür.

Bis demnächst.

Ikarus
 



 
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