Das süße Leben nach dem Tod

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Catweazle

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Das süße Leben nach dem Tod

Aus dem Wall-Street Journal:

"... ist der bekannte Banker Samuel "Sammy" Black während seines Aufenthaltes auf Haiti ums Leben gekommen. Black war in den vergangen Wochen in die Schlagzeilen geraten, weil das ihm anvertraute Vermögen in der Finanzkrise komplett vernichtet wurde. Ihn hätten bei seiner Rückkehr ein Prozess wegen Betrugs und Untreue erwartet. Zu seinen Opfern zählen Prominente sowie öffentliche Einrichtungen und staatliche Gelder auch aus der dritten Welt... "

Bumm.
Stille.
Bumm.
Totenstille.
Bumm.
Langsam kehrte sein Bewusstsein zurück.
Bumm.
"Sterben ist wie einschlafen", dachte Sammy.
Bumm.
War das sein Herz?
Bumm.
So langsam?
Er spürte den bitteren Geschmack auf der Zunge.
Alles war dunkel. Er schluckte.
Bumm.
Plötzlich begann sein Herz zu rasen. Rauschend stürzten die Geräusche der Umwelt auf ihn ein. Mit einem Schrei zog Sammy Luft tief in seine Lungen und japste.
Erst jetzt begriff er, dass er nicht geatmet hatte. Die Dunkelheit wich langsam der Dämmerung, und mit ihr kam das wunderbare Gefühl des Erfolgs.

Leicht legte sich eine weiche Hand auf seinen Bauch. Dann auf seine Stirn.
Er beruhige sich. Als er in die Augen des Alten blickte, wusste er, dass er es geschafft hatte. Er war gestorben und wieder auferstanden.
Niemand würde ihn mehr suchen. Er war frei! Sammy streckte sich, doch der Schamane drückte ihn auf die Bank zurück.

"Ruhig, mein Freund. Bleib noch liegen."
Sammy entspannte sich. In der Hütte roch es süßlich nach fremden Früchten und exotischen Gewürzen. Von draußen drang mit dem ersten Tageslicht das Pfeifen und Schreien der Vögel durch die Ritzen der einfach erbauten Behausung.
„Mein ganzes Leben hat sich nur ums Geld gedreht“, dachte er. Selbst der Tod war nicht umsonst. Schließlich hatte er dem Schamanen einen dicken Batzen Dollarnoten in die Hand gedrückt, damit er ihm die Droge verabreichte, die ihn sterben lies.
Und vor allem, damit er ihn nach der Beerdigung zurückholte.
Der Voodoo-Priester hatte ihn nicht einmal nach seinem Namen gefragt. Nur genickt, als er ihm den Vorschlag gemacht hatte.
Sammy würde nie mehr arbeiten müssen. Mit dem Geld, das er auf Seite geschafft hatte, würde er sich nun ein neues Leben kaufen. Und vielleicht endlich etwas Sinnvolles mit seiner Zeit anfangen.
Er fühlte sich nicht schuldig. Die ganzen Idioten hatten ihm das Geld hinterher geworfen und nicht mehr darauf geachtet, was um sie herum geschah. Sie alle wollten nur noch mehr Geld, Geld, Geld. Zinsen, Gewinne, Dividenden. Jetzt hatte sie alles verloren. Und er hatte gewonnen.

"Bleib liegen", wiederholte der Priester.
In der kleinen, düsteren Hütte sah Sammy den Schamanen an. Ein kleiner Mann, mit brauner, runzeliger Haut und gütigen Augen. Seine Hände waren weich und warm. Er sah gar nicht aus, wie Sammy sich einen Voodoo-Priester vorgestellt hatte, sondern war einfach nur ein alter Mann, in kurzem Hemd, Jeanshose und Sandalen.
"Trink das."
Der Alte setzte einen hölzernen Becher an Sammys Lippen.
Er spürte die Tropfen auf seinen Lippen. Er brauchte gar nicht schlucken, denn die Flüssigkeit sickerte direkt in seine Schleimhäute. Der Schamane kam ganz nahe und flüsterte in sein Ohr.
"Ich weiß, wer Du bist."
Sammy hustete, versuchte etwas zu sagen, doch sein Hals war von dem Saft betäubt. Er krächzte nur.
Der Priester fuhr fort.
"Das Geld des ganzen Dorfes, habe ich bei Deiner Bank angelegt gehabt. Damit es sicher sei. Es sollte eine Schule davon gebaut werden."
Sammy wollte aufstehen. Doch der Schamane hielt ihn mühelos auf dem Bett.
"Aber jetzt bist Du ja da", lächelte er. "Ich wusste, dass Du kommen würdest, um Deine Schuld abzuzahlen."
Sammys Hand tastete nach dem Geld in der Hosentasche.
"Aber nicht mit dem wertlosen Papier", erahnte der Alte Sammys Gedanken.
"Du wirst uns helfen und auf der Plantage arbeiten. Von Morgens bis Abends. Jeden Tag in deinem neuen Leben.
Sammy versuchte sich aufzubäumen, doch er spürte, wie das Gift auf seinen Lippen langsam wirkte, wie es sich in seine Nerven fraß und sein Bewusstsein trübte. Er fühlte, wie seine Bewegungen gegen seinen Willen erlahmten.
"Hab keine Angst." Der Schamane tätschelte sanft seine Hand.
"Du wist nichts spüren. Nie mehr. "
Dann gab Sammys Körper auf, sein Geist flachte ab und trübte sich. Seine Augen blickten stumpf.
"Steh auf", sagte der Priester und klatschte in die Hände.
Sammy stand auf, und folgte dem kleinen Mann langsam auf die Felder.
 

Wipfel

Mitglied
Hi Catweazle,

gibt es das? Staatliche Gelder als Opfer neben realen Personen? Scheint mir nicht so gelungen, diese Raffung. Und was ist die dritte Welt? Meinst Du Afrika - und wenn ja etwa Maroko? Oder Asien - und wenn ja, etwa Bangladesch? Oder?

Das ist eben das Schwierige: aktuelle Ereignisse so zu beschreiben, dass nicht gleich alle Klisches mitbedient werden. Verstehst Du mich? Die nachfolgende Umsetzung ist zumindest ideenreich, mal abgesehen davon, dass das Gebumme nun auch schon hundertmal beschrieben wurde.

Der Schluss? Ach, hat der Banker nicht arbeiten müssen? Frage mal einen, wie deren Arbeitstag so aussieht...

Grüße von wipfel
 
S

suzah

Gast
hallo Catweazle,

du warst wahrscheinlich nie in haiti und hast dich nicht über die aktuelle situation dort informiert.

"Das Geld des ganzen Dorfes, habe ich bei Deiner Bank angelegt gehabt."
sehr unwahrscheinlich.

"Du wirst uns helfen und auf der Plantage arbeiten."
noch unwahrscheinlicher.

zwar könnte er als sog. "zombie" nach dem willen des priesters losgeschickt werden, aber der würde ihn wohl kaum zur feldarbeit schicken und auch nicht auf eine plantage, die wahrscheinlich noch von "weißen" gemanaged wird.
er würde vielmehr das (zum überleben dringend benötigte) geld aus sammys tasche nehmen.

"Sammys Hand tastete nach dem Geld in der Hosentasche.

liebe grüße suzah
 

Catweazle

Mitglied
Hallo zusammen,

erstmal danke fürs lesen. Bin selbst nicht so ganz glücklich mit dem Text gewesen... ihr habt mir jetzt schonmal die Schwachstellen gezeigt.

@Wipfel: Ich sage ja nicht, dass der Banker bisher nicht gearbeitet hat. Außerdem kenne ich die Sparte selbst gut genug aus eigener Erfahrung. Vielmehr sollte in ihm, wenn schon nicht Reue über die veruntreuten Millionen, doch die Sehnsucht nach einem Sinn im Leben entstehen... jedenfalls hatte ich mir das so vorgestellt. Der Verweis der staatlichen Gelder sollte einen Hinweis auf die verlorengegangenen Gelder aus Haiti o.ä. aufzeigen. Es ist nun mal so, dass nicht nur Privatleute ihr Vermögen verloren haben im Finanzcrash

@Suzah: Nein, informiert habe ich mich nur darüber, wie man in Haitis Zombies macht. :)
Nicht über die sonstige Situation. Da war ich wohl zu klischeebehaftet.

Bis dann

Catweazle
 



 
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