Das weihnachtliche Hauskonzert

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Inge Anna

Mitglied
Das weihnachtliche Hauskonzert

Es hatte hohen Stellenwert,
das weihnachtliche Hauskonzert,
und wie es war bei uns vor Jahren,
erzähl' ich gern, ihr sollt's erfahren.

Am Weihnachtsabend gegen sieben
erschien die Heerschar uns'rer Lieben;
Papa holte Wein und Bier,
Opa schwang sich ans Klavier.

Das edle Erbstück hatte Stil,
Opa legte viel Gefühl
in die zum Fest entstaubten Tasten:
Dem Holzwurm wurde flau im Kasten.

Die erste Geige spielte keiner
so meisterhaft wie Onkel Heiner;
seine Gattin Rosmarie
sank vor Ehrfurcht in die Knie.

Es gab die zweite Violine,
bedient von Mamas Großkusine;
Josefa marterte die Geig'
als knete sie 'nen Kuchenteig.

Onkel Alwin strich das Cello,
im Hausflur jaulten Rex und Bello;
Weihnachtsfreude stieg empor:
macht hoch die Tür' und weit das Tor!

Auch einer Flöte schrilles Schrei'n
huldigte dem Christkindlein;
Tante Alma blies und blies,
bis ihr Haarteil sie verließ.

Der Kinderchor der Enkelschar
fand Oma einfach wunderbar;
beim "Stille Nacht" vergoss sie Tränen;
Ida musste ständig gähnen.

Sauertöpfisch saß sie da,
die jüngste Schwester von Mama;
Parfümduft, der uns fast erschlug,
entstieg dem Wollkleid, das sie trug.

Onkel Karl blies auf dem Kamm,
das passte zwar nicht ins Programm;
doch hatten alle bei ihm Schulden,
so musste man dies schweigend dulden.

Omas Bruder Theodor
trug selbstverfasste Verse vor;
wir Kinder kicherten dann meist,
ob so viel Hirn und noch mehr Geist.

Zur Stärkung gab es Mandelschnitten,
keiner ließ sich lange bitten;
und bei Gebäck im Kerzenschein
blieb brav auch Emmas Gallenstein.

Musiziert ward bis um zehn,
doch dachte niemand schon ans Geh'n;
im Gegenteil, man saß gemütlich,
tat sich an Lachs und Schinken gütlich.

Sie schmatzten sich durch Zeit und Raum;
es roch nicht mehr nach Tannenbaum;
Zwiebeln, Tabaksqualm und Fisch
sorgten für ein gut Gemisch.

Gegen zwölf zogen sie ab,
vom Essen und vom Trinken schlapp.
Ich wagte mich ins Traumland vor,
den Klang der Hausmusik im Ohr.

Es hatte hohen Stellenwert,
das weihnachtliche Hauskonzert.
Die Lieben gingen zu den Sternen;
doch durftet ihr sie kennenlernen.​
 

Herr Müller

Mitglied
Hallo Inge Anna

Die Geschichte ist zwar lang, bleibt aber spannend bis zur letzten Zeile. Tolle Familie, tolles Gedicht.

Herzlichst Herr Müller
 

Inge Anna

Mitglied
Hauskonzert

Guten Abend Herr Müller,
freut mich, dass Dir die lange Geschichte nicht langweilig geworden ist. Einen schönen Abend noch und liebe Grüße aus dem vorweihnachtlichen Saarland
Inge Anna
 

Udogi-Sela

Mitglied
Ich höre es förmlich Klimpern, Fidel-kratzen und Block-pfeifen, garniert mit dem Tröten auf dem Kamm.
Dein Gedicht könnte gut auf jeder Adventsfeier zur allgemeinen Auflockerung vorgetragen werden.

„macht hoch die Tür' und weit das Tor!“ damit Rex und Bello fliehen können.

Doch tiefste Erkenntnis liegt in „doch hatten alle bei ihm Schulden, so musste man dies schweigend dulden.“

Wieder mal wie im richtigen Leben!

Herzlichst
Udo
 
K

Klopfstock

Gast
die bucklige Verwandtschaft......

Liebe Inge Anna,
Du verstehst es meisterlich, die Macken und Besonderheiten
Deiner (oder einer erfundenen) Verwandtschaft darzustellen, daß man mitgeht, mitleidet, mitlacht, als gehörte man einfach dazu und jeder der hier vorgestellten
Persönlichkeiten kommt einem irgendwie bekannt vor -
wahrscheinlich weil sich die bucklige Verwandtschaft
auf der ganzen Welt gleicht ;)
Verschiedene Konstelationen ja, aber letztendlich
alles doch irgendwie bekannt und schon erlebt - und das ist ja dast Tolle daran, daß man sich trotz dessen immer wieder daran weiden kann und seine Freude an Deinen Gedichten hat;)
Zu solchen Gedichten paßt ja der Reim auch wunderbar -
dadurch kriegt jedes Person einen zusätzlichen Pfiff, der ihre Besonderheiten und Macken noch unterstreicht.

Ja, ich kann nur sagen, mach weiter so und erfreue uns
mit Deinen heiteren und liebenswürdigen Werken ;)

In diesem Sinne
wünsche ich Dir weitere Inspirationen
und einen schönen Abend.

Liebe Grüße
von Klopfstock, alias Irene :)
 

Inge Anna

Mitglied
Zeiten waren das...

Hallo Udo,
ja, da war was los... Ich danke Dir herzlich für Deine lobenden Antwortzeilen.
Liebe Abendgrüße kommen von
Inge Anna
 

Inge Anna

Mitglied
ja, die "liebe" Verwandtschaft"

Liebe Irene,
halb Wahrheit - halb erfunden. Hausmusik wurde gehegt und gepflegt; doch bei den Schrullen der buckligen Verwandtschaft ließ ich mitunter doch sehr die Kerzen flackern. Dein Lob tut mir gut und spornt mich zu neuen Taten (Un) an.
Ganz herzliche Abendgrüße schickt Dir
Inge Anna
 

Vera-Lena

Mitglied
schmatzen

Liebe Inge Anna,

"sie schmatzten sich durch Zeit und Raum", das täten sie sicher heute noch, wenn sie könnten. Was man da alles an Geräuschen und Gerüchen mitbekommt in Deinem Gedicht, das pralle Leben. Ja, ohne Fernseher und CD-Player, mußten sich die Menschen noch selbst produzieren, wenn sie ihren kulturellen Rahmen für das Fest haben wollten, eigentlich ist es doch schade, dass es das nicht mehr gibt, denn wie Du uns beweist, bleibt es unvergesslich.
Viel Freude hatte ich bem Lesen. Danke.:)

Liebe Grüsse Vera-Lena
 

Inge Anna

Mitglied
Ja - damals

Guten Abend liebe Vera-Lena,
ja, heute kommt das weihnachtliche Konzert von der CD - Klangperfektion. Ach, dass sie doch alle wiederkämen, die "Musikgenies" mit ihren Marotten und allerliebsten Schwächen. Ich will jetzt noch ein Weilchen (bei Musik) von Vergangenem träumen.
Dir noch einen angenehmen Abend und liebe Grüße von
Inge Anna
 

Wittgenstein

Mitglied
Hallo Inge Anna,

wirklich ein gelungenes Gedicht.
Absoluter Höhepunkt (wobei damit das übrige Gedicht nicht abgewertet werden soll) und ein echter Knaller ist der Passus:

"Doch hatten alle bei ihm Schulden,
so musste man dies schweigend dulden."

Fetten Applaus zollt
Wittgenstein
 

Inge Anna

Mitglied
Ja, da drückte man ein Auge zu...

Hallo Wittgenstein,
vielen Dank für den fetten Applaus - gibt neue Schwungkraft.
Lieben Gruß schickt
Inge Anna
 



 
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