David von Michelangelo

hermannknehr

Mitglied
David von Michelangelo

Die Lässigkeit mit Kraft vereint,
mit der er auf ein Bein gestützt
den Gegner zu erwarten scheint,
zeigt Männlichkeit und Selbstvertrauen,

den Zweikampf für sich zu entscheiden,
auf seine Schnelligkeit zu bauen
und einen Nahkampf zu vermeiden,
wozu ihm seine Schleuder nützt.

Als ob er einen Laut vernimmt,
steht er mit abwesenden Blick,
als fühlte er, dass sein Geschick

sich hier erfüllen wird, die Schwelle
zum Mann erreicht ist an der Stelle,
die ihm sein Gott hier vorbestimmt.
 

Tula

Mitglied
Hallo Hermann

auch wenn es gut durchgereimt ist, ich denke, das Gedicht sinniert eher über den Hintergrund (Geschichte David's), als über das "Kunstwerk als Kunstwerk" (siehe Titel).

Nicht, dass ich ein Rilke-Kenner bin, aber ich erinnerte mich hier ... da war doch auch eins im Buch ... und fand es: "Archäischer Torso Apollos".
Natürlich schreiben wir nicht wie dieser, aber so mal aus Prinzip, einfach mal im Ansatz vergleichen ...

So gesehen finde ich das Gedicht nicht so gelungen, d.h. der Autor hat sich hier inhaltlich vielleicht doch etwas übernommen (?). Ist sicher auch ein sehr schweres Thema.

LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Jüngling

Nein, Tula, das finde ich nicht. Uns Hermann konzentriert sich immer auf den ästhetischen Reiz des Kunstwerks, versucht den in Worten zu treffen - und es gelingt ihm in der Regel sehr sehr gut. Er ist darauf spezialisiert.

Ich sehe eher einen interessanten Reflexions-Reflex darin, daß der David Michelangelos ein Junge ist und bleibt, ein nackter Minderjähriger, zur Lust für Erotomanen.

Warum auch nicht.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
eigentlich schaut er in die Ferne, über den Betrachter hinweg

Lieber Hermann!

steht er mit (abwesende[red]n[/red]) [blue]abwesendem [/blue]Blick,
Außer dem flüchtigen Schreibfehler gibt es auch ein Problem mit der Metrik: "abweséndem" hat im metrischen Zusammenhang Deines Verses diese unglückliche Betonung auf der vorletzten Silbe (zusätzlich zur passenden Hauptbetonung auf der ersten).

grusz, hansz
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Tula,
ob man sich bei der lyrischen Bearbeitung eines Kunstwerkes nur auf den Marmorkörper, oder auch auf den geschichtlichen Hintergrund beziehen soll, kann oder darf, muss wohl jeder selbst entscheiden. Dass Rilke sog. "Ding"-Gedichte geschrieben hat, ist bekannt. Mich damit zu vergleichen, steht mir fern.
Danke fürs Reinlesen
Hermann
 

hermannknehr

Mitglied
Lieber Mondnein,
vielen Dank für Deinen wohlwollenden Kommentar. Ja, die Metrik und die Silbenbetonungen! Was habe ich schon Prügel bezogen von Bernd. Walther, HerbertH etc. deswegen. Aber ich kann nicht anders. Die 2.Zeile des 1. Terzettes ist in meinen Augen gelungen. Es lockert den gesamten Rhythmus des Gedichtes auf. Vielleicht eine Marotte von mir. Sorry.
LG
Hermann
 

Herr H.

Mitglied
Lieber Hermann,

dein "David" hat mich dazu veranlasst, einen früheren Versuch von mir zum selben Thema wieder auszugraben. Deine Interpretation, die einen etwas anderen Akzent setzt, gefällt mir sehr. In S3Z2 muss es wohl "abwesendem" heißen.

LG
Arnd
 

hermannknehr

Mitglied
David von Michelangelo

Die Lässigkeit mit Kraft vereint,
mit der er auf ein Bein gestützt
den Gegner zu erwarten scheint,
zeigt Männlichkeit und Selbstvertrauen,

den Zweikampf für sich zu entscheiden,
auf seine Schnelligkeit zu bauen
und einen Nahkampf zu vermeiden,
wozu ihm seine Schleuder nützt.

Als ob er einen Laut vernimmt,
steht er mit abwesendem Blick,
als fühlte er, dass sein Geschick

sich hier erfüllen wird, die Schwelle
zum Mann erreicht ist an der Stelle,
die ihm sein Gott hier vorbestimmt.
 



 
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