Dein Fenster (überarbeitet)

Sunny

Mitglied
Dein Fenster

Es ist so kalt. Alles ist so kalt. Von der Heizung erreicht mich warme Luft, und trotzdem friere ich.
Nichts und niemand wird diese Kälte je wieder von mir nehmen können.
Ich sitze allein auf der Fensterbank in meinem Zimmer und sehe dem Regen zu, der auf das Dach des gegenüberliegenden Gebäudes prasselt.
Die Welt da draußen ist grau und trostlos. Die Welt in mir ist noch sehr viel dunkler.
Mein Blick wandert an der Häuserfront hinab und bleibt an einem Fenster hängen. An Deinem Fenster. Das tue ich nun schon seit Wochen an jedem verdammten, einsamen Abend. Immer wieder. Ich sitze hier und hoffe, daß ganz plötzlich das Licht angeht und Du hinter der verregneten Scheibe sichtbar wirst. Mir vielleicht leise zuwinkst. Lächelst. Die Entfernung ist zu groß, um das sehen zu können, doch ich wußte immer, wenn Du gelächelt hast.
Doch natürlich geht das Licht nicht an. Dein vertrauter Umriß erscheint nicht hinter diesem Fenster. Würde nie wieder dort zu sehen sein. Alles bleibt still und dunkel. So dunkel und kalt wie die Leere in meinem Herzen.
Ich reiße meinen Blick los. Drehe mich um und versuche, die Gedanken und Gefühle, die Bilder in mir, zu verdrängen. Doch es hat keinen Sinn. Viel zu groß ist der Schmerz.
Was ich auch tue, immer wieder sehe ich Dein Bild vor mir. Deine dunkelblonden Haare, die schönen, strahlenden blauen Augen, Deine wunderbaren Lippen.
Du sahst gut aus, so verdammt gut.
Abends tut es am meisten weh. Tagsüber habe ich gelernt, es zu kontrollieren. wenigstens ein wenig. Doch wenn ich im Dämmerlicht am Fenster sitze und in die Dunkelheit Deines Fensters starre, kommen die Bilder wieder. Die Bilder und Nachts der eine Traum. In jeder Nacht schrecke ich hoch, weil dieser eine schreckliche Traum mich wieder gefunden hat.

Ich sehe uns beide in Deinem Auto sitzen. Wir waren im Kino und nun reden wir über den Film. Es sollte unser letztes Gespräch sein. Du wolltest mich nach Hause fahren, und dort wollten wir uns noch ein wenig draußen hinsetzen und reden. Habe ich Dir damals eigentlich je gesagt, wie wichtig mir Deine Gegenwart war?
Doch dazu kam es nicht mehr. Denn ER kam, um alles zu zerstören. Der betrunkene Autofahrer, auf der falschen Straßenseite und ohne Licht. Er, der meinen Traum zerstörte und mir nun diesen furchtbaren neuen bescherte.
Wir sahen ihn zu spät, er sah wahrscheinlich gar nichts mehr. Quietschen von Bremsen, ein Schrei, der aus meinem Mund kam, sich aber nicht nach mir anhörte, und ein dumpfer Schlag. Dann lange Zeit nur noch Dunkelheit und Stille.
Viele Stunden später erwachte ich dann in einem Krankenbett unter gleißender Deckenbeleuchtung, die mir in den Augen brannte.
Mein erster Blick ging an den Rand meines Bettes. Meine Mutter saß dort. Und sie weinte.
"Oh nein!", flüsterte ich, als nach einigen Minuten endlich wieder klar denken konnte.
'Sie weint wegen Ihm!', schoß mir die Erkenntnis durch den Kopf.
"Wo ist er? Wo? Was ist mit ihm?", fragte ich meine Mutter.
Sie sagte nichts, nahm mich einfach nur in den Arm, und da wußte ich es.
Nach einer Weile erzählte sie mir dann die ganze Geschichte. Du hättest keine Chance gehabt. Warst schon tot, als der Krankenwagen an der Unfallstelle ankam.
Ich wollte es nicht glauben. KONNTE es nicht glauben!
Ich schloß die Augen und war überhaupt nicht mehr ansprechbar. Für mehr als eine Woche nicht.
Es tat so weh und es tut heute noch genauso weh.
Nicht die Schrammen, Prellungen und Brüche, nein. Es tat weh, weil Du nicht mehr bei mir warst.
Ich habe bei Deiner Beerdigung nicht geweint. Ich konnte es einfach nicht! Ich schwankte die ganze Zeit zwischen Wut, Schuldgefühlen und abgrundtiefer Traurigkeit hin und her. Meine Gedanken wirbelten planlos und schmerzhaft durch meinen Kopf.
Warum nur mußtes Du mich ins Kino einladen? Hätten wir nicht woanders hingehen können? Wäre dann alles anders gekommen?
Doch es macht keinen Sinn mehr, darüber nachzudenken. Das Vergangene ist unabänderlich. Du bist gegangen und ich stehe an deinem Grab und kann nicht um dich weinen.
Ich kann mich nicht mehr an viel von dem erinnern, was in den nächsten Wochen passierte. Und es war mir auch egal.

Und nun sitze ich hier auf der Fensterbank, Kälte umgibt mich. Trostlosigkeit. Trauer.
Ich kann nun endlich um Dich weinen. Und ich kann auch endlich wieder denken.
Wie gern würde ich jetzt in Deine augen schauen, mich wie damals darin verlieren. deine warme Hand spüren, die mir zärtlich sagt, daß Du mich liebst. Doch das ist alles vorbei, und mein Leben ist ohne dich sinnlos geworden. Ich kann nicht ohne Dich leben. Das weiß ich nun.
Ich gehe nach unten in die Küche und hänge meinen Abschiedsbrief an die Kühlschranktür.
Er ist schon drei Tage alt. In ihm steht, daß ich sie alle immer lieben werde, daß sie nicht traurig sein sollen, und daß ich einfach nicht ohne Dich leben kann.
Ich nehme ein Messer aus dem Schrank und gehe wieder nach oben. Setze mich wieder auf die Fensterbank.
Ein Lächeln umspielt meine Mundwinkel. Das erste seit dem Unfall.
Ich sehe hinüber zu deinem Fenster und spüre, wie das Messer wie von selbst meinen Arm entlangwandert. Ich spüre das Blut an meinem Hangelenk hinabfließen.
Keine Schmerzen. Nur ein Gefühl, das richtige zu tun.
Drüben in Deinem Zimmer geht das Licht an. Du kommst ans Fenster. Panik durchflutet meinen Körper.
Doch nein, es ist nur Deine Mutter. Sie hat mich gesehen und ich winke ihr zu.
Dann schließe ich meine Augen. Und mit einem letzten Lächeln auf den Lippen mache ich mich auf den weg zu Dir....







die is eine überarbeitete verision von das fenster (von mir und forrest)
 

hopeless-1

Mitglied
Wow!!!!!

ich hab ja, die erste version nicht gelesen, aber ich finde diese einfach klasse!!!!
sie ist spannend und mitreissend. mir kamen fast die tränen, sehr gelungen muss ich sagen.
besonders toll fand ich, wie du es geschafft hast das gefühl der einsamkeit und des ewigen schmerzen rüber zu bringen.
ich hatte mich auch schon an dem thema versucht, aber das gelang mir nicht so gut.

Gruß hopeless-1
 

Sunny

Mitglied
also erstma vielen dank für des große lob!
aber ich habe die geschichte mit einem
sehr guten freund zusammen geschrieben, ich denke
aber des er sich auch freuen wird *g*
vielen dank
 



 
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